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Dieser Bad enthält folgende Romane: Rosen für die Ewigkeit (Ann Murdoch) Das Geheimnis um Cranstone Manor (Frank Rehfeld) Wenn Angst dich nicht mehr atmen lässt (Frank Rehfeld) Kalter Küstenhauch (Jonas Herlin) Nach einigen Startschwierigkeiten schweben Robert und Caroline im siebenten Himmel ihres Liebesglücks. Der Millionär nimmt die Journalistin mit zu seinem Heim, nach Cranstone Manor, und alles scheint gut. Bis die Alpträume beginnen. Caroline leidet sehr darunter, und sie hat Angst: Ein gespenstisches Geheimnis liegt über dem prunkvollen Cranstone-Anwesen, glaubt sie. Ausgerechnet als Robert seinen Geburtstag mit einem großen Fest feiern will, gerät Caroline in tödliche Gefahr, und ihr Schicksal hängt an einem seidenen Faden.
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Romantic Thriller Viererband 4006
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Rosen für die Ewigkeit
Das Geheimnis um Cranstone Manor
Wenn Angst dich nicht mehr atmen lässt
Kalter Küstenhauch
Dieser Bad enthält folgende Romane:
Rosen für die Ewigkeit (Ann Murdoch)
Das Geheimnis um Cranstone Manor (Frank Rehfeld)
Wenn Angst dich nicht mehr atmen lässt (Frank Rehfeld)
Kalter Küstenhauch (Jonas Herlin)
Nach einigen Startschwierigkeiten schweben Robert und Caroline im siebenten Himmel ihres Liebesglücks. Der Millionär nimmt die Journalistin mit zu seinem Heim, nach Cranstone Manor, und alles scheint gut. Bis die Alpträume beginnen. Caroline leidet sehr darunter, und sie hat Angst: Ein gespenstisches Geheimnis liegt über dem prunkvollen Cranstone-Anwesen, glaubt sie. Ausgerechnet als Robert seinen Geburtstag mit einem großen Fest feiern will, gerät Caroline in tödliche Gefahr, und ihr Schicksal hängt an einem seidenen Faden.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von
Alfred Bekker
© Roman by Author / COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Alles rund um Belletristik!
von Ann Murdoch
Der Umfang dieses Buchs entspricht 101 Taschenbuchseiten.
Immer bei Vollmond besucht der Geist eines vor langer Zeit ermordeten Adligen den Garten eines englischen Schlosses und pflückt eine Rose... Was steckt hinter dieser Legende, die Star-Autorin Ann Murdoch mit einer dramatischen Liebesgeschichte verknüpft.
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© by Author
© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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Pendarion Castle mit den großen trutzigen Mauern stand, wie schon seit Ewigkeiten, als fester Halt gegen alle Angriffe da. Im Innenhof des viereckigen Schlosses mit den Wehrtürmen an den Eckpunkten hatte man einen großen, freundlich aussehenden Garten angelegt, in dessen Mitte es einen ganz besonderen Rosenstock gab. Dieser Rosenstock blühte nur im Mondschein und brachte dann die herrlichsten dunkelroten Blüten hervor, die allerdings nur blühten, solange die Nacht dauerte, am Morgen war der Stock wieder wie tot. Doch diese schweren roten Blüten wurden vom Tau benetzt wie von Tränen, die vom Himmel fielen. Es war wie ein Wunder, das in jeder Nacht mit einem deutlich sichtbaren Mond geschah, und alles weitere, das sich jeweils daraus ergab und dazu gehörte, war längst so bekannt auf Pendarion Castle und in der Umgebung, dass es niemand mehr einer Erwähnung für nötig hielt.
Denn in jeder Rosennacht, wie der Erbe und Besitzer des Schlosses, Francis Lord Burton of Lymore, das Ganze ein wenig spöttisch genannt hatte, tauchte kurz nach dem Aufblühen der Rosen ein geisterhafter Reiter auf, pflückte einige dieser Blüten und verschwand. Das alles geschah so seit Jahrhunderten, und natürlich hatten längst Wissenschaftler mit modernen Methoden versucht, diese Geheimnisse zu ergründen. Doch bisher war es niemandem gelungen, eine Lösung für das Rätsel zu finden. Und so nahmen die Bewohner des Schlosses diese Tatsache einfach hin, weil sie ohnehin nichts daran ändern konnten. Hatte Lord Francis als Kind noch oft am Fenster gestanden und dem wundersamen Treiben zugesehen, so tat er das jetzt schon seit Jahren nicht mehr, es sei denn, es war Besuch im Schloss, der sich dafür interessierte.
Doch in dieser Nacht war alles ein wenig anders. In dieser Nacht marschierte eine einsame Gestalt über den Innenhof quer durch den liebevoll angelegten Garten, und machte dann schließlich Halt vor dem sagenumwobenen Rosenstock, der im Licht des Vollmondes gerade dabei war, seine wunderschönen Blüten zu entfalten.
Es war ein Mann mit einem Spaten, der jetzt vor dem Rosenstock stehenblieb, aufmerksam nach rechts und links schaute, und sich dann daran machte, den Boden um die Pflanze zu lockern. Augenscheinlich wollte er sie ausgraben, zu welchem Zweck, war allerdings nicht ersichtlich.
Doch kaum hatte er den zweiten oder dritten Spatenstich getan, da erklang von irgendwo in der Ferne Hufgetrappel, und erschreckt hob der Mann den Kopf, dann verdoppelte er seine Anstrengungen womöglich, doch es war schon zu spät. Wie aus dem Nichts tauchten ein Pferd und ein Reiter auf, schemenhaft und durchsichtig, und doch war zu erkennen, dass der Reiter altmodische Kleidung trug, die einem längst vergangenen Jahrhundert angehörte.
In raschem Galopp tauchte das Reiterpaar auf, und der Mann, der sich an der Pflanze zu schaffen machte, stand plötzlich wie erstarrt da, die Augen weit aufgerissen vor Angst, und die Arme in Abwehr hochgehoben, doch das war auch schon die letzte Bewegung, die er in seinem Leben noch tun sollte. Pferd und Reiter schienen durch ihn hindurchzureiten, und im gleichen Augenblick sackte der Körper des Mannes zusammen und blieb dann leblos am Boden liegen. Der Geist hielt dann direkt vor dem Rosenstock an, beugte sich hinab und pflückte drei der vollen roten Blüten, die mit Tautropfen übersät waren. Er hielt sie wie liebkosend an sein Gesicht, dann gab er dem Pferd die Sporen und ritt durch die Nacht wieder davon. Nach wenigen Schritten jedoch verschwand er wieder in den Schatten der Dunkelheit.
„Was hat Granger um diese Zeit nachts draußen gemacht? Noch dazu mit einem Spaten?“ Die Stimme von Lord Francis klang erregt und betroffen, aber auch Unverständnis und sogar Angst spiegelten sich darin, denn als man am Morgen den toten Mann draußen gefunden hatte, war das Grauen umgegangen auf Pendarion Castle.
Es war der Gärtner, John Granger, der sich in der Nacht an dem Rosenstrauch zu schaffen gemacht hatte. Und jetzt lag er tot und kalt auf dem Boden, und sein Gesicht zeigte noch immer das Grauen, das er in den letzten Sekunden vor seinem Tod erlebt haben musste.
Natürlich hatte Lord Francis sofort die Polizei verständigen lassen, und mittlerweile befanden sich Beamte von Scotland Yard aus Perth auf dem Weg zum Schloss.
Der Lord, der draußen im Hof das Desaster anschaute, sorgte gleich dafür, dass niemand dem Tatort näherkam, um keine Spuren zu verwischen. Es sah jedenfalls ganz so aus, als würde es sich hier nicht um einen natürlichen Tod handeln. Lord Francis wandte sich ab, um wieder ins Schloss zurückzugehen, als der Wagen von Scotland Yard eintraf, wie er durch den großen Torbogen sehen konnte, und er ging rasch auf seine Besucher zu.
Vier Leute stiegen aus; ein großer, schlanker, älterer Mann mit einem raubvogelartigen Gesicht und eckigen Bewegungen, zwei sichtlich untergeordnete Beamte, die sich darum bemühten, ein bis zwei Schritte hinter ihrem Chef zu bleiben und möglichst nicht aufzufallen, und eine sportlich aussehende Frau mit langen schwarzen Haaren, die sie mit einer Spange in Form eines Schmetterlings im Nacken gebändigt hatte. Sie trug ein, selbst auf die Entfernung hin, spöttisches Lächeln im Gesicht, als sie einen Seitenblick auf ihre Kollegen warf.
Lord Francis wappnete sich mit Geduld. Das würde mit Sicherheit kein sehr erfreuliches Zusammentreffen werden, denn er kannte diesen älteren Beamten, der mit einem gewissen Neid auf alle Adligen herabsah, und mit dem der Lord außerdem mehr als eine Auseinandersetzung gehabt hatte, wenn es um die zusätzliche Bewilligung von Geldern für die Polizei ging. Denn Lord Francis war Mitglied im Stadtrat, und er war längst nicht immer mit den manchmal unorthodoxen Methoden der Polizei einverstanden, die in seinen Augen zuviel Geld verbrauchten und zu wenig Ergebnisse brachten.
Frederick McDormand, Chief-Inspector bei Scotland Yard, und in der Außenstelle Perth dem District-Commissioner in Edinburgh untergeordnet, beschleunigte seine Schritte und schoss regelrecht auf Lord Francis zu, wobei er einen Arm ausstreckte, wie um ihm die Hand zu reichen. Im letzten Augenblick drehte er den Arm jedoch und deutete durch den Torbogen hindurch auf den Tatort im Garten.
„Was hat das hier zu bedeuten, Euer Lordschaft?“, fragte er mit einer schrillen, überlauten Stimme, und der Lord verzog wie gepeinigt das Gesicht.
„Seien Sie mir auch gegrüßt, Inspector McDormand.“ Allein diese Worte waren eine Zurechtweisung, die McDormand reglos hinnahm, bis der Lord weitersprach. „Wie Sie sehen, gibt es hier eine unappetitliche Komplikation“, erklärte der Lord zu gemessen wie möglich.
Der Inspector schien bei dieser Wortwahl zusammenzuzucken, und seine Augen schossen wieselflink hin und her.
„Unappetitliche Komplikation?“, wiederholte McDormand das Ganze in einzelnen Silben und schaute den Lord anklagend an, als habe dieser den Mord selbst begangen. „Das ist wahrlich die Untertreibung des Tages, Euer Lordschaft. Ein Toter ist immer eine Komplikation, vor allem, wenn er nicht eines natürlichen Todes gestorben ist. Und dieser Mann sieht wirklich nicht so aus, als habe er sich totgelacht.“
Ein eisiger Blick von Lord Francis traf ihn. „Ich finde diese ganze Angelegenheit hier nicht sehr lächerlich. Und ich schätze es ganz und gar nicht, wenn jemand seine Arbeit nicht ernst nimmt“, gab er mit unterkühlter Stimme, aber vollkommen ruhig zurück. McDormand schnappte nach Luft und wollte gerade scharf und erregt antworten, aber daran wurde er gehindert.
Denn die Frau in der Vierergruppe, sie mochte wohl Ende zwanzig sein und machte einen ruhigen, sympathischen Eindruck, sah jetzt eine Möglichkeit, das eisige Klima zwischen den beiden Männer etwas aufzutauen, indem sie sich einfach einmischte.
„Mein Name ist Cassandra O’Hare“, sagte sie mit einer rauen, warmen Stimme, die aber auch dunkel und etwas geheimnisvoll klang, und bei der Lord Francis erstaunt und angenehm überrascht aufhorchte.
Cassandra reichte ihm die Hand und lächelte ihn freundlich an, was den Lord für einen Augenblick völlig aus der Fassung brachte.
„Ich bin die Kriminalpsychologin“, erklärte sie dann leicht süffisant. „Aus einem dieser Programme, die Sie so häufig als nicht effizient abqualifiziert haben. Doch mittlerweile habe ich auf gute Erfolge zu verweisen, und ich denke doch, dass ich auch hier etwas bewirken kann, wenn Sie bereit sind, mich in meiner Arbeit nicht zu behindern.“
Das war nun ein Tiefschlag, den Lord Francis erst einmal verdauen musste. Doch er fasste sich überraschend schnell, ergriff die ausgestreckte Hand und lächelte die Frau warm an.
„Wenn Sie hier auch nur den Zipfel eines Erfolges haben, will ich meine Bedenken dazu gerne noch einmal einer Prüfung unterziehen“, erklärte er diplomatisch und verneigte sich vollendet zu einem Handkuss, denn Cassandra etwas verlegen entgegennahm. Doch auch sie fasste sich schnell wieder und deutete auf die beiden Männer im Hintergrund.
„Das sind die Kollegen Pitt und Bumbry, und jetzt wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns den Tatort zeigen könnten“, fuhr Cassandra fort und schenkte Francis ein Lächeln.
Aber der verhielt sich jetzt ein wenig zurückhaltend. Auf keinen Fall hatte er vor, sich mit einem Lächeln und ein paar unverbindlichen Worten abspeisen zu lassen, um dadurch seine Meinung so rasch zu ändern. Zuerst einmal musste diese Frau beweisen, dass sie ihr Geld wirklich wert war, fand er, deutete mit der Hand in den Garten hinein und folgte seinen Besuchern dann, die vorausgingen.
Lord Francis saß in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch, als McDormand und Cassandra O’Hare vom Butler hereingeführt wurden, und er schaute fragend auf, während er einige Papiere beiseite legte.
Mittlerweile waren auch der Gerichtsmediziner und die Spurensicherung eingetroffen und machten sich draußen zu schaffen.
Lord Francis befand es für unter seiner Würde, bei der Untersuchung dieses offensichtlichen Mordfalls direkt dabei zu sein, hatte jedoch seinen Butler beauftragt, ein Auge auf die draußen im Garten arbeitenden Beamten zu haben. Doch jetzt war es nur natürlich, dass der Leiter der Untersuchung hereinkam, um die ersten Erkenntnisse der Untersuchung mitzuteilen.
„Nun, Inspector, welche tiefschürfenden Erkenntnisse haben Sie anzubieten?“, fragte Lord Francis mit ausgesprochen offener Ironie und erntete dafür einen bitteren Seitenblick von Cassandra, die nicht bereit war, seine offensichtliche Arroganz einfach hinzunehmen.
„Es gibt keinen Grund für Feindseligkeiten. Und ich denke, ein geringes Maß an Höflichkeit können wir auch von Ihnen erwarten“, warf sie scharf ein und sah mit einer gewissen Genugtuung, wie der Lord zurückzuckte. Ein verlegenes Lächeln malte sich auf seinem Gesicht, als er aufstand und hinter seinem Schreibtisch hervorkam.
„Ich bitte um Entschuldigung“, sagte er klar und deutlich und bot McDormand die Hand, womit dieser nun wirklich nicht gerechnet hatte. „Bitte verzeihen Sie, dass ich mich so ungehobelt benommen habe, schieben Sie es bitte auf eine gewisse Zurückhaltung der Polizei gegenüber“, bat er und bot mit einer Handbewegung beiden Personen Platz an. „Darf ich Ihnen einen Tee oder Kaffee bringen lassen?“, fragte er höflich.
McDormand winkte unwirsch ab, aber Cassandra nahm mit Freunden an. Dann saßen die drei zusammen, und Lord Francis ließ sich einen ausführlichen Bericht geben.
„Nach den Erkenntnissen des Gerichtsmediziners, die natürlich noch nicht abgeschlossen sind, ist Ihr Gärtner in der Zeit zwischen elf Uhr dreißig und ein Uhr nachts gestorben. Und die Todesursache deutet auf einen massiven Schock, doch wir haben bisher nicht feststellen können, wodurch er hervorgerufen wurde.“
„Das heißt also, nichts Genaues weiß man nicht“, bemerkte der Lord wieder mit deutlichem Spott, und McDormand richtete sich in seinem Sessel sehr gerade auf, was als Abweisung zu verstehen war.
„Sie können vor der Obduktion keine genaueren Ergebnisse erwarten“, gab er eiskalt höflich zurück, und Lord Francis nickte.
„Das ist mir schon klar, und es sollte auch keine Abwertung Ihrer Arbeit sein.“
„Ich habe gehört, dass es hier einige unerklärliche Vorkommnisse geben soll“, warf jetzt Cassandra ein. „Und das ist überhaupt der Grund, warum ich dabei bin, beziehungsweise, warum Chief-Inspector McDormand mich gebeten hat mitzukommen. Ich würde gern mehr darüber hören, wenn es hier einen Geist geben soll, der jetzt unter Umständen für den Tod eines Menschen verantwortlich ist. Das halte ich allerdings für einigermaßen unlogisch.“
Francis lächelte sie an. „Die Existenz unseres Geistes ist hinreichend bewiesen, Miss O’Hare, und bedeutende Wissenschaftler haben sich daran regelrecht die Zähne ausgebissen. Aber ich will Ihnen selbstverständlich nicht verwehren, es selbst zu versuchen. Allerdings hat er bis heute nicht getötet, und das gibt auch mir zu denken.“
„Geister töten keine Menschen“, wandte McDormand ein und stand ziemlich abrupt auf, wobei er einen Blick auf seine Armbanduhr warf. „Für mich gibt es hier nichts weiter zu tun. Die Spurensuche wird sich draußen weiter bemühen, aber ich muss nach Perth zurück. Wenn Sie noch bleiben wollen, Miss O’Hare, so können Sie vielleicht mit dem Team der Spurensuche mit zurückfahren.“
„Wenn Miss O’Hare bereit ist, mir die Freude ihrer Anwesenheit zu schenken, werde ich selbst dafür Sorge tragen, dass sie nach Perth zurückkommt“, wandte Lord Francis charmant ein und stand ebenfalls auf. Dann fuhr er mit einem Seitenblick auf den Chief-Inspector fort. „Es wird mir eine Freude sein, Ihnen ein wenig mehr von der Geschichte meiner Familie zu berichten, vielleicht können Sie sich dann selbst ein Urteil bilden. – Inspector, ich wünsche Ihnen eine gute Heimfahrt.“ Höflich reichte der McDormand die Hand, machte sich aber nicht die Mühe, ihn bis zur Tür zu geleiten.
Cassandra blieb sitzen und trank von dem ausgezeichneten Kaffee, während sie sich ihre eigenen Gedanken über den Lord machte, wie auch über Frederick McDormand, und das Verhältnis der beiden Männer zueinander.
Francis hatte sich für einen Augenblick entschuldigt, als ein dringendes Telefonat hereinkam, und Cassandra hatte diese kurze Pause benutzt, um sich den Weg zu einem Waschraum zeigen zu lassen, zu dem sie auf der großen Treppe einige Stufen hinauflaufen musste. Auf dem Weg zurück wurde ihr Blick am Fenster abgelenkt, wo sie sehen konnte, dass draußen der Wagen mit dem Toten und dem Gerichtsmediziner abfuhr. Währenddessen achtete sie allerdings nicht darauf, wohin sie ihre Füße setzte und stolperte auf der vorletzten Stufe. Mit einem Aufschrei fiel sie zu Boden, polterte über die beiden letzten Stufen und kam schließlich auf dem dunklen Marmor der Eingangshalle zu liegen.
Sofort ging irgendwo eine Tür auf, und der Butler eilte herbei, beugte sich nieder und bemühte sich darum, Cassandra wieder auf die Füße zu helfen. Aber ihr Gesicht war schmerzverzerrt, und sie hielt sich mit beiden Händen den rechten Fuß, den sie bei dem Fall augenscheinlich verletzt hatte.
Auch die Tür zum Arbeitszimmer öffnete sich, und Lord Francis kam heraus mit einem Ausruf des Erstaunens und Erschreckens, und auch er eilte Cassandra zu Hilfe.
Die junge Frau saß mittlerweile auf den Stufen, hielt sich noch immer ihren Fuß und schimpfte leise vor sich hin ob ihrer Ungeschicklichkeit. Jetzt schaute Cassandra Francis ein wenig verlegen an.
„Tut mir leid, ich wollte Ihnen keine Umstände machen, ich habe ganz einfach nicht aufgepasst. Es ist auch nichts weiter, entschuldigen Sie bitte die Unruhe, die ich hier hineinbringe.“
„Unwichtig“, stellte der Lord fest und untersuchte mit fachkundigen Händen den Knöchel der jungen Frau, der mittlerweile dabei war, heftig anzuschwellen.
„Tut mir leid, dass Ihnen das ausgerechnet hier passieren musste“, murmelte er dabei und warf dann seinem Butler einen Blick zu.
„Rufen Sie bitte sofort Doktor Henderson. Und wir brauchen Eis. Außerdem muss der Fuß hochgelagert werden“, bestimmte er dann, während Cassandra abwehrende Handbewegungen machte.
„Es ist nichts weiter“, versuchte sie abzuwiegeln, stieß bei Francis jedoch auf Granit.
„Selbst wenn es nur eine harmlose Verstauchung ist, sollten Sie nicht damit spaßen. Kommen Sie, ich helfe Ihnen in mein Arbeitszimmer, dort steht eine Liege, da können Sie den Fuß hochlegen.“
„Nun machen Sie doch bitte kein Drama daraus“, versuchte Cassandra noch einmal abzuwehren. „Sind Sie vielleicht Arzt, dass Sie vorgeben Ahnung davon zu haben? Bemühen Sie sich bitte nicht. Wirklich, das ist alles nicht notwendig, ich werde einen Arzt konsultieren, sobald ich zurück in Perth bin.“
Ein spöttisches Lächeln traf sie, und Francis erklärte in aller Seelenruhe: „Ich habe ein tierärztliches Studium abgeschlossen, weil ich es für wichtig halte, meine Tiere selbst betreuen zu können. Wie Sie vielleicht wissen, gehören zum Schloss nicht nur Ländereien und ein Gestüt, sondern auch einige Zuchtfarmen für Rinder. Und glauben Sie mir, Miss O’Hare, so unterschiedlich sind Menschen und Tiere nicht.“
Cassandra gab ihren Widerstand auf, gegen diesen Mann würde sie nicht so schnell ankommen, das erkannte sie in diesem Augenblick. Und doch befand sie, das letzte Wort war noch nicht gesprochen.
Aber sie war völlig verblüfft, als der Lord sie einfach auf die Arme nahm und mit festen, raschen Schritten ins Arbeitszimmer trug, wo er sie auf das Sofa packte. Dann stapelte er eine Menge Kissen unter den verletzten Fuß, und eines der Küchenmädchen kam mit Eisbeuteln. Gleich darauf wurde der verletzte Fuß regelrecht unter dem kühlenden Eis begraben.
„Sie betreiben viel zuviel Aufwand“, erklärte Cassandra verlegen, aber Francis lachte nur leise.
„Es ist selten, dass ich für jemanden Aufwand treiben kann. Lassen Sie mir bitte die Freude“, erklärte er mit unüberhörbarem Spott. „Außerdem ist es mir eine Pflicht und Ehre als Gastgeber für Ihr Wohl zu sorgen, vor allem, da Ihnen ja in meinem Hause Ungemach zugestoßen ist.“
„Du meine Güte, was reden Sie geschwollen“, beschwerte sich Cassandra jetzt lachend. „Ungemach zugestoßen! Kommen Sie aus dem vorigen Jahrhundert?“
Wieder klang das Lachen von Francis auf, und er funkelte sie mit strahlend blauen Augen an.
Cassandra bemerkte erst jetzt, dass er leuchtend blondes Haar hatte, das ziemlich ungebärdig um seinen Kopf lag, so als wollte es sich nicht in eine Frisur zwängen lassen. Die Augen waren von einem ungewöhnlich leuchtenden Blau, die Nase gerade und schmal geschnitten, und der Mund wirkte, als würde sein Besitzer gerne und oft lachen. Lord Francis mochte Anfang bis Mitte dreißig sein, und Cassandra fragte sich unwillkürlich, ob der Lord auch eine Frau hatte und warum sie nicht dabei war. Aber die Psychologin war auch davon überzeugt, dass dieser Mann härter als Stahl sein konnte, wenn es darauf ankam. Seine Charme und seine Freundlichkeit mochten nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein knallharter Geschäftsmann war.
„Ich kann es natürlich auch anders sagen“, ging er auf ihre leichte Spöttelei ein. „Es tut mir leid, dass Sie sich in meinem Haus Ihren Haxen verstaucht haben.“
Jetzt lachte Cassandra hell auf.
„Aber sehen Sie“, fuhr der Lord fort. „Das würde meinen mühsam aufgebauten Ruf, ein etwas verschrobener Gentleman zu sein, maßlos untergraben.“
Wieder lachte sie hell, aber dann klopfte es an der Tür, und der Arzt wurde hereingeführt. Er musste geflogen sein, um in dieser schnellen Zeit das Schloss zu erreichen, fand sie.
Ian Henderson war ein älterer Mann, der Lord Francis höflich zunickte und sich dann gleich der Patientin zuwandte. Er diagnostizierte eine schwere Verstauchung und schlug vor, den Fuß für wenigstens zwei bis drei Tage nicht zu belasten.
„Aber ich muss zurück nach Perth“, protestierte Cassandra.
Francis hob ein wenig die Augenbrauen. „Wer erwartet Sie denn? Außer Ihrer Arbeit, der sie im Augenblick sowieso nicht nachgehen können?“, fragte er leise.
Cassandra zuckte mit den Schultern. „Eigentlich niemand“, musste sie dann zugeben.
„Dann wäre es mir eine große Ehre, wenn Sie hierbleiben und wir uns um Sie kümmern dürfen. Ich halte das für die eleganteste Lösung. Oder sehen Sie das anders, Ian?“
Der lächelte den Lord an und stimmte zu.
„Dann wäre das ja geklärt“, stellte Francis fest und goss, ohne nachzufragen, dem Doktor ein gutes Glas Whisky ein, bot dann auch Cassandra ein Glas an, das sie auf den überstandenen Schreck hin gerne annahm.
Cassandra sah ein, dass sie mit einem Protest nicht weiterkommen würde und schwieg daher. Und eigentlich war es doch auch ganz schön, sich mal richtig verwöhnen zu lassen, ohne sich ständig um alles selbst sorgen zu müssen, was mit dieser Verletzung nicht leicht sein würde. Sie nahm diese Tatsache jetzt also einfach hin und fand dann auch noch etwas Positives daran. Auf diese Art und Weise würde sie mehr über den mysteriösen Geist erfahren, als es in einem normalen Gespräch möglich war.
Das Abendessen war von hervorragender Qualität, und daran änderte auch die überraschende Anwesenheit der Tante von Lord Francis, Lady Elaine, nichts.
Francis und sein unfreiwilliger Gast hatten sich vor dem Essen noch einen Aperitif gegönnt, und plötzlich war die Tür aufgegangen, und diese Frau war regelrecht hereingestürmt. Der Hauch eines teuren Parfums umschwebte die attraktive, zierliche Frau, die das angegraute Haar in einer praktischen Kurzhaarfrisur trug, und gar nicht so gekleidet war, wie man sich eine adelige Dame vorstellte. Sie trug eine verwaschene Jeans und einen schlabbrigen Pulli, auf dem eindeutig verwischte Spuren von Malfarbe zu erkennen waren. Mit einem fröhlichen, offenen Lächeln trat sie auf Cassandra zu und reichte ihr spontan die Hand.
„Ich bin Elaine, die Tante von Francis. Und bitte entschuldigen Sie meinen Aufzug, meine Liebe, niemand hat mich vorgewarnt, dass wir Besuch haben, und so habe ich es nicht für nötig gefunden, mich umzuziehen. Ich erfuhr erst gerade auf dem Weg nach unten von Ihnen“
Francis grinste ganz offen. „Meine Tante malt. Und ihre Bilder sind vielleicht etwas skurril und abstrakt, aber ich finde sie gut“, bemerkte er.
„Wenn ich darf, würde ich sie gerne einmal sehen. Ich bin Cassandra O’Hare und freue mich, Sie kennen zu lernen“, stellte die junge Frau fest und nahm die Hand der Älteren, die ihr auf den ersten Blick sympathisch war.
„Es tut mir leid, dass Ihnen ausgerechnet in unserem Hause ein solches Unglück zustoßen musste. Ich hoffe, Sie sind gut mit allem versorgt worden und haben keine offenen Wünsche. Falls doch, scheuen Sie sich bitte nicht, etwas zu sagen“, fuhr Elaine fort, aber Cassandra winkte ab.
„Es war doch meine eigene Dummheit. Und eigentlich müsste ich mich bei Ihnen entschuldigen, dass ich Ihnen allen hier so viel Umstände mache.“
„Aber nein, meine Liebe, keine Umstände. Ich freue mich, wenn Besuch da ist. Wir haben viel zu wenig davon“, sagte sie mit einem Seitenblick auf Francis, der achtlos mit den Schultern zuckte und lächelte.
„Meine Tante ist der Meinung, ich müsste öfter mal einen Ball veranstalten, oder sonst etwas in dieser Richtung, damit sich ein paar potentielle Heiratskandidatinnen hier einfinden und ich endlich unter die Haube komme.“
Cassandra lachte hell auf bei dieser Formulierung. Während Elaine ein gespielt strenges Gesicht machte.
„Es ist dich wirklich eine Schande, Francis, dass du in deinem Alter immer noch nicht verheiratet bist“, erklärte sie energisch.
„Aber, Lady Elaine, ich bitte Sie, man kann doch nicht heiraten, nur um des Heiratens willen. Wenn er die Frau seines Lebens noch nicht gefunden hat, dann muss er eben weitersuchen.“
Ein Blick von Francis traf sie, und ihr liefen plötzlich eisige Schauer über den Rücken, so dass sie sich innerlich selbst zur Ordnung rief. Sie war doch wohl nicht gerade auf dem besten Wege sich in diesen Mann zu verlieben? Nein, eine solche Verbindung war einfach undenkbar. Dennoch blieb es eine Tatsache, dass dieser Mann ungeheuer attraktiv und charmant war. Und was sollte es? Ein bisschen Flirten konnte wohl auf keinen Fall schaden.
„Genug von diesem Thema“, bestimmte der Lord jetzt, der die Verlegenheit der jungen Frau genau zu spüren schien, und hob sein Glas. „Lasst uns darauf trinken, dass wir einen reizenden Besuch bei uns haben, auch wenn dieser einem unglücklichen Zustand zu verdanken ist.“
„Cheers“, prostete Elaine beiden zu und lächelte Cassandra fröhlich an. „Bei uns im Schloss funktionieren die Buschtrommeln recht gut. Daher weiß ich also schon, dass Sie Psychologin sind und für Scotland Yard arbeiten. Ich nehme an, das ist ein faszinierender Beruf, erzählen Sie mir davon.“
Cassandra wurde etwas verlegen. „Ich bin eigentlich hier, weil die Umstände am Tod Ihres Gärtners etwas ungewöhnlich sind, und mein Vorgesetzter der Meinung war, dass dies einer Klärung bedürfte.“
Elaine starrte nachdenklich in ihr Glas, dann zwang sie sich zu einem Lächeln. „Ja, wir haben hier einen Geist, und das schon seit mehr als zweihundert Jahren. Aber noch nie war in diesem Zusammenhang von einem Tod die Rede. Und Sie dürfen mir glauben, Miss O’Hare, die Chronik unserer Familiengeschichte ist da eindeutig und ausführlich beschrieben. Ich kann mir also nicht vorstellen, dass der verblichene Lord Reginald etwas damit zu tun hat.“
„Erzählen Sie mir von ihm“, bat jetzt Cassandra ihrerseits, aber Elaine winkte ab.
„Das kann Francis viel besser als ich. Obwohl ich eher vorschlagen würde...“ Sie hielt mitten im Satz inne und starrte ihren Neffen an. Cassandra schaute neugierig von einem zum anderen.
„Nun, es ist so“, begann Francis zögernd, „da Sie ohnehin hier im Schloss sind, würde ich vorschlagen – sobald es Ihrem Fuß besser geht, natürlich“, schränkte er ein. „Also, dass Sie eine Nacht mit mir und Elaine hier draußen verbringen, um sich Lord Reginald selbst anzusehen.“
Cassandra verschluckte sich fast an ihrem Aperitif, doch dann erkannte sie glasklar, dass dies hier eine ganz hervorragende Möglichkeit wäre, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Sie lächelte zustimmend und hob ihr Glas. „Einverstanden, darauf trinke ich.“
Cassandras Fuß war noch immer dick geschwollen und stach schmerzhaft bei jedem vorsichtigen Belasten, doch sie biss tapfer die Zähne zusammen und zeigte nichts davon, dass sie vielleicht doch besser auf diesen nächtlichen Ausflug verzichtet hätte. Andererseits wollte sie es sich auf keinen Fall entgehen lassen, einen echten Geist aus der Nähe zu sehen, um womöglich ihr gesamtes Wissen und ihr Weltbild umwerfen zu müssen. Oder die ganze Sache für absurd und als Halluzination hinzustellen, was wahrscheinlicher war.
Es war eine sternenklare Nacht, und der Mond stand noch immer fast voll am Himmel, die Luft war sanft wie Seide, und ein seltsamer Zauber lag über den beiden Menschen, die sich hier auf einem Balkon aufhielten, von wo sie einen hervorragenden Ausblick auf den Garten hatten. Elaine hatte es abgelehnt, ihren Schönheitsschlaf für Lord Reginald zu opfern, wie sie es scherzhaft nannte. Er würde auch ohne ihre Anwesenheit sein Unwesen treiben.
Francis hatte dafür gesorgt, dass es für Cassandra bequem war. Sie saß in einem gemütlichen Sessel, und ihr verletztes Bein lag auf einem Hocker, außerdem hatte der Lord für alle Fälle eine Decke über sie gebreitet, so dass sie auch in der nächtlichen Kühle nicht frieren konnte. Er selbst stand ein wenig nachdenklich an das Balkongeländer gelehnt und starrte in die Nacht hinaus. Das bleiche Mondlicht zeichnete die Konturen seines Gesichtes weich nach, und die junge Frau sah seine Augen funkeln.
Unwillkürlich senkte er die Stimme, als er jetzt zu ihr sprach, so als hätte er Angst, dass jemand ihnen zuhören könnte.
„Es war etwa um sechzehnhundertundachtzig herum“, begann er dann. „Wie üblich, lagen Schotten und Engländer im Clinch, und von Zeit zu Zeit gab es offene Scharmützel oder auch kleinere Schlachten. Lord Reginald, mein Ahnherr, war zu der Zeit fünfundzwanzig Jahre alt und hatte gerade geheiratet. Dem Gemälde nach eine bildschöne Frau, eine Spanierin, zumindest zur Hälfte. Elena hieß sie, und nach allem, was überliefert ist, war die Ehe unendlich glücklich. Für die damalige Zeit ein eher seltener Fall, die beiden liebten sich. Reginald vergötterte seine Frau, und es verging angeblich kein Tag, an dem er sie nicht am Morgen mit roten Rosen begrüßte. Rosen, genau von jenem Rosenstock dort unten, der sich mitten im Hof befindet. Lassen Sie sich nicht täuschen, Miss O’Hare, auch wenn dieser Rosenstock bei Tage kahl und tot aussieht, er lebt, das werden Sie gleich erleben.“
Cassandra schaute den Mann aufmerksam an, bis jetzt klang noch nicht viel Ungewöhnliches aus der Erzählung, aber sie lauschte gespannt weiter.
„Nun, das Glück der beiden schien vollkommen“, fuhr Francis fort, „als Elena eines Tages feststellte, dass sie schwanger war. Reginald vergötterte seine Frau womöglich noch mehr, und es schien nichts zu geben, was das Glück dieser beiden trüben konnte. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem an Reginald der Waffenruf erging und er sich von Elena verabschieden musste, um in den Krieg zu reiten.“
Cassandra unterbrach den Lord mit einer Handbewegung. „Ich nehme doch an, Lord Reginald hatte Lehnsleute, Gefolgsmänner, was auch immer. Warum musste er selbst in die Schlacht ziehen?“
Francis lachte leise auf. „Kein schottischer Edelmann hat sich davon abhalten lassen, das Schwert höchstpersönlich zu schwingen, wenn es gegen die verhassten Engländer ging, Miss O’Hare.“
„Bitte, sagen Sie doch Cassandra zu mir“, bat die junge Frau, ohne dass sie hätte sagen können, warum sie zu dieser vertraulichen Anrede überging. Vielleicht lag es am Mondlicht, oder am Zauber dieser Nacht.
„Dann müssen Sie auch Francis zu mir sagen“, kam seine prompte Erwiderung.
Cassandra bestätigte mit einem kurzen Nicken, dann aber hing sie wieder wie gebannt an seinen Lippen, als er weiter erzählte.
„Nun, wie Sie sich vielleicht vorstellen können, kam es natürlich, wie es kommen musste. Lord Reginald war ein tapferer Kämpfer, und natürlich versteckte er sich nicht hinter seinen Männern. Er stand in der vordersten Reihe, und sein Schwert war wahrlich nicht untätig. So war es denn auch kein Wunder, dass er von einem Engländer schwer verwundet wurde und man ihn sterbend in sein Lager brachte. Elena hier im Schloss fühlte es förmlich, wie das Leben aus ihm herausfloss, und sie wurde vor Angst und Trauer fast wahnsinnig. Sie ging hinaus in den Garten und setzte sich unter den Rosenbusch, wo sie heiße Tränen vergoss. Es war eine Mondnacht, so wie heute, und die Gedanken der jungen Frau flogen zu ihrem sterbenden Mann, der auf seinem Lager lag und dessen letzte Gedanken und Worte seiner geliebten Frau galten. Der Überlieferung nach waren seine letzten Worte: Elena, ich werde immer bei dir sein, und die Rosen sollen uns verbinden. Elena wurde nicht mehr glücklich in ihrem Leben. Irgendwie schleppte sie sich dahin, bis die Zeit der Geburt ihres Sohnes heranrückte. Nach einer relativ leichten Geburt übergab sie das Kind den Eltern von Lord Reginald. Und dann verschwand sie mitten in der Nacht und wurde nie wieder gesehen. Man hat weder ihre Leiche gefunden, noch an anderer Stelle etwas von ihr oder über sie gehört. Man ging davon aus, dass sie sich selbst getötet hat, weil sie ohne ihren geliebten Mann nicht leben konnte. Aber sicher ist das nicht. Doch seit jener Zeit reitet Lord Reginald, und der Rosenstock ist kahl.“
Cassandra starrte Francis eine Weile an, dann lächelte sie. „Eine schöne Geschichte ist das, eine wahrhaft große Liebe.“
Er musterte sie skeptisch. „Sie glauben mir nicht.“
„Nun, Sie werden zugeben müssen, Francis, dass es einigermaßen unglaubhaft klingt, dass aufgrund dieser Liebesgeschichte ein Geist herumspukt und Leute tötet.“
Er hob die Hand, um ihr Einhalt zu gebieten. „Nicht Leute tötet. Er hat scheinbar einmal jemanden umgebracht, und selbst das ist noch nicht bewiesen, denn nie zuvor hat er es getan.“
„Nun gut, lassen Sie uns darüber nicht streiten, bis wir nähere Informationen haben“, bat Cassandra weich.
Der Lord lächelte sie an. „Sie haben recht, das führt zu nichts. – Und jetzt bitte, sehen Sie doch einmal dort hinunter.“
Er deutete hinaus in den Garten, und Cassandra hob unwillkürlich den Kopf höher, als sie jetzt auch ein Geräusch vernahm, das leise Klappern und Näherkommen von Hufen. Ihr Mund formte ein erstauntes Oh, ihre Augen weiteten sich ungläubig, und sie streckte fassungslos eine Hand aus.
Wie ein Schemen tauchte er im Dunkel der Nacht auf und schimmerte dennoch so, dass Cassandra ihn erkennen konnte: Der Reiter.
Das Geräusch der Hufe kam näher, und zielsicher ritt ein Mann in den Innenhof ein, wo er dann vor dem Rosenstock anhielt. Er beugte sich nieder und pflückte einige Blüten, dann zog er seinen Hut vom Kopf, schwenkte ihn einmal und galoppierte schließlich wieder davon.
Cassandra war zutiefst erschüttert und wollte ihren eigenen Augen immer noch nicht trauen. Und doch war es eine Tatsache, was sie gerade gesehen hatte. Verstört schaute sie Francis an, der sie jedoch nur ein wenig ironisch anlächelte.
„Seien Sie doch nicht so ungläubig, Cassandra, ich habe es Ihnen gesagt.“
„Aber das ist doch unmöglich“, stieß sie hervor.
„Unmöglich?“, fragte er süffisant. „Definieren Sie mir das Wort. Muss etwas unmöglich sein, nur weil Sie es nicht erklären können?“
Sie zuckte mir den Schultern. „Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen, Francis. Und ich muss das Ganze wohl erst einmal so akzeptieren, wie es passiert ist. Aber trotzdem...“
„Ich glaube, Cassandra, auf diesen Schreck brauchen wir beide erst einmal einen heißen Kakao. Was halten Sie davon?“
„Das klingt verführerisch“, stimmte sie zu.
Er half ihr ins Haus hinein, und dann verblüffte er Cassandra wieder aufs Neue, denn er ging selbst in die Küche, um einen Kakao zu kochen.
Cassandra war von Natur aus eine Frühaufsteherin, und so hielt es sie auch an diesem Morgen, trotz der langen Nacht, die sie zum großen Teil nicht in ihrem Bett verbracht hatte. Aber es war gar nicht so einfach in ihrem Zimmer allein zurecht zu kommen, solange sie mit dem verletzten Fuß nicht richtig auftreten konnte, denn er schmerzte doch bei jedem Schritt noch sehr. Und es wäre sicher besser, so wenig wie möglich zu laufen.
Vorsichtig tastete sie sich dann die Treppe hinunter und hoffte, dass schon jemand in der Küche wäre, der ihr einen heißen Kaffee kochen konnte.
Unten in der Halle begegnete sie plötzlich Lady Elaine, die sie streng anschaute.
„Welch eine Unvernunft, meine Liebe. Wir haben doch wahrhaft genug Personal im Hause, das bereit ist, Ihnen zu helfen. Sie müssen sich auf diese Weise wirklich nicht quälen. Kommen Sie, lassen Sie uns in den Speiseraum gehen.“
Fürsorglich half die Lady Cassandra in das Speisezimmer, wo bereits alles für ein ausgiebiges Frühstück auf einem Büfett angerichtet war.
Elaine hatte keine Probleme damit Cassandra ein wenig zu bedienen, auch wenn der jungen Frau das peinlich war. Aber schließlich saßen die beiden Frauen gemeinsam am Tisch und ließen sich das Frühstück schmecken. Dann lehnte Elaine sich zurück.
„Ich nehme an, Francis hat Ihnen heute Nacht unseren Hausgeist gezeigt“, forschte sie dann.
Cassandra trank einen Schluck aus ihrer Tasse und nickte nachdenklich. „Ich kann nicht sagen, dass ich das verstehe, Mylady. Das scheint mir doch alles sehr rätselhaft.“
„O du meine Güte, lassen Sie um Himmels Willen diese förmliche Anrede, das ist ja schrecklich. Ich heiße Elaine. Und was Lord Reginald angeht: Selbst wenn Sie es leugnen und auch Parapsychologen keine Erklärung dafür gefunden haben, er ist doch vorhanden. Das Beste wird es sein, Sie finden sich einfach damit ab.“
Cassandra lachte unwillkürlich auf. Lady Elaine war so herzerfrischend offen und sympathisch und ganz einfach bereit, sich mit dem Ungewöhnlichen abzufinden. Außerdem konnte sie einfach die Dinge so akzeptieren, wie sie geschahen. Vielleicht sollte sie selbst das auch mal versuchen.
Die beiden Frauen unterhielten sich dann doch noch über andere Dinge, bis die Tür aufging und Francis hereinkam. Er wirkte ein wenig müde, und dunkle Ringe lagen um seine Augen. Doch das mochte auch damit zu tun haben, dass er in der Nacht noch gearbeitet hatte. Ein so riesiges Unternehmen, wie er es leitete, erforderte viel Arbeit, die er nicht allein auf seine Mitarbeiter abwälzen konnte.
Aber dann hatte er sich nach einigem Überlegen sein Frühstück zusammengestellt und setzte sich zu den beiden Frauen. Doch ihnen allen war kein ruhiges, gemütliches Frühstück beschieden. Denn plötzlich wurde die Tür sehr heftig aufgerissen, und der Butler, dessen Gesicht alle Anzeichen von Entsetzen zeigte, wurde unsanft beiseite gestoßen. Hinter ihm kam ein Mann in den Raum gestürzt, der Cassandra auf den ersten Blick unsympathisch war; groß gewachsen, vierschrötig, schwergewichtig, mit einem geröteten Gesicht, aus dem graue Augen zornig funkelten. Brandrotes Haar stach etwas wirr vom Kopf ab, und er machte keine Anstalten, die Gesellschaft erst zu begrüßen, bevor er unbeherrscht losbrüllte.
„Wenn Sie Ihre Leute nicht in Schach halten können, Lymore, dann werde ich wohl selbst dafür sorgen müssen. Ich habe keine Lust, ständig hier aufzutauchen und mich über Ihr Personal zu beschweren ist, das scheinbar zu dumm ist, meine Grenzen zu respektieren.“
Francis war gleich bei seinen ersten Worten aufgesprungen, und er sah ausgesprochen ärgerlich aus.
Es handelte sich bei dem ungebetenen Besucher um Harlan George Lord Denniston, den unmittelbaren Nachbarn, dessen Ländereien direkt an die Gebiete von Pendarion angrenzten. Es gab schon seit einiger Zeit immer wieder Schwierigkeiten mit Lord Harlan, dem es ein regelrechtes Vergnügen zu bereiten schien, zu den unmöglichsten Zeiten auf Pendarion Castle aufzutauchen und sich zu beschweren. Angeblich weideten die Pferde und Rinder von Francis auf seinem Gebiet, oder er machte geltend, dass die Wildhüter in seinem Gelände auf die Jagd gingen, und gelegentlich behauptete er, dass die Wegerechte verletzt wurden, was unter den Hochländern als schweres Vergehen galt. Mochten seine Vorwürfe nun berechtigt sein oder nicht, er benutzte jeden kleinen und manchmal noch so lächerlichen Vorwand, um unhöflich und lautstark darauf hinzuweisen, dass er hier entsetzlich benachteiligt wurde.
Und so würde es auch an diesem Tag sein, nahm er an. Aber heute hatte er nicht mit Lady Elaine gerechnet, die absolut nicht gewillt war, sich dieses ungehobelte Verhalten bieten zu lassen. Sie sprang jetzt auf und funkelte den Mann zornbebend an.
„Wie können Sie es wagen, in Gegenwart von Damen einen solchen Ton anzuschlagen? Ohne so viel Anstand und Manieren zu haben, überhaupt erst einmal zu grüßen und sich dann mit meinem Neffen zu einem Gespräch unter vier Augen gesittet zurückzuziehen.“
Lord Denniston war verblüfft. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihm jemand die Stirn bieten würde, und schon gar nicht diese kleine, zierliche Dame, die allerdings eine ungeheure Energie ausstrahlte. Zuerst aber sah er noch keinen Grund zurückzuweichen.
„Was ich zu sagen habe, kann ruhig jeder hören", brüllte er. „Schließlich bin ich im Recht.“
Doch Elaine hatte nicht vor, bei diesem Mann, der sie einfach anschrie, auch nur einen Schritt zurückzugehen. Im Gegenteil, sie trat noch einen Schritt vor, und ihre ganze Haltung drückte Unnachgiebigkeit und schon fast Sturheit aus. Außerdem strahlte sie die Hoheit einer wirklichen Dame aus, und das forderte ganz einfach Respekt.
„Sie können von mir aus tausend Mal im Recht sein, Lord Denniston, es ist ganz einfach eine Frage der Ehre und der Höflichkeit, in einem Raum, in dem sich Damen befinden, zu grüßen und sich anständig zu benehmen. Wenn Sie das allerdings nicht können, dann sollten Sie auf der Stelle dieses Haus verlassen, oder ich werde dafür sorgen müssen, dass man Sie hinausbefördert.“
Jetzt war der Mann wirklich verblüfft, und langsam schien ihm zu dämmern, was er gerade tat. Oder war es doch die tief verwurzelte Ritterlichkeit Damen gegenüber, die ihn jetzt dazu veranlasste, den Kopf ein wenig zu senken, und dem Ansinnen der Lady nachzugeben?
„Verzeihen Sie, Lady Elaine“, murmelte er dann. „Ich bin wohl etwas über das Ziel hinausgeschossen.“ Dann hob er den Kopf wieder, schaute Elaine und auch Cassandra an und wünschte höflich einen guten Morgen. „Wenn Sie gestatten, Lady Elaine, würde ich gern ein Wort mit Lord Francis sprechen, es gibt wichtige Dinge zu bereden“, bat er fast zahm, was Francis und Cassandra nicht wenig verblüffte.
Ein schmales Lächeln zeigte sich in Elaines Gesicht, als sie so ihren Kopf durchgesetzt hatte. Aber als vollendete Gastgeberin war sie noch längst nicht zufrieden.
„Darf ich Ihnen einen Kaffee oder auch ein Frühstück anbieten, Lord Harlan?“, fragte sie jetzt eiskalt höflich.
Denniston schüttelte den Kopf. „Nein, vielen Dank, Lady, ich möchte hier nur meine Angelegenheiten regeln.“
Elaine setzte sich wieder und wandte Cassandra das Gesicht zu, und sie grinste dabei regelrecht spitzbübisch.
Francis, in dem noch immer ein gesunder Zorn tobte, machte eine Handbewegung aus dem Raum hinaus in Richtung Arbeitszimmer, und folgte seinem ungebetenen Gast dann.
Der Butler, zufrieden darüber, wie seine Herrin diese unangenehme Lage gemeistert hatte, schloss betont leise die Tür, und gleich darauf waren die beiden Frauen wieder unter sich.
„Du lieber Himmel, was war denn das für ein ungehobelter Klotz?“, fragte Cassandra. „Ich dachte jeden Moment, er geht auf Lord Francis oder gar auf Sie los.“
Elaine seufzte. „Leider ist das einer unserer Nachbarn, Harlan Lord Denniston. Zwischen ihm und Francis kommt es immer wieder zu Streitigkeiten, über meist unwesentliche Dinge. Und ich glaube nicht einmal die Hälfte von dem, was er als Beschwerde vorbringt. Er ist geschäftlich nicht so erfolgreich wie Francis, und bei ihm spiegelt sich eine gute Portion Hass und Neid darauf, dass mein Neffe in geschäftlichen Dingen grundsätzlich eine glückliche Hand hat, die er sich aber auch hart hat erarbeiten müssen.“
„Und was will er jetzt?“, forschte Cassandra weiter. „Seinem Verhalten nach schien es ja schon fast um Leben und Tod zu gehen.“
„Nun, es sieht wieder mal schlimmer aus, als es wirklich ist, glauben Sie mir, meine Liebe. Wahrscheinlich hat wieder mal eines von Francis’ Pferden nicht feststellen können, wo nun eigentlich die Grenze verläuft, weil dort oben die Weiden nicht mehr eingezäunt werden.“
Jetzt war Cassandra wirklich erstaunt. „Ja, gibt es denn hier gar keine Zäune?“
„Nein, das wäre viel zu teuer dort draußen. Und mit den meisten Nachbarn leben wir auf gutem Fuß. Mal laufen unsere Tiere auf deren Weide, und mal anders herum. Und niemand von uns sieht das als Problem, weil es sich irgendwo wieder ausgleicht. Das Problem ist ganz einfach Harlan Denniston, aber ich denke, auch damit werden wir leben können, Francis wird schon mit ihm fertig werden.“
Lady Elaine konnte nicht wissen, wie tief verwurzelt der Hass in Harlan Denniston war, und mit ihrem Verhalten heute hatte sie ihn gedemütigt und ihn gezwungen, sich in einer Sache zu entschuldigen, für die er selbst keine Entschuldigung als nötig erachtete, weil er sich absolut im Recht sah. Später sollte sich das noch bitter rächen. Aber jetzt war Lady Elaine fest entschlossen, jeden Gedanken an diesen unangenehmen Menschen auszuschließen.
Unter normalen Umständen hätte sie mit Cassandra einen ausgedehnten Spaziergang gemacht und ihr dabei Schloss und Ländereien gezeigt. Doch solange die junge Frau verletzt war, ging das natürlich nicht.
Stattdessen schlug Lady Elaine ihr vor, sie mit Hilfe des Personals in ihr Atelier hinaufzubringen, damit sie dort die Bilder ansehen konnte.
Der Tag war für Cassandra äußerst angenehm vergangen. Sie hatte bequem in einem Sessel gesessen, und Lady Elaine hatte ihr voller Stolz ihre Bilder gezeigt, an denen sie zum Teil noch malte, und die junge Frau war beeindruckt.
„Sie sollten eine Ausstellung veranstalten“, schlug sie vor.
Elaine grinste. „Ja, im Oktober ist wieder eine.“ Dann lachte sie über die Verblüffung der jungen Frau. „Mein liebes Kind, seit vielen Jahren stelle ich aus und verkaufe, allerdings nicht unter dem Namen Elaine of Lymore. Aber ich sage Ihnen, ich kann recht gut davon leben. So bin ich nicht auf das Vermögen angewiesen, das mir gehört, ganz im Gegenteil, ich habe es vermehrt, auch wenn ich nicht so recht weiß, für wen. Aus meiner Ehe ist kein Kind hervorgegangen, und mein Gatte ist lange tot, gestorben bei einem Unfall. Seitdem lebe ich allein und habe eigentlich nicht das Gefühl, dass mir etwas fehlt. Doch ich denke, ich werde alles einmal den Kindern von Francis hinterlassen – wenn er jemals welche bekommt. Und das setzt voraus, dass er eine Frau findet. Aber nun gut, das Thema ist schon zu oft besprochen worden.
Natürlich bietet das Wohnen hier im Schloss einen unschätzbaren Vorteil für mich, denn ich habe so viel Platz wie ich brauche, das Licht ist gut, und niemand redet mir hinein. Ich kann voll und ganz für meine Kunst leben. Aber jetzt ist es genug von mir, Cassy. Erzählen Sie mir mehr von sich. Wie kommt eine junge, hübsche, intelligente Frau wie Sie dazu Kriminalpsychologin zu werden? Es kann doch nicht leicht sein, sich mit aussichtslosen Fällen wie diesem zu befassen.“
„Ach, sehen Sie, Elaine, mein Vater ist Staatssekretär im Innenministerium, und mein ganzes Leben habe ich mit Politikern, Diplomaten und deren Anhang zu tun gehabt. Und ich wollte etwas machen, was sich grundlegend davon unterscheidet.“
„Ach, dann sind Sie die Tochter von Eric O’Hare“, stellte Elaine fest. „Ich kenne Ihren Vater, zumindest von Hörensagen. Er muss ein sehr interessanter Mann sein.“
„Das ist er in der Tat. Und manchmal schrecklich stur, weil er oft glaubt, besser zu wissen, was gut für mich ist. Ich habe aber meinen Kopf durchsetzen können, wie Sie sehen“, gestand Cassandra. „Seit dem Tod meiner Mutter hat er mich allein erzogen, und ich denke, er hat seine Aufgabe recht gut erfüllt. Aber ich sage Ihnen, Elaine, es war für mich als sechzehnjährige nicht ganz einfach, zu irgendwelchen Empfängen mitzugehen und stellvertretend die Frau an der Seite meines Vaters zu sein.“
Elaine lachte verständnisvoll auf. „Nein, das war sicher nicht einfach. Aber ich kann auf jeden Fall bestätigen, dass Sie wohlgeraten sind.“
„Danke“, grinste Cassandra. „Ich werde es meinem Vater ausrichten.“
Das Geplauder der beiden Frauen drehte sich jetzt um alltägliche Dinge, und die zwei verstanden sich immer besser, hatten in vielen Dingen die gleichen Interessen und Ansichten, und konnten auch einfach nur miteinander lachen.
Und so klang auch helles Lachen aus dem Atelier heraus, als Francis nach kurzem Anklopfen eintrat und sich darüber freute, dass es Cassandra augenscheinlich gut ging.
„Ich hatte doch wirklich schon ein schlechtes Gewissen, dass ich mich den ganzen Tag nicht um Sie kümmern konnte“, sagte er. „Aber wie ich sehe, haben sich hier zwei verwandte Seelen getroffen und verstehen sich blendend.“
„Francis, du hast ausgesprochenes Glück, dass Cassandra eine so kluge und liebevolle Persönlichkeit ist, sonst hätte ich mich tödlich gelangweilt“, erklärte Elaine im Brustton der Überzeugung, aber dennoch nicht ganz ernsthaft.
„Nun, darf ich dann meinen Harem zum Essen bitten?“, fragte der Lord gutgelaunt.
„Essen! Die beste Idee des Tages. Ich sterbe vor Hunger“, erklärte Cassandra. Unwillkürlich stand sie auf, nicht ihres kranken Fußes gedenkend, doch sobald sie auftrat, spürte sie den Schmerz, und ihr ganzer Körper versteifte sich. Aber sie schwieg, kein Schmerzenslaut kam über ihre Lippen, was ihr zunächst ein anerkennendes Nicken von Francis eintrug, aber dann auch die gutmütige Schelte von Lady Elaine.
Das Abendessen verlief in angenehmer Atmosphäre, wobei die Gesprächsthemen, wie den ganzen Tag über schon, bunt gemischt waren.
Noch während der Mahlzeit kam der Butler herein, mit einem tragbaren Telefon in der Hand, und ging zielsicher auf Cassandra zu. „Ein Gespräch für Sie, Madam, möchten Sie es annehmen?“
„Für mich?“, fragte sie erstaunt.
„Ihr Herr Vater.“
„Oh, Daddy? Ja, natürlich, geben Sie her. Vielen Dank.“
Eric O’Hare machte sich Sorgen um seine Tochter, nachdem er ohne bestimmten Grund im Yard angerufen und dort erfahren hatte, dass sie sich auf Pendarion Castle verletzt hatte und geblieben war. Cassandra hatte alle Mühe, ihm klar zu machen, dass es sich nur um einen unbedeutenden Unfall handelte und sie durchaus in der Lage wäre, auf sich allein aufzupassen.
Doch dann mischte sich Elaine ins Gespräch und legte ihr eine Hand auf den Arm. „Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr Vater zu Besuch käme, um sich von Ihrem Wohlbefinden zu überzeugen“, lächelte sie, und Francis auf seinem Platz nickte fröhlich und zustimmend.
Cassandra wurde rot vor Verlegenheit. Es war natürlich nicht in ihrer Absicht gewesen, und sie hatte ganz und gar nicht vor, diesen reizenden Leuten hier auf die Nerven zu gehen, indem ihr Vater auch noch als Besucher auftauchte. Aber Elaines Angebot klang so überzeugend und aufrichtig, und außerdem hatte Eric am anderen Ende die Worte sehr wohl gehört.
„Ich werde hier alles erledigen und bin morgen da“, versprach er, und irgendwie fühlte Cassandra sich erleichtert und geborgen.
„Ich möchte Ihnen wirklich nicht noch mehr Umstände machen“, sagte sie also verlegen, nachdem sie das Gespräch beendet hatte. Doch die beiden winkten großzügig ab. Es war eine Selbstverständlichkeit, auch Cassandras Vater willkommen zu heißen.
In dieser Nacht stand Cassy allein im Flur am Fenster und starrte in das milchige Dunkel hinaus. Ungewöhnlich für diese Gegend war es die dritte Nacht mit Mondschein, und die junge Frau erwartete erneut das Auftauchen des geisterhaften Lord Reginald und das Aufblühen des Rosenstrauches. Mittlerweile hatte sie sich fast mit der Existenz des Geistes abgefunden, aber dass dieser Rosenstock, der tagsüber leer und tot schien, des Nachts die schönsten Blüten hervorbrachte, war ihr ein fast noch größeres Rätsel.
Irgendwo schlug eine Standuhr im Schloss mit lauten, dumpfen Schlägen hallend die Mitternacht, und von Geisterhand berührt erschienen an dem Rosenstock Blüten und Knospen, die zu dunkelroten Rosen aufbrachen, alles innerhalb weniger Minuten. Und auf ihnen lagen Tautropfen wie dicht geweinte Tränen. Gleich darauf erschien auch der geisterhafte Reiter wieder. Und das Ritual, das seit so langer Zeit stattfand, wiederholte sich von neuem.
Für Cassandra war es immer noch faszinierend, und sie vertiefte sich voll und ganz in diesen Anblick. Welch eine Liebe musste das gewesen, die über das Grab hinaus den Geist des toten Mannes veranlasste, in jeder Mondnacht die Rosen zu pflücken und sie einer Frau zu bringen, die ebenfalls tot war. Sie merkte gar nicht, dass sie diese Tatsache schon einfach akzeptiert hatte, etwas, das sie bis vor zwei Tagen weit von sich gewiesen hätte.
Die junge Frau war so tief in Gedanken versunken, dass sie von ihrer Umgebung nichts mehr wahrnahm. Und dann legte sich plötzlich eine Hand auf ihre Schulter, und tief aus ihren Überlegungen gerissen und total verschreckt, schrie sie laut auf. Unwillkürlich schlug sie um sich und ging dann in Abwehrstellung, wie man es ihr während der Ausbildung bei der Polizei beigebracht hatte.
Doch jemand hielt ihre Hände fest und zog sie dann zart an sich. Eine mittlerweile vertraute Stimme klang auf und sprach beruhigend auf sie ein.
„He, nicht doch, ist doch alles in Ordnung. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Tut mir leid. Bitte, beruhigen Sie sich doch wieder. Cassandra, ich bin es, kommen Sie doch wieder zu sich.“
Cassandra zwang sich zur Ruhe. Es war ja nur Francis, der, von ihr unbemerkt, hier nähergekommen war, sie schon eine ganze Zeit beobachtet hatte und sich nun einfach bemerkbar machen wollte.
Das Herz pochte der Frau bis zum Halse, und sie riss sich jetzt wieder zusammen. Natürlich war es lächerlich, dermaßen schreckhaft zu sein, doch angesichts der Ereignisse, die hier stattfanden, war es auch wieder nicht so ungewöhnlich. Cassandra wurde plötzlich bewusst, dass sie an der Brust von Lord Francis lag, worin das Herz stark und kräftig in regelmäßigem Rhythmus schlug. Seine festen muskulösen Arme hielten sie umfangen, und ein seltsames Gefühl erfasste sie. Es war Geborgenheit, unbedingtes Vertrauen und noch etwas anderes, das sie nicht auf Anhieb definieren konnte. Aber irgendwie war es vollkommen selbstverständlich und entsprang dem Zauber dieser Nacht, dass Francis sich plötzlich niederbeugte und einen zarten Kuss auf ihre Lippen drückte.
Für Cassandra war es, als würde eine Explosion in ihrem Innern stattfinden, ihr ganzer Körper kribbelte, die Beine wurden ihr weich, und sie öffnete den Mund, um diesen Kuss ja nicht zu Ende gehen zu lassen. Die Lippen von Francis waren fest und doch zart, er duftete ungeheuer gut und männlich, und Cassy wünschte sich, der Zauber dieses Augenblicks möge nie zu ende gehen.
Schließlich aber löste sich Francis von ihr und hielt sie auf Armeslänge von sich ab. Im fahlen Mondlicht konnte sie das Schimmern in seinen Augen sehen, und hörte wie durch einen Schleier seine folgenden Worte.
„Entschuldigen Sie bitte, Miss O’Hare, ich wollte Sie nicht überrumpeln. Und es tut mir leid, ich... Es war unverzeihlich.“
„Aber nein“, sagte sie mit erstickter Stimme und legte ihm zwei Finger auf die Lippen. „Sag nichts weiter. Ich habe diesem Moment genossen, und ich danke dir, auch wenn es am Morgen nur ein Traum gewesen sein sollte.“
In diesem Augenblick hielt nichts mehr den Lord zurück, wieder zog er die Frau an sich, und dieses Mal bot sie ihm ihre vollen roten Lippen dar, die er wie ein Ertrinkender küsste.
„Ich glaube, ich habe mich vom ersten Augenblick an in dich verliebt“, flüsterte er irgendwann später.
„Mir geht es genauso“, gab sie leise zurück, und in dem Blick, den sie ihm zuwarf, lag unendliche Liebe.
„Lassen wir Lord Reginald schlafen gehen und beenden diese Nachtwache“, schlug er dann vor. „Du musst deinen Fuß noch schonen. Wir haben morgen wieder einen ganzen Tag für uns.“
Am liebsten hätte Cassandra die ganze Nacht so weitergemacht, aber es war die reine Vernunft, die aus Francis sprach, und so stimmte sie zu, nicht ohne sich mit einigen langen Küssen zu verabschieden.
„Euer Lordschaft, es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen. Und vor allem möchte ich Ihnen dafür danken, wie aufmerksam Sie sich um meine Tochter gekümmert haben. Es ist durchaus keine Selbstverständlichkeit, dass Sie Ihre Gastfreundschaft derart ausdehnen. Ich bin Ihnen verpflichtet.“ Eric O'Hare, der diese wohlgesetzten Worte fand, war ein schlanker, distinguiert aussehender Mann mit leicht angegrauten Haaren und edel geschnittenen Gesichtszügen. Er war bei seiner Ankunft vom Butler direkt in das Arbeitszimmer von Francis geführt worden, wo der sich gerade aufhielt. Und die beiden Männer hatten sich mit Handschlag schon fast freundschaftlich begrüßt, sie waren sich auf den ersten Blick sympathisch.
Francis war beeindruckt von Cassandras Vater, der mit weltmännischer Souveränität und ohne falsche Scheu auf ihn zugekommen war.
„Die Freude Sie kennenzulernen, ist ganz auf meiner Seite, Mr. O’Hare“, sagte Francis und meinte jedes Wort ernst. „Und eine Verpflichtung besteht auf keinen Fall. Immerhin hat sich Ihre Tochter in meinem Haus verletzt, da ist es meine Gastgeberpflicht, alles für sie zu tun, um ihr Linderung und Erleichterung zu verschaffen.“
„Verzeihen Sie, aber wie geht es meiner Tochter?“, stellte Eric die für ihn drängende Frage.
Francis lächelte. „Sie ist nicht wirklich schlimm verletzt, sie hat sich nur den Fuß verstaucht. Aber wir hielten es für besser, dass sie hierbleibt und ein wenig umsorgt und verwöhnt wird.“
„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich dafür bin. Meine Tochter ist – nun, ein wenig unabhängig, sehr selbstständig, und im Allgemeinen lässt sie es nicht so einfach zu, dass man ihr hilft. Da freut es mich doppelt, dass sie hier in guten Händen ist.“
Eric war von dem jungen Lord auf Anhieb angetan und war beeindruckt von seiner freundlichen und doch energischen Ausstrahlung. Dabei wusste er natürlich noch nicht, dass Francis und seine Tochter die Liebe füreinander entdeckt hatten, diese Überraschung stand ihm noch bevor.
„Ich nehme an, Sie wollen gleich mit Ihrer Tochter sprechen, Mr. O’Hare. Dann kommen Sie bitte mit, sie ist im Atelier bei meiner Tante.“
Wenn O’Hare verwundert war, so zeigte er es nicht, sondern begleitete den Lord hinauf in das Obergeschoss. Schon draußen vor der Tür hörten die beiden Männer das fröhliche Lachen der Frauen dahinter. Eric war jetzt doch mehr als nur ein bisschen verwundert, denn er hatte seine Tochter immer als eher in sich gekehrt gesehen, auch wenn es ihr durchaus nicht an Humor mangelte.
Francis klopfte kurz und trat dann ein. „Ich bringe Besuch mit“, verkündete er und schob dann Cassandras Vater hinein in das Atelier.
Cassy saß wieder in dem bequemen Sessel und hatte den Fuß hochgelegt, doch jetzt versuchte sie aufzustehen und auf ihren Vater zuzulaufen
„Dad, schön, dass du schon da bist“, rief sie fröhlich, wurde dann aber von einer zierlichen schlanken Frau daran gehindert herumzulaufen.
„Bleiben Sie sitzen, meine Liebe, Ihr Vater ist im Moment wohl besser zu Fuß als Sie.“ Dann drehte Elaine sich um und reichte Eric die Hand, wobei sie sich vorstellte.
Eric war auf den ersten Blick fasziniert und schaute die Frau an wie eine Erscheinung, was Francis und Cassandra natürlich nicht entging. Wie zwei Verschwörer grinsten sie sich an, während die Blicke von Elaine und Eric aneinanderhingen.
Schließlich wandte sich Eric ein wenig verlegen ab, ging auf seine Tochter zu und umarmte sie zärtlich.
„He, meine Kleine, was machst du für Sachen?“, fragte er betont burschikos und freute sich, wie gut seine Tochter aussah. Dann ließ er sich erzählen, was passiert war, zeitweise von den beiden anderen unterbrochen, die etwas zufügten. Und dann war es auch schon bald Zeit zum Mittagessen, das in wirklich fröhlicher Stimmung stattfand, wobei die Gespräche wild durcheinanderliefen.
Aber die beiden jungen Leute konnten absolut nicht übersehen, dass Eric und Elaine fasziniert voneinander waren. Immer wieder suchten sich ihre Blicke, und sie versuchten unwillkürlich durch Fragen nach Arbeit, Interessen und Privatleben sich gegenseitig besser kennenzulernen und sich so ein Bild vom jeweils anderen zu machen.
Francis hatte dann schließlich, wie es ihm schien, eine äußerst taktvolle Idee.
„Ich habe einen Rollstuhl besorgen lassen, Cassy. Würde es dir gefallen, mit mir einen Spaziergang zu machen?“
Eric und Elaine wunderten sich über das plötzliche vertraute Du zwischen den beiden, das sie bisher vermieden hatten, doch sie stellten keine taktlosen Fragen. Allerdings war O’Hare der Meinung, dass der Lord seine Gastfreundschaft nicht soweit ausdehnen musste.
„Das würde ich auch gerne selbst tun, Euer Lordschaft“, sagte er. „Sie müssen sich nicht bemühen. Ihre Zeit ist sicher karg bemessen.“
Elaine und Francis grinsten sich an, während Cassy eifrig den Kopf schüttelte. „Nein, ist schon in Ordnung, Dad. Francis hatte versprochen, mir einiges zu zeigen. Und so nehme ich sein Angebot gerne an. Ich hoffe nur, es macht dir nichts aus, mit Lady Elaine allein zu bleiben.“
Flüchtige Röte zog in das Gesicht der Lady, aber sie nickte erfreut, und auch Eric überspielte seine Verlegenheit. „Wenn das so ist, habe ich natürlich nichts dagegen“, erklärte er ein wenig steif.
Es war die Zeit kurz vor dem Abendessen.
Francis und Cassy hatten einen schönen Nachmittag verbracht, in deren Verlauf die Gefühle füreinander weiter gewachsen waren.
Eric und Elaine hatten die Zeit im Atelier verbracht, und der Mann bewunderte aufrichtig die Kunst der Frau. Und irgendwie war zwischen diesen beiden überhaupt keine Fremdheit aufgekommen, sondern so etwas wie gegenseitiges Vertrauen und Harmonie. Sie waren beide keine jungen Leute mehr, die sich im Rausch der Gefühle verirrten, bei ihnen spielte sich das in aller Ruhe und dennoch ebenso tiefgehend ab. Eric wunderte sich über sich selbst, denn seit dem Tod seiner Frau vor vielen Jahren hatte er solche Gefühle nicht mehr entwickelt. Aber hier war Elaine mit dem offenen, sympathischen Wesen, die das Herz manchmal auf der Zunge trug, und die so herzhaft über die kleinen Begebenheiten des Lebens lachen konnte, und Elaine tat ihm gut. Ebenso war es anders herum. Die Lady hatte lange nicht das Gefühl des Vertrauten gehabt, des gegenseitigen Verständnisses. Und eigentlich war es für beide, als habe der Blitz eingeschlagen. Aber sie standen nicht in Feuer und Flamme, sondern brannten mit gleichmäßiger Glut.
Eric hatte diese Stunden in Gegenwart der Frau sehr genossen, und er bedauerte es zutiefst, dass er eigentlich in spätestens zwei Tagen schon wieder abreisen musste.
Doch jetzt saß er allein mit seiner Tochter zusammen, die ja eigentlich der Grund seines Hierseins war, um die er sich aber keine größeren Sorgen machen musste, wie er festgestellt hatte.
„Was hatte dich eigentlich hierher geführt?“, wollte er wissen.
Cassandra lachte kurz auf. „Du wirst es vielleicht nicht glauben, Dad, aber es war eigentlich ein Geist.“ Die Verblüffung im Gesicht ihres Vaters amüsierte sie.
„Ein Geist?“, fragte er ungläubig noch einmal nach und schüttelte dann den Kopf. „Wozu brauchtest du eigentlich eine fundierte Ausbildung, wenn du jetzt hier auf die Jagd nach imaginären Schlossgespenstern gehst?“
„So imaginär ist das gar nicht“, erwiderte sie. „Ich habe ihn gesehen.“
„Unsinn, es gibt keine Geister.“
„Wenn du willst, zeige ich ihn dir. Ich war ebenso ungläubig wie du. Allerdings habe ich mittlerweile auch die Unterlagen verschiedener Parapsychologen eingesehen, die das Phänomen erforschen wollten. Aber das alles würde ja keine große Rolle spielen, wenn nicht ein Mordfall aufgetreten wäre, den sich bisher niemand erklären kann.“
„Es mag ja sein, dass es Leute gibt, die an Herzschwäche sterben, weil sie glauben, einen Geist gesehen zu haben. Aber ich bitte dich, Liebes, daran ist doch nichts real.“
Cassy seufzte. „Dad, ich sage dir, diesen Geist gibt es wirklich. Und ich denke, ich sollte den Versuch machen mit ihm zu reden.“
Eric verschluckte sich fast. „Findest du nicht, dass das bedeutet, die ganze Sache jetzt auf die Spitze zu treiben?“, forschte er.
„Oh, Dad, ich treibe hier gar nichts auf die Spitze, ich versuche einen Mordfall zu erklären.“
„Mit einem Geist!“ Eric war noch immer fassungslos, aber er versuchte zu akzeptieren, dass seine Tochter diese Erscheinung für wirklich hinnahm.
Cassandra lachte noch einmal belustigt auf. „Wenn du magst und der Mond scheint, kannst du ihn dir heute Nacht gerne selbst ansehen. Elaine wird dir sicher beistehen. Allerdings wirst du dann deine gesammelten Vorurteile über den Haufen werfen müssen“, setzte sie ein wenig süffisant hinzu.
„Vorurteile? Ich habe keine Vorurteile. Ich bin Realist“, behauptete Eric.
„Nun, dann kannst du ja heute Nacht dabei sein.“
„Und ob ich das tun werde“, beharrte er.
Elaine setzte sich jetzt zu den beiden, und der Blick, den Eric ihr zuwarf, ließ seine Tochter amüsiert schmunzeln. Sie würde es ihrem Vater so sehr gönnen, dass er noch einmal eine Frau traf, an die er sein Herz verschenken konnte. Ihrer Meinung nach war er schon viel zu lang allein und hatte sich immer viel zu sehr in die Arbeit vergraben. Und sie hielt Elaine für eine phantastische Frau, die es ebenfalls verdiente, geliebt und glücklich zu werden.
„Ich habe meinem Vater gerade von Lord Reginald erzählt“, berichtete Cassandra. „Aber es sieht nicht so aus, als würde er mir glauben.“
Elaine lächelte. „Nun, wenn wir heute Nacht Mondschein haben, wird er ihn kennenlernen.“
Die Lady wurde ans Telefon gerufen, und Eric nutzte die Gelegenheit, um seiner Tochter noch einige Fragen zu stellen.
„Sag einmal, es geht mich ja eigentlich nichts an, Cassy, aber was ist das hier zwischen dem Lord und dir?“
Er sah, wie verlegene Röte in das Gesicht seiner Tochter zog, aber sie hielt den Kopf aufrecht, als sie antwortete.
„Ich glaube, Dad, ich habe mich verliebt.“
„Hm“, brummte er. „Ausgerechnet in einen Lord. Aber ich muss zugeben, er ist außerordentlich charmant und sympathisch. Und nach allem, was ich höre, auch geschäftlich erfolgreich. Aber bist du dir darüber im Klaren, wie sich das unter Umständen weiter entwickelt? Wenn es ernst werden sollte zwischen euch? Als Lady of Lymore könntest du deinem Beruf nicht weiter nachgehen.“
„Ja, ich weiß“, gab sie leise zurück. „Aber soweit will ich noch gar nicht denken.“
„Nun, du solltest es nicht außer Acht lassen“, mahnte ihr Vater. „Doch bis es soweit ist, kann ich dir nur eines raten. Genieße deine junge Liebe.“
Cassandra atmete auf. Fast hatte sie schon erwartet, dass ihr Vater eine solche Verbindung ablehnen würde. Aber Eric O’Hare war ein vernünftiger Mann, der wusste, dass man Gefühlen nicht befehlen konnte.
„Und was ist mit dir?“, schoss Cassy jetzt die Frage ab. „Mir scheint, Lady Elaine gefällt dir außerordentlich gut.“
„Sie ist eine ungewöhnliche Frau“, gab er verlegen zu. „Und ich finde sie auf den ersten Blick interessant und sympathisch.“
„Das ist sie auch. Und solltest du auf deine altmodische Art um sie werben wollen, dann bin ich mit Sicherheit die Letzte, die etwas dagegen hat.“
„Findest du nicht, dass du jetzt etwas zu weit gehst?“, protestierte Eric.