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davor wie hast du die zeit verbracht wollte ich wissen wie deine kirchen den weihrauch verkraften die brücken am tiber ob sie noch tragen und ufer verbinden die sehnsucht wollte ich neu erfinden ob dein licht selbst ruinen schönleuchten kann pinienhaine friedhofskatzen die sieben hügel die zu dir gehören ob ewiges auch vergänglich sein kann alles das wollte ich wissen
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Seitenzahl: 70
Veröffentlichungsjahr: 2019
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davor
wie hast du die zeit verbracht
wollte ich wissen
wie deine kirchen
den weihrauch verkraften
die brücken am tiber
ob sie noch tragen und
ufer verbinden
die sehnsucht wollte ich
neu erfinden
ob dein licht selbst
ruinen schönleuchten kann
pinienhaine
friedhofskatzen
die sieben hügel
die zu dir gehören
ob ewiges auch
vergänglich sein kann
alles das wollte
ich wissen
dann beginnt sie. die reise nach rom. für uns, die spüren wollen, wie die stadt auf uns wirkt, die wir einmal in einem buch beschrieben haben.
jeder kennt sie vom hörensagen. die ewige stadt. wie muss man beschaffen sein, so benannt zu werden?
rom
anfänge einstiege annäherungen
rom
einmal mit frage einmal mit
ausrufungszeichen
rom: fraglos
rom: bedingungslos
ein oktobermorgen
einschwenken über den lago di bracciano
das thyrrenische meer
die küstenlinie von fregene, fiumicino
über die tragfläche geneigter blick auf eine
scheinbar unbewegte wasserfläche
türkis, marineblau, ein brauner
algenstreifen, buhnen, sand, strandbars,
keine menschen
der flughafen fiumicino:
eine geländefahrt, die gepäckausgabe,
ein smokingpoint, der weg zur bahnstation
notwendige übergänge, zielgerichtet
kaum haben wir die fahrkarten gekauft,
sind wir schon im zug, geht es los
die landschaft überfällt uns schlagartig
riesige palmen, meterhohe sumpfgräser,
bougainvilleen in verschwenderischer blüte
und doch gibt es kein erstaunen
aufnahme
gelesenes wird abgerufen, filme
zurückgespult
dort könnte die cabiria gelaufen sein, der
sternbald gerastet, der philipp fohr ein
hübsches mädchen gezeichnet haben
es geht schnell
der leonardo express braucht nur etwas über
eine halbe stunde
es gibt keinen aufenthalt
roma xi, portuense
vorstädte, mietskasernen
ockrig, sienafarben
und so ganz anderes als die plattenbauten
des nördlichen europas
paris, london, berlin, moskau
gleichviel,
und gleichermaßen kalt und uniform
wie dich dort das elend anspringt,
unverholen und wie ein pitbull aggressiv
bietet sich hier mühelos die gelegenheit
etwas glorie hinzuzudenken
das ist romantizismus, ich weiß
und ich weiß, dass es unverfroren, sehr
wahrscheinlich unangemessen ist
dennoch trage ich diesen abschnitt als
das elend und die glorie der vorstädte ein
pasolinis welt
die mir unbekannt bleiben wird
ich weiß, denn
meine welt, mein rom
wird das der touristen, der auswärtigen besucher sein
der transappeninischen barbaren
eine bezeichnung, eine kennzeichnung, die umberto eco für sich wählte
und wenn ich das aufgreifen wollte, was wollte ich dann für mich in anwendung bringen?
den transalpinischen?
selbst das wäre noch zu kurz gegriffen, denn was mich betrifft
geht es doch noch weit, sehr viel weiter darüber hinaus
aber, bitte
ist rom nicht selber schuld
hat rom uns nicht alle zu sich gerufen?
trastevere
das ist schon mittendrin
der bahnhof ist menschenleer
kulisse für einen menschenleeren film, der nichts weiter zeigt, als
das abblätternde, das sich in streifen
auflösende grauen der späten 70er jahre
nur ganz zum schluss, in der allerletzten
sequenz, schiebt sich für wenige sekunden
ein aktivist der brigate rosse ins bild
ein schwarz vermummter schemen, der in
den händen eine kalaschnikow trägt
mit der er alles zu klump schießt
vorüber, vorbei
wir überqueren den tiber
eine andere transzendenz, die alten
gemäuer, ruinen
die das gesichtsfeld bestimmen
die gleise fächern sich aus
roma termini
lebhaftes gewimmel auf den bahnsteigen
kurzes statement: ich liebe kopfbahnhöfe
die italienische sprache
die stimme der stationssprecherin
bologna, torino, genua
die namen, die sie ausruft, lassen mich
wohlig schaudern
draußen: wärmende sonnenstrahlen
noch mehr gewimmel
autos, busse, straßenbahnen
der geruch einer stadt
diese stadt duftet angenehm unstädtisch
diese stadt wärmt
diese stadt freundet sich mit mir an
ich habe es nicht anders erwartet
wir überqueren die piazza der 500 zur via
cavour hinüber
ecke principe amadeu
(wo wir unser hotel wissen, es ist nur noch
100 schritte entfernt)
lehnen wir unsere koffer an einen poller,
stecken uns eine zigarette an
dies könnte bereits ein genügen sein
hier stehen
und sich gleichzeitig treiben
von der flut aufnehmen lassen ...
der abstand beginnt sich aufzuheben
die zeit beginnt sich mit sich selbst zu
versöhnen
seit unserem abflug sind gerade erst drei stunden vergangen
es ist nicht die fremde einer tropischen
landschaft, die uns umfängt
das auge würde sich damit zurechtfinden
es ist die fremde eines tropischen
bewusstseins
wir könnten auf einem anderen planeten
gelandet sein
wir könnten andere geworden sein
spürbar ist aber nur ein kleines
benommenheitsgefühl
wir gehen weiter
buon giorno! begrüßt uns lächelnd die
kellnerin eines restaurants
an dem wir unsere koffer vorüberschieben
aber hallo!
buon giorno!
wir sind früh dran
werden freundlich empfangen
unser zimmer, das war uns aber schon vorher
bekannt, wird erst um ein uhr bereit sein
kein problem also, denn: es gibt ja die
dachterrasse
wir haben uns das hotel schließlich nicht von
ungefähr ausgesucht
wir lassen unsere koffer an der rezeption,
besteigen den fahrstuhl, fahren in die siebte
etage hinauf
dort findet sich die küche, dort sind die
frühstücksräume und
noch einige stufen weiter aufwärts
die dachterrasse
ah!
rom
so ganz anders
ein fragiles gebilde von kirchen und monumenten, die häuser, die dazwischen liegen, die sich um sie scharen, wie ein kitt, der sie zusammenhält, tragen rote schindeln, doch beinahe genauso häufig auch flache dächer, einige mit dachterrassen wie der unseren mit viel grün, in der mehrzahl sind es jedoch solche, auf denen nichts anderes als abluftschächte, gitterroste, antennen zu sehen sind, aufbauten, die zwar abweisend und unbelebt, jedoch nicht weniger malerisch erscheinen
der petersdom wirkt klein, sehr viel kleiner als ich vermutet hätte
dabei ist er gar nicht so weit entfernt
auch die innenstadt ist sehr viel kleiner als ich sie mir dachte
wirkt beinahe kleinstädtisch wenn nicht gar dörflich
nein, das stimmt nicht
weil es ja nicht stimmen kann
stimmt aber doch
es fehlen die hochhäuser
die hässlichkeiten
ein weiteres feststellen: rom ist eine nichthässliche stadt
(es gibt deren nicht viele, und die ich herzählen könnte, stehen rom
bevölkerungsmäßig um einiges nach)
während wir im schatten des großen sonnenschirmes sitzen
irgendwo dort draußen hört die sprache auf bilder bleiben, bilden sich aus
erweitern sich
ich lasse die sprache schweigen
mich schweigen
für ein ganzes schauen
fühlen
riechen auch
die olivenbäume der dachterrasse
tragen reiche früchte
die straße rauscht
spült sich herauf
ruft, lockt
durstig bin ich
trinken möchte ich
mich in die straßen hinein
am horizont
oder vielmehr: dort drüben
auf diesem hügel da
schimmert die villa medici
dahinter der park, die pinien, die büsten gefühle ...
eine stunde um
wir gehen unser zimmer in empfang zu nehmen
bekommen unser kärtchen
4 20 die nummer
gleichweit nach unten wie nach oben
das zimmer ist klein und gemütlich
wir halten ein schläfchen
das nun nötig war
das flugzeug bringt uns zum airport
fiumicino. das wetter ist vielversprechend.
sonne. 25 grad.
mit dem leonardo express zum bahnhof termini. von hier aus nur ein paar minuten bis zum hotel. diana roof garden.
der empfang ist freundlich. das einchecken beginnt erst um 13 uhr. also fahren wir mit dem aufzug in den siebten stock. die dachterrasse lockt. und sie ist wunderbar.
ringsum begrünt. ein türmchen auf dem tauben sitzen. nicht lange, sie halten unentwegt ausschau nach essensresten.
tische und stühle. polster auf gefliesten bänken.
von hier oben sieht man die stadt. die kuppel des petersdomes entdecken wir. erste fotos von rom werden gemacht.
satellitenschüsseln gibt es reichlich. die neuzeit hat sich auf alten dächern und masten eingerichtet.
ockerfarbene häuser. ockerfarben auch die wände unseres zimmers.
von dort aus haben wir die straße im blick.
via principe amedeo.
viele kleine geschäfte und restaurants.
mehrere hotels. touristen. touristen. die autos hupen. die motorroller antworten. der verkehr schiebt sich. hier möchte ich nicht auto fahren.
die klimaanlage surrt vor sich hin.
oberbetten gibt es nicht. im schrank sind decken. wir breiten sie auf den laken aus.
gegen drei machen wir uns auf den weg in die straßen
es ist schon so: rom ist die schönste stadt der welt
(bis hier, so weit)
komm, sagt die liebste
wir verkaufen alles und ziehen hier hin
ein guter gedanke
wenn ich bedenke
die straßen
den giardini nicola calipari
ein buntes gedränge
spielende kinder, blasmusik scheppert
was wir hier erleben ist der auftakt zu einer demonstration
teil des europaweiten aktionstages march against racism
und wenn das hier der einzige römische
beitrag sein sollte, ist das herzlich wenig
zwei, dreihundert teilnehmer, mehr werden es nicht sein
der italienische innenminister mag sie nicht,
die sich hier versammelt haben
zuwanderer aus afrika
wir setzen uns dazu und teilen uns das belegte brot, das wir unterwegs erworben haben
schinken und käse, würzig und dick geschnitten
sitzen unter hohen palmen
auf dem mäuerchen einer alten ruine die erde ist warm
dieser boden, diese steine