Sagenhaftes Goslar - Carsten Kiehne - E-Book

Sagenhaftes Goslar E-Book

Carsten Kiehne

0,0

Beschreibung

Ich möchte gestehen, ich bin verliebt in diese schöne Stadt, welcher man einst wegen ihrer vielen Kirchen, Klöster und Türme, den Namen >nordisches Rom< verliehen hat. Noch heute verzaubert Goslar seine Einwohner und Touristen gleichermaßen, nicht nur weil dieses hübsche Kleinod auf eine lange, eindrucksvolle Geschichte verweisen kann und damit zum Weltkulturerbe gehört. Hier waren Könige und Kaiser zuhause und hier fühlten sich, glaubt man den Sagen und Märchen, sogar unzählige Andersweltwesen wohl: allen voran der Bergmönch im Rammelsberg, die Zwerge und Elfen, der wundersame weiße Hirsch, aber eben auch dunkle Gestalten, wie der Höllenfürst. Es ist doch immer so, dass dort, wo Schönheit und Reichtum entsteht, stets auch der Schatten wächst. Wo Bildung und Kultur erblühen, ist eben auch der Teufel nicht weit, zu verblenden und zu verführen. Dieses Büchlein erzählt also aus alten, fast vergessene Tagen, von Verführern und Verführten, von bekannten Dichterfürsten die Goslar besuchten und von einfachen Menschen, von Klugen und Törichten, von der Butterhanne und vom Dukatenmännchen. Lass dich verzaubern von den weit über 100 Geschichten von Goslar selbst, all seiner Ortsteile und den mystischen Bergen und Tälern drumherum - eine unvergessliche Reise!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 268

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Carsten Kiehne gehört seit vielen Jahren zu den renommiertesten Kennern der Harzer Sagenwelt. Als Autor und Herausgeber vieler Bücher wie „Kräutersagen aus dem Harz", „Sagenhaftes Glück" & „Bäume – heilig & heilsam" sowie TV- Auftritten wie im ZDF & MDR ist er überregional bekannt. Als Initiator der Interessensinitiative „Sagenhafter Harz" gibt er Workshops & Führungen zum Thema im gesamten Harz. (Dipl.SozPäd., Psychotherapeut HP, Meditationslehrer)

Inhaltsverzeichnis

Rammelsberg

Silberne Zapfen

Glühende Kohlen

Teufelsbergwerk

Der Bergmönch

Der Sudmerberg

Riese & die Klus

Der lange Tanz

Kämmerer

Mutter Maria

Saal im Petersberg

Schatz im Birnbaum

Klügere gibt nach

Wichtelmännchen

Kinderbrunnen

Schlacht im Dom

Unrecht gutmachen

Prozessionsende

Der Zwinger

Weber- & Teufelst.

Die Worthgilde

Vampire

Seelenreise

Kaisers Wunsch

Der ganze Stolz

Blitzschlag

Prügelknabe

Bestes Mahl

Bergleute erobern

Goslar wird verraten

Herzog Heinrich

Raubzug

Teufelswachbecken

Verabredung

Rübezahl

Den Teufel necken

Pedant. Steiger

Teufelserscheinung

Goslar-Märchen

Dukatenscheißer

Gerichtssitzung

Butterhanne

Petersilienstraße

Gift verwandeln

Goslars Brauhexe

Schuhhoflinde

Gott sei’s gedankt

Torschlusspanik

Der Ochsenweg

Herzberger Teich

Troja gleich

Was Geld wert ist

Das Freischießen

Postkutscher

Mönchehaus

Zum Siemenshaus

Papiermühle

Scharfrichter Kraft

Strafe der Dummheit

Drei Wünsche

Kräuter-August

Der Wald lebt

Harliburg

So ein Firlefanz

Die Brennnessel

Den Tod verweisen

Die Schlericke

Mädchenrathausplatz

Hans von Hackelberg

Goslars Schwurbaum

Der Okerhund

Verfluchter Hahn

Faules Mädchen

Der weiße Hirsch

Tückeboten

Kanstein-Zwerge

Zwerg bei Lochtum

Verfluchte Inschrift

Alte Dingstätte

Kobold in Jerstedt

Wassergeister

Immenrode-Geister

Bauernschläue

Moritz v. Sachsen

Malerm. Weber

Goethes Spuren

Heines Spuren

Wanderschuster

Geheiler Patient

Lampes Scheiß

Bei Direktor Lampe

Goslarer Büttel

Im Kaiserworth

Für 5min. berühmt

Laternenanzünder

Runenhaus

Bad Harzburg

Literatur

Sagenbücher

Dankesliste

Einleitung

„Goslar, meine Herzensstadt“, dichtet und singt Romina Bulban und hinterlässt damit ihre ganz eigene Liebeserklärung an das „Nordische Rom“, dass seinen Spitznamen aufgrund seiner vielen Kirchen und Klöster trägt! Wer, außer Heinrich Heine, wäre auch nicht frisch verliebt in die einst so ehrwürdige Reichsstadt, die mit so viel Geschichte, Kultur und Sagenvielfalt auftrumpfen kann und es allem zum Trotze, doch echt bescheiden tut!?

Ich für meinen Teil gehe immer wieder staunend durch die Gassen, bleibe verliebt an diesem Fachwerkhäuschen stehen, nehme hier ein neues Detail wahr und höre dort von einem der vielen Nachtwächter (und dessen Weibe) herzerwärmende Geschichten. All jene Goslarer Sagen, die vom Hörensagen zu mir gefunden haben, sowie aus beinahe vergessenen Büchern, sind in diesem Werk gesammelt – über 100 Legenden und Anekdoten sind es, die den Bewohner und Besucher gleichermaßen ins Verzücken setzen sollen, auf dass niemand die Stadt ohne Staunen und Schmunzeln verlässt!

Neben den ganz Großen, den Königen, Dichterfürsten, berühmten Heilern etc., sollen in diesem Werk aber auch die kleinen Leute zu Wort kommen …

und ihre sagenhaften Erlebnisse in Goslar schildern dürfen und solcher merkwürdigen Ereignisse gab es viele: Begegnungen mit dem Bergmönch, mit Hexen und dem Teufel, Zwergen oder Riesen, Geistern und Kobolden. Die Gegend um Goslar mit seinen dichten Wäldern und tiefen Bergwerken am Rammelsberg scheint wie geschaffen zu sein, uns alle mitzunehmen in längst vergessene Tage, ins Land der Phantasie, ins Reich mancher Träume. Reise in diese Welten, immer mit dem Wink der guten Geister im Herzen, dass die Träume wahr werden können, glaubst du nur daran und stehst zur rechten Zeit am rechten Kraftort. Nicht wenige Sagen erzählen vom alten Glauben der Goslarer Bürger, von magischen Bräuchen und zauberhaften Ritualen, die noch heute helfen können, blinkendes Glück zu schmieden. Doch bedenke, lieber Leser, dass alle Sagen und Märchen, soviel Wahrhaftigkeit sich auch in sich tragen, doch nicht gänzlich aus dem Garn der Wahrheit gestrickt sein müssen. Entscheide selbst, was du zu glauben, für richtig hältst!

Dieses Büchlein ist nun also meine Liebeserklärung an die Stadt, wobei ich hoffe, dass es freundlich aufgenommen wird und dem Leser gleichsam Freude schenkt, auf dass auch unsere Kinder und Kindeskinder Goslar und seine Heimatgeschichte lieben lernen, dein Sagenerzähler

Der Namen Rammelsberg

Als Kaiser Otto I. auf der Harzburg Hof hielt und im unwegsamen Harzgebirge jagen ließ, begab es sich, dass sein vornehmster Jäger, Ramm mit Namen, ausgeschickt ward, um einem weißen Hirsch nachzustellen. Das war wahrlich eine sagenumwobene und darum kostbare Trophäe. Dieser Hirsch ließ sich aber nur manchmal im Vollmond blicken, worauf man dessen silbernes Fell trotz dunkler Nacht von weitem schimmern sehen könne.

Einmal ritt der Ritter Ramm nun in einer weißen Winternacht bei vollem Monde einen steilen Berg empor und sah inmitten zwischen den Klippen das silberne Fell des begehrten Tieres aufblitzen. Da spornte er sein Ross zu immer schnellerem Lauf den Berg hinauf, bis das Pferd am Steilhang keinen Schritt mehr in die Höhe steigen wollte.

Kurzerhand band er es an einem Baume fest und folgte dem Hirsch zu Fuß. Ramm sah dessen Fährte ganz deutlich im Schnee, watete hintendrein und war kurz davor, den Hirsch einzuholen, sah ihn schon, hatte seinen Bogen gespannt, als das Tier doch wieder und wieder schnell im Unterholz verschwand. Geduldig stellte Ritter Ramm dem Hirsch noch nach, bis die Sonne im Osten über die Berge lugte, da war es Zeit, zurück zum Ross zu eilen, aber siehe da …

… sein Pferd hatte ungeduldig auf seinen Herren wartend den Schnee zu den Vorderfüßen weggescharrt. Zum Vorschein kam viel silbernes Gestein, ja, ein ganzer Erzgang ward so freigelegt, wovon Ramm dem Kaiser eine Stufe Silber mit an die hohe Tafel brachte. Was das für eine Freude war, kann man sich wohl denken. Gleich ließ der Kaiser erfahrene Bergleute aus dem Frankenlande kommen, die aus dem großen Berg tatsächlich viel kostbares Gestein zu Tage förderten. Man verkündete dem Kaiser gar, dass die unterirdischen Reichtümer so gewaltig wären, dass man tausend Jahre graben könne und sie doch nicht dem Ende zugingen. Am Fuße des Berges begründete Otto I. eine Ansiedlung mit fester Burg, die später den Namen Goslar tragen sollte. Dem Ritter ward die Ehre zuteil, dass man den Berg nach ihm benannte. Noch heute trägt die Anhöhe bei Goslar den Namen „Rammelsberg“. - Noch oft sah man den Ritter Ramm in den Vollmondnächten auf den Rammelsberg reiten, nicht aber um den Hirsch zu schießen, vielmehr um dem Tier zu danken. (nach Henninger & Harten)

* * *

Silberne Zapfen

Zu Zeiten, als Goslar noch ein kleines Bergdorf war, wohnte in dessen Nähe ein armer Bauer in einer windschiefen Hütte. Das Feld, das er mühsam tagein tagaus beackerte, war mehr Stein denn gute Erde und zu aller Not, war es nicht einmal sein Eigen. Bald schon käme jener Morgen, da der Graf mit seinen Landsknechten an die Türe schlage, die fälligen Steuern einzufordern. Wovon sollte er das zahlen? Aber, wenn er nicht zahlte, dann würden sie ihm das Pferd totschlagen und die Hütte über seinem Kopf in Brand stecken.

Was blieb ihm also anderes übrig als fortzureiten? Und wer weiß, vielleicht würde ja das Glück auf seinem Weg liegen! So ließ er die Zügel los und ließ seinen Gaul selbst einen Weg finden, worauf er in einen großen Tannenwald kam. Tausende Zapfen lagen dort auf dem moosigen Boden. „Ach, wären sie alle aus Silber!“, sagte er, die Hände vorm Himmel faltend, „Dann wäre ich wohl der glücklichste Mensch unter der Sonne!“

Wie er so träumte, spürte er, dass alle Sorgen von ihm abfielen. Weshalb denn nicht hier im Walde leben, der doch im Sommer alles zum unbeschwerten Sein anbot!? An einem steilen Hang, der einen majestätischen Blick auf die Berge, Klippen und Täler bot, wollten Tier und Reiter pausieren. Genüsslich schmatzte der Gaul die frischen Kräuter und der Bauer, der legte sich an eine steinalte Tanne, sah in die Ferne und hing seinem Gedanken nach, „Wenn nur alle Zapfen Silber wären!“ - Da fiel er in einen tiefen Schlaf und träumte eben von diesem Ort, an dem er saß und von der Tanne, nur, dass sie bis in den Himmel reichte und voll von kostbar blinkenden Zapfen wäre. Plötzlich grummelte die Erde und vor dem Mann tat sich ein tiefer Spalt im Boden auf. Klong – klang – bong. Das Beben hatte den Baum dermaßen geschüttelt, dass er die Zapfen fallen ließ und einer nach dem anderen fiel in den grundlosen Schlund zu Füßen des Bauern. Hunderte silberne Zapfen fielen zu Boden, kollerten an ihm vorbei und verschwanden auf Nimmerwiedersehen in der Erde.

„Was für ein seltsamer Traum!“, dachte sich der Mann, als er sich reckte und streckte und seine Augen wieder auftat. „Gelobt sei Gott für einen solchen Schlaf!“, sagte er und sah, dass sein Pferd während der Pause nicht untätig gewesen war. Es hatte weiter Kräuter gefressen, die Erde unter den Hufen ganz aufgekratzt und darunter kam ein glänzender Boden zum Vorschein. „Das wird doch nicht …!“, staunte der Bauer, schob seinen dicken Klepper mit einiger Mühe zur Seite, nahm den nächstbesten Stein und bearbeitete damit eifrig jenen glitzernden Untergrund. „Fürwahr … es ist Silber, reinstes Silber! Gelobt sei Gott für das Träumen!“, schrie er laut in den Wald hinaus, um sich gleich darauf selbst den Mund zuzuhalten, denn eine solche Fundstelle will doch gut im Geheimen gehalten sein!

So füllte er eine Tasche mit ausgeschlagenem Silber, deckte alles gut mit Erde ab, markierte die große Tanne und ging seine Steuern zu zahlen. Von diesem Tag an lebte er gut aber bescheiden und vergaß nie, den Glück- und Traumlosen, die seinen Weg kreuzten, etwas abzugeben. (nach Werner)

* * *

Die glühenden Kohlen

Am Fuße des Rammelsberges stand eine Mühle, in der einst ein junges Mädchen bei einem armen Müller diente. Wer weiß, ob aus diesem Dienen eines Tages auch Liebe erwachsen würde, denn jeder hatte den anderen redlich lieb. Beiden blieb aber wegen der Not keine Muße, der möglichen Zweisamkeit Raum zu schenken.

Eines Morgens musste sie schon recht früh ans Tagwerk gehen und stand weit vorm Morgendämmern auf, um den Kamin anzuheizen. Wie sie aber durch die dunkle Kammer schritt, glänzte von draußen ein seltsames Licht in den Raum hinein. Neugierig schritt sie ans Fenster. Da saßen da draußen am Berge drei vermummte Gestalten um ein Feuer und schienen sich leidlich zu wärmen.

„Ich werde sie bitten, mir etwas von ihrer Glut zu geben!“, beschloss die Jungfer und ging zum Feuer hin. Als sie aber vorsichtig anfragte, ob sie sich ein wenig von der Glut nehmen dürfe, bekam sie keine Antwort. Die alten Männer starrten wie abwesend ins prasselnde Flammenmeer. „Keine Antwort ist auch eine Antwort“, dachte sich das Mädchen, schob ihre kleine Schaufel in die Glut, dankte recht freundlich und trug das lodernde Häufchen in die Mühle zum Herd. Doch kaum dort hineingetan, erlosch der Haufen.

„Was ein Pech!“, schalt sich das Ding und ging ein zweites Mal zum Feuer. Wieder schien keiner der langbärtigen Männer, sie zu bemerken. Wieder nahm sie eine Schaufel Kohlen, trug sie heim und wieder verstummte das Feuer gleich im Herd. Als sie aber zum dritten Mal zu den Männern trat, da wippten deren Körper im Takt vor und zurück und mit fremden Zungen murmelten die Greise seltsame Laute. Das Feuer blitzte auf und schlug wild Funken, dass das Mädchen einen solchen Schreck bekam, ihre Beine in die Hand nahm, in die Mühle lief, die Tür verrammelte und sich unter der Decke verkroch.

„Marie“, schrie es aus der Küche. „Marie, wo bist du? Was ist das hier? Erkläre dich!“ – Wo war sie? Oh Gott, sie hatte verschlafen. Längst lugte die Morgensonne in ihre kleine Kammer und der Herr war schon wach, während dieser seltsame Traum noch immer in all ihren Gliedern krampfte! Rasch schlug sie die Decke zur Seite und … - weshalb war sie bereits gewandet? Ihre Füße waren erdig und die Kohlenschaufel lag neben ihr im Bette. „Marie!“, rief es erneut von unten. Sie sprang aus dem Bett, hetzte die Treppe herunter und stand vor dem Müller, der fassungslos vorm Küchenofen hockte. Oben auf lagen zwei Batzen blankes Gold. Es war kein Traum gewesen – die Kohlen mussten sich über Nacht verwandelt haben. Und wie sie dem Müller die ganze Geschichte erzählt hatte, da strahlte er heller als das Gold auf dem Herd. Er nahm sie in seine Arme, herzte sie und keiner wollte im Gesicht des jeweils anderen auch nur eine Stelle ungeküsst lassen. (aufgeschrieben nach Werner)

* * *

Das Teufelsbergwerk

Die Bergwerke zu Goslar liegen alle im kleinen Rammelsberg, im großen aber steckt noch viel mehr Gold und Silber als in allen jenen zusammengenommen; aber den darf jetzt niemand befahren und so oft man auch einen Schacht hineingetrieben, es ist alles sogleich wieder eingestürzt und hat die Bergleute in den Gruben begraben.

Das kommt aber daher, dass der Böse früher den Bergbau hier und in der Umgegend betrieben, weshalb man auch zahlreiche mit Schlacken angefüllte Gruben, sogenannte Graufkaulen, im Holze findet, in denen er die Erze geschmolzen. Diese Gruben hat er nämlich unten mit Holz gefüllt, hat dann die Erze darauf gelegt und alles oben mit Erde zugedeckt, dann hat er Feuer angemacht und so das Silber gewonnen. So hat er auch den Rammelsberg bearbeitet und die Bergleute der Gegend haben ihm dabei geholfen, wofür er ihnen allwöchentlich ihr Lohn ausgezahlt.

Einmal aber haben sie lange warten müssen, da er ausgeblieben, und Einer hat sich in seinem Unmut auf das Zahlbrett gesetzt und hat es beschmutzt. Da ist endlich der Böse gekommen, hat sie alle von dannen gejagt und in seiner Wut gesagt, nun solle der große Rammelsberg nicht eher bebaut werden, als der kleine ausgebaut sei, und so oft man daher einen Schacht hineingeschlagen, über Nacht ist alles wieder eingestürzt oder, wie andere sagen, es dürfen höchstens sechs Bergleute in einer solchen Grube arbeiten, den Übrigen wird der Hals umgedreht; drum mag sich keiner dahin wagen. (aufgeschrieben nach Pröhle)

* * *

Der Bergmönch zu Goslar

Nach Goslar kam einmal der Bergmönch, hatte er doch ein Herz für alle gutherzigen und fleißigen Bergleute, die es doch zu nichts brachten, weil sie sich selbst nicht zu wehren wussten. Die Großklappen und grobschlächtigen Kerle nahmen den Schwachen schon viel zu lange ungestraft die ergiebigsten Gänge und Mundlöcher fort und beanspruchten Erz, das ihnen nicht gehörte. Dem wollte der Bergmönch, als Grubenbesitzer verwandelt, ein Ende machen. Er stellte alle Geschundenen in seiner Grube ein, bezahlte sie bestens und … schaffte sich an allen Ecken Feinde, denn großer Neid entstand bei jenen, die sahen, wie erfolgreich sich die Kumpel des Bergmönches zusammen verdingten.

Bald blieben die Neidhammel nicht mehr still, blökten und schimpften, intrigierten und redeten schlecht, wann es sich nur ergab. Doch damit beließen sie’s nicht: Oft rotteten sich die Groben zusammen, lauerten den Bergleuten des Bergmönchs auf und verteilten tüchtig Dresche. Aus dem Weg gehen konnte man sich nicht, da man durchs selbe Mundloch in den Berg einfuhr. Der Bergmönch versuchte zwar zu schlichten, doch es eskalierte immer mehr.

Als die Missgünstigen sich einmal schlimm am Stempelbau des Bergmönchs vergriffen hatten, worauf die Decke eines Ganges über drei armen Seelen polternd niederging, da war’s dem guten Geist genug. Er herrschte die Seinen an, sie sollten gleich die Arbeit einstellen und viel früher als sonst den Berg verlassen, sie würden dennoch für den ganzen Tag vergütet werden. Eben in jenem Moment, in der der letzte Mann des Bergmönchs die Grube verlassen hatte, brach ein entsetzliches Tosen los. Der ganze Berg rumorte, alle Stempel gaben zeitgleich nach, hundert Gänge drückte eine Zauberhand zusammen, und alles brach über den Neidischen ein.

Der Bergmönch verschwand für immer und ließ die Seinen zwar mit ihrem Leben, aber ohne Arbeit zurück. Für jene Kumpel war es fortan kein leichtes Schicksal, denn nun flüsterten alle Goslarer hinter ihrem Rücken, weshalb ausgerechnet des Bergmönchs Leute rechtzeitig aus dem Berg herausgekommen waren! (aufgeschrieben von Hoffmann)

* * *

Der Sudmerberg

Kaiser Heinrich III hat sich viel und gern in Goslar aufgehalten und man weiß dort noch manches von ihm zu erzählen. Vor allem aber sagen sie, sei es zu verwundern gewesen, von welch herrlicher Schönheit seine Frau war, so dass sich der Kaiser auch kaum trösten konnte, als sie gestorben war. Als aber sein Schmerz sich etwas gelegt, da hat er seine eigene Tochter, die ihre Mutter an Schönheit noch übertraf, freien wollen und tat ihr sein sündhaftes Verlangen kund. Sie erschrak furchtbar über des Vaters Wunsch, vermochte aber ihm mit ruhiger Stimme vorzutragen, doch lieber erst an die Höfe aller Könige und Herzöge in Europa zu ziehen, ob dort nicht vielleicht eine Gemahlin zu finden sei, die schöner wäre als sie. Heinrich reiste weit und breit umher, kehrte dann aber heim und verkünde, es sei nirgends eine Schönere zu finden.

Aber auch jetzt widerstand sie noch seinen Bitten und Liebkosungen, so dass er endlich die Bedingung machte, wenn sie eine Decke wirken könne, auf welcher alle Tiere, die sich auf dem Erdboden fänden, zu schauen wären, dann wolle er von seinem Begehren absehen. Da ging sie in die kleine Kapelle in der oberen Stadt und bat inbrünstig zu Gott, fand aber keine Beruhigung darin, weshalb sie in ihrer Verzweiflung endlich den Teufel anrief. Der erschien auch sogleich und meinte hohnlachend, er wolle ihr die Decke bringen, wenn er sie nach drei Tagen und drei Nächten noch immer wach vorfände. - Da nahm sie ihr Hündlein mit in die Kapelle und betete hier ohne Unterbrechung. Als aber nach der dritten Nacht der Morgen graute, da hat sie der Schlaf fast überwältigt und im selben Augenblick kam auch der Teufel daher. Das Hündlein, welches ihn vor dem Erscheinen erspürte, zerrte sie so heftig am Kleide, dass sie sogleich erwachte und aufsprang. Der Teufel fand die Holde also wachend vor und wusste, er hatte die Wette wegen dem Kleffer verloren. Zornig übergab er die versprochene Decke, ergriff aber das kleine Hündlein und flog mit ihm von dannen, ihn unter den Sudmerberg zu bannen.

Die Trauer um ihr Hündlein konnte nur gutmachen, dass ihr Vater (als er die Decke unter Tränen bestaunte und sich damit gleichsam seines grausamen Wunsches besann) von allem sündigen Verlangen abließ und sie ferner bloß als Tochter sah und herzte.

Rund um Goslar, wie auch auf dem Sudmerberg, in dem noch heute das Hündlein sitzen soll, hat er Wehrtürme zum Schutz der schönen Stadt errichten lassen. Die Mannen darauf sollten nicht nur vorm Nahen der weltlichen Feinde künden, sondern auch vor der Wilden Jagd warnen, wenn sie nebenwallend und donnergrollend auf die Stadt zurollte, denn ihr – wusste jeder – stand der Teufel vor. „Bimm, bamm – zieht die Türen fest an – bimm, bamm – das Böse rollt heran!“, kündeten die Glocken aller Kirchtürme der Stadt, worauf die frommen Leute gleich drei Kreuze an ihre Türen malten, alle Fensterläden schlossen und in ihren guten Stuben immer gen Sudmerberg lauschten. Solange sie von dort das gebannte Hündlein kleffen hörten, solange war der Unhold noch in ihrer Nähe.

Wer dem Hund beim Wandern begegnet und keine Angst in seinem Herzen trägt, der kann sich von ihm unter den Berg führen lassen. Hier käme man in einen großen, prunkvollen Saal, in dem die Kaiser alter Zeiten sitzen würden. Sie laden die mutigen Menschen an ihre Tafel ein und lassen keinen, ohne ein kostbares Geschenk mitzugeben, wieder ans Tageslicht gehen.

Andere sagen auch, der Kaiser sitze im Rammelsberg und habe noch vor seinem Tode drei Steine in die Mauern von Goslar einmauern lassen und gesagt, wenn diese herausfielen, dann werde er wiederkehren; Niemand weiß aber, welche Steine das sind. Der Kaiser würde sich erst wieder sehen lassen, wenn die Stadt in großer Bedrängnis ist!

* * *

Anmerkung: Weshalb Grässe in der Sage König bzw. Kaiser Heinrich den Vogelsteller zur Hauptperson dieser Sage macht - die man sowohl von Goslar als auch von Quedlinburg erzählt - wissen wir nicht. Die meisten Sagensammler sprechen von Heinrich IV, der einer erotischen Liebe zu seiner Tochter verfiel.

Von Königen, die in tiefen Bergen hocken und auf Erlösung oder bessere Zeiten harren, kennen wir viele Sagen (Bsp: Kyffhäuser). Oft finden wir in der Nähe der beschriebenen Orte Grablegen, Grabhügel, bzw. Hühnengräber unserer germanischen Vorfahren.

(aufgeschrieben nach Grässe)

Der Riese und die Klus

Vor abertausend Jahren waren im Harz noch die Riesen zuhause. Wo sie mit ihren Füßen langstapften, entstanden große Seen, in denen wir Menschlein noch heute baden. Wohin sie sich setzten, da wuchs kein Baum mehr, geschweige denn Gras, nur schroffer Fels blieb übrig. Sowieso zogen sie eine Schneise der Verwüstung hinter sich her, fraßen ganze Wälder vom Wild für eine Mahlzeit leer, was vielleicht der Grund war, weshalb sie irgendwann den Harz verließen?!

Als der Größte unter ihnen galt Christopherus, der besonders häufig zwischen Harzburg und Goslar gesehen ward. Einmal, sagt man, kam er gerade über das Osterfeld gelaufen, als ihn etwas höllisch schmerzend in den Fuß stach. Laut schrie er auf, was alles Leben in seiner Nähe vor Angst erstarren ließ. Dann setzte er sich auf dem nächsten Bergkegel nieder, rieb sich die schmerzende Stelle am Fuß, worauf ein spitzes Steinlein zu Boden plumpste, hart aufschlug und an jener Stelle noch heute steht: Es ist der Klusfelsen Goslars.

Als Rache, weil Christopherus mit seinem Hintern die Zwergenhöhlen unterm damals noch spitzen Petersberg plattwalzte, stahlen die kleinen Männlein ein Riesenbalg. Die schlauen und listigen Zwerge wagten es sogar, es direkt aus der Burg der Riesen im Okertal herauszuschmuggeln. Natürlich waren die Riesen aufgebracht, so wütend sogar, dass man im ganzen Harzgebirge dachte, es würde donnern. Die Kraftprotze schmissen wild mit Felsen um sich, wollten sie doch die elenden Zwerge aufspüren, plattwalzen und ein für alle Mal aus ihren Bergen vertreiben. Ja, sie waren einfältig die Großen, und doch wussten sie, wo hier im Nordharz die Königsburg der Winzlinge war. Wie ein Hagelsturm zogen sie zum Petersberg und sprangen darauf herum, als gelte es, den Hügel zu zermalmen. Die meisten Zwerghöhlen wurden dabei zerstört, das Volk aber war vorher schon ausgezogen.

Und wieder forderten die Zwerge Vergeltung: Sie schickten die Raben mit einer Botschaft zur Kästenburg im Okertal, auf dem die Riesinnen noch hoffnungsfroh die Rückkehr ihrer Liebsten erwarteten. Schon von weitem sahen sie den Schwarm schwarzer Teufelsvögel und bald hörte man sie im ganzen Tal krächzen: „Krah, krah – wie du mir, so ich dir – keiner eurer Riesen kommt mehr her, fiderallala, fiderallala. Die Zwerge schlachteten sie, wie Tier und bald sind sie hier – krah, krah, fiderallala!“ Von grausamen Gedanken zermürbt, zerstörten die Riesinnen ihre eigene Burg – sie sollte nicht in die Hand der Zwerge fallen – und flohen in alle Winde. Wie ihre Männer nach Hause kamen, den vermeintlichen Sieg zu feiern, sahen sie alles in Trümmern liegen. Auch sie verließen den Harz auf der Suche nach ihren Frauen. Sowohl die Zwerge, als auch die Riesen, sah man niemals wieder. – Und die Moral von der Geschicht‘? Vergeltung lohnt sich nicht und bist du auch der stärkste Wicht, am Ende jede Burg zerbricht! (aufgeschrieben nach Karstens)

* * *

Andere Sagen wiederum erzählen, dass die Zwerge aus bloßem Übermut die Tochter des Riesenkönigs, der im Okertal lebte, entführt und durch unterirdische Gänge bis in den Petersberg geschleppt hätten. Ja, man muss wissen, dass die Zwergenfrauen zwar stolz aber mit den vielen Haaren am Leib nicht besonders ansehnlich zu sein schienen. Was ergötzten sich die kleinen Wichte da lieber an einer blonden Sturmbraut, deren Haut zwar schroff doch unbehaart und an der auch alles, an den rechten Stellen Sitzende, riesig war.

Freilich hatte der Riesenkönig rasch bemerkt, wer seinen Schatz in den gierigen Klauen hatte, sie nämlich weinte und schluchzte unentwegt, obschon die Zwerge sie mit allerhand Tand und Zauberei zu belustigen versuchten. Dieses Wehgeschrei drang bis ins Okertal, dem Vater in die Ohren. – Nicht lange, da kam ein Stein aus dem Riesental durch die Lüfte geflogen und schlug direkt vorm Felsentor am Petersberg zu Boden. Eiligst stürmten die Zwerge unter Waffen aus allen Löchern, zu sehen, was die Erschütterung ihres Königshauses ausgelöst hatte.

Sie sahen den Felsbrocken und darauf die tief eingekratzte Botschaft: „Gebt sie mir wieder, sonst schlägt mein Hass wieder und wieder auf euch hernieder.“ - Das sollte wohl Krieg bedeuten, denn freiwillig, würden die Zwerge nicht von dem prallen Riesenweib lassen. Allein, um den König der Riesen zu verleiten, etwas Törichtes zu tun, schickten die Zwerge stündlich Raben, die krächzend Hohnworte verkündeten: „Was wird denn den Riesen, gleich die Stimmung vermiesen, habt ihr nur dies eine Weib? Dann steckt den König in ein Kleid!“ oder „Viel Worte bläht der König euer, stinkt aus dem Mund, wie’n Ungeheuer!“

Dabei musst du wissen: nicht derjenige wird König der Riesen, der sich am vornehmsten auszudrücken weiß oder der besonders weise ist, sondern der Jähzornigste, der Gewaltigste von allen, der beansprucht den Thron! Brüllend fordert er den alten König zum Zweikampf, siegt oder wird besiegt. Und dieser König der Riesen, der gerade auf dem Thron im Okertal saß, der hat den alten König mit einem Schlag niedergestreckt; niemals hat jemand gewagt, ihn herauszufordern … und nun, nun erdreisteten sich die kleinen verlausthaarigen Zwerge – jene, die nur im Dunkeln wandeln, damit keiner ihre hässlichen Weiber und Kinder erblickt – den König der Könige zu verspotten. Ich sag’s dir, überm Harz zog solch ein Unwetter auf, bloß weil der König wetterte, dass man meinte, das Sonnenlicht wäre für alle Zeit verschluckt. Der König stapfte umher, immer aufbrausender werdend, verlor schließlich die Kontrolle, riss ein riesiges Stück Fels aus seinem eigenen Thron und schleuderte es dem Petersberg entgegen.

Als der Zwergkönig endlich die große Gefahr erkannte, war’s längst zu spät. Mit seinen engsten Vertrauten und der Gefangenen wollte er fliehen, doch der Stein sauste hernieder und erschlug sie allesamt. – So heißt es, lernten die Völker der Riesen und der Zwerge schmerzlich, was folgendem Spruch an Weisheit innewohnt: „Wut, wie Hass und Übermut, tun selten gut! – Jener Stein, der so viel Leid über beide Völker brachte und ihren Untergang einläutete, heißt heute die Goslarer Klus. (nach Hartmann)

* * *

Der lange Tanz

Kaiser Otto hatte viele im Bergbau erfahrene Franken mit nach Goslar gebracht, die sich aber nicht gut mit den hier hei-mischen Sachsen verstanden. Zwar wohnten die Franken von den Eingesessenen getrennt in der Oberstadt, wovon der Frankenplan seinen Namen hat, auch besaßen sie bald eine eigene Kirche, nämlich die St. Peter und Paul zum Frankenberge, doch eskalierte der Streit zunehmend in Goslar. Ach, wäre es nur bei Prügeleien geblieben, die Stadtväter hätten darüber hinweggesehen. Nein, es erwuchsen beinharte Fehden, die in schlimmen Gewalttätigkeiten und in Mord und Totschlag endeten. Da vergifteten die Franken einen Sachsenbrunnen und die Sachsen zogen aus, in der Oberstadt Feuer zu legen.

Bald mussten die Stadtwachen eingreifen und beide Stadtteile durch Ketten, Pfahlwerke und Schlagbäume voneinander trennen. Schwer bewaffnete Nachtwächter liefen Patrouille und wehe, es war zum Anbruch der Nacht noch jemand auf den Straßen. Dieser Ruhestörer wurde gleich ergriffen, an den Pranger gestellt und in die vergitterten Zellen unterm Rathaus geschmissen.

Das machte einen jungen Franken das Herz unendlich schwer, war er doch unsterblich in eine schöne sächsische Jungfrau verliebt. Sie hatten sich auch beide einander versprochen, doch, wie sollte ihre Liebe erblühen, wenn sich ihre Familien und ihrer Völker hassten? Tagsüber durfte man sich nicht gemeinsam sehen lassen und nachts ging es nun nicht mehr. Da Franke und Sächsin aber jeweils aus gutem Hause waren und beide Geschlechter großen Einfluss in Goslar ausübten, sahen die Feinde bald ein: „Im Namen der neuen Liebe, muss Schluss mit der alten Fehde sein!“ Von jenem Tage an, da sich der Vater des Franken und der Vater der Sächsin miteinander versöhnten, beschlossen beide Großfamilien, wo und wann immer sie konnten, Frieden zu stiften. Und diese Saat fand nährreichen Boden!

Eines Tages wurden die Wachen Goslars unruhig, die Stadtväter verdoppelten die Mannschaften, ahnte man doch, dass da was im Busche war. In der Oberund Unterstadt rotteten sich die Menschen zusammen. Zwar waren keine Waffen auszumachen, denn das hatte man vorsorglich allen Zivilisten verboten und doch trug ein jeder eine Kiepe oder einen prall gefüllten Sack auf dem Rücken. Oh weh, schon gab der Späher auf dem Kirchturm Alarm: „Die Gruppe vom Frankenplan ist auf dem Weg, sicher 100 Mann stark! – Und auch vom Sachsenplan kommt eine Rotte!“ – Die Stadtväter waren auf alles vorbereitet, … nur eben nicht, auf das, was kam:

Die verängstigten Wachen sahen sich an der Kettenstraße mit einer sicher zehnfachen Übermacht konfrontiert. Doch unter den aufgewühlten Massen waren auch Frauen und Kinder! Wollten die mitkämpfen?

Und ihre Gesichter? Sie sahen nicht wütend aus, nein, gar nicht. Alles lachte und feixte und war guter Dinge. „Da – Achtung!“, rief eine der Wachen in heller Aufregung, als die Männer die schweren Säcke zu Boden setzten, öffneten … und die Bogenschützen waren bereit, hunderte von Pfeilen in die Menge schwirren zu lassen, die Schwertkämpfer hatten ihre Klingen gezogen, verborgen sich aber unsicher hinter den breiten Schilden …, da schrie es von hinten … und jeder erkannte die Stimme …, es war die des Bürgermeisters: „Waffen runter! Runter, sag ich!“

… Und die Franken und Sachsen zogen aus ihren Säcken … Pfeifen und Trommeln und Decken und Speisen und Met und das Gosebier ihrer Stadt. Und gleich darauf lag Musik in allen Straßen; man winkte sich zu; übersprang die Ketten; lief sich freudig in die Arme und wenig später wiegte sich alles im Reigen. Die neu befreundeten Familien achteten auch gut darauf, dass sich die Franken mit den Sachsen recht fein im Tanz vermischten. Da sprangen die Fensterläden der Nachbarhäuser auf und von den lustigen Klängen angezogen, kam die ganze Stadt … zu feiern und zu tanzen, den alten Streit zu vergessen und neue Freunde zu finden. Als die Sonne unterging, da gab es eine Hochzeit: Die des Franken und der Sächsin, direkt vorm Rathaus inmitten von tausend lachenden Menschen; eine Hochzeit, wie sie Goslar seitdem nicht mehr gesehen hat. Und auch, wenn das Brautpaar recht bald (wer weiß wohin) verschwunden war, feierte die Stadt die ganze Nacht hindurch. Den Morgen darauf räumte man die Ketten und Schlagbäume zwischen den Städten gemeinsam fort.

Noch lange feierte die Stadt jedes Jahr die Nacht des „langen Tanzes“, der Name „Kettenstraße“ blieb, um all jene zu mahnen, die wieder böses Blut untereinander entfachen wollen. Der Sachsenplan hieß fortan nur der „Freudenplan“! (aufgeschrieben nach Karstens)

* * *

Der Kämmerer der Kaiserin

Der Kaiserin, die ansonsten so wunderschöne Gemahlin des Kaisers Heinrich II., entgleisten ihre Gesichtszüge. Ihr anmutiger und abgeklärter Blick verwandelte sich in schiere Verrücktheit und tobsuchtartig rannte sie den Flur hinab: „Wache, … zum Teufel nochmal: Wache, ich bin bestohlen worden!“ Als sich endlich das Gesinde traute, ihr entgegenzutreten, da war Aufregung im ganzen Kaiser-wort, alles rannte und suchte Botschaften zu überbringen und bald waren Schlosswache, Schlosshauptmann, Amtsschöffe und Richter im großen Saal verschüchtert schweigend versammelt und aus der Kaiserin Agnes platzte es nur so heraus: „Ich bin bestohlen worden. Meine Diamanten, goldene Ringe, Armreife, alles fort. Der dreiste Dieb aber ist ertappt, denn zu meiner Kemenate hab nur ich den Schlüssel …, und mein Kämmerer!“