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Sagenhaft, wie lange man suchen muss, um einige altüberlieferte Geschichten des Südharzes zu finden und dabei war und ist die Goldene Aue doch eine bedeutsame Region. Nur wenig Sagen der heutigen Rosenstadt Sangerhausen oder vom altehrwürdigen Nordhausen, ein Gebiet, welches aber schon die Kelten besiedelten, haben die Zeiten überdauert. Ilfeld mit dem Bielstein oder Ellrich mit seinem vorchristlichen Kult- & Hexentanzplatz ist heute leider den wenigsten Harzern bekannt, Stolberg kennt man schon eher, doch auch hier erzählen aktuelle Veröffentlichungen nur ein bis drei von über dreißig Sagen. Ja, vom mysteriösen Kyffhäuser und vom Kloster Walkenried gibts viel zu berichten aber auch von den eher unscheinbaren Ortschaften, die sich idyllisch und verträumt an den Südhang unseres Harzes schmiegen, um die schroffen Klippen und manch hundertjährigen knorrigen Baum von vergangenen Tagen raunen zu hören! Sagenhafter Harz hat ein Herz für alle kleinen und großen Geschichten und erzählt in diesem Buch über 100 davon. Kennst du die Zwerge der Heimkehle, die Barbarossahöhle, die Schlüsseljungfer vom Hohnstein, Frau Holle vom Bielstein, den Schimmelreiter, den Raubritter der Grillenburg oder die Venediger und ihre Stolberger Diamanten? Weißt du woher der Hexenschuss kommt, was am Grunde des Tanzteiches liegt, wie man durch magische Pflanzen und von Zauberhand gesund wird oder, wie man spielend sein Glück macht? Lass dich überraschen von dem Wissensschatz jener alten Erzählungen, die viel zu lang in der Dunkelheit vergessen lagen und nun mit dir wieder ans Tageslicht finden!
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Seitenzahl: 201
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Einleitung
Sagen aus Sangerhausen
Die Butterkuppe
Der Name Sangerhausens
Ludwig der Springer
Das Kobermännchen
Die Teufelsanbeter
Till Eulenspiegel
Die Gebetssäulen
Der Nagelstein
Der schmatzende Tod
Gottes Fluch
Verräterischer Hahnenschrei
Der Bickinger Stein
Raubritter der Grillenburg
Die Altweibermühle
Der Kobold in Wallhausen
Koboldkauf in Wettelrode
Spuk in Oberröblingen
Die Tratschbarbe
Goldene Aue (Gemeinde Südharz)
Das Questenfest
Der Schatz der Questenburg
Das Notfeuer Questenbergs
Der Hungersee
Die Zwerge in der Heimkehle
Der Zauber des Huflattichs
Die Uftrunger Butterhexen
Sagenumwobener Rädersee
Sühne & die weiße Jungfer
Das Wolfsloch
Kaiser Rotbart
Verstrichene Jahre
Frau Holle & Napoleon
Nordhausen
Der Riesenstein
Merwichs-Linde
7 Kreuze am Siechenhof
Mordtat am neuen Weg
Der Frauenberg Nordhausens
Königin Mathildis Rückkehr
Die Nordhäuser & ihr Korn
Der Teufel im Kohnstein
Der Galgen am Kohnstein
Hexen in Nordhausen
Schadenszauber Hexenschuss
Feuer verschlingt die Stadt
Der Poltergeist
Der Schnabelsburger
Unser Roland
Das Seeloch bei Hochstedt
Flehmüllers Eiche
Der Tanzteich
Niedersachswerfens Glocke
Ilfeld
Die Tränensäule des Biel
Bielsteins Schimmelreiter
Die Gründung des Klosters
Der Gänseschnabel
Das Nadelöhr
Das graue Männlein
Netzkater
Frauenruhwiese
Die Jungfer vom Hohenstein
Die Ruhelosen der Ebersburg
Hagebutten der Sattelköpfe
Stolberg
1000jährige Hunrodeiche
Die Glockensteine
Der silberne Nagel
Stolberger Gemeindewald
Ritter- & Eselsgasse
Das Heidelbeerweiblein
Der fahrende Gaukler
Der Geist der Thyramühle
Stolbergs Geisterkirche
Juliana von Stolberg
Vom Mönchsstein
Der Schatz
Stolberg gleiche einem Vogel
Keine Zeit zum Gruseln
Venediger am Auerberg
Der Weber Heidecke
Teufelsschacht
Totenweg
Stolberger Lerchen
Die Linde bei Schwenda
Schwenda’s Kirche
Ellrich & Walkenried
Ellrichs Säuferkönig
Der Einsiedler
Die Kelle
Die kluge Töpferfrau
Die Tut-Ursel
Der rote Schuss
Die schwangere Jungfer
Das Sühnekreuz in Sülzhayn
Das Himmelsmehl
Der Opfersee bei Liebenrode
Der Reichtum Walkenrieds
Der Katzenstein bei Sachsa
„Will ich Urlaub im Süden machen, fahr‘ ich in den Südharz!“, sage ich gern und meine es so, ganz zum Leidwesen meiner Frau, die gerne einmal noch weiter südlich reisen würde. Da man von Afrika aber den Brocken nicht sehen kann, bleib‘ ich hier. Ja, ich bin von ganzem Herzen Harzer und lebe dort, wo andere Urlaub machen … warum sollte ich also weg?!
Natürlich weiß ich wohl, dass die Welt nicht hinter der Goldenen Aue zu Ende ist! Lausche ich Bekannten und Freunden, erzählen sie von weit entfernten Ländern, deren Namen ich nicht einmal aussprechen kann und deren Sprachen ich nicht kenne. Ich sehe ihre Urlaubsfotos – Berge und Höhlen, Seen, Flüsse und Wasserfälle, eben atemberaubende Naturaufnahmen; Burgen und Kirchen, zig Zeugnisse längst vergessener Kulturen – und staune immer über die beeindruckenden Kulissen. – Dann halte ich kurz inne und frage einmal in den Kreis: Kennst du das Himmelreich, die Kelle, die Barbarossahöhle, den Bielstein, den Opfer- oder Rädersee, Burgruine Hohnstein oder die Grillenburg, den Bicklings- und den Nagelstein, die vielen Sühnekreuze? Alles Zeugnisse, längst vergessener Tage & alter Kulturen … & alles im Harz!
Manchmal schäme ich mich dafür, dass wir weit entfernte Länder besser kennen als die Historie unseres eigenen Heimatortes oder die Sehens-würdigkeiten der näheren Umgebung. Ich wünschte mir, unsere Kinder würden unsere Heimat, u.a. durch die einzigartige Sagenwelt, wirklich schätzen lernen … & dass wir alte Hasen den Harz wieder mit begeisterten Kinderaugen er-blicken können! Dann müsste es uns nicht so gehen, wie einem guten Freund, der jahrelang auf einen Neuseeland-Urlaub sparte und mir von dort aus schrieb: „Eigentlich ist‘s wie im Harz … nur, dass es hier andauernd regnet!“
Nun viel Vergnügen mit den Sagen & Märchen des südlichen Teils des schönsten Mittelgebirges der Welt & harz’liche Grüße,
euer Sagen- & Märchenerzähler
Auf der Numburg am Berg Kyffhausen wohnte einst, als es noch keine Städte und Dörfer gab, eine Hühnenfamilie. Die Tochter des alten Riesen hatte einen Verehrer im Harz, den ihr Vater aber nicht leiden konnte, weshalb er ihr verbot gen Norden spazieren zu gehen. Beobachtet vom Vater lief sie wehmütig nach Osten und konnte sich einige Tränlein nicht verkneifen. Dort, wo sie niederschlugen sind heute die Stauseen. Wie sie aber gen Harz schielte, da sah sie ihren Liebsten, der in den Tälern gut verborgen dieselbe Richtung nahm. So trafen sich beide heimlich, fern ab der Numburg, auf dem Butterberg bei Sangerhausen. Dumm nur, dass ihr riesiger Gespiele so groß war, dass er hinterm Berg mit seinem Hintern noch ein ganzes Stück vorlugte. Da nahm die junge Riesin einige Säcke voller Erde und kippte sie oben auf dem Butterberg aus, womit die Butterkuppe entstand. Diesen Namen bekam die Anhöhe wegen ihrer butterweichen Erde. Die beiden Riesen brauchten nur wenig Mühe und einige Fausthieben um sich ein gemütliches Bettlager zu schaffen, in dem sie – unbeobachtet vom Vater – viele gemeinsame Wonnestunden erleben konnten. (aufgeschrieben nach Größler)
Im Jahre 455 kamen drei Patrizier mit großem Gefolge aus Rom, um mit reichen Schätzen beladen, sich in Thüringen Land zu erwerben. Sie ließen sich an der Werra nieder und gründeten dort das Städtlein Nortmannstein, doch bekam ihnen die frische Luft des hohen Nordens scheinbar nicht. In ihren Herzen, wo zuvor die Bruderliebe blühte, da lag nun oft ein frostiger Winter. Man stritt sich, wer als Oberhaupt befehlen dürfe, wo als Nächstes gerodet und wie die Felder angelegt werden sollten – eigentlich stritt man alle Tage und Nächte hindurch! Nur in einem waren sich die älteren Brüder einig: Der Jüngste, ein ganz sanfter Jüngling, dem nicht einmal der Sinn nach Kämpfen stand, weil er nur an Gesang und seine Rosen dachte, der hätte nichts zu sagen! „Gründe doch deinen eigenen Sängerstaat!“, verlachten sie ihn und nannten ihn einen „Dummling“.
Das ließ sich der Jüngste nicht lange gefallen, nahm seine Siebensachen und einige wenige ihm Getreue und wanderte aus, eben in jene Region die heute Sangerhausen heißt. Um hier aber etwas an- und aufbauen zu können, musste dem dichten Harzer Urwald einige Flächen mit harter Arbeit abgerungen werden. Doch mit Gesang geht jede Arbeit leichter von der Hand und, als die Diener des Patriziers sahen, wie ihr Herr für zwei Männer schaffte, packten auch sie beherzter denn je mit an. Zuerst entstand ein kleiner Hain in dem die schönsten Blumen – hundert Rosen – wuchsen, ein Ort an dem die Seele sich labte.
Als die Dienerschaft den Jüngling ansprach, weshalb er nicht zuerst eine Burg, Ringwälle oder Gehöfte erschuf, sagte er bloß: „Die hier ansässigen Germanenstämme sollen sehen, dass wir nicht gekommen sind, um uns zu schirmen und Krieg zu führen. Gemeinsam mit ihnen wollen wir die Schönheit mehren, voneinander lernen und miteinander wachsen!“ – Mancher nannte ihn heimlich einen Narren, doch der Plan des jungen Patriziers ging auf. Während seine älteren Brüder, auf ihren Befestigungsbollwerken stets von Feinden umgeben waren, wuchsen beim Jüngsten ringsum Freundschaftsbande. – Immer mehr Land wurde dem dichten Walde abgesengt (durch Brände gerodet), worauf man den Platz bald Sengeplatz nannte. Als die ersten Lehm- und auch bald Steinhäuser darauf standen, taufte man den Ort Sengehus. Ob der Name durch den Gesang oder das Absengen entstand, darf jeder wohl für sich entscheiden. Erste urkundliche Erwähnung fand ,,Sangirhusen“ jedenfalls in einem Dokument von Kaiser Otto III. von 991. Da war der Jüngling zwar schon lange nicht mehr, aber seine Idee, nicht mit Macht und Stärke, sondern mit Schönheit ein Land zum Blühen zu bekommen, die lebt bis heute. Nicht umsonst nennt man Sangerhausen heute die Rosenstadt!
Manch ein Schandmaul wagt sich vielleicht zu behaupten, unser geliebter Graf, Ludwig der Springer, Erbauer der Wartburg, hätte den Herzog Friedrich III nur im Streite erschlagen, um sich die Pfalzgrafschaft Sachsen einzuverleiben. - Adelheid, die einstige Gemahlin von Herzog Friedrich, wusste es besser. Sie hatte den Grafen Ludwig auf dem Gastmahl ihres Gatten kennengelernt. Wie man ihr den Springer vorstellte, sich Beide zum ersten Mal in die Augen sahen, da waren sie sich seltsam vertraut. Während des ganzen Festgelages trafen sich ihre Blicke immer wieder, einmal sogar kurz ihre Hände und ein Wonneschauer durchzuckte ihren wunderschönen Leib. Solches hatte sie noch nie erlebt. Mit einem Moment fühlte sie sich ganz gesehen, wundersam geliebt, ein Gefühl, welches sie bei ihrem Friedrich stets schmerzlich entbehrte. Ebenso schien es dem Herrn Ludwig zu gehen, denn er war vor ihr wie versteinert stehen geblieben, ist in ihren Augen jämmerlich ertrunken aber wacher wieder aus dem unergründlich tiefen See ihrer Seele aufgetaucht.
Seine Augen leuchteten plötzlich, ganz so, als ob er mit einem Male den geheimen Sinn allen Seins ergründet und, was er stets gesucht nun gefunden hätte. Mag es eine Sekunde gewesen sein, oder ein ganzes Jahr, das Beide sich gegenüberstanden, sich unendlich im Blick des Anderen verlierend, sich liebend wiederfindend … und, wie sich Herr Ludwig der Stille bewusst war – die Stille seines sonstigen Begehrens, des steten Wollens nach mehr und immer mehr – da musste er den freien Raum mit Worten füllen: „Adelheid, ich liebe dich … und es scheint, als ob ich dich schon immer liebte … nur dich, mein ganzes Leben lang ... und, wenn du auch spürst, was mein Herz aufflammen lässt, dann komm‘! Wir wollen alles hinter uns lassen, Grafschaften, Titel und Gepränge … und irgendwo einen Baum unserer Liebe pflanzen!“ Eine stille Empörung hallte durch den Saal des Festgelages. Längst war es den Gästen aufgefallen, wie unschicklich Ludwig sich der Gemahlin Friedrichs genähert, ja sogar ihre Hand zärtlich ergriffen, ihr Huldigungen zugesprochen, welche nun jedermann schamvoll erlauscht. Jeder hatte bemerkt – freilich außer den Beiden in sich Versunkenen – wie der Herzog von Sachsen jähzornig aufgesprungen war, die Verliebten mit aller Macht auseinanderriss und Ludwig den Fehdehandschuh ins Angesicht schmiss ...!
Am nächsten Morgen lag Friedrich tot am Boden, sein Herz durchstochen von der Klinge Ludwigs, den man noch immer starr vor Entsetzen und mit blutiger Hand an der Mordstelle ergriff, am gleichen Tag auf die Burg Giebichenstein schaffte und ihn dort zur beginnenden Nacht in den dunkelsten Kerker warf. Nun sollte der Kaiser entscheiden, wie man mit dem Verräter und Landfriedensbrecher, mit dem „der nur aus Habgier und Machtwille mordete“ umgehen solle. Doch Gott ist gnädig mit denen, die lieben, auch wenn sie selbst ihr Herz schwer belasten. So schickte man dem eingekerkerten Grafen Ludwig einen heimlichen Vertrauten, mit dem er einen kühnen Fluchtplan ersann. Kurz vor der Flucht kniete Ludwig hellwach am Boden und betete zum Heiligen Ulrich, jenem Augsburger Bischof, der wegen seiner Mildtätigkeit und Frömmigkeit schon zu Lebzeiten im Volke beliebt, wegen seiner Entschlossenheit im Kampfe gegen die Ungarn und die Feinde des Kaisers geehrt und, den der Papst höchstselbst zuerst Heilig sprach. „Bei meiner unsterblichen Seele ... und bei meiner Liebe zu Adelheid, Heiliger Ulrich, verhilfst du mir heute zur Freiheit und morgen zu einem Leben mit meiner Liebsten, so schwöre ich feierlich, will ich dir in meiner Lieblingsstadt eine Kirche bauen lassen ... und selbst mit Hand anlegen!" - Dann stellte sich Ludwig krank, ganz so, als ob er unter großen Schmerzen krampfen würde. Als gleich schickte man nach dem Medikus, was der Graf nutzte, um die abgelenkten Wachen zu überwältigen, aus der Arrestzelle zu fliehen, auf die Burgmauer zu flüchten und sich von hier aus mit einem Sprung in die tief unter der Burg fließenden Saale zu retten. Unten hievte ihn ein Fährmann aus der Flut und brachte ihn sicher zum Ufer. Dort stand das weiße Ross des Grafens bereit, ihn - rasch wie ein Gedanke - nach Sangerhausen zu tragen. Seit jenem Tage und diesem waghalsigen Sprung in die Freiheit, ward Ludwig für alle Zeiten „der Springer" genannt!
Wie er seine Adelheid geehelicht hatte und mit ihr am Fenster seines Schlosses auf die Stadt hinunterblickte, da glaubte er, ein Wunder vor sich zu haben: Die Wolken standen an diesem Tage dicht am Boden und dort, auf einem unbewaldeten Hügel, da türmten sie sich so sonderbar auf, dass sie einem Dom in allem glichen. Auflachend dankte Ludwig der Springer dem Himmel für dieses unstrittige Zeichen und ließ schon am nächsten Morgen, Vermesser & Bauleute kommen, der St. Ulrici endlich Form zu geben. Am hohen Chor der Ulrichskirche findest du noch heute Bildnisse Ludwigs & seiner Gemahlin Adelheid.
Viele Menschen wollen den Geist des „Springers" in Vollmondnächten schon durch die Ritterstraße zur Ulrichskirche gehen gesehen haben. Er sei gute drei Meter groß, hielt sein umgürtetes Schwert fest in der Rechten, spräche kein Wort und beachte auch den Vorbeigehenden nicht. Man solle ihm nur nicht im Weg stehen, wenn er so entschlossen daherkäme, sein Gotteshaus aufzusuchen. Hier würden nämlich zur Geisterstunde zwei alte Erzfeinde - der Bürgermeister Jacob Brell und der Bürger Georg Gebicke, längst schon aus dem Leben geschieden und doch niemals ihre Ruhe findend - von den Toten auferstehen und stetig miteinander kämpfen. Ach, nicht einmal der Tod hatte die Macht, Frieden zwischen ihnen zu machen. In jenen Nächten, in denen das Rumoren am Schlimmsten ist und durch den Streit der Geister selbst der Putz im Gotteshaus bröckelt, versucht Graf Ludwig zu schlichten. In einer solch schlimmen Nacht musste einmal der Küster die Turmuhr aufziehen und erschrak zutiefst, wie er die Geister raufen sah und wirklich auch den Klang aufeinanderschlagender Schwerter vernahm. Er eilte nach Hause, legte sich fiebernd nieder und kam nur knapp mit dem Leben davon. Niemals aber wieder, schwor er, würde er die Kirche zur Geisterstunde betreten, lieber seinen Dienst niederlegen. Weil die Ratsherren das Tun des Küsters schätzten, beschlossen sie, von außen eine Tür in den Turm der Ulrichskirche zu brechen und den inneren Zugang zumauern zu lassen. So würden sich die Geister in ewiger Ruhe weiterhin bekämpfen, der Küster aber zugleich selig ruhig seinen Pflichten nachgehen können. (aufgeschrieben nach Größler)
In Sangerhausen wollte Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen zu Beginn des 30jährigen Krieges ein neues Schloss errichten. Allein das Geld zum geplanten Prachtbau fehlte ihm. „Weil die weltlichen Fürsten keinen Sinn daran sehen, in dieser explosiven Zeit in Steine anstatt in Musketen zu investieren, muss das neue Schloss wohl vorerst ein Traum bleiben, eure königliche Hoheit, außer …!“, sagte der sächsische Beamte Caspar Tryller kleinlaut und wurde jäh von seinem Kurfürsten unterbrochen: „Außer …? Er denke und spreche gefälligst schneller!“ – „Außer, ihr beleiht euch beim Teufel. Doch, was der von euch fordert, will ich nicht bedenken!“, so Tryller. – Das aber hielt der Kurfürst für eine hervorragende Idee und sagte dem Höllenfürsten auch gleich, dass er sich abschminken könne, des Geldes wegen eine Kurfürsten-Seele zu ergattern. Da Urian in dieser verderbten Zeit ohnehin viele hundert Seelen im Sinn hatte, forderte er jenes: „Den Schlossbau will ich finanzieren wenn du zweimal den Glauben verleugnest, vor deinem Volke und vorm Kaiser!“ – Darauf ließ sich der Kurfürst gerne ein und der Teufel schickte einen kräftigen Kerl mit einem riesigen Kober randvoll des gewünschten Geldes.
Die Bürger Sangerhausens und das sächsische Volk waren überaus erstaunt, dass ihr Kurfürst, welcher der Landesherr des mächtigsten protestantischen Territoriums war und eigentlich die evangelischen Reichsstände hätte führen sollen, die Krone Böhmens ablehnte und treu zum Kaisertum der katholischen Habsburger stand. Mit dem Wahren der Neutralität, verleugnete Johann Georg I. zwar seinen Glauben vorm Volk, bewahrte es aber für einige Jahre vorm großen, leidvollen Krieg und der Teufel, bekam kaum Seelen zu fressen. Da tobte der Gehörnte und forderte den zweiten Teil der Abmachung. – Als die katholische Liga begann das Land des Kurfürsten zu plündern und das Volk aufgebrachter war denn je, hielt der Landesherr die Zeit für gekommen, sein zweites Versprechen einzulösen. Er verleugnete den Kaiser, der lange Zeit im Glauben war, Johann Georg I. sei ein ehrfürchtiger Katholik und als das Volk erkannte, mit welchem Trick ihr Kurfürst fürs Glück der Seinen sorgte, schlossen sich Viele dem sächsischen Heer an, das die Feinde mit aller Wucht aus dem Lande schmiss.
Den genasführten Höllenfürsten wurmte es umso mehr, dass der Kurfürst zum Andenken an seine Pointe am neuen Schloss zu Sangerhausen ein verniedlichtes Abbild des Kobermännchens anbrachte, von dem er einst das Teufelsgeld überreicht bekam. Urian sei daraufhin persönlich in das Kobermännchen gefahren, um jeden hart zu strafen, der sich noch einen Spaß mit ihm machen würde. - Einmal kam ein Bauer zum Schloss, sah das Kobermännlein, zupfte es am Ohr und fragte höhnisch: „Ei, wo will der riesige Kober denn mit diesem winzigen Männlein hin?“ Da wurde das Kobermännchen zur Verblüffung des Bauern immer größer und ehe der flüchten konnte, hieb die steinerne Hand des Riesen, ihm eine solche Ohrfeige ins Gesicht, dass er Zeit seines Lebens mit einem blauen Mal gezeichnet war.
In Sangerhausen hatten im Jahre 1454 die Sekten einen solchen Zulauf, während die Kirchen immer leerer wurden, dass die gottfrommen Leute wachsamer wurden. Ein Schmied hatte endlich beobachtet, wie viele junge Mädchen und auch ältere Frauenzimmer, Knaben und reife Männer, Brüder und Schwestern heimlich in ein Haus gingen und dort im Keller verschwanden. Die ganze Nacht waren sie unten und schlichen sich erst zum neuen Morgen nach Hause.
„Im Keller kam der Teufel in Gestalt einer Hummel und flog jedem in den Mund. Wer ihn in sich ließ und sich tief verneigte, dem wurden die tiefsten Wünsche erfüllt. Anschließend ließ jedermann seine Kleider fallen, alle Lichter erloschen wie von Geisterhand, jeder griff um sich …!“, stammelte der Schmied, während der Bürgermeister bedenklich seinen dicken Kopf schüttelte und neugierig hinzusetzte: „Fahrt fort …, was dann … und lasst nur nichts aus …!“ „Dann lag die Meute aufeinander, keuchte und stöhnte miteinander hurend, Tochter mit dem Vater, Sohn mit der Mutter, alle über- und untereinander ... und der Teufel saß mittendrin, schnaufte und lachte und peitschte seinen Schwanz auf die sich rekelnden, nackten Leiber …!“
Wie die Ketzer und Teufelsanbeter nackt vors Rathaus gepeitscht und vor das himmlische Gericht gestellt wurden, dem Satan abzuschwören, Buße zu tun und sich wieder dem lieben Gott zuzuwenden, da sprach der Anführer des Gesindes verleugnende Worte: „Mein Herr …, werter Bürgermeister, sie waren doch selbst oft zugegen, haben gesehen und am eigenen Leib erfahren, wie redlich und fromm unsere Treffen zugegangen …!“ - „Ich war nie auf euren Treffen. Halunken, Teufelsbuhlen sind alle, die solches behaupten!“, schrie der Bürgermeister sich …. rechtfertigend, worauf aber andere Angeklagte erhoben und ebenso schworen, dass der Bürgermeister bei den Versammlungen war. Nun erhoben sich auch Ratsmitglieder, die gesehen haben wollen, wie der oberste Stadtherr nachts durch die Gassen schlich und im besagten Keller verschwand. „Ja …!“, stotterte der nun, „Aber doch nur, um mit eigenen Augen zu sehen, ob diese Mär, die mir der Schmied hier erzählte auch wirklich wahr ist … und sie ist es. Doch bei Gott, ich bin redlich und fromm … ihr wisst es doch gute Leute …! Nicht umsonst habe ich dieses Jahr beschlossen, Frondienste zu erlassen …, wie auch einen großen Teil jener Abgaben, welche die Stadt ansonsten von euch armen Menschen fordert. Nun also, wer ist für mich … und meint auch, dass diese Ketzer brennen sollen?“
Noch zum selben Abend knisterte vor der Stadt ein großes Feuer und die ganze frevelnde Rotte brannte …, mitsamt einigen Ratsmitgliedern, die nach-weislich auch die Hummel geküsst haben sollen. (aufgeschrieben nach Grässe & Olearius, 1704)
Einst kam Till Eulenspiegel ins Dorf Nienstedt bei Sangerhausen und bat um Herberge, worauf die Wirtin den Schelm gründlich besah und skeptisch war, ob der denn auch die Schuld bezahlen könne. „Welchem Handwerk geht ihr nach?“, fragte sie, um ihm auf die Schliche zu kommen „Kein Handwerk!“, sagte Eulenspiegel, „Habe aber 1000 gute Fähigkeiten. Eine davon ist, stets und ständig die Wahrheit zu sagen!“ – „Oha, Leute, welche die Wahrheit sagen, sind hier gern gesehen!“, sagte die Wirtin, traute dem Fremden aber noch immer nicht über den Weg. Das bemerkte der Narr, sah auch, dass sie schielte und sprach sogleich: „Schielende Frau, schielende Frau, sagt mir doch, wohin mich setzen und wohin mein Päckelchen mit dem Gelde legen, dass es vor Vagabunden sicher ist?!“ – „In meinem ganzen Leben hat mir noch niemand gesagt, ich würde schielen!“, frotzelte die Wirtin patzig. „Und, weil‘s noch nie zuvor jemand sagte, soll ich jetzt erstmalig in meinem Leben lügen. Ich sagte doch, ich muss immer die Wahrheit reden!“
Nun wurde Eulenspiegel aufs Vortrefflichste bewirtet, bekam die schönste Kammer zum Schlafen, dort noch einen Met gereicht und, wie sie am anderen Morgen beieinander saßen und die Rechnung auf den Tisch kam, erwähnte Eulenspiegel ganz nebenbei, dass der Pelz in der Kammer auch einmal dringlichst gewaschen gehört und, dass er sich darauf verstände. Ja, das Pelzwaschen wäre eine andere seiner 1000 Stärken. Da kam die Wirtin lachend auch gleich auf den Gedanken, der Eulenspiegel könne all ihre Pelze waschen. Auch die Nachbarinnen würde sie holen und beide könnten ein gutes Geschäft machen. Kurze Zeit später saß der Narr vor einem Berg von Pelzen, bekam fürs Säubern viele Groschen gereicht und setzte drei große Kessel auf. Dann ließ er die Frauen alle Milch holen, die sie in ihren Häusern hatten, denn nur Milch würde die Pelze kochend weich und sauber machen. Da warteten die Frauen ungeduldig auf’s Ergebnis und Eulenspiegel war selbst der Narr seiner Idee. „Wie jetzt entkommen?“, überlegte er, hatte dann aber eine treffliche Idee: „Nun müsst ihr in den Wald gehen und mir weißes, junges Lindenholz holen und es schälen, darauf will ich dann eure Pelze trocknen.“ Und tatsächlich: Die Frauen zogen alle aus dem Dorfe aus, die Kinder sprangen ihnen um die Füße und gemeinsam sang man: „Die Zeit der alten Pelze ist zu Ende, dass nimmt der Fremde nun in seine Hände!“
Wie die Schar zurück nach Nienstedt kam, war Eulenspiegel freilich längst über alle Berge. Wie man die Pelze aus den Kesseln holen wollte, waren sie gänzlich zerkocht. „Nun gut!“, sagte die Wirtin, „Uns soll‘s nicht plagen, gleich kehrt der Eulenspiegel doch zurück. Ist’s unser Glück, dass er stets muss die Wahrheit sagen!“ – So denke ich, die Frauen warten sicher noch heute geduldig vor ihren Kesseln und verstehen die Welt nicht mehr!
Auf dem prächtigen Schlosse zu Wallhausen thronte einst Bernd von der Asseburg der es wohl verstand seinen Reichtum auf Kosten anderer zu mehren. Vor langer Zeit hatte sein Vater, Bernd von Falkenstein, drei Kohlenbrennern aus dem Mannsfeldischen die Forstorte Hoyerberg, Bartenberg und Siebenthal zum Abholzen verkauft und dabei deren Größe viel zu hoch angegeben. Die Kohlenbrenner aber rochen den Braten, ließen nachmessen und erkannten, dass sie betrogen worden waren. Weil der Falkensteiner bereits unter der Erde zu faulen begann, richteten sie ihre Forderungen auf Rückgabe des zu viel gezahlten Geldes an den Asseburger. Der aber bezahlte lieber einen gescheiten Rechtsgelehrten, der den Fall mit einigen Kniffen zu drehen und wenden wusste, besiegelt mit dem Meineid des Asseburgers. Da mussten die Kohlenbrenner, zum zweiten Mal betrogen, geschlagen von dannen ziehen.