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Innerhalb von fünf bis höchstens zehn Jahren werden sich wesentliche Teile der weltweiten Nahrungsmittelversorgung in den Händen von nur vier global agierenden Großkonzernen befinden. Diese Firmen halten exklusive Patente auf Saatgut, ohne das kein Bauer oder Landwirt der Welt säen und später ernten kann. Es handelt sich dabei allerdings nicht um gewöhnliches Saatgut, sondern um solches, das genmanipuliert wurde. Eine besondere Entwicklung ist das »Terminator-Saatgut«. Es läßt nur eine Fruchtfolge zu. Danach begehen die Samen »Selbstmord« und sind als Saatgut nicht wiederverwendbar. Damit soll sichergestellt werden, daß Saatgut jedes Jahr neu erworben werden muß – ein Geschäft, das der Teufel nicht hätte besser erfinden können. Wird diese Entwicklung nicht aufgehalten, entsteht eine neue, bislang nicht für möglich gehaltene Form der Leibeigenschaft. Drei der vier privaten Unternehmen, die heute gentechnisch verändertes Saatgut anbieten, weisen eine unheilvolle jahrzehntelange Verbindung zur US-Kriegsmaschinerie des Pentagon auf. Einst produzierten sie »Agent Orange«, das Zehntausende in Vietnam tötete und selbst heute noch Folgeschäden verursacht. Zur Zeit üben diese Firmen in Zusammenarbeit mit der US-Regierung einen enormen Druck auf Europa aus, damit auch hier alle Schranken gegen genmanipuliertes Saatgut fallen. Dies ist keine Geschichte über Profitgier. Es ist vielmehr eine Geschichte über die dunkle Seite der Macht. In den 1970er Jahren erklärte Henry Kissinger: »Wer das Öl kontrolliert, ist in der Lage, ganze Nationen zu kontrollieren; wer die Nahrung kontrolliert, kontrolliert die Menschen.« Das Buch dokumentiert, daß die amerikanische Rockefeller-Stiftung der treibende Motor hinter dieser Entwicklung ist. Zusammen mit privaten Forschungsinstituten und in Mittäterschaft der US-Regierung versucht eine kleine mächtige Elite »Gott zu spielen« – mit erschreckenden Folgen für die Völker der Welt.
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Dieses Buch ist der Erinnerung an O.T. Rishoff – Landwirt,Herausgeber und Aktivist – gewidmet, der mich zu meiner Arbeit inspirierte
Stimmen zum Buch:
»Das Buch von F. William Engdahlbefaßt sich mit dem großen Thema der Genetisch ManipuliertenOrganismen (GMO), die für eine Geopolitik mißbraucht werden. Es liest sich wie einKriminalroman unglaublichen Ausmaßes, in dem vier große anglo-amerikanische Agrar-Industrie-Unternehmen nicht vor Verbrechenan der Menschheit zurückschrecken und überGMO die Nahrungsmittel und damit dieMacht über unsere Welt gewinnen wollen. Engdahl hat akribisch genauhinterfragt und den Hintergrund und diegroßenZusammenhänge überzeugend dargestellt, sodaß der Leser tief ergriffen zum selbständigen Nachdenkenangeregt wird. Erst wenn Gesetze auf internationaler Ebene den Genozid mit GMO bannen, wirdFriede auf unserem Planeten möglich – das ist dieSchlußfolgerung.«
Dr. Anton Moser, Professor für Biotechnologie, Graz (Österreich), und Vizedirektor des Österreichischen Instituts für Nachhaltige Entwicklung
»Was die Zukunftsvision der Welt von WilliamEngdahl so erschreckend macht, ist die Tatsache, daßsie real ist. Obwohl unsere Zivilisation aufhumanitären Idealen aufgebaut wurde, ist in diesem neuen neoliberalen Zeitalter alles zu einer Waffe in den Händen einigerMagnate weltweit operierender Unternehmenund ihrer politischen Mitläufer geworden – die Wissenschaft, der Handel, die Landwirtschaft, und selbst Saatgut ist betroffen. Um die Weltherrschaftzu erlangen, brauchen sie nicht mehr die primitiven und ineffektiven Methoden der Sowjets der Vergangenheit, die Massen Bajonette-schwingender Soldaten einsetzten. Sie erreichen ihre Ziele viel einfacher, indem sie die Lebensmittelproduktion kontrollieren. Wenn es ihnen darüber hinaus gelingt, das zu erreichen, was euphemistisch ›Bevölkerungskontrolle‹ genanntwird, dann ist das nur umso besser für sie. Man kann nur hoffen, daß William Engdahls Buch seinen Lesernhelfen wird zu erkennen, daß wir etwas tun müssen, um diese Einbahnstraße zum Wahnsinn und zurZerstörung der Menschheit und unsererWelt zu verlassen.«
Dr. Arpad Pusztai, weltweit führender Experte in Sachen GMO
»Wenn Sie etwas über das sozio-politische Programm wissen wollen – warum Biotechnikunternehmen darauf bestehen, GMO-Saatgut in der ganzen Welt zu verbreiten –, dannsollten Sie dieses Buch lesen. Sie werden erfahren,auf welche Weise diese Unternehmen Kontrolle über die gesamte Menschheiterlangen wollen und weshalb wir uns wehren müssen.«
Marijan Jost, Professor für Genetik und Pflanzenzüchtung an der Landwirtschaftsschule Krizevci, Kroatien
Vorwort zur erweiterten Auflage 2013
Im September 2012 veröffentlichte die renommierte wissenschaftliche Fachzeitschrift Food and ChemicalToxicology die Ergebnisse einer Studie von Wissenschaftlern der Universität Caen in Frankreich. Was die Forscher um Professor Gilles-Eric Séralini berichteten, sorgte auf der ganzen Welt für Aufsehen. Zum ersten Mal überhaupt hatten sie nämlich untersucht, wie sich die Fütterung von genmanipuliertem Mais über einen Zeitraum von zwei Jahren bei über 200 Ratten auswirken würde. Die Studie, die drei Millionen Euro gekostet hatte, war unter strengster Geheimhaltung durchgeführt worden, um Druck von Seiten der Industrie aus dem Weg zu gehen. Erst nach einer vier Monate währenden Begutachtung durch wissenschaftlich qualifizierte Kollegen wurden die Ergebnisse publik gemacht. 1
Das vielleicht Erstaunlichste ist dabei: Die Séralini-Studie war die erste jemals durchgeführte Langzeitstudie über die Auswirkung einer Ernährung mit GMO (GMO steht für genetically modified organism, im Deutschen auch GVO für Gentechnisch Veränderte Organismen). Fast 20 Jahre lang hatten sich Genpflanzen weltweit verbreitet. Niemand hatte bis dato Untersuchungen über die gesamte zweijährige Lebensspanne von Ratten durchgeführt – keine Regierung, keine Universität, kein Lebensmittelkonzern wie Nestlé, Unilever, Kraft Foods oder ähnliche Megaunternehmen, die in ihren Produkten GMO verarbeiten. Alle früheren Studien hatten sich nur auf maximal drei Monate erstreckt, viel zu wenig Zeit, um die möglichen Auswirkungen einer Ernährung mit GMO zu untersuchen, wie Séralinis Studie auf geradezu dramatische Weise bestätigte. 2
Schon wenige Stunden nach der Veröffentlichung der Séralini-Studie setzte eine koordinierte weltweite Medienkampagne ein, um die Schlußfolgerungen der Wissenschaftler in Mißkredit zu bringen. Dabei wurden nicht etwa Fakten präsentiert, sondern nur die typische Anschuldigung, die Studie sei »unwissenschaftlich«. Im Oktober 2012, wenige Tage nach Erscheinen der Studie, mußte in Brüssel ein führender EU-Beamter, der Gesundheitskommissar John Dalli aus Malta, nach einem Skandal über den Einfluß der Tabaklobby seinen Rücktritt einreichen. Dalli war auch leidenschaftlicher Fürsprecher der Gentechnikindustrie. Das legte die Vermutung nahe, daß die GMO-Lobby in Brüssel nicht nur das Wohl der EU-Bürger im Sinn hatte. Ob Dalli Schmiergelder von der Gentechniklobby angenommen hatte, war nicht bekannt. Weithin wußte man allerdings, daß Bestechung durch die Industrie in Brüssel an der Tagesordnung war. 3
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, ein Gremium »unabhängiger« Experten, verurteilte die Séralini-Studie umgehend, ohne zuvor eine unabhängige vergleichbare Langzeitstudie durchzuführen, um die Resultate zu bestätigen oder zu widerlegen. Die meisten EU-Bürger hatten keine Ahnung von den Enthüllungen durch Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen, denen zufolge Mitglieder des EFSA-Wissenschaftsausschusses direkte oder indirekte Verbindungen zu derselben Gentechnikindustrie – zum Teil über Monsanto – Frontorganisationen – unterhielten, die sie doch eigentlich überwachen sollten. 4 Offenkundig waren Korruption und Einflußnahme weit verbreitet bei den EU-Beamten, die für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Europa verantwortlich sind.
Wer weiß, wie rücksichtslos Monsanto und das weltweite Agrochemie-Kartell hinter den GMO vorgeht, der wundert sich nicht darüber, daß Séralinis bahnbrechende Studie so scharf angegriffen wurde. Die gesamte Geschichte des gentechnisch veränderten Saatguts für Mais, Sojabohnen, Raps, Baumwolle und unzählige andere Feldfrüchte seit der ersten Zulassung von GMO in den USA im Jahr 1992 war geprägt von Schmiergeldzahlungen an Regierungsbeamte, Korruption von Wissenschaftlern, Druck des US StateDepartment auf die EU und andere Länder sowie betrügerische Werbekampagnen. Alles nur, um die Welt davon zu überzeugen, GMO wären die »Lösung für den Welthunger«, oder genmanipulierte Feldfrüchte und Unkrautvernichtungsmittel seien »umweltfreundlicher« als herkömmliche Sorten.
Seit die erste Auflage von Saat der Zerstörung im Oktober 2006 im Kopp Verlag erschien, sind über sechs Jahre vergangen. Bedauerlicherweise haben sich in dieser Zeit alle im Buch gemachten Aussagen als wahr erwiesen, manche sind sogar noch übertroffen worden. Die gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle von Monsanto ist verantwortlich für massive Mißernten und ungezählte Selbstmorde indischer Bauern. Aus Telegrammen der Pariser US-Botschaft, die von der umstrittenen Internet-Organisation WikiLeaks veröffentlicht wurden, geht hervor, daß das US State Department die private Firma Monsanto aktiv unterstützte, indem offiziell diplomatischer Druck auf die französische Regierung ausgeübt wurde, um sie für die Zulassung von GMO zu gewinnen. Ein unabhängiger Bericht amerikanischer Farmer bestätigte, daß gentechnisch veränderter Mais und ebenso veränderte Sojabohnen mehr, und nicht, wie behauptet, weniger Unkrautvernichter wie »Roundup« und Nachahmerprodukte erfordern. Doch damit nicht genug: Sie förderten auch das Entstehen verheerender »Super-Unkräuter«, die gegen »Roundup« resistent waren. Und nach zwei oder drei Ernten zeigte sich, daß die angebliche Ertragssteigerung – eines der Hauptargumente für die Einführung der GMO – überhaupt nicht eintrat. Im Gegenteil, die Erträge waren in der Regel niedriger als bei vergleichbaren Gentechnik-freien Sorten.
Entgegen dem einige Jahre zuvor geleisteten feierlichen Versprechen kaufte Monsanto 2007 ein kleines Biotech-Unternehmen auf und erwarb damit auch das Patent für die »Terminator«-Technologie, die das genmanipulierte Saatgut veranlasst, nach der ersten Ernte »Selbstmord zu begehen«. Dadurch werden Landwirte auf der ganzen Welt de facto zu Leibeigenen des GMO-Saatgut-Kartells.
Eine der abenteuerlichsten Entwicklungen, die gentechnisch verändertes und konventionelles Saatgut gleichermaßen betrifft, war die Fertigstellung und Inbetriebnahme eines riesigen atombombensicheren Samenbunkers durch die Regierung von Norwegen. In dem Bunker auf dem bergigen Archipel Svalbard am Polarkreis sollen Samen aus aller Welt gelagert werden. Das Projekt wurde maßgeblich von der Rockefeller-Stiftung und der Bill and Melinda Gates Foundation finanziert; die offizielle Eröffnung erfolgte im Februar 2008. Mittlerweile lagern in dem Samenbunker von Svalbard über 20 Millionen verschiedene Samen von ungefähr einem Drittel der wichtigsten Lebensmittelpflanzen aus aller Welt. Das Ganze wird noch interessanter, wenn man weiß, daß die Rockefeller-Stiftung das GMO-Projekt in Gang gebracht hat, als sie über Jahrzehnte hinweg mehrere hundert Millionen Dollar Forschungsgelder beisteuerte, um in der Landwirtschaft dasselbe zu erreichen, was ihr zuvor mit der monopolistischen Kontrolle über das Erdöl der Welt gelungen war. Außerdem sollte man wissen, daß die Bill and Melinda Gates Foundation zu den wichtigsten Anteilseignern von Monsanto zählte, dem größten Agribusiness-Konzern der Welt.
Daneben lancierten dieselben zwei mächtigen privaten amerikanischen Stiftungen – die Rockefeller- und die Gates-Stiftung – ein Großprojekt mit dem trügerischen Namen Alliancefor a Green Revolution in Africa (AGRA). Kofi Annan, der ehemalige UN-Generalsekretär, fungierte dabei als Galionsfigur. Ziel war die Verbreitung von Monsantos Gen-Saatgut. Die AGRA, die sich als eine von Afrikanern geleitete Organisation zur Förderung von Lösungen für Afrika präsentierte, wurde in Wirklichkeit von Leuten der Gates- und Rockefeller-Stiftung geführt und mit ihrem Geld finanziert. Beide, Bill Gates und David Rockefeller, waren erklärte Befürworter der Eugenik und der Reduzierung der Weltbevölkerung, insbesondere der Menschen mit dunkler Hautfarbe.
Nur die strikte Kontrolle über die einflußreichen Medien der Welt hat bisher verhindert, daß die wahre Horrorgeschichte der Verbreitung von GMO-Feldfrüchten als das verstanden wird, was sie in Wirklichkeit ist: das wahrscheinlich gefährlichste Experiment der Geschichte mit dem Leben auf unserer Erde. Als die Methoden von Monsanto, Syngenta und der Handvoll global agierender Agrochemie-Konzerne – darunter auch die deutschen Monsanto – Partner BASF und Bayer AG – bekannt wurden, zeigte sich immer deutlicher, daß die Verbreitung der GMO weit mehr war als das rücksichtslose Streben nach Konzerngewinnen und dem »Shareholder Value« für Monsanto – Aktionäre.
Damals wie heute bedeuten gentechnisch veränderte Organismen, daß einer Handvoll privater Konzerne die Macht über das Wesen menschlichen und tierischen Lebens übergeben wird. In dem Moment, in dem dieses Vorwort für die neue erweiterte Auflage von Saat der Zerstörung geschrieben wird, steht der Kampf über Beschränkung oder freie Verbreitung genmanipulierten und patentierten Saatguts am Scheideweg. Der Leser ist aufgefordert, das Folgende – das sich oft genug wie ein Kriminalroman oder Thriller liest, was es aber leider nicht ist – unvoreingenommen und mit einer gehörigen Portion gesunder Skepsis zu lesen. Wenn Ihnen die Gesundheit Ihrer Familie, Ihrer Freunde und Ihrer Enkelkinder am Herzen liegt, dann sind Sie moralisch dazu verpflichtet, das, was Sie auf den folgenden Seiten lesen, entweder zu widerlegen und zu verwerfen – oder für die Folgen der Ausbreitung von GMO über die ganze Erde mitverantwortlich zu werden.
F. William Engdahl, Frankfurt/Main, im Dezember 2012
Vorwort
»Wir besitzen etwa 50 Prozent des Reichtumsdieser Welt, stellen aber nur 6,3 Prozent seiner Bevölkerung. DieserUnterschied ist im Verhältnis zwischen uns undden Völkern Asiens besonders groß. In einer solchen Situation kommenwir nicht umhin, Neid und Mißgunst auf uns zu lenken.Unsere eigentliche Aufgabe in der nächsten Zeit besteht darin, eineForm von Beziehungen zu finden, die es uns erlaubt, dieseWohlstandsunterschiede ohne ernsthafte Abstriche anunserer nationalen Sicherheit beizubehalten. Um das zuerreichen, werden wir auf alle Sentimentalitäten und Tagträumereien verzichten müssen; und wir werdenunsere Aufmerksamkeit überall auf unsere ureigensten, nationalenVorhaben konzentriert müssen. Wir dürfen uns nicht vormachen, daß wiruns heute noch den Luxus von Altruismus und Weltbeglückung leistenkönnten.«
George Kennan, Chefplaner im US-Außenministerium, 1948
Dieses Buch handelt von den Vorhaben einer kleinen Machtelite, deren Zentrum nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in London, sondern in Washington liegt. Es handelt von der bisher noch nicht erzählten Geschichte, wie diese selbsternannte Elite es geschafft hat – mit Ken-nans Worten –, »die Wohlstandsunterschiede beizubehalten«. Das Buch erzählt, wie eine verschwindend kleine Minderheit die Rohstoffe und die Hebel der Macht in der Nachkriegswelt für sich behaupten konnte.
Es ist vor allem die Geschichte, wie sich die Machtausübung unter der Kontrolle weniger Auserwählter entwickelt hat, wobei sogar die Wissenschaft in den Dienst dieser Minderheit gestellt wurde. Wie Kennan in seinem internen Memorandum von 1948 es empfohlen hat, verfolgten sie ihre Politik unnachgiebig und ohne den »Luxus von Altruismus und Weltbeglückung«.
Im Gegensatz zu ihren Vorgängern in den führenden Kreisen des Britischen Empires verstand es die aufsteigende amerikanische Elite, die zu Kriegsende stolz das Dämmern ihres »Amerikanischen Jahrhunderts« verkündete, meisterlich, auf der Klaviatur von Altruismus und Weltbeglückung zu spielen, um ihre Ziele zu verfolgen. Ihr Amerikanisches Jahrhundert stellte sie als ein erträglicheres Reich zur Schau, als ein »freundlicheres und milderes«. Unter dem Banner der kolonialen Befreiung, Freiheit, Demokratie und Wirtschaftsentwicklung haben jene Elitekreise ein Machtgefüge errichtet, wie es die Welt seit den Zeiten Alexanders des Großen um 300 vor Christus nicht mehr gesehen hat – ein Weltreich, vereint unter der militärischen Kontrolle einer einzigen Supermacht, die nach Lust und Laune über das Schicksal ganzer Nationen entscheiden kann.
Dieses Buch ist die Fortsetzung eines ersten Bandes Mit der Ölwaffe zur Weltmacht. Es verfolgt einen zweiten, dünnen roten Faden der Macht. In diesem Fall ist es die Kontrolle über die eigentliche Grundlage des menschlichen Überlebens, über das tägliche Brot. Der Mann im Dienst der Interessen der Machtelite in den Nachkriegs-USA während der 1970er Jahre, der zum Symbol ihrer harten Realpolitik wurde, Außenminister Henry Kissinger, ließ irgendwann Mitte des 1970er Jahrzehnts die folgende Bemerkung fallen. Zuvor sei noch bemerkt, Kissinger war zeitlebens Schüler von Lord Palmerston und Castlereagh im England des 19. Jahrhunderts und Anhänger des geopolitischen Konzepts vom »Machtgleichgewicht«; er war jemand, der mehr als ein gerüttelt Maß an Verschwörungen unter seinem Mantel verbarg. Für die Pläne zur Erringung der Weltherrschaft steht seine Bemerkung:
»Wer das Öl kontrolliert, der kontrolliert ein Land; wer die Lebensmittel kontrolliert, kontrolliert das Volk.«
Die Wurzeln des strategischen Ziels, die Lebensmittelversorgung dieses Planeten unter Kontrolle zu bringen, reichen Jahrzehnte zurück, und zwar bis in die späten 1930er Jahre vor Kriegsbeginn. Die Zielsetzung stützte sich – ohne daß man groß Notiz davon nahm – auf ausgesuchte private Stiftungen, die eigens zu dem Zweck geschaffen worden waren, auf Dauer die Macht und den Reichtum einer Handvoll amerikanischer Familien zu sichern.
Ursprünglich hatten die Familien ihren Reichtum und ihre Macht in New York und entlang der Ostküste der Vereinigten Staaten von Boston über New York, Philadelphia bis Washington, D.C., konzentriert. Aus diesem Grund wurden sie in den Massenmedien manchmal höhnisch, öfters aber auch mit an Ehrfurcht grenzender Hochachtung als »Ost-küsten-Establishment« angesprochen.
Da sich der Schwerpunkt der amerikanischen Macht in den Nachkriegsjahrzehnten verlagerte, war der Begriff »Ostküsten-Establishment« bald nicht mehr ganz zutreffend. Die Elite konzentrierte ihre Macht nun, da sich die Tentakeln der amerikanischen Machtausbreitung nach Asien und Japan ebenso wie nach Süden über die Nationen Lateinamerikas vortasteten, an der Pazifikküste von Seattle bis Südkalifornien und von Houston bis Las Vegas sowie in Richtung Atlanta und Miami.
In den Jahrzehnten vor und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg wurde vor allem eine Familie zum Symbol des Hochmuts und der Arroganz des aufkommenden Amerikanischen Jahrhunderts. Nicht zufällig wurde das riesige Vermögen dieser Familie durch das Blut vieler Kriege angehäuft und beruhte auf der Kontrolle über das neue »schwarze Gold«, das Öl.
Das Ungewöhnliche an der Familie war die Tatsache, daß die Patriarchen dieses Vermögens und die Berater, die sie bestellt hatten, um ihren Reichtum auf ewig zu sichern, schon frühzeitig beschlossen hatten, ihren Einfluß auszuweiten. Sie versuchten nicht nur, das Öl, die aufkommende neue Energiequelle für den Fortschritt der Weltwirtschaft, unter Kontrolle zu bekommen. Sie beschlossen auch, ihren Einfluß über die Erziehung der Jugend, über das Gesundheitswesen einschließlich der Psychologie, über die Außenpolitik der Vereinigten Staaten auszudehnen, und auch – das ist für unsere Geschichte hier wichtig – über die Wissenschaft vom Leben selbst, über die Biologie und ihre Anwendungen im Bereich der Pflanzenzucht und Landwirtschaft.
Im großen und ganzen blieben ihre Bemühungen der breiteren Bevölkerung, besonders in den Vereinigten Staaten, verborgen. Nur wenige Amerikaner waren sich bewußt, wie ihr tägliches Leben allmählich – und manchmal auch gar nicht so allmählich – durch das eine oder andere Projekt, das aus dem riesigen Reichtum dieser Familie finanziert worden war, beeinflußt wurde.
Im Laufe der Nachforschungen für dieses Buch, ein Buch, das ursprünglich Genetisch Veränderte Organismen oder, auf Englisch, GMO zum Gegenstand haben sollte, wurde immer klarer, daß die Geschichte der GMO sich nicht von der politischen Geschichte jener Familie, nämlich der Familie Rockefeller und der vier Brüder David, Nelson, Laurance und John D. III., trennen ließ. Sie gab in den drei Jahrzehnten, die dem amerikanischen Sieg in Zweiten Weltkrieg folgten, der Machtentfaltung, über die George Kennan 1948 gesprochen hatte, ihre wirkliche Gestalt.
Die Geschichte der GMO ist im eigentlichen Sinne die Geschichte der Machtkonzentration in den Händen einer Elite, die fest entschlossen ist, die ganze Welt um jeden Preis ihrem Zepter zu unterwerfen.
Vor drei Jahrzehnten gründete sich die Macht auf diese eine Familie Rockefeller. Bis heute sind drei der vier Brüder verstorben, einige unter seltsamen Umständen. Allerdings hat sich ihrem Wunsch gemäß ihr Projekt der Weltbeherrschung, der »Herrschaft auf der ganzen Linie«, wie es das Pentagon später nannte, ausgeweitet. Das geschah oft mit den Phrasen von »Demokratie und Freiheit«, manchmal half – wenn nötig – die nackte Militärmacht des Reiches. Ihr Projekt gedieh so weit, daß in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts eine kleine Machtgruppe, nominell mit Sitz in Washington, in der Lage war, das gegenwärtige und künftige Leben auf diesem Planeten zu einem Grad zu beherrschen, der zuvor noch nie zu erträumen war.
Die Geschichte der Gentechnologie und des Patentierens von Pflanzen und lebenden Organismen kann nicht ohne die Geschichte der Ausbreitung des Amerikanischen Jahrhunderts eines George Kennan, Henry Luce, Averell Harriman und, vor allem, der fünf Rockefeller-Brüder in jenen Jahrzehnten der Nachkriegszeit verstanden werden. Sie schufen das Konzept des »multinationalen Agribusiness« (Agrar-geschäfts), sie finanzierten die »Grüne Revolution« im Agrarbereich der Entwicklungsländer, um unter anderem neue Märkte für ihre petrochemischen Düngemittel und Erdölerzeugnisse zu schaffen. Dies und die fortschreitende Abhängigkeit von ihren Energieerzeugnissen war und ist untrennbar mit der Geschichte der genetisch veränderten Feldfrüchte von heute verbunden.
In den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts wurde klar, daß nicht mehr als drei oder vielleicht vier riesige, internationale Chemie-Unternehmen als globale Spieler im Ringen um die Kontrolle über die Patente zur Erzeugung der wichtigsten Grundnahrungsmittel, von denen die Ernährung der meisten Menschen der Welt abhing, übrig geblieben waren. Zu den Nahrungsmitteln zählen Mais, Sojabohnen, Reis, Weizen und möglicherweise neue Züchtungen eines krankheitsresistenten Geflügels, das genetisch so verändert war, daß es angeblich selbst gegen das tödliche H5N1-Vogelgrippe-Virus immun ist. Drei der vier privaten Gesellschaften pflegten über Jahrzehnte hinweg enge Beziehungen zur Forschung an chemischen Kampfstoffen des Pentagon. Das vierte Unternehmen, nominell in Schweizer Hand, war in Wirklichkeit britisch dominiert. Wie beim Öl, so waren die GMO weit-gehend ein anglo-amerikanisches Projekt für die Welt.
Im Mai 2003, noch bevor sich der Staub über der rücksichtslos von den USA bombardierten und zerstörten Stadt Bagdad gelegt hatte, erhob der Präsident der Vereinigten Staaten GMO zur strategischen Aufgabe und räumte ihr Priorität in der US-Außenpolitik nach seinem Krieg ein. Der sture Widerstand des zweitgrößten Agrarproduzenten der Welt, der Europäischen Union, stand als feste Barriere dem globalen Erfolg des GMO-Projektes im Weg. Solange sich Deutschland, Frankreich, Österreich, Griechenland und andere EU-Länder aus gesundheitlichen und wissenschaftlichen Gründen hartnäckig weigern, den Anbau von GMO zuzulassen, dürften die übrigen Nationen der Welt skeptisch und unschlüssig bleiben. 2006 hat die Welthandels-Organisation in der EU die Tür zur massenhaften Anwendung von GMO gewaltsam aufgestoßen. Der weltweite Erfolg des GMO-Projekts schien damit zum Greifen nah zu sein.
Im Zuge der militärischen Besetzung des Irak durch die USA und Großbritannien machte sich Washington daran, die Landwirtschaft des Irak zur Domäne des patentierten, genetisch veränderten Saatguts zu machen. Dieses wurde vom US-Außen- und US-Landwirtschaftsministerium anfänglich großzügig zur Verfügung gestellt.
Die ersten Großversuche mit GMO-Saatgut fanden allerdings schon eher, in den frühen 1990er Jahren, in einem Land statt, dessen Elite seit langem der Rockefeller-Familie untertan und den New Yorker Banken verbunden war, nämlich in Argentinien.
Die folgenden Seiten gehen der Ausbreitung oder Weiterverbreitung von GMO nach, die oft mit politischer Nötigung, Druck auf Regierungen, Betrug, Lügen und sogar Morden einherging. Wenn sich dies manchmal wie eine Kriminalgeschichte liest, sollte das nicht überraschen. Es ist eine. Das Verbrechen wird im Namen der landwirtschaftlichen Leistungssteigerung, der Umweltfreundlichkeit und der Lösung des Welthungerproblems begangen; es gilt aber einem Vorhaben, das für jene kleine Machtelite weit wichtiger ist.
Das Verbrechen dreht sich nicht um Geld oder Profit. Diese mächtigen privaten Familien entscheiden immerhin, wer jeweils die Federal Reserve, die Bank of England, die Bankof Japan oder sogar die Europäische Zentralbank unter Kontrolle hält. Sie haben das Geld in Händen, entweder um zu zerstören oder zu schaffen.
Das Verbrechen zielt auf die letztinstanzliche Kontrolle über das künftige Leben auf diesem Planeten, eine Macht, von der frühere Diktatoren und Despoten nur geträumt haben. Wenn sie nicht aufgehalten wird, ist die heutige Elite hinter dem GMO-Projekt vielleicht nur noch zwei Jahrzehnte davon entfernt, die totale Kontrolle über die Nahrungsmittelerzeugung auf der Erde auszuüben. Es ist unbedingt nötig, daß diese Seite der GMO-Geschichte zur Sprache kommt. In der Hoffnung, daß der Leser das auch so sieht, lade ich ihn ein, die nach-folgenden Informationen sehr sorgfältig zu lesen und unabhängig selbst zu überprüfen.
F. William Engdahl, im September 2006
Kapitel 1
Krebskranke Ratten, Korruption und Terminator-Saatgut
Im September 2012 veröffentlichte die international renommierte wissenschaftliche Fachzeitschrift Foodand Chemical Toxicology eine Studie von Wissenschaftlern der französischen Universität Caen. Geleitet wurde das Team von Professor Gilles-Eric Séralini. Qualifizierte wissenschaftliche Gutachter hatten die Studie zuvor einer viermonatigen Prüfung unterzogen und grünes Licht für die Veröffentlichung gegeben.
Es handelte sich also nicht um ein amateurhaftes Unterfangen, sondern um die sorgfältig dokumentierten Ergebnisse von Versuchen an 200 Ratten über deren gesamte Lebensspanne von zwei Jahren. Dabei erhielt die eine Gruppe der Tiere ein Gentechnik-freies Futter, die andere Gruppe wurde mit GMO gefüttert.
Nach einem langen, aber schließlich erfolgreichen Rechtsstreit mit Monsanto über die Freigabe von Details einer firmeneigenen Studie zur Sicherheit der Maissorte NK603 reproduzierten Séralini und seine Kollegen die Studie aus dem Jahr 2004. Sie war damals in derselben Zeitschrift veröffentlicht worden und hatte der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA bei ihrer positiven Bewertung von KN603 als Grundlage gedient.
Séralinis Gruppe folgte bei ihrem Experiment demselben Studiendesign wie bei der Monsanto – Studie, allerdings mit dem wichtigen Unterschied, daß mehr Parameter häufiger getestet wurden. Vor allem aber wurden die Ratten über einen weitaus längeren Zeitraum untersucht, nämlich über die durchschnittliche Lebensdauer von zwei Jahren anstatt nur über 90 Tage wie bei der Monsanto – Studie. Die lange Zeitdauer sollte sich als entscheidend erweisen, denn die ersten Tumoren bildeten sich erst vier bis sieben Monate nach Beginn der Studie. Bei der früheren 90-Tage-Studie über denselben Gen-Mais KN603 waren ebenfalls Anzeichen für eine Toxizität beobachtet, aber sowohl von Monsanto als auch von der EFSA als »biologisch nicht bedeutsam« verworfen worden. Wie sich nun herausstellte, waren sie in Wirklichkeit jedoch biologisch höchst bedeutsam.
Darüber hinaus wurde die Studie mit der größten Zahl von Versuchstieren durchgeführt, die jemals bei einer GMO-Fütterungsstudie einbezogen wurden. Außerdem wurden »zum ersten Mal drei Dosierungen (anstatt nur zwei wie bei dem üblichen 90-tägigen Studiendesign) der ›Roundup‹-resistenten gentechnisch veränderten Maissorte NK603, des mit ›Roundup‹ behandelten GMO-Mais und ›Roundup‹ allein verwendet, und zwar in sehr niedrigen umweltrelevanten Dosierungen – angefangen bei weit unter den von Aufsichtsbehörden für Trinkwasser und gentechnisch verändertes Futter erlaubten Werten.« 5[›Roundup‹ ist ein von Monsanto produziertesUnkrautvernichtungsmittel, der Autor.]
Die Erkenntnisse waren höchst alarmierend. In der Séralini-Studie heißt es: »Bei den Weibchen starben in den behandelten Gruppen zwei- bis dreimal mehr Tiere als in der Kontrollgruppe, und sie starben schneller. Dieser Unterschied zeigte sich bei drei Gruppen der mit GMO gefütterten Männchen. Alle Ergebnisse waren hormon- und geschlechtsabhängig, das pathologische Bild war vergleichbar. In fast allen Fällen entwickelten Weibchen häufiger und schneller große Mamma-Tumoren als die Kontrollgruppen; das am zweithäufigsten geschädigte Organ war die Hypophyse; GMO und ›Roundup‹ veränderten die Sexualhormon-Balance. Bei den behandelten Männchen wurde 2,5 bis 5,5 mal häufiger eine Leberstauung und – nekrose beobachtet. Männchen zeigten viermal mehr große tastbare Tumoren als die Kontrollgruppe …« 6
Weiterhin berichteten die Forscher: »Zu Beginn des 24. Monats hatten 50 bis 80 Prozent der weiblichen Tiere in allen behandelten Gruppen Tumoren entwickelt, mit bis zu drei Tumoren pro Tier, wogegen in der Kontrollgruppe [Gentechnik-frei gefütterte Tiere, d. Autor] nur 30 Prozent betroffen waren. Die mit ›Roundup‹ behandelten Gruppen zeigten die höchsten Raten von Tumorinzidenz, wobei in jeder Gruppe 80 Prozent der Tiere betroffen waren, mit bis zu drei Tumoren pro Weibchen.« 7
Solch alarmierende Ergebnisse hatten sich in den ersten 90 Tagen – über diesen Zeitraum wurden bisher die meisten Studien bei Monsanto und in der agrochemischen Industrie durchgeführt – noch nicht gezeigt. Das belegt die Wichtigkeit von Langzeitstudien – und ist offenbar der Grund, warum die Industrie längerfristige Tests meidet.
Séralini und seine Mitarbeiter dokumentierten ihre alarmierenden Erkenntnisse weiter: »Wir beobachteten eine auffallend ausgeprägte Induzierung von Mamma-Tumoren durch R (›Roundup‹) allein, einem bekannten Pestizid, sogar bei der sehr niedrig formulierten Dosis. Die Aromatase-hemmende Wirkung von R ist nachgewiesen worden, mit Auswirkungen auf die Synthese von Estrogenen (Richard u. a., 2005), ebenso wie die Wechselwirkung mit den Östrogen- und Androgenrezeptoren in Zellen (Gasnier u. a., 2009). Darüber hinaus stellt R offenbar in vivo einen endokrinen Disruptor dar, auch bei Männchen (Romano u. a., 2010). Auch Sexualsteroide werden bei den behandelten Ratten verändert. Diese hormonabhängigen Phänomene werden durch eine verstärkte Hypophysen-Dysfunktion bei den behandelten Weibchen bestätigt.« 8
Gemäß dem Lizenzvertrag mit Monsanto muss das Unkrautvernichtungsmittel »Roundup« für das Saatgut von Monsanto und fast allen anderen Herstellern verwendet werden. Das Saatgut wird tatsächlich nur »verändert«, um es widerstandsfähig gegen »Roundup«, den weltweit meistverkauften Unkrautvernichter, zu machen.
Im Klartext bedeutet das, wie es in einer anderen wissenschaftlichen Studie heißt: »GMO-Pflanzen werden verändert, um Pestiziden zu widerstehen, entweder durch eine Herbizid-Toleranz, durch die Produktion von Insektiziden oder beides, man kann sie deshalb als ›Pestizidpflanzen‹ betrachten.« 9
Und weiter: »›Roundup Ready‹-Feldfrüchte [wieMonsantos Maislinie NK603, d. Autor] werden so verändert, daß sie gegen den Wirkstoff Glyphosat unempfindlich werden. Kombiniert mit den Wirkungsverstärkern in einzelnen Präparaten ist diese chemische Substanz ein hochwirksames Herbizid. Es wird seit vielen Jahren als Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt. … GMO-Pflanzen, die mit Glyphosat-basierten Herbiziden wie ›Roundup‹ in Kontakt kommen …, können ›Roundup‹-Rückstände sogar während ihrer gesamten Lebenszeit akkumulieren. … Glyphosat und sein wichtigster Metabolit AMPA (ebenfalls toxisch) werden regelmäßig in GMO gefunden. Also werden solche Rückstände von Menschen aufgenommen, die die meisten GMO-Pflanzen verzehren (rund 80 Prozent dieser Pflanzen sind ›Roundup‹-tolerant).« 10
Monsanto hatte wiederholt Anträge von Wissenschaftlern auf die Überstellung von Informationen über die genauen chemischen Inhaltsstoffe von »Roundup« abgelehnt, bis auf einen Stoff – Glyphosat. Es sei »Betriebsgeheimnis«, hieß es. Unabhängige Analysen von Wissenschaftlern deuten jedoch darauf hin, daß die Kombination von Glyphosat mit Monsantos geheimnisvollen chemischen Substanzen einen hochgradig toxischen Cocktail bildet, der schon in Dosierungen, die weit unter den in der Landwirtschaft verwendeten Mengen liegen, toxisch auf Embryonalzellen wirkt. 11
Mamma-Tumoren bei mit gentechnisch verändertem Mais und/oder niedrig dosiertem »Roundup« gefütterten Ratten. (Aus dem Bericht »Long term toxicity of a Roundup herbicide and a Roundup-tolerant genetically modified maize«, veröffentlicht in Food and Chemical Toxicology.)
Höchst alarmierend war der Zeitpunkt dieser ersten unabhängigen Studie über die Wirkung von GMO. Sie wurde nämlich rund 20 Jahre nach der ersten Marktzulassung von GMO-Saatgut durchgeführt. US-Präsident George W. Bush hatte seinerzeit grünes Licht gegeben, ohne auf einer vorhergehenden staatlich überwachten Sicherheitsprüfung zu bestehen. Bush traf seine Entscheidung nach einem Treffen mit Top-Vertretern der Monsanto Corporation, dem weltweit größten GMO-Konzern. Der US-Präsident verfügte, Gen-Saatgut sei fortan in den USA erlaubt, ohne daß auch nur ein einziger Test hinsichtlich der Sicherheit für Mensch und Tier angeordnet wurde. Sein Dekret wurde später als »Doktrin der Substantiellen Äquivalenz« bekannt, auf die in einem der folgenden Kapitel näher eingegangen wird. Gehorsam übernahm die EU-Kommission die amerikanische Doktrin der substantiellen Äquivalenz von »Nichts über negative Wirkung hören, keine negative Wirkung sehen … Nichts Schlechtes hören, nichts Schlechtes sehen«.
Die Veröffentlichung der Séralini-Studie wirkte wie die Detonation einer Atombombe. Sie zeigte deutlich, daß die »wissenschaftlichen« Kontrollen der EU für GMO nur darin bestehen, die von Monsanto und anderen GMO-Konzernen vorgelegten Testergebnisse hinzunehmen, ohne Fragen zu stellen. Angesichts der unverantwortlich agierenden Bürokraten der EU-Kommission trifft das Sprichwort zu: Ging es um GMO, konnte der Monsanto – Fuchs tatsächlich »den Hühnerstall bewachen«.
Als nun aber Séralinis neue Ergebnisse plötzlich weltweite Aufmerksamkeit erregten, gerieten die EU-Kommission und ihre EFSA in die Schußlinie wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Ihre Reaktion wirkte wie die schlechte Kopie eines Agatha-Christie-Krimis. Nur, daß es kein Roman war, sondern eine echte Verschwörung. (Jawohl, es gibt Verschwörungen in der realen Welt …). Teil der Verschwörung war offenkundig eine Form von Zusammenarbeit zwischen Monsanto, dem GMO-Agrochemie-Kartell, EU-Kommissaren und den Mitgliedern des Gentechnikausschusses der EFSA. Auch wichtige Medien und die Regierungen mehrerer EU-Mitgliedsländer, beispielsweise Spaniens und der Niederlande, spielten mit.
Die EFSA, die wissenschaftliche Lebensmittelbehörde in Brüssel, geriet durch die vernichtenden Resultate von Séralinis Langzeitstudie unter Beschuß. Sie hatte 2009 die Zulassung der »Roundup«-toleranten Maissorte NK603 von Monsanto empfohlen, ohne zuvor eine unabhängige Untersuchung durchzuführen oder in Auftrag zu geben. In ihrem offiziellen Mitteilungsblatt wurde eingeräumt, die Behörde habe die »vom Antragsteller (Monsanto) gelieferten Informationen, die von den Mitgliedsstaaten eingereichte wissenschaftliche Stellungnahme sowie den Bericht der zuständigen spanischen Behörde und deren Biosicherheitskommission« berücksichtigt. Außerdem bestätigte die EFSA, daß die Versuche bei Monsanto nur über 90 Tage durchgeführt worden waren. Wie Séralinis Team betonte, hatte sich die toxische Wirkung bei den mit GMO gefütterten Ratten erst viel später gezeigt und die Tiere waren erst später gestorben. Studien mit einer längeren Laufzeit waren also dringend geboten. 12
Der von der EFSA zitierte spanische Bericht war wenig überzeugend und zudem alles andere als unabhängig. Darin hieß es: »Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der vom Unternehmen Monsanto vorgelegten Daten [könnte] die spanische Kommission für Biosicherheit ein befürwortendes Gutachten zum Inverkehrbringen von Mais NK603 in der EU abgeben …« Zu den von Mitgliedsländern eingereichten wissenschaftlichen Kommentaren gehörten allem Anschein nach auch die aus Spanien und Holland, welche die Zulassung des Monsanto – Saatguts überhaupt erst beantragt hatten. 13
Die EFSA gelangte im Jahr 2009 bei der Zulassung zu dem Schluss, daß die [von Monsanto,d. Autor] »eingereichten molekularen Daten ausreichen und keinen Anlass zu Sicherheitsbedenken geben«. Weiter erklärte der Wissenschaftsausschuß in Brüssel in gelehrt anmutendem Tonfall: »Das GMO-Gremium ist der Ansicht, dass der Mais NK603 ebenso sicher wie herkömmlicher Mais ist. Der Mais NK603 und daraus hergestellte Erzeugnisse haben im Rahmen der vorgesehenen Verwendungszwecke wahrscheinlich keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier.« 14
Jetzt, im September 2012, drei Jahre nach der Markteinführung von Monsantos Genmais in der Europäischen Union, hat Séralini anhand schreckenerregender Bilder gezeigt, daß Monsantos GMO-Mais bei Ratten nachweislich zu einer hohen Rate an Krebstumoren und zum vorzeitigen Tod führte.
Die EU-Kommission in Brüssel hatte klare Richtlinien erlassen, die in dem, was sie nicht sagten, genauso aussagekräftig waren, wie in dem, was sie über nötige Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit beim Kontakt mit GMO-Pflanzen und den zugehörigen giftigen Unkrautvernichtungsmitteln erklärten: »Toxikologische Untersuchungen an Versuchstieren sind in der EU und den USA für die Zulassung neuer Lebensmittel nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Unabhängige Experten haben in einigen Fällen entschieden, dass eine chemische Analyse der Zusammensetzung eines Lebensmittels ausreicht, um zu bestimmen, dass der neue GMO seinem traditionellen Gegenstück substanziell äquivalent ist … In den vergangenen Jahren haben Biotech-Unternehmen ihre transgenen Produkte (Mais, Soja, Tomaten) vor der Markteinführung über einen Zeitraum von bis zu 90 Tagen an verschiedenen Versuchstieren getestet. Negative Auswirkungen wurden bisher nicht beobachtet.« 15
Aufgrund des Drucks der US-Regierung und der Macht der von Monsanto angeführten Gentechniklobby schrieb zu dem Zeitpunkt, als Séralini seine Studie durchführte, keine Aufsichtsbehörde der Welt verbindliche Langzeit-Fütterungsstudien für eßbare GMO und für Pestizide vor. Bis dato lagen nur einige wenige 90-Tage-Fütterungsstudien an Ratten vor, die die Biotech-Industrie selbst durchgeführt hatte. Längere Studien gab es nicht, anscheinend nach dem Prinzip, daß Interessenkonflikte in einem so wichtigen Bereich wie der Lebensmittelsicherheit nicht als ernsthafte Angelegenheit betrachtet werden sollten.
Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die EU, daß sie öffentlich ihre Politik scheinbar noch einmal bekräftigte: »Nach Aussage von Gentechnik-Kritikern hätten Fütterungsstudien mit zugelassenen GMO negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Solche Behauptungen beruhen jedoch nicht auf expertenbegutachteten wissenschaftlich akzeptierten Bewertungen. Sollten zuverlässige wissenschaftliche Studien einen Hinweis auf ein gesundheitliches Risiko ergeben, würde dem fraglichen GMO keine Zulassung erteilt.« 16 Das war die Linie der EU, bis im Jahr 2012 die Séralini-Bombe platzte.
Im September wurde Séralinis Studie nach einer Begutachtung durch Experten in einer renommierten internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht. Und wie reagierten EU-Kommission und EFSA? Mit bewußter Irreführung und Vertuschung ihrer Korrumpierung durch die Monsanto – Gentechniklobby.
Am 28. November 2012, nur wenige Wochen nachdem die Studie veröffentlicht worden war, gab die EFSA in Brüssel eine Presseerklärung heraus, in der folgendes zu lesen war: »Aufgrund schwerwiegender Mängel im Hinblick auf Design und Methodik erfüllt die Studie von Séralini et al. nicht die anerkannten wissenschaftlichen Standards; daher besteht keine Notwendigkeit, die früheren Sicherheitsbewertungen für die genetisch veränderte Maissorte NK603 zu überprüfen.« Per Bergman, der die Arbeiten der EFSA geleitet hatte, erklärte: »Die Auswertung der EFSA hat ergeben, dass die Studie von Séralini et al. aufgrund ihrer Unzulänglichkeiten keine ausreichende wissenschaftliche Qualität für eine Risikobewertung aufweist. … Wir sind daher der Auffassung, dass die Angelegenheit mit dem Abschluss dieses Bewertungsprozesses geklärt wurde.« 17 Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein.
Nach dem Vorsichtsprinzip sollten EU-Kommission und EFSA zumindest in den Bereichen, die auch nur das geringste Risiko schwerer Schäden für die Bevölkerung bergen, dazu verpflichtet werden, umgehend seriöse unabhängige Langzeitstudien in Auftrag zu geben, um die Ergebnisse von Séralinis Versuchen zu bestätigen oder zu widerlegen. Daß es die EFSA ablehnt, ihre Entscheidung zur Zulassung des Monsanto – Genmais noch einmal zu überprüfen, lässt darauf schließen, daß sie möglicherweise – ganz unabhängig von möglichen Mängeln in der Séralini-Studie – zumindest versucht, die GMO-Agrochemie-Lobby zu decken.
Anstatt Klarheit zu schaffen, gab die Erklärung der EFSA erneut den Kritikern Aufwind, die schon lange von einem Interessenkonflikt zwischen den Wissenschaftlern im Gentechnik-Ausschuß der EFSA und der GMO-Lobby sprachen, die doch eigentlich beaufsichtigt werden sollte. Die unabhängige europäische Bürgerinitiative CorporateEuropean Observatory, die das Vorgehen der EU kritisch beobachtet, kommentierte die Antwort der EFSA folgendermaßen: »Die EFSA hat versäumt, ein Wissenschaftlergremium einzuberufen, das über jeden Verdacht eines Interessenkonflikts erhaben ist, und sie hat nicht begriffen, daß ihre Glaubwürdigkeit Schaden nimmt, wenn sie ausgerechnet zu einer Zeit, wo eine EU-Prüfung läuft, mit der größten europäischen Lobbyorganisation der Biotech-Industrie Gespräche über Richtlinien zur Risikoeinschätzung von GMO führt.« 18
Doch das war noch nicht das Schlimmste bei dieser schäbigen Vertuschungsoperation der EFSA zugunsten von Monsanto. Schwerer wog, daß bei mehr als der Hälfte der Wissenschaftler im Gentechnik-Ausschuss, die 2009 die Monsanto – Studie über Genmais positiv bewertet und damit die EU-weite Zulassung auf den Weg gebracht hatte, ein Interessenkonflikt mit der Biotech-Industrie bestand. 19
Die Konflikte reichten von der Entgegennahme von Forschungsgeldern der Biotech-Industrie über die Mitgliedschaft oder Mitarbeit in einem Biotech-nahen Industrieverband bis hin zum Schreiben oder Begutachten von durch die Industrie geförderten Publikationen. In einigen Fällen wurde ein wissenschaftlicher Interessenkonflikt offenkundig: Beispielsweise arbeiteten einige Mitglieder des Gremiums an der Erzeugung transgener Pflanzen – darunter auch Kartoffeln – mit antibiotikaresistenten Markergenen wie nptII. 20
Darüber hinaus war keines der Mitglieder des Gentechnik-Ausschusses der EFSA medizinischer Experte für den Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin. Dennoch urteilten sie, Neomycin und Kanamycin seien Antibiotika von »allenfalls geringer therapeutischer Relevanz«. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat diese Antibiotika 2005 als »unentbehrlich« klassifiziert.
Der niederländische Wissenschaftler Harry Kuiper, Vorsitzender des Gentechnik-Ausschusses, der enge Beziehungen zur Biotech-Industrie unterhielt, spielte bei der Formulierung dieser umstrittenen wissenschaftlichen Bewertung eine maßgebliche Rolle.
Kuiper selbst hatte sich ganz offen für weniger Kontrollen der Verbreitung von Gen-Saatgut in der EU eingesetzt. Er war seit 2003 Vorsitzender des Gentechnik-Ausschusses der EFSA. Während seiner Amtszeit stiegen in der Europäischen Union die Zulassungszahlen gentechnisch veränderten Saatguts für den menschlichen Verzehr von null auf 38 Sorten. Die Zulassungskriterien hatte Kuiper in der Zeit von 2001 bis 2003 für die EFSA entwickelt, und zwar in Zusammenarbeit mit Monsanto, der Gentechnikindustrie und einer in Washington ansässigen pseudowissenschaftlichen Frontorganisation namens ILSI, International Life Sciences Institute. Im Vorstand der Organisation mit dem nobel klingenden Namen ILSI saßen 2011 führende Vertreter von Monsanto, ADM (einem der weltweit größten Lieferanten von Gen-Soja und – Mais), Coca-Cola, Kraft Foods (ein führender Verfechter für GMO in Lebensmitteln) und Nestlé, ein Lebensmittelunternehmen, das ebenfalls GMO verarbeitet. 21
Ein Kritiker des offenen Interessenkonflikts bei dem EFSA-Aufseher, der mit der Industrie, die er doch eigentlich beaufsichtigen sollte, unter einer Decke steckte, schrieb: »In dieser Zeit fungierten Harry Kuiper und Gijes Kleter (beide Mitglieder des Gentechnik-Ausschusses der EFSA) bei der ILSI-Task-Force als Experten und Autoren maßgeblicher wissenschaftlicher Publikationen. Es ist ein Skandal, daß Kuiper seit 2003 bis heute Vorsitzender des Gentechnik-Ausschusses der EFSA ist, ungeachtet der massiven Kritik von Seiten einiger NGO und sogar der Kommission und EU-Mitgliedsstaaten.« 22
Die unverhohlenen Interessenkonflikte zwischen Monsanto, der Agribusiness-Lobby und der EFSA gingen munter weiter. Im Mai 2012 musste Professor Diána Bánáti als Vorsitzende des Verwaltungsrats der EFSA zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, daß sie eine berufliche Tätigkeit beim International Life Sciences Institute (ILSI) in Washington antreten wollte. Dieselbe Diána Bánáti hatte schon im Jahr 2010 ihren Posten räumen müssen – nicht als Vorsitzende des EFSA-Verwaltungsrats, sondern als gleichzeitiges Vorstandsmitglied des ISLI. Vergeblich hatten öffentliche Interessengruppen sie schon damals aufgefordert, sich aus der EFSA zurückzuziehen. 23 Beim International Life Sciences Institute würde sie nun ihre Erfahrung und ihre Kontakte aus der Zeit bei der EFSA nutzen können, um GMO-Konzernen wie Monsanto oder anderen Großunternehmen der Lebensmittelindustrie dabei behilflich zu sein, weltweit Einfluß auf die Politik zu nehmen.
Kurz gesagt: Wer mit der berüchtigten »Drehtür« zwischen der Gentechnikindustrie und dem Gremium, das unabhängige Risikobewertungen in bezug auf GMO in der EU vornehmen soll, vertraut ist, den überrascht es nicht, daß die Ergebnisse von Séralinis Studie von der EFSA verrissen wurden. Wie unverhohlen parteiisch die Mitglieder des Gentechnikausschusses bei der EFSA in Wirklichkeit sind, zeigte sich an ihrer abschließenden Bewertung von Séralinis Ergebnissen: »Aufgrund schwerwiegender Mängel im Hinblick auf Design und Methodik erfüllt die Studie von Séralini et al. nicht die anerkannten wissenschaftlichen Standards; daher besteht keine Notwendigkeit, die früheren Sicherheitsbewertungen für die genetisch veränderte Maissorte NK603 zu überprüfen.« 24
Die EFSA war nicht der einzige Urheber einer offenen, unverantwortlichen Gentechnik-freundlichen Haltung in Brüssel. Am 24. Juli 2012, also nur wenige Wochen vor der Veröffentlichung der mißlichen Séralini-Studie, erklärte Anne Glover, Chefberaterin der EU für Wissenschaft, in einem Interview: »Es gibt keinen Beweis für negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder schädliche Auswirkungen auf die Umwelt. Das ist ein sehr belastbarer Beweis, und ich würde mit Überzeugung sagen, dass der Verzehr von gentechnisch veränderten Lebensmitteln kein größeres Risiko birgt als der Verzehr von konventionell erzeugten Lebensmitteln.« Das Vorsorgeprinzip »sei nicht mehr anwendbar«, was bedeutet, daß die Europäische Union bei GMO nicht auf Nummer sicher gehen sollte. Das entspricht in etwa der Haltung: »Zum Teufel mit den Torpedos, volle Kraft voraus mit GMO« – obwohl Umfragen zeigen, daß 60 bis 80 Prozent der EU-Bürger die Gentechnik ablehnen. 25
Würde das offensichtlich korrupte EFSA-Gremium oder Professor Glovers Büro auch nur den geringsten Anspruch auf wissenschaftliche Verantwortlichkeit erheben, so hätten sie umgehend mehrere unabhängige Studien von vergleichbarer Länge an Ratten gefordert, um Séralinis Resultate entweder zu bestätigen oder zu widerlegen. Doch sie und die Monsanto – Gentechniklobby, unter deren Einfluß sie standen, machten keinerlei Anstalten, etwas anderes zu tun, als Séralinis Team mit vagen Anschuldigungen zu verleumden und darauf zu hoffen, daß die internationalen Medien entsprechende Schlagzeilen brächten und die peinliche Geschichte begrüben. Es war typisch für die gesamte Geschichte der Verbreitung patentierten genetisch veränderten Saatguts und toxischer Unkrautvernichtungsmittel wie »Roundup«.
Bereits einige Jahre vor der skandalösen Entscheidung der EFSA hatte Monsanto ein Großprojekt gestartet, um unbedarften oder korrupten Regierungen in Afrika sein patentiertes Gen-Saatgut und seine Chemikalien aufzuzwingen. Der Name des Projekts: Alliance for a GreenRevolution in Africa (AGRA). Es gelang seinen Förderern, der Rockefeller- und der Bill-Gates-Stiftung, den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan für den Vorsitz bei AGRA zu gewinnen. 26 Annan war für seine Korruptionsanfälligkeit bekannt. Angeblich wählte man einen Schwarzafrikaner, um Kritiker in afrikanischen Ländern zu besänftigen, die die AGRA als neokoloniales Unterfangen des Weißen Mannes betrachteten. Das war sie auch, nur eben jetzt mit dem Gesicht eines Schwarzafrikaners.
2006 steckte die Rockefeller-Stiftung 50 Millionen Dollar Startkapital in das Projekt, von der Gates-Stiftung flossen sogar 150 Millionen. Das war der größte Zuschuss, den die Gates-Stiftung in jenem Jahr weltweit gewährte. Erklärtes Ziel von AGRA war die Steigerung der Produktion von Feldfrüchten, was so viel bedeutete wie den Einsatz derselben gefährlichen industrialisierten landwirtschaftlichen Praktiken einschließlich der Pestizide, dem Anbau von gentechnisch veränderten Feldfrüchten und der Ausbildung afrikanischer Wissenschaftler und Landwirte, die das Modell über den gesamten Kontinent verbreiten sollten.
Die AGRA war eine neuerliche Allianz mit derselben Rockefeller-Stiftung, die die »Gen-Revolution« geschaffen hatte. Das bestätigt schon ein kurzer Blick auf den AGRA-Vorstand. Neben Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan als Vorsitzendem setzte er sich fast ausschließlich aus Leuten von der Rockefeller- oder der Gates-Stiftung zusammen, wie nur einige Beispiele zeigen: Der Südafrikaner Strive Masiyiwa, Treuhänder der Rockefeller-Stiftung, Sylvia M. Mathews von der Bill & Melinda Gates Foundation, Rajiv J. Shah von der Gates-Stiftung, Nadya K. Shmavonian von der Rockefeller-Stiftung, Roy Steiner von der Gates-Stiftung, Gary Toenniessen, Geschäftsführer der Rockefeller-Stiftung, und Akinwumi Adesina, stellvertretende Geschäftsführerin bei der Rockefeller-Stiftung.
Die neue »Grüne Revolution« in Afrika hatte für die Rockefeller-Stiftung Priorität. 27 In späteren Kapiteln wird deutlich werden, wie das zu der jahrzehntelangen Eugenikstrategie derselben Rockefeller-Stiftung paßt.
Obwohl sie sich eher im Hintergrund hielten, wurde Monsanto und den anderen Gentechnik-Agrobusiness-Konzernen von Forschern der Vorwurf gemacht, sie wollten die AGRA dazu benutzen, unter dem irreführenden Etikett »Biotechnologie« ihr patentiertes Gen-Saatgut in ganz Afrika zu verbreiten. Biotechnologie – das ist die neue Umschreibung für gentechnisch verändertes patentiertes Saatgut. Bis zu diesem Zeitpunkt war Südafrika das einzige afrikanische Land, das den Anbau von GMO-Feldfrüchten zugelassen hatte. 2003 erlaubte auch Burkina Faso den versuchsweisen Anbau. 2005 legte Kofi Annans Heimatland Ghana einen Gesetzentwurf für Biosicherheit vor, wichtige Vertreter ließen die Absicht erkennen, Gentechnikfeldfrüchte genauer zu erforschen.
Afrika war nach der EU das nächste Ziel einer Kampagne der US-Regierung für die weltweite Verbreitung von GMO. Die fruchtbaren Böden machten den Kontinent zu einem idealen Kandidaten. Es ist keine Überraschung, daß viele afrikanische Regierungen von den Gentechniksponsoren das Schlimmste befürchteten, denn viele Projekte zu Gentechnik und Biosicherheit waren in Afrika initiiert worden, immer mit dem Ziel, GMO in der Landwirtschaft einzuführen. Zu diesen Projekten gehörten Stipendien der US-Regierung für afrikanische Wissenschaftler, die in den USA in Gentechnik ausgebildet wurden, von der US-Entwicklungsbehörde USAID und der Weltbank finanzierte Projekte zur Biosicherheit sowie gentechnische Forschung an in Afrika beheimateten Feldfrüchten.
Die Rockefeller-Stiftung hatte seit Jahren Projekte zur Einführung von GMO auf den Feldern Afrikas gefördert, allerdings zumeist ohne Erfolg. Sie unterstützte die Forschung über den Anbau von Gen-Baumwolle auf den Makhathini Flats in Südafrika.
Daß die Rockefeller-Stiftung ihrem Projekt den Namen Alliance for a Green Revolution in Africa gab, war einerseits berechnetes Marketing, andererseits aber auch höchst aufschlußreich. Auch die ursprüngliche »Grüne Revolution« – ebenfalls eine irreführende Bezeichnung –, bei der in den 1960er Jahren zunächst in Mexiko und später auch in Indien hybride Sorten von Zwergweizen entwickelt wurden, war ein Projekt der Rockefeller-Stiftung gewesen. Norman Borlaug kam von seinem Posten als Wissenschaftler an der Rockefeller University nach Mexiko, um hier seine Weizensorten zu entwickeln. Für die Rockefellers bedeutete die ursprüngliche »Grüne Revolution« den Versuch, gestützt auf ihre Erfahrungen beim Öl ein weltweites Agribusiness-Monopol aufzubauen. Hand in Hand mit Borlaugs Wunderweizen ging die großangelegte Mechanisierung des Landes in Mexiko, die Einführung chemischer Düngemittel und Pestizide und die Anbindung der mexikanischen Landwirtschaft an den weltweiten Getreidemarkt, der von Archer Daniels Midland, Cargill und anderen Getreidekonzernen aus dem Umfeld der Rockefellers beherrscht wurde. 28
Jetzt wollten dieselben Kreise um Rockefeller ihrem weltweiten Agribusiness das unglaubliche reiche landwirtschaftliche Potential Afrikas einverleiben und das Projekt dazu nutzen, ihr patentiertes Gen-Saatgut durch die Hintertür einzuführen. AGRA wurde benutzt, um in ganz Afrika ein Netz von »Agrarhändlern« aufzubauen, ohne daß anfänglich überhaupt von Gen-Saatgut oder Unkrautvernichtungsmitteln gesprochen wurde. Zunächst sollte die Infrastruktur für die spätere Einführung der GMO aufgebaut werden. 29
Der Firma Monsanto, die in der südafrikanischen Saatgutindustrie – sowohl für Hybride als auch GMO – bereits fest verankert war, schwebte ein Programm für die ansässigen Kleinbauern vor, das als »Seeds of Hope« (Saatgut der Hoffnung) bekannt wurde. Damit wurden armen Bauern Teile der »Grünen Revolution« verkauft, dem dann natürlich Monsantos patentiertes GMO-Saatgut folgte. Auch das Schweizer Unternehmen SyngentaAG, einer der »Vier Reiter der Apokalypse«, steckte Millionen Dollar in eine neue Treibhausanlage in Nairobi, in der insektenresistenter Genmais entwickelt werden sollte. 30
Daß die Gates-Stiftung mit Monsanto zusammenarbeitete, war kein Zufall. Die Bill andMelinda Gates Foundation war Großaktionär von Monsanto, und die AGRA selbst erwarb ebenfalls 500000 Monsanto – Aktien – ein klarer Beweis für die engen Beziehungen. 31
Trotz wortreicher Beteuerungen von Gates-Repräsentanten, im Rahmen von AGRA werde kein Gen-Saatgut eingesetzt, erwies sich ihre enge Beziehung zu Monsanto als Schlüsselelement in ihrer landwirtschaftlichen Strategie für eine »neue Grüne Revolution« – eine Strategie, die man besser »Alliance for a GMO Revolution inAfrica« nennen sollte. Die Gates-Stiftung steuerte bis 2011 mindestens 264 Millionen Dollar an Zuschüssen für AGRA bei und heuerte den ehemaligen Monsanto – Direktor Dr. Robert Horsch als AGRA-Vorsitzenden an. Horsch war bei Monsanto für die Entwicklung von »Roundup« zuständig gewesen. 32
Im Gegensatz zu dem sorgfältig kultivierten öffentlichen Bild als große Philanthropen verfolgten Bill Gates und seine Stiftung eindeutig Pläne für Eugenik in Afrika, und dabei sollte das pantentierte Saatgut von Monsanto offenbar eine große Rolle spielen.
Zusammen mit dem Banker und Milliardär David Rockefeller und einer kleiner erlesenen Schar weiterer Milliardäre hatte Gates im Mai 2009 im Haus des Präsidenten der Rockefeller University den »Good Club«, wie sie selbst ihn nannten, ins Leben gerufen. Sein Ziel bestand laut Presseberichten in der Einführung von Programmen zur Reduzierung der Weltbevölkerung – mit anderen Worten: Eugenik. 33
Das war aber noch nicht alles, denn schon Bills Vater William H. Gates sen., der Präsident der Bill and Melinda Gates Foundation, war Vorsitzender der von Rockefeller finanzierten Eugenik-Gruppe Planned Parenthood gewesen, einer Organisation, die ihre Wurzeln in der amerikanischen Eugenics Society hatte. 34
2010 sprach Bill Gates bei einer TED-Konferenz in Long Beach, Kalifornien, enthusiastisch über neue Impfstoffe, mit denen die Geburtenrate auf der Welt gesenkt werden könnte. Im Verlauf seiner Rede »Innovating to Zero!« erklärte Gates, der zuvor den aus wissenschaftlicher Sicht absurden Vorschlag unterbreitet hatte, menschengemachte Kohlendioxidemissionen bis zum Jahr 2050 auf null zu reduzieren: »Zunächst ist da die Bevölkerung. Zurzeit leben 6,8 Milliarden Menschen auf der Welt. Bald werden es neun Milliarden sein. Wenn wir uns bei neuen Impfstoffen, bei der Gesundheitsfürsorge und bei der Reproduktionsmedizin wirklich anstrengen, können wir diese Zahl um vielleicht zehn bis 15 Prozent senken.« 35
Ein Kritiker beschrieb die Konzentration von Monsanto und Gates auf Afrika durch die AGRA so: »Afrikanische Regierungen sind viel schwächer und lassen sich leichter als die Regierungen in Europa dazu überreden, gentechnisch veränderte Feldfrüchte in ihren Ländern einzuführen. Das öffentliche Bewußtsein über die Gefahren der GMO entwickelt sich in Afrika viel langsamer und der demokratische Prozess bürgerlicher Interessenvertretung ist viel schwächer.« 36
Auf den Schwarzen Kontinent richtete sich auch das Bemühen privater Unternehmen aus den USA bis China, afrikanischen Boden, der zu den fruchtbarsten der Erde zählt, in die Hände zu bekommen. Schätzungen zufolge könnte der afrikanische Kontinent mit organischen Anbaumethoden ohne Einsatz chemischer Düngemittel zehn Milliarden Menschen ernähren. Würde Afrika der Verbreitung patentierten Gen-Saatguts zum Opfer fallen wie zuvor die USA und Argentinien, dann wären die mächtigen Interessen hinter der Schaffung der GMO bei ihren globalen Plänen zur Kontrolle über die Saat des Lebens auf der Erde einen großen Schritt vorangekommen.
Patrick Mulvany, Vorsitzender einer britischen Bürgerinitiative namens UKFood Group, benennt das große Interesse Monsantos und des amerikanisch beherrschten Agribusiness in Afrika: »Agribusiness-Konzerne betrachten Kleinbauern in den Entwicklungsländern nur als Chance, die Lieferung von Lebensmitteln zu relativ günstigen Preisen zu sichern, vor allem aber als wachsenden Markt für die eigenen Agrarchemikalien, GMO-Saatgut und entsprechenden Düngemitteln. … Potenziell könnten Kleinbauern mit einer landwirtschaftlich-ökologischen Orientierung eine stabile Versorgung mit biodiversen Lebensmitteln aufbauen …, doch für das Agribusiness zählen nur die Ketten, die die Lebensmittelknechte an die Lebensmittelbarone binden.« 37
Seit dem Jahr 1983 finanziert die Regierung der Vereinigten Staaten Forschungsprojekte zur Gentechnik, die, erst einmal auf den Markt gebracht, ihren Eigentümern die Macht über das Saatgut ganzer Länder oder Regionen in die Hand geben würde. Forschungsgelder des US-Landwirtschaftsministeriums flossen an das winzige Unternehmen Delta & Pine Land in Mississippi. 2007 gelang Monsanto die Übernahme dieser Firma – ein Schritt, der bestätigte, daß sich hinter Monsantos Engagement dunklere Pläne verbargen als »die Ernährung der Hungernden auf dieser Welt«.
Die Übernahme des kleinen Unternehmens aus Mississippi durch Monsanto war von erheblicher Bedeutung, denn gemeinsam mit der US-Regierung besaß Delta & Pine Land das Patent für eine Technologie, die im Volksmund »Terminator-Technologie« genannt wurde. Die wissenschaftliche Bezeichnung lautete Genetic Use RestrictionTechnology (GURT).
Fast 25 Jahre lang, seit 1983, hatte die US-Regierung still und heimlich an der Perfektionierung einer Gentechnik gearbeitet, durch die Farmer gezwungen wären, nach jeder Ernte neues Saatgut von ihrem Saatgutlieferanten zu beziehen. Die Samen würden nur eine Ernte hervorbringen. Danach würden sie »Selbstmord begehen« und nicht mehr zu verwenden sein – eine neue Form der Hightech-Knechtschaft.
Das patentierte »Selbstmord«-Saatgut von Monsanto mit der offiziellen Bezeichnung GURT stellte für arme Bauern in Entwicklungsländern wie Indien, Nigeria oder Brasilien eine völlig neue Bedrohung dar, denn bisher hatten sie eigenes Saatgut für die nächste Aussaat zurückgehalten. Tatsächlich bedrohte GURT aber auch die Lebensmittelsicherheit in Nordamerika, Westeuropa, Japan und allen Ländern, in denen Monsanto und seine Partner im GMO-Agribusiness auf den Markt traten.
Im März 1988 gewährte das amerikanische Patentamt der Firma Delta & PineLand das Patent mit der Nummer 5,723,765 mit dem Namen »Control of Plant Gen Expression« (Kontrolle der Genexpression bei Pflanzen). Nach Angaben von Delta & Pine Land gegenüber der US-Börsenaufsicht SEC waren Eigentümer des Patents: »D&PL und die Vereinigten Staaten von Amerika, vertreten durch den Landwirtschaftsminister.« In der offiziellen Meldung an die SEC heißt es: »Das Patent gilt allgemein für alle Pflanzen- und Samenarten, transgen (genmanipuliert) und konventionell, für ein System, das die Kontrolle der Fortpflanzungsfähigkeit der Samen ermöglicht, ohne die Feldfrucht selbst zu beeinträchtigen.« 38