Rocky Beach Crimes. Tödliche Törtchen - Kari Erlhoff - E-Book
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Rocky Beach Crimes. Tödliche Törtchen E-Book

Kari Erlhoff

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Beschreibung

Rocky Beach Crimes: Jetzt werden die beliebtesten Nebenfiguren selbst zu Detektiven. Ein Wohlfühlkrimi mit Charme und einer extra Portion Lokalkolorit aus Rocky Beach. Kaum weilen die drei ??? einmal nicht im schönen Rocky Beach, schon geschehen dort heikle Verbrechen. Beim Backwettbewerb erleidet Jury-Mitglied Gregory Weston einen Herzinfarkt. Der berühmte Schauspieler sackt ausgerechnet über Tante Mathildas Kirschkuchen in sich zusammen. Das kann Mathilda nicht auf sich sitzen lassen. Beherzt und ohne jegliche Scheu macht sich Justus' Tante auf die Suche nach der Wahrheit.

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Titel

Rocky Beach Crimes.Tödliche Törtchen

Tante Mathilda ermittelt

Kari Erlhoff

KOSMOS

Impressum

Alle Angaben in diesem Buch erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Sorgfalt bei der Umsetzung ist indes dennoch geboten. Verlag und Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die aus der Anwendung der vorgestellten Materialien und Methoden entstehen könnten. Dabei müssen geltende rechtliche Bestimmungen und Vorschriften berücksichtigt und eingehalten werden.

Distanzierungserklärung

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Umschlagsabbildung: © Motive von iStock / Getty Images Plus

© 2023, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan

Based on characters by Robert Arthur

ISBN 978-3-440-50713-1

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

PrologKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Epilog

PROLOG

Dieses Provinznest würde ihn noch umbringen! Greg Weston zog hektisch an seiner Zigarette – das »Rauchen verboten!«-Schild geflissentlich ignorierend. Er stand auf dem Balkon seines Hotelzimmers und blickte über den blauen Pazifik. Hohe Palmen säumten die Strandpromenade; kleine weiße Häuser kuschelten sich aneinander, als wären sie besonders harmoniebedürftig.

Greg Weston paffte Rauchwölkchen in die Luft und stöhnte. Hollywood lag nur ein paar Kilometer entfernt, doch der flimmernde Glanz der Filmwelt konnte nicht unerreichbarer sein. Vor seinem inneren Auge sah er die Blitzlichter der Fotografen, rote Teppiche, Hotelsuiten und rauschende Feste. Er hatte dafür gelebt, Oscar-Preisträger zu werden, ein legendärer Filmstar, eine Ikone in der Welt der Schönen und Reichen.

Doch jetzt war er hier, mitten in der Provinz und sollte die Torten von irgendwelchen Hausfrauen bewerten. Es war eine Schande, vergeudetes Talent! Diese Postkartenidylle mochte etwas für ausgebrannte Manager sein, oder für anspruchslose Familien, denen ein paar Sandkörner am Meer und eine Frittenbude ausreichten.

Rocky Beach, so hieß der Tiefpunkt seiner Karriere.

Ein Gefühl der Beklemmung überkam ihn. Die Zigarette fiel auf den Boden des Balkons und glimmte auf wie ein böses, rotes Auge. Er schnappte nach Luft und griff sich mit zitternden Fingern an die Brust. Sein Herz klopfte spürbar. Er brauchte das Nitrospray! Aber seine nervösen Hände wollten ihm nicht richtig gehorchen. Aus der Beklemmung wurde Angst.

Endlich schaffte er es, das Medikament aus der Tasche seines Jacketts zu ziehen. Er zwang sich, ruhig zu atmen. Das Spray würde ihm helfen, so wie immer.

Und tatsächlich: Das Herz stolperte noch einmal, dann beruhigte es sich. Weston schloss erleichtert die Augen.

Die Zigarette war ein Fehler gewesen. Helena würde ihm gleich die Hölle heißmachen. In diesem Punkt war seine sonst so sanftmütige Frau ein regelrechter Drachen. Aber er konnte diese schrecklichen Veranstaltungen nicht ohne Hilfsmittel durchstehen. Andere Stars nahmen illegale Drogen. Er gönnte sich lediglich mal eine Zigarette und vielleicht noch einen heimlichen Schnaps vor der Show – gewissermaßen als kleine Starthilfe. Es stand ihm zu. Aber nicht einmal das wollte seine Frau ihm gönnen. Sie hatte einfach kein Verständnis für seine geschundene Künstlerseele. Erst gestern hatte sie ihm beim Abendessen mit den Veranstaltern des Backwettbewerbs wegen eines Törtchens zur Rechenschaft gezogen. Als ob ihn etwas Weißmehl und ein kleiner Streifen Speck umbringen würden. Aber Helena war eben eine regelrechte Exorzistin, wenn es um Gesundheit ging. Ihre Dämonen hießen gesättigte Fettsäuren, Salz, Gluten, Geschmacksverstärker, Alkohol, Koffein und Nikotin. Ihr Endgegner war der kristalline Zucker. Bei Werbeauftritten und Veranstaltungen drückte sie notgedrungen ein Auge zu – nur, um ihn kurz danach wieder auf Diät zu setzen, mit Fitnessübungen zu quälen und zum Yoga zu zwingen. Kein Wunder, dass es in ihrer Ehe mal wieder heftig kriselte.

Ein Gutes hatte dieser lächerliche Wettbewerb dann doch: Er würde Torte und schwarzen Kaffee bekommen, mit etwas Glück sogar ein Glas Sekt. Ja, es mochte der absolute Tiefpunkt seiner Karriere sein, aber Greg Weston hatte immerhin einen Plan. In ein paar Monaten schon konnte er in einem Flieger um die Welt jetten. Zwar nicht als Kinostar, aber immerhin als TV-Moderator. Alles war besser als Backwettbewerbe! Zu dumm, dass Richard gestern aufgebrochen war, bevor er mit ihm reden konnte – zu einem Termin mit irgendeinem dahergelaufenen Klienten. Heute würde er das Gespräch nachholen und seinen Agenten beeindrucken. Gleich nach dem Wettbewerb würde er mit ihm ins Hotel fahren und bei einem Steak im Restaurant alles besprechen. Die Rechnung ging dann auf Richard. So viel Strafe musste sein.

Mit einem grimmigen Lächeln kickte er die Überreste der Zigarette unter dem Balkongitter hindurch auf den Parkplatz. Einen Moment lang stutzte er. Stand dort ein Mann im Schatten einer Palme? Greg Weston blinzelte. Nein, da war nichts. Er schüttelte das unangenehme Gefühl ab, beobachtet zu werden. Die Zeit der Paparazzi war lange vorbei. Niemand machte sich mehr die Mühe, ihm aufzulauern.

Eine Möwe segelte im Tiefflug über die parkenden Autos hinweg. Irgendwo spielte jemand Mundharmonika – die Erkennungsmelodie eines Filmklassikers. Die Noten wehten Unheil verkündend zu ihm hinauf und erzählten eine epische Geschichte von heißer Rache und eiskaltem Mord. Eindeutig: »Spiel mir das Lied vom Tod«. Eine seltsame Auswahl für einen Straßenmusiker. Nun, manche pusteten für eine Handvoll Dollar in ein Stück Metall, er biss dafür in Sahnetorten. Zumindest, bis das Geld wieder floss und die Karriere erneut durchstartete.

Greg Weston betrachtete sich einen Augenblick selbst in der Spiegelung der Glastür. Er straffte die Schultern. »Showtime!«

KAPITEL 1

»Irgendetwas stimmt nicht, Titus.« Mathilda Jonas sah angestrengt hinter dem gelben Käfer her. Der alte Wagen fuhr durch das schmiedeeiserne Tor des Gebrauchtwarenhandels. Die Rücklichter leuchteten an der Straße kurz auf, dann gab der Fahrer Gas.

»Es sind Sommerferien«, sagte Titus Jonas. Er schmunzelte unter seinem dichten, schwarzen Schnurrbart. »Die Jungen wollen ein paar Tage ohne Erwachsene zelten. Das bekommen sie schon hin.«

Mathilda Jonas ließ sich nicht so einfach beruhigen. »Justus hat vorhin am Telefon davon gesprochen, dass sie zur Autovermietung Gelbert müssen. Und nun frage ich dich: Wozu braucht man einen Mietwagen, wenn man in den Bergen hinter Los Angeles wandern will?«

»Du kennst doch Justus und seine Freunde.« Onkel Titus schmunzelte noch immer. »Sobald die Schule aus ist, haben sie nur noch ihren Detektivclub im Kopf. Die drei ??? sind nicht glücklich, wenn sie nicht irgendein Geheimnis lüften können.«

»Es klang aber eher so, als hätten sie dieses Mal selbst ein Geheimnis.«

Onkel Titus warf einen Blick auf seine altmodische Taschenuhr. »Deine Zweifel in allen Ehren, liebste Mathilda, aber solltest du nicht auf dem Weg zum Gemeindezentrum sein?«

»Um Himmels willen!«, rief Mathilda Jonas. »Wie konnte ich Rocky Bake und den Wettbewerb vergessen?«

Jedes Jahr organisierte der örtliche Frauenverein der kleinen Stadt eine Kuchenwoche namens Rocky Bake für wohltätige Zwecke. Der Höhepunkt der Festtage war eindeutig der große Backwettbewerb.

Mathilda hatte eingewilligt, ihren allseits beliebten Kirschkuchen einzureichen. Normalerweise machte sich Mathilda nichts aus solchen Veranstaltungen, aber in diesem Fall ging es nicht nur um ihre Ehre als beste Kirschkuchenbäckerin der Westküste. Es ging ihr nicht einmal um das Preisgeld, das dem Schrottplatz sehr gelegen kommen würde – nein, Mathilda brannte darauf, den Schauspieler Greg Weston kennenzulernen.

Vor vielen Jahren war Weston mit dem Kinofilm Der Bäcker von Monaco berühmt geworden. Jetzt hatte er sich bereit erklärt, als Juror beim Backwettbewerb mitzumachen und im Anschluss eine Autogrammstunde zu geben. Natürlich wollten alle den »Bäcker« höchstpersönlich kennenlernen. Nun, fast alle. Mathilda machte sich nichts aus schnulzigen Liebesfilmen. Ihr Herz schlug für Unterhaltung der gruseligen Art. Und kaum einer wusste, dass der blutjunge Weston zum Beginn seiner Karriere als Darsteller in mehreren Horrorfilmen mitgespielt hatte. Jetzt spukte er nur noch zur nächtlichen Sendezeit über den Bildschirm. Mathilda mochte die leicht angestaubten Wiederholungen, in denen Weston als lebende Mumie für Angst und Schrecken sorgte oder eine Stadt als Werwolf heimsuchte. Zu schade, dass Weston sich später auf romantische Komödien spezialisiert hatte. Aber kein Mensch war perfekt. Dafür hatte dieser Tag die Chance, es zu werden. Mathilda würde sich die ausgeblichene Videokassette von Der Werwolf von Venice signieren lassen und mit ihrem Kirschkuchen einen Pokal gewinnen.

Vorher musste sie sich allerdings dringend noch umziehen. Sie konnte schlecht in ihrem alten Kleid und der Schürze zum Wettbewerb fahren. Heute war definitiv einer dieser Tage, an denen das gute Tweedkostüm aus dem Schrank geholt wurde.

Zehn Minuten später hob Mathilda den Kirschkuchen in den Pick-up der Firma T. Jonas. Dort thronte er nun unter einer Kuchenglocke auf dem Beifahrersitz, gleich neben der Video-Hülle.

»Lehre sie das Fürchten!«, sagte Titus und gab seiner Frau einen Schmatzer auf die Wange.

»Ich lehre sie lieber das Schlemmen.« Mathilda lächelte. Dann wurde sie wieder ernst. Ihr Mann musste heute noch zu einer Haushaltsauflösung nach San Luis Obispo. »Der Lastwagen muss noch getankt werden. Und halte dich dieses Mal bitte etwas zurück. Nicht, dass du mir am Ende wieder mit schreienden Uhren und sprechenden Totenköpfen um die Ecke kommst.«

»Bei besonderen Unikaten muss ich einfach zugreifen«, verteidigte sich Titus Jonas. Mathilda verzichtete ausnahmsweise auf einen Kommentar. Sie musste wirklich los. Schon sprang sie auf den Fahrersitz, winkte Titus zu und startete den Motor.

Rumpelnd fuhr sie vom Hof und bog auf die Sunrise Road ab. Der Weg zum großen Gemeindezentrum dauerte keine fünf Minuten. Mit dem Auto waren die Wege in der beschaulichen Kleinstadt nicht weit. Man konnte den Eindruck gewinnen, Rocky Beach sei ein verschlafenes Nest, aber dem war nicht so. Immerhin gab es hier gleich mehrere Wohnviertel und Außenbezirke, die sich von der Küste bis zum Farmland am Fuße der Berge erstreckten. Die kleine Stadt verfügte über ein eigenes Krankenhaus, eine Polizeistation, eine Grundschule, eine Highschool und sogar eine Privatschule für Mädchen. Noch dazu gab es einen Hafen, ein Einkaufszentrum, eine Bücherei, ein Heimatmuseum und einen Botanischen Garten. Mathilda hatte hier alles, was sie brauchte. Genau das machte Rocky Beach für sie zur Weltmetropole, und das sollte ihr mal einer ausreden!

Während der Himmel am Morgen noch von Wolken bedeckt gewesen war und ein leichter Seenebel die Sicht eingeschränkt hatte, strahlte nun die kalifornische Sonne auf den Ort hinab. Nur die Küstenbergkette umgab wie immer ein leichter Dunst.

Mathilda fand es beinahe schade, dass sie auf dem kurzen Weg nicht an der Strandpromenade vorbeikam. Viel zu selten gönnte sie sich einen freien Tag. Aber Mathilda Jonas ging nun einmal in ihrer Arbeit auf. Was getan werden musste, musste getan werden. Egal, ob es darum ging, einen Neffen zu adoptieren, der seine Eltern verloren hatte, Überstunden im Büro zu schieben oder Haus und Hof instand zu halten.

Mathilda parkte den Pick-up vor dem Gemeindehaus – einem weißen Bau im mexikanischen Stil. Neben der Old Hall und dem kleineren Gemeindehaus der Kirche war es vermutlich der wichtigste Veranstaltungsort in Rocky Beach. Mit Sicherheit war es der schönste. Hibiskus-Sträucher säumten den Parkplatz und es gab Rabatten mit bunten Blumen. Als sie den frisch gefegten Plattenweg an den Sträuchern entlanglief, flatterte eine aufgeregte Schar Vögel auf. Kleine, schwarze Körper, die gehetzt das Weite suchten. Mathilda konnte es ihnen nicht verdenken. Es herrschte ein Trubel, den man hier sonst nicht einmal beim Basar erlebte. Eine Traube von Menschen blockierte die Sicht auf den Eingang zum Gemeindehaus, darunter auch Reporter vom Lokalfernsehen.

Mathilda wollte gerade der laufenden Kamera ausweichen, als sich ein junger Mann aus dem Gedränge an der Tür kämpfte. Wie ein Footballspieler preschte er mit nach vorne gebeugtem Oberkörper auf sie zu.

Mathilda hatte keinesfalls vor, überrannt zu werden. Sie versuchte, zur Seite springen, doch da war er schon auf ihrer Höhe und rempelte sie im Vorbeilaufen an.

»Nein!«, entfuhr es ihr, während mehrere Dinge gleichzeitig passierten. Die Kuchenplatte in ihren Händen entwickelte durch den heftigen Schwung ein Eigenleben. Sie geriet ins Trudeln. Die Kuchenglocke segelte – wie in einer grausamen Zeitlupe – durch die Luft und der Kuchen schien ihr folgen zu wollen.

Kirschen aus eigener Ernte, frische Eier, gute Butter und jede Menge Arbeit in Sekunden ruiniert? Nicht mit Mathilda!

Sie machte einen athletischen Ausfallschritt, der einer Zirkusartistin würdig gewesen wäre, und vollführte eine Ausgleichsbewegung mit dem Oberkörper. Ihr linkes Knie knickte ein. Doch Mathilda schaffte es, den Kirschkuchen zu stabilisieren. Das Pochen und Stechen im Knie ignorierte sie tapfer. Sie hatte ihr Werk gerettet. Ein paar Leute klatschten.

Mathilda rappelte sich auf. Über die Schulter warf sie einen Blick auf den jungen Mann, der inzwischen den Parkplatz erreicht hatte und in einen alten Ford stieg. Dieser ungehobelte Geselle sollte ihr noch einmal begegnen! Er konnte von Glück reden, dass der Kirschkuchen seine Unverfrorenheit überlebt hatte.

Ihr Werk fest im Griff, steuerte Mathilda erneut auf den Eingang zu und stürzte sich ins Getümmel. Menschen schoben in alle Richtungen, ein Reporter der Lokalzeitung stieß beim Fotografieren eine Vase mit Blumen um und die Veranstalterin des Wettbewerbs sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Wie sich kurz darauf herausstellte, jedoch vor Glück.

»Mrs Jonas!« Eudora Kretschmer fächelte sich Luft zu. »Ist das nicht großartig? Die Show wird ein gigantisches Medienereignis. Sogar Jenny Collins von Network-TV ist da.«

Mathilda überprüfte die Kuchenplatte. Alle Kirschen waren noch an Ort und Stelle.

»Wir haben aber auch die Crème de la Crème der Juroren«, plapperte Mrs Kretschmer weiter, als ob sie das nicht schon hundert Mal erzählt hätte. »Es ist mir gelungen, echte Weltstars für die Jury zu engagieren.«

Mathilda nickte nur. Es war besser, Eudora Kretschmer in dem Glauben zu lassen, dass sie das Event des Jahrtausends auf die Beine gestellt hatte. Beachtlich war es allerdings schon, was Mrs Kretschmer organisiert hatte. Die Buchhandlung Booksmith warb auf einer Aktionsfläche für Backbücher, die Cheerleader der Highschool verkauften Kuchen für wohltätige Zwecke und der Kaninchenzüchterverein hatte einen riesigen Hasen aus Rührteig und Schokolade gespendet, der jeden vorwurfsvoll anstarrte, der das Gemeindehaus betrat. Hauptsächlich ging es jedoch um den Wettbewerb, der jedes Jahr größer und aufwendiger wurde. So gut wie alle Rocky Beacher kannten den Ablauf, der aus drei Runden bestand: Zum Auftakt wurden Kuchen bewertet. Am Folgetag drehte sich in der zweiten Runde alles um Sahnetorten und beim großen Finale mussten die Teilnehmer der dritten Runde ein Motto umsetzen, bei dem es in erster Linie um die kreative Optik ging. In diesem Jahr lautete es: Mein Rocky Beach.

Zu ihrem großen Stolz war es Mrs Kretschmer dieses Mal gelungen, einen wichtigen Sponsor ins Boot zu holen und somit neue Maßstäbe zu setzen. Es blieb zu hoffen, dass sie sich damit nicht übernommen hatte.

Mathilda staunte jedenfalls nicht schlecht. Frei nach dem Motto »Mehr ist nicht genug« hatte sich das Team von Mrs Kretschmer bei der Dekoration und dem Buffet verausgabt. Neben den Beiträgen für den Wettbewerb gab es auch etliche Kuchenspenden, die auf den beiden Verkaufsständen im Saal präsentiert wurden. Dieses Buffet war für das Publikum gedacht und die Stücke wurden teuer verkauft – natürlich für einen guten Zweck.

»Der Zitronenkuchen ist von Marcie Bronkowitz«, sagte Eudora Kretschmer verächtlich, während sie Mathilda nicht von der Seite wich. »Sie hat angeblich eine Backmischung verwendet. Unmöglich, nicht wahr?«

Mathilda sagte dazu nichts. Marcie Bronkowitz war eine engagierte Sozialkundelehrerin. Im Frauenverein galt sie offiziell als rechte Hand von Mrs Kretschmer, inoffiziell als deren Leibeigene.

»Wenn sie das auch beim Wettbewerb macht, wird sie disqualifiziert! Letztes Jahr ist sie ja auch schon ausgeschieden.«

»Eierlikör im Kuchen. Ich erinnere mich.« Mathilda stellte ihr Werk auf den Tisch für den Wettbewerb. Eine Helferin steckte ein Plastikschild mit Nummer hinein und trug den Kuchen dann auf einer Liste ein.

»Das war eindeutig gegen die Regeln.« Mrs Kretschmer schnaubte verächtlich. »Als ob wir hier ein Saufgelage dulden würden.«

»Der Alkohol verfliegt beim Backen«, meinte Mathilda, aber Mrs Kretschmer hörte ihr nicht zu.

»So war das nicht abgemacht!« Ihre Augen waren schmal geworden und fixierten das Podest an der Rückseite des Saals, als würde sich dort gerade eine Horde von Dämonen materialisieren.

Neugierig drehte sich Mathilda nun auch in Richtung der Bühne. Dort befanden sich keine Dämonen, sondern eine dunkelhaarige Frau, die ihre Sportjacke über einen Stuhl hängte, wobei sie überraschend muskulöse Arme präsentierte. Schwungvoll legte sie eine Rettungsboje auf den Tisch der Juroren und zog dann ihre Trainingshose aus, was Mrs Kretschmer ein giftiges Zischen entlockte. Ein Fotograf knipste hektisch eine ganze Reihe von Bildern davon, wie die sportliche Frau in einer Kombi aus rotem Badeanzug und einer ebenfalls roten Badeshorts Platz nahm.

»Das ist ja wohl die Höhe!« Mrs Kretschmer schnappte nach Luft. »Als ich sie gebeten habe, in Uniform zu erscheinen, meinte ich doch nicht ihre Einsatzkleidung.«

»Immerhin hat sie eine Hose übergezogen«, sagte Mathilda. »Und die Rettungsboje gehört nun mal dazu.«

Tatsächlich waren die Lieutenants der Strandrettung schon vor Mrs Kretschmers Zeiten tapfer erschienen, um Kuchen zu essen und Sicherheit auszustrahlen. Auch, wenn es hier weder Haie noch gefährliche Strömungen gab.

Mrs Kretschmer starrte noch immer fassungslos auf die Bühne. »Zur Vorbesprechung ist sie auch nicht erschienen. Angeblich, weil sie gestern arbeiten musste.«

Ihre Klage wäre bestimmt deutlich umfangreicher ausgefallen, wenn der große Zeiger der Uhr nicht so unbarmherzig auf die volle Stunde zugesteuert wäre. Als Mrs Kretschmer das entdeckte, wandelte sich ihr Ärger schlagartig in Stress um.

»Wir müssen starten! Und die restlichen Juroren treiben sich noch im Backstagebereich herum.«

Beim Backstagebereich handelte es sich offenbar um alles, was hinter dem Saal lag. Das waren die Küche, die Büroräume, eine Besenkammer und zwei Toiletten. Wer heute dorthin wollte, musste eine Sperre aus langen Buffettischen überwinden oder die Treppen auf der rechten Seite der Bühne erklimmen – nur um auf der linken Seite wieder hinunterzusteigen. Dieser Aufbau entsprach garantiert nicht den Brandschutzbestimmungen.

»Da ist er ja!« Mrs Kretschmer atmete erleichtert auf. Ihr Blick wurde glasig, als eine hagere Gestalt im abgesperrten Bereich erschien. Mathilda erkannte den Mann erst auf den zweiten Blick. Der Mittsechziger, der nun zielstrebig auf die Rettungsschwimmerin zusteuerte, ähnelte kaum noch dem Schauspieler, der er einst gewesen war. Greg Weston war sichtlich gealtert. Der schaurige Werwolf war erst zum weichgespülten Bäcker von Monaco und schließlich zum ausgewaschenen Rentnertraum mutiert. Übertrieben gebräunt und mit einer gefärbten Föhnwelle taugte er weder zur Bestie noch zum romantischen Helden.

Mathilda war enttäuscht. Im Gegensatz zu Mrs Kretschmer.

»Ein echter Filmstar! Auf unserer Bühne!«

»Hm«, brummte Mathilda. Greg Weston machte einen ungewöhnlich angespannten Eindruck. Hatten Stars auch nach so vielen Jahren vor der Kamera noch Lampenfieber?

Nach und nach füllte sich die Bühne. Mrs Kretschmer hatte sich mit spitzen Ellenbogen durch die Besucher gedrängt und war von rechts auf das Podest gestiegen, wo sie strahlend Hände schüttelte. Nur die Begrüßung der Rettungsschwimmerin fiel etwas kühler aus.

Mathilda begrüßte unterdessen Mrs Altman und Mrs Andrews am Buffet und winkte Marcie Bronkowitz zu, die im Backstagebereich eingesetzt war und nun hektisch Teller zum Rand der Bühne trug. Anschließend half sie Mr Kastner die steile Treppe zur Bühne hinauf. Der Diakon gehörte zum Urgestein der Jury und war nicht mehr der Jüngste.

»Wunderbar, die Jury ist vollständig«, rief Mrs Kretschmer. »Das wurde aber auch Zeit.« Statt Mr Kastner zu begrüßen, hakte sie sich bei einer grauhaarigen Frau in einem bunt karierten Kleid ein. Mathilda hatte sie noch nie gesehen, vermutete jedoch, dass es sich um die Sponsorin des Wettbewerbs handelte: Maggie S. Smallridge von Smallridge Cookies & Cake. Mrs Kretschmer hatte sich mächtig ins Zeug gelegt, um sie als Jurymitglied und Geldgeberin zu gewinnen. Immerhin führte die Familie Smallridge seit mehreren Jahrzehnten ein traditionsreiches Unternehmen für Backwaren. Die Smallridges wohnten zwar nicht in Rocky Beach, besaßen aber ein Ferienhaus in einem Außenbezirk. Das machte sie in Mrs Kretschmers Augen zu berechtigten Ehrenbürgern der Stadt.

Greg Weston hatte inzwischen den Getränketisch am Rand der Bühne entdeckt und pumpte übereifrig Kaffee aus einer hohen silbernen Kanne. Mr Kastner gönnte sich ebenfalls ein Tässchen und versuchte, mit Weston ins Gespräch zu kommen. Doch der Schauspieler hörte dem alten Diakon nicht zu. Seine Augen glitten suchend über das Publikum, dann ungeduldig auf seine teure Armbanduhr, was Mathilda äußerst unhöflich fand. Inzwischen war sie sich gar nicht mehr sicher, ob sie ein Autogramm von Weston wollte.

»Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?« Mrs Kretschmer war ans Mikrofon getreten und räusperte sich umständlich. Das Gemurmel im Saal verstummte und die Gäste drehten sich nun alle in Richtung Bühne.

Im Scheinwerferlicht wirkte Mrs Kretschmer einmal mehr wie eine Mischung aus einer Stabheuschrecke und einem Pudel – in ihrem cremefarbenen Kostüm, der großen Brille und der betonartigen Dauerwelle. Ihre Stimme hatte durch die Lautsprecher jedoch eher etwas von einer Kreissäge. Scheinbar ohne Luft zu holen, schwadronierte sie über die großartigen Leistungen des Frauenvereins, Werte und Traditionen sowie Gebäck als Kulturgut, bedankte sich bei den Juroren, lobte die Kekse der Firma Smallridge und erwähnte selbstverständlich noch ihre beiden liebreizenden Töchter Charity und Chastity. »Sie haben sämtliche Servietten im Saal gefaltet.«

Das Publikum klatschte halbherzig.

»Ich bin sprachlos, dass ein Weltstar wie Greg Weston heute auf unserer Bühne sitzt«, fuhr sie – noch eine Oktave höher – fort. »Als Bäcker von Monaco hat er uns gezeigt, dass Backen eine Herzensangelegenheit ist. Es ist wunderbar, dass er die Jury mit seiner Expertenmeinung unterstützt.«

Das Publikum klatschte nun etwas lauter.

»Nun aber zu einem weiteren Jurymitglied: unsere großartige Sponsorin, Maggie Smallridge!« Mrs Kretschmer klatschte heftig, um allen zu zeigen, dass jetzt ein richtiger Applaus fällig war. »Ehemalige Kekskönigin von Kern County und Chefin der berühmten Firma Smallridge.«

Mrs Smallridge strich ihr kariertes Kleid glatt und trat bedächtig vor. Sie war deutlich kleiner als ihre Vorrednerin, die nun hektisch am Ständer herumschraubte. Geduldig wartete sie, bis Mrs Kretschmer aufgab, das Mikrofon aus dem Ständer zerrte und es ihr in die Hand drückte.

»Ich danke Ihnen.« Lächelnd sah sie in die Runde. »Ich freue mich, dass ich diesen Wettbewerb unterstützen darf.«

Maggie Smallridge war eine erfahrene Rednerin. Es war leicht, ihr zuzuhören, und ebenso leicht, sie sympathisch zu finden. »Es fing alles bei einem Backwettbewerb in einem kleinen Dorf in Nordkalifornien an. Als einziger Mann unter den Teilnehmern wurde mein Howard damals noch belacht. Aber er machte seine Leidenschaft zum Beruf und gründete schließlich eine eigene Firma. Als Howard vor drei Jahren nach langer Krankheit starb, hinterließ er ein florierendes Unternehmen. Im Gedenken an ihn unterstütze ich regionale Backwettbewerbe – wie diesen hier.«