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»Erfahrungen sind besser als Belehrungen«, so Ernst Jünger in diesem Band, und an Erfahrungen mangelte es in seinem Jahrhundertleben nicht. Inhalt: Autor und Autorschaft, Nachträge zu Autor und Autorschaft, Notizblock zu »Tausendundeine Nacht«, Die Schere, Gestaltwandel, Eine Prognose auf das 21. Jahrhundert. Der vorliegende Band entspricht Band 19 der gebundenen Ausgabe. In den Nachträgen zu »Autor und Autorschaft« sind auch noch nicht in Deutsch erschienene Aufzeichnungen enthalten, die 1988 zuerst in französischer Übersetzung erschienen waren. Der Notizblock zu »Tausendundeine Nacht«, bislang nur in faksimilierter Handschrift als bibliophile Ausgabe veröffentlicht, ist erstmals im Druck wiedergegeben.
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Seitenzahl: 719
ERNST JÜNGER – SÄMTLICHE WERKE
Tagebücher I-VIII
Band 1 Der Erste Weltkrieg
Band 2 Strahlungen I
Band 3 Strahlungen II
Band 4 Strahlungen III
Band 5 Strahlungen IV
Band 6 Strahlungen V
Band 7 Strahlungen VI, VII
Band 8 Reisetagebücher
Essays I-IX
Band 9 Betrachtungen zur Zeit
Band 10 Der Arbeiter
Band 11 Das Abenteuerliche Herz
Band 12 Subtile Jagden
Band 13 Annäherungen
Band 14 Fassungen I
Band 15 Fassungen II
Band 16 Fassungen III
Band 17 Ad hoc
Erzählende Schriften I-IV
Band 18 Erzählungen
Band 19 Heliopolis
Band 20 Eumeswil
Band 21 Die Zwille
Supplement
Band 22 Verstreutes – Aus dem Nachlaß
Sämtliche Werke 16
Essays VIII
Fassungen III
Klett-Cotta
Die 22 Bände der Sämtlichen Werke, die zwischen 1978 und 2003 bei Klett-Cotta erschienen sind (1–18: 1978–1983; Supplemente 19–22: 1999–2003), enthalten Ernst Jüngers Fassung letzter Hand. Ihr folgt diese Taschenbuchausgabe in Seiten- wie Zeilenumbruch. Offensichtliche Fehler wurden korrigiert, die posthum erschienenen Supplementbände integriert. Der vorliegende Band entspricht Band 19 der gebundenen Ausgabe.
Klett-Cotta
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© 2015 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung
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Alle Rechte vorbehalten
Reihengestaltung Ingo Offermanns, Hamburg, unter
Verwendung von Illustrationen von Niklas Sagebiel, Berlin
Gesetzt von pagina, Tübingen
Datenkonvertierung: Lumina Datamatics GmbH
Printausgabe: ISBN 978-3-608-96316-8
E-Book: ISBN 978-3-608-10916-0
Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.
INHALT
Autor und Autorschaft
Autor und AutorschaftNachträge
Notizblock zu»Tausendundeine Nacht«
Die Schere
Gestaltwandel. Eine Prognoseauf das 21. Jahrhundert
ERSTAUSGABE 1984
Der erste Teil von »Autor und Autorschaft«, bis Seite 143 in diesem Band, erschien bereits 1981 in Band 13 der Sämtlichen Werke (Band 15 dieser Ausgabe). Obgleich deren Texte als Fassung letzter Hand gelten sollten, hat Ernst Jünger diesen Teil für die 1984 erschienene, erweiterte Einzelausgabe überarbeitet. Deshalb ist hier noch einmal das bereits Gedruckte in seiner revidierten Fassung aufgenommen.
Die folgenden Notizen, die im Lauf der Jahre anfielen, gelten dem musischen Schaffen, seinen Voraussetzungen und Konsequenzen, auch seiner Abgrenzung. Im Grunde nichts Neues, wenn man von den Konstellationen unseres dynamischen und der Dichtung ungünstigen Zeitalters absehen will. Im siebzehnten, achtzehnten und noch in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hätten solche Betrachtungen eine reichere Ernte erbracht. Mit Goethes Tod, das empfanden schon die Zeitgenossen, wurde ein Datum gesetzt, das mehr bedeutete als den Abschied eines großen Einzelnen.
Von diesen Adnoten erwarte ich keine pädagogische Wirkung, strebe sie auch nicht an. Es ist nicht zu vermeiden, daß jeder sein Lehrgeld zahlt. Erfahrungen sind besser als Belehrungen. Immerhin könnten einige Positionslichter diesem oder jenem Jungen dienen, der davon träumt, sich auf das offene Meer hinauszuwagen, und der sich berufen fühlt.
*
Und wozu fühlt er sich berufen? Vielleicht gerufen sogar. Die Versuchung tritt an jeden heran – und er wird um so besser fahren, je eher er den Weg als aussichtslos erkennt. Jeder steht einmal am Scheidewege, doch kaum je einer als Herakles. Hier führt die Bahn zur ökonomischen Welt mit Amt und Aufgabe, mit Pflicht und Nutzen, und dort zur Welt der Spiele mit ihrer Pracht und Schönheit, mit Schrecken und Gefahr.
Der Zwiespalt reicht tief in die Natur hinab. Selbst Darwin hat ihn erkannt. Sein Kosmos ließe sich aufteilen: hier Mars und Merkur, dort Aphrodite und Apollon – hier Macht und Nutzen, dort Schönheit und Gesang.
*
Evident ist die Gefahr, im Getriebe der ökonomischen Welt zermalmt zu werden oder zu einer halb komischen, halb erbärmlichen Existenz an ihren Rändern verurteilt zu sein. Daher werden die Eltern sogleich unruhig, wenn eine musische Neigung sich im Sohn ankündigt oder gar übermächtig zu werden droht. Sie tun alles, ihn davon abzubringen oder wenigstens den Trieb in eine Bahn zu lenken, die, wenn auch noch so bescheidenen, Nutzen verspricht. Lieber noch soll der Junge in Dörfern zum Tanz aufspielen, als daß er sich »mit reinem Gesang« dem Musageten weiht.
*
Der große Wurf gelingt selten oder nie. Auch der Versuch ist mit Opfern verbunden, oft unter tragischen Umständen. Die meisten bescheiden sich früh. Ich zitiere aus dem Gedächtnis einen Vers, den ich vor Jahren irgendwo las:
Schon manchen sah ich mit erhobnem Haupt
In seiner Jugend mit den Sternen spielen,
Der, als das Alter ihm den Kranz geraubt,
Froh war, nach Kegeln auf der Bahn zu zielen.
Grillparzers »Armer Spielmann« nimmt nicht ohne Bedenken das Geld an, das man ihm in den Hut wirft, und entschuldigt sich damit, daß berühmte Solisten für ihre Leistung oft hohe Summen forderten. So hebt sich der wahre Künstler vom Virtuosen ab. Nicht der Erfolg, ja nicht einmal das Können, obwohl das paradox klingt, bestimmen seinen Rang.
Grillparzer hat viel über die Stellung des Dichters in der Gesellschaft nachgedacht. Die Zeitgenossen hätten ihm immer nur geringe Achtung gezollt; der Ruhm komme vom Hörensagen und meist nachträglich. Schon im »Sachsenspiegel« galt der Spielmann als verdächtig; und ein Sohn, der ohne Einwilligung des Vaters diese Bahn wählte, konnte nach Fränkischem Recht enterbt werden.
Der Dichter hingegen ist sich des unvergleichlichen Ranges seines Schaffens, ja selbst seines Wollens, bewußt.
*
Ist nun die Klippe des Elternhauses überwunden, so droht, noch gefährlicher, die Gründung der eigenen Familie.
In extremis muß der Autor entweder das Werk der Familie zum Opfer bringen oder die Familie dem Werk. Ist die Berufung zwingend, so wird er den zweiten Entschluß nicht erst zu treffen brauchen; das Resultat stellt sich fast unvermeidlich ein. Es trifft auch, wie Hebbels Elise, die Geliebte, die Begleiterin.
Das sind natürlich Formeln, denn die Palette ist unerschöpflich – kein Leben gleicht dem anderen. Ein Johann Sebastian Bach wäre undenkbar ohne Familie. Auch wenn man einräumt, daß ein stabiles Zeitalter wie der Barock den Institutionen zugute kam, bleibt die Einheit von Person und Existenz auf allen Ebenen, bis zur höchsten, bewundernswert. Nicht zu vergessen, und das ist die dritte Klippe: die Pflicht und das Amt.
*
Der gemeinhin schwierige Charakter des Literaten bringt ihn mit den Einrichtungen leichter in Konflikt als den normalen Bürger; dazu kommt noch die größere Publizität. Das gilt auch für verwandte Existenzen wie die des Musikers und des Mimen, also für den Spielmann schlechthin. Er ist ein schwieriger Partner, und noch ungünstiger wird die Prognose für eine Bindung, wenn sich eine gleichfalls differenzierte Partnerin einfindet. Das kann aus dem Theater heraus oder auf literarischem Wege durch die passionierte Leserin geschehen. So entstand Bürgers dritte Ehe, die mit dem Schwabenmädchen; sie zerbrach schon nach Wochen und war die unglücklichste.
Katastrophen drohen nach beiden Seiten; hier ließe sich das Schicksal der von Creuzer geopferten Günderode anführen.
*
Die Romantik hat zur Tradition ein ambivalentes Verhältnis: ein Heimweh nach verlorenen Idealen, verbunden mit Lockerungen innerhalb der praktischen Existenz. Konservative, liberale, ästhetische Anschauungen geraten in Konflikt. Der Zwiespalt dringt bis in die hohe Politik ein – Chateaubriand ist exemplarisch dafür.
Auch in Deutschland entstehen literarische Salons. Die Liebesheirat wird häufiger und gefährdet selbst die ehrwürdigsten Stammbäume. Sie ist ihrer Natur nach anfälliger als die konventionelle, ja selbst als die Vernunftehe.
Die Öffentlichkeit wird den Institutionen gegenüber stärker – der Skandal, so alt wie die Welt, läßt sich nicht mehr auf die herkömmliche Art erledigen. Der Scheidungsprozeß Georgs IV. gegen die Königin Amalie gibt ein fulminantes Beispiel dafür. Noch eine Generation zuvor verfuhr man, wie im Falle des Grafen Königsmarck, weniger umständlich als hier vor Parlament und Oberhaus. Um dieselbe Zeit erregten Lord Byrons Ehehändel weltweites Aufsehen.
*
Ein Glücksfall ist die Freundschaft: die sich auf die gemeinsame Liebe zur Sache gründende und mit den Jahren wachsende Sympathie.
La Bruyère hat dem Verhältnis von Liebe und Freundschaft eine Reihe von Maximen gewidmet; er meint, daß beide sich gegenseitig ausschließen. »Die Liebe beginnt mit Liebe; und selbst der stärksten Freundschaft könnte nur eine schwache Liebe sich anschließen.«
Hier dürfte der Gedanke an die Droste und Levin Schücking nicht abwegig sein.
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Was mag La Bruyère mit der »femme savante« gemeint haben? Vielleicht den Typus, der erst hundert Jahr nach ihm in den Staël, George Sand oder Rahel zur Blüte kam.
Laut La Bruyère könne der Mann mit einer solchen Frau Staat machen wie mit einer Waffe von köstlicher Ziselierung; das sei ein Kabinettstück für Bewunderer, dessen man sich weder im Krieg noch auf der Jagd bediene – sie sei auch kein Reitpferd Hoher Schule, obwohl aufs beste instruiert.
»Je ne m’informe plus du sexe, j’admire.«
Vermutlich wird der Typus im Zuge der Gleichberechtigung häufiger auftreten. Irgendwo las ich die Maxime: »Die Frau ist nicht gleichberechtigt, sie ist privilegiert.« Das ist zu bedenken, selbst unter Kollegen, wenn man nicht nur gleich, sondern auch anders sein will. Dazu auch Grabbe in seiner Kritik an Bettina von Arnim:
»Treibt die Verfasserin es weiter, so soll sie nicht als Dame, sondern als Autor behandelt werden.«
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Es gibt Frauen, deren Biographie an eine Walhalla erinnert; schon der Wechsel verrät, daß sie anregen, ohne zu befriedigen. Dem bleibt immerhin noch vorzuziehen, was Nietzsche befürchtete: »daß man in die schwülen Träume eines Weibes fällt«.
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Auch zur Gründung eines Hausstandes kann geistige Neigung nicht genügen; dazu bedarf es anderer Vorzüge. Man studiere, wie Goethe und Hamann das Problem gelöst haben und wie Grillparzer es in der Schwebe gelassen hat.
Ludwig Speidel (1830–1906) in seinen Betrachtungen »Verwienerte Deutsche« über Grillparzer: »Sein Opfer war auch Kathi Fröhlich. Sie mußte jahrelang die Bitterkeit kosten, daß ein Mann, den sie liebte und verehrte und der ihr ein Anrecht auf seine Liebe gegeben, sie in unritterlicher Weise neben sich stehen ließ. Bei seinem poetischen Egoismus fehlte ihm die Kraft männlicher Entscheidung. Glücklich hätte er wohl sein mögen, auch glücklich in der Ehe, allein die Vorstellung möglicher Mißstände lähmte seine Wahl. Zum Glück gehört Mut. Grillparzer hatte nicht den Mut, glücklich zu sein.«
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»Poetischer Egoismus«, eine gute Formulierung – es fragt sich aber, ob sich hinter diesem Egoismus nicht Fernstenliebe verbirgt. Dann hätte Grillparzer gerade den Mut gehabt, unglücklich zu sein.
Das könnte auch als Motto über Stendhals »Souvenirs d’Egotisme« gesetzt werden.
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Das Meer der Liebe (Tersteegen) ist unermeßlich und in allen Schichten, von den Doraden und Fliegenden Fischen bis zu den Medusen und Ungeheuern der Tiefe, belebt. Keiner wird zeugen und schaffen, der sich nicht in ihm gebadet hat, auch wenn er an seinen Klippen scheiterte. Das gilt für den Autor vor allem; er sondiert Gottes Tiefe (Hamann), und die Welt wird vom Dichter geträumt (Hebbel).
Daß hier das Schicksal in seiner Dichte an die Person herantritt, ist schon daran zu ermessen, daß die Lose in jedem Falle treffen, gleichviel ob sie beglücken, berauben oder vernichten gar.
Für den Autor ist die unglückliche, die ideale, auf jeden Fall die unerfüllt gebliebene Liebe die fruchtbarste. Sie wird auch meist die erste sein.
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Denkmäler in unserer Zeit am besten aus Kunststoff oder Gips. Manche halten sogar kaum länger als Schneemänner.
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Der Autor ist auf die freie Wildbahn angewiesen und muß ihre Gefahren in Kauf nehmen. Er kann sich im Naturschutzpark nicht wohl fühlen – selbst wenn er zu den Tieren gehört, auf die nicht geschossen werden darf.
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Bei weiterem Absinken der Kultur könnte der Nachruhm als Ergebnis negativer Auslese sogar zu fürchten sein.
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Warum klagen so viele, daß sie unterschätzt werden? Schlimmer ist doch das Gegenteil.
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Das Aussieben von Unkrautsamen aus einer Ernte als Spezialität literarischer Beckmesser. Fehlstellen eines Autors und Gehässigkeiten seiner Zeitgenossen werden zu einer Collage geklebt.
Wenn hinterlassene Briefe oder Tagebücher auch nur einige bissige Notizen über einen Großen enthalten, so ist damit zu rechnen, daß die in einer noch so kurzen Besprechung als Kernstück serviert werden.
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Erstaunlich, wie er vor lauter Händereiben noch zum Schreiben kam.
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Die Einsamkeit:
des historischen Menschen in der traditionslosen Gesellschaft mit ihren ephemeren Unterhaltungen –
des Künstlers innerhalb der mechanischen, amusischen Technizität und ihrer Wertungen. Der Kapitalismus ist nur einer ihrer Effekte und eng mit ihrer Geschichte verbunden; jede Revolution bringt einen weiteren Fortschritt der Verzifferung –
des Kriegers in der von einäugigen Zyklopen dirigierten Mordhölle.
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Die Titanen könnten zufrieden sein mit ihrem alles niederwalzenden Erfolg. Doch scheinen sie zu leiden unter dem Schweigen letzter Intelligenzen, die noch Zugang zur Kultur haben. Ein Stachel in der Elefantenhaut.
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Hundert Schritt jenseits der Grenze zu wohnen, zehn Jahr später geboren zu sein, dem Tyrannen nicht genügt zu haben – das läßt sich den guten Aspekten zurechnen, ist aber noch kein Verdienst, geschweige denn ein moralisches Plus.
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Die Gesellschaft wird unfähig, sich noch harmonisch zu erkennen, Feste zu feiern, Lorbeer zu verleihen. Daß ungebetene Gäste eindringen und den Ton angeben, ist nur ein Indiz.
Man muß dabei sein, wenn die Bonzen sich gegenseitig Weihrauch abbrennen, und darf dann noch nicht einmal den Mund halten.
Nicht der Anstand, sondern die Gesinnung wird geprüft. Wer Hemmungen zeigt, auf eine fremde Fahne zu treten, wird suspekt.
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Man sieht sie mit Laternen die Inhumanität suchen. Dabei phosphoresziert ihre kainitische Substanz.
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Der Mörder auf dem Sockel, von dem der Soldat gestürzt wurde. Das ist ein archaischer Zug, bei dem viel Instinkt, auch anerkannter Moralisten, mitwirkt, eine magmatische Eruption im Anschluß an die politischen Erdbeben.
Die in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts riesigen Anhang fanden, hatten Millionen von Opfern hinter sich. Zu einem Großteil des Fernsehens trägt zwar nicht reine Mordlust, doch Mordfreude bei. In Staaten, die Armeen halten, gilt Soldatenspielzeug als unsittlich. Die Kinder laufen nicht mehr mit Helm und Säbel, sondern mit Gangsterwaffen herum.
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Bei manchen Zeitgenossen hatte man den Verdacht, daß sie sich verstellten – so platte Dummheit, sollte da nicht Tiefe drunter sein?
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Der detaillierte, spezialisierte Geist ist stets dem Autor überlegen – der eine hat die Formel, während der andere um Worte ringt.
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Kerenski. Eine neue Schablone einschieben, das ist noch keine Revolution. Ein Wechsel wird prolongiert. Dem unvermeidlichen Bankerott geht eine fieberhafte Tätigkeit voraus. Die letzten Reserven, auch an Gesinnung, werden verbraucht. Der Anstand verbietet, daß man an der Gläubigerversammlung teilnimmt, und die Vorsicht, daß man sich in die Pleite hineinziehen läßt. Auch die Ideen haben ihren Kurs.
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Auch ein Autor von großem Namen (was von »Ruf« zu unterscheiden) hat kaum das Einkommen eines gelernten Arbeiters (1970). Das mag die handwerkliche Arbeit, einschließlich der stilistischen, aufwiegen. Die geistige Leistung auf den höheren Stufen ist gratis – das sollte auch Ehrensache sein.
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Zu vermeiden ist die Diskussion mit rein naturwissenschaftlich orientierten Geistern und deren unerschütterlicher, zweidimensionaler Sicherheit. Das Gespräch schwächt, es versandet; ihm fehlt der Euphon. Wer sich auf die »nackte Wahrheit« beruft, weiß nicht, daß es Wahrheiten gibt, die leiden, wenn sie in schlechter Gesellschaft enthüllt werden.
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Angesichts mancher Extremisten hat man den Eindruck einer absoluten Entfernung von gleichviel welcher Realität – vom Vater natürlich in erster Linie. Hätten ihre Ideen dreißig Jahr früher Furore gemacht, so wären bereits die Väter als deren Opfer liquidiert worden und damit die Söhne gar nicht vorhanden – auf diesen Verdacht gründet sich der Eindruck von Nicht-Existenz bei solchen Begegnungen.
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Die Unverschämtheit der Söhne gründet sich bei Turgenjew (»Väter und Söhne«) auf intellektuelle, bei Dostojewski (»Die Dämonen«) auf moralische Ansprüche. Im Grunde ist beides dasselbe; die Entlarvung oder Entblößung der Väter ist eine intellektuell-nihilistische Aktion unter moralischen Vorzeichen. Moral und Fortschritt schließen sich aus.
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Wie Zeitungen berichten, streben deutsche Schriftsteller den Status des »Arbeitnehmers« an. Dabei stellt sich die Frage, wer denn ihr »Arbeitgeber« ist. Früher hat man dabei an den Genius oder an Apoll und die Musen, auch an Orpheus gedacht.
Heut rücken Buch- und Zeitungsverlage, Theater und Amüsierautomaten, Parteien und letzthin der Staat in diese Ränge ein. Von ihnen soll (und möchte) der Beflissene seinen Auftrag erhalten und annehmen.
Wollte man sich indessen auf diese selbst im Sozialkörper fragwürdige Unterscheidung einlassen, so wäre der Autor der Arbeitgeber schlechthin: derjenige, der Bühnen, Buchhändlern, Druckern für Hunderte von Jahren zu schaffen gibt – von seinem sittlichen, pädagogischen und unterhaltenden Einfluß, seiner geistigen Hilfe für den Einzelnen und das Ganze abgesehen. Was in Mansarden erdacht und gedichtet wurde, hat die Welt bewegt.
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Man könnte sagen, daß Mozart heute »Millionenumsätze erzielt«. Sie würden ihn wie einen Midas vernichtet haben, wären sie ihm zu Lebzeiten zugeströmt. Je tiefer der Wert absinkt, desto wichtiger der Preis.
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Der Trieb zur Verzifferung und zum Verziffert-Werden wächst mit dem Schwund an schöpferischer Kraft. Der Autor ist aber nicht dort, wo gearbeitet, sondern dort, wo Arbeit geschaffen wird und entsteht. Er ist die zentrale Figur.
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Autorenrechte an allem Möglichen. So an Photokopien, Zitaten, beliebigen Umdrehungen innerhalb der Amüsiertechnik. Verzifferung und Detaillierung von Raum und Zeit. Die Dauer eines Gespräches wird von Automaten gemessen, ein Ödland zu Parkplätzen parzelliert. Zugleich werden die Produkte konform. Ein Zeichen dafür ist, daß man sehr bald vergißt, was man auf diese Weise konsumiert hat; es fällt der Zeit zum Raub. Hierher gehört auch, daß es Verleger gibt, die nicht mehr mit Büchern, sondern mit »Rechten« handeln – ein gutes und müheloses Geschäft.
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Sprache ohne Wurzel blüht, wie Schnittblumen in der Vase, eine Zeitlang weiter ohne Frucht.
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Der gute Autor hat, wie der gute Feldherr, immer noch etwas in Reserve; er gibt sich nicht völlig aus, läßt sich nicht gänzlich ein mit der Zeit und ihren Mächten, nimmt auch nicht jeden Vorteil wahr und jede Belohnung an.
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Athen, Venedig, Florenz. Die Staaten sind zunächst zu fragen: »Was habt ihr an Kunstwerken hervorgebracht?« In diesem Sinne repräsentiert der Herzog von Weimar ein Großreich, gemessen an den Superstaaten unseres Säkulums.
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Am frühen Elan (dem Most) ist die Potenz des Kommenden zu erkennen und zu werten, auch wenn die Mittel noch nicht beherrscht werden. Wer ihn à tout prix erhalten möchte, legt seiner Blässe Schminke auf. Wer nicht alt werden kann, wird zur komischen, wen das Alter vernichtet, zur tragischen Figur. Das sind die beiden Stadien und auch die beiden Gesichter des Stepan Trofimowitsch, einmal vom Sohn und dann vom Autor gesehen.
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Die Zeit ist die große, ja die einzige Quelle des Tragischen; Zeitüberwindung die große und immer nur an die Symbole heranführende Aufgabe. Die Zeit überwältigt, ist nicht zu bewältigen.
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Zeit. In der Jugend Überschuß an vitaler, doch nicht organisierter Kraft. Verzettelung, Reisetrieb, wechselnde Ziele, halbfertige Arbeiten – nicht weil die Zeit drängt, sondern weil der Überfluß sie staut. Er kann auch stocken – dem folgen Langeweile, Zerstreuung, Melancholie. Die Zahl der begonnenen, doch nicht beendeten Romane ist enorm. Katastrophen sind möglich, wo hohe Zielsetzung sich mit dem Bewußtsein des Nichtgenügens oder Unvermögens paart.
Im Alter geringere, doch organisierte, planende Kraft. Der alte Faust. Arbeiten bleiben unvollendet, nicht weil die Zeit sich staut, sondern weil sie knapp wird, weil sie fehlt. »And so much to do.« (Letztes Wort von Cecil Rhodes. Und was blieb von Rhodesien? Ein Ärgernis.)
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Zwischen dem Werk und seiner Wertung, das heißt: zwischen dem Autor und seinem Kritiker, muß ein angemessenes Verhältnis bestehen. Das bringt mit sich, daß nicht jeder von jedem besprochen, also weder getadelt noch gelobt, werden darf. Sonst kommt es zu Peinlichkeiten auch für den Belobten nach dem Muster eines schwäbischen Sprichwortes:
»Des isch a guets Heu, hat seller Esel gseit, wie er den Lebkueche gfresse hat.«
Nach Machtwechseln, wenn Gesinnung sich als Kunst zu proklamieren und proklamiert zu werden pflegt, wie 1933 und 1945, entsteht der umgekehrte Eindruck: daß Heu als Lebkuchen gepriesen und angeboten wird. Politruks auf den Lehrstühlen.
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Was auf dem Hochgrat weitergeht: Neue Gedanken, neue Worte, neuer Stil, gleichviel ob im Einklang oder im Widerspruch zur Zeit – das ist die Wirbelsäule; die abhängigen Werke legen sich wie Rippen und Gräten daran an, notwendig ebenfalls.
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Ließ man sich einmal einen Kalauer, eine abgeschmackte Bemerkung durchgehen, so wird sich gewiß jemand finden, der gerade das goutiert.
Ebenso wird sich jener finden, der sich über wirklich schöne Stellen lustig macht. Unangenehmer ist der erste Fall.
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Wenn wir beginnen zu messen – etwa die Dankbarkeit der Pflanze für die pflegende Hand – so läßt sich allerhand »feststellen«. Doch bereits der Gedanke an solche Messungen deutet auf ein Manko und führt auf Irrwege.
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Die Souveränität des Dichters erweist sich auch an seiner Unabhängigkeit vom Stande der Wissenschaft. Das gilt besonders für den Lyriker. Der Beweis ist unter seinem Niveau.
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Der schlichte Dienst an der Sprache wird sich immer lohnen, schon an und für sich, und das um so mehr, je weniger er bemerkt wird und in die Augen fällt.
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Vorträge führen in leeren Betrieb. Sie sind mit Reisen und Anstrengungen verbunden und zehren an der produktiven Zeit. Ihnen schließt sich ein meist unfruchtbares Gerede an. Zu rechnen ist auch mit der Enttäuschung, die aus dem Mißverhältnis zwischen der idealen Vorstellung vom Autor und seiner Person erwächst. Freilich gibt es auch hier Tenöre, aber Schiller war ein schlechter Vorleser.
Der Autor kann, aber soll kein Unterhalter sein. Vorlesen ist gut im Freundes- oder Familienkreis.
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Homer müßte sich heute, im Zeitalter der Atombombe, als Kriegsverherrlicher entschuldigen. Auch Schiller und Hölderlin bedürften in dieser Hinsicht der Purifikation.
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Der Verleger. Seine seltsame Doppelstellung. Er sollte ein merkurisch-apollinischer Kentaur sein. Daher findet man ihn auch oft als Paar von Partnern, von denen der eine den geschäftlichen, der andere den musischen Teil versieht. Es ist selten, daß beide Begabungen in einer Person verbunden sind. Die Meinung mancher Autoren, daß der Verleger ein Mäzen sein müsse, ist natürlich verfehlt.
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Einem jungen Besucher: »Sie können Schriftsteller werden. Autor müssen Sie sein.«
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Der Dichter als phantasiebegabtes Wesen hat meist auch phantastische Ansichten in Geldfragen.
Grabbe, Baudelaire, selbst Balzac und Dumas père. Darin besteht auch eine der Schwierigkeiten des Verlagsgeschäfts. Manche Korrespondenzen, selbst mit Hochberühmten, wären besser verbrannt worden.
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Der alte Poet. Dem jungen sagt man, daß er noch nichts, und dem alten, daß er nichts mehr kann.
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Auch der Autor hat Börsenkurs und muß sich damit abfinden.
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Bayle: »Die Vollkommenheit einer Geschichte besteht darin, daß sie allen Parteien und allen Nationen mißfällt, denn dies ist ein Beweis, daß der Verfasser keiner von ihnen schmeichelt oder Schonung widerfahren läßt und daß er allen das sagt, was Wahrheit ist.«
Dazu das Modewort: »Nonkonformismus«.
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»Lieber Kollege: Die Tatsache, daß Sie einer rücksichtslosen Kritik ausgesetzt sind, sollten Sie nicht beklagen, sondern als Ausweis Ihrer Freiheit ansehen. Das ist besser, als hielte ein Tyrann, eine Partei oder eine beliebige Clique die Hand über Sie. Sie säßen im Glashaus, in das man nicht mit Steinen zu werfen wagt.«
*
Der Mäzen als jener, der dem musischen Menschen die äußere Last abnimmt. Da ihn nicht Interesse, sondern Geschmack bestimmt, ist sein Beistand dem des Staates oder der Parteien vorzuziehen. Selbst wenn er Cäsar, Crassus oder Pompejus hieße – hier handelt er als Privatmann und als der gebildete Einzelne. Günstig sind Stätten des Überflusses – Händlerstädte und -provinzen in ihrer Blüte und noch im Verfall: die Niederlande, Venedig, Florenz. Das ist eine der Rechtfertigungen des Reichtums und der freien Verfügung über erworbenen und ererbten Besitz.
*
Einfälle. In der Jugend begrüßt, im Alter eher lästig – ein Augenblick der Intuition kann die Mühe von Jahren ankünden. Es ist auch die geistige Fron, die sich allmählich verrät.
*
Gaston Gallimard sagte mir einmal: »Ein wirklich gutes Buch ist unverkäuflich (ne se vend pas) – wie eine anständige Frau.«
Es fragt sich nun, wie der Verleger sich verhält, wenn er ein »wirklich gutes« Buch erkennt (etwa den »Zarathustra« um 1892). Er könnte im Hinblick auf seine Enkel die Rechte günstig erwerben; das wäre spekulativ.
Bedenkt man aber, was dazu gehört (und nicht zuletzt an Kultur), um in der Flut von Manuskripten ein solches Werk zu erkennen, dann dürfte man in diesem Fall auf einen Kaufmann schließen, dem auch die Rolle des Mäzens anstünde, von dem er sonst, vor allem vom Autor, sorgfältig zu unterscheiden ist.
Übrigens ist es nicht einmal einfach, ein gut verkäufliches Buch zu erkennen, doch das fällt in einen anderen Rayon.
*
Paul Valéry: »Alle Literatur hat etwas Schielendes, Zweideutiges; sie rechnet mit einem Publikum. Daher immer ein Zurückhalten der Gedanken, ein Hintergedanke, in dem die ganze Scharlatanerie der Schriftstellerei liegt.«
Wohl wahr, gilt aber nur für den bloßen Diskurs, sei es vor dem Spiegel oder vor der Menge, nicht für den Besessenen, den vom Schaffen Berauschten, geschweige denn für Hölderlin. Im Grunde steht hinter jedem gelungenen Gedicht noch etwas mehr, noch etwas anderes als Gesellschaft und Zeit: zeitlose Einsamkeit.
*
Immer »gegen den Sieger«, ein gutes Rezept, schon von Nietzsche gerühmt. So auch an der Börse: bei Hausse aussteigen. Gilt aber nur, wo Werte noch halbwegs zu erkennen sind.
Ruhm nicht bringt es, eure Schlachten
Mitzuschlagen;
Eure Siege sind verächtlich
Wie die Niederlagen.
Gut – aber dann auch kein Widerstand mehr.
*
Der Sänger, der König, das Gold. Der Dreiklang kann immer noch gelingen, wenngleich insulär.
Wagner war auch insofern ein Phänomen, als er noch wußte, was dem Künstler gebührt. Allerdings kannte er auch dessen Verantwortung. Man vergleiche seinen viel getadelten Aufwand mit dem eines Hollywood-Stars.
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Die Einäugigen stellen sich gleich als Halbmenschen vor. Sind »rechts« oder »links«. Prüfen auch den anderen, ob er halb ist wie sie, und fühlen sich nur dann bei ihm wohl. Sehen auch am Kunstwerk nicht das Ganze, sondern die Mängel, treten nicht als Einzelne, sondern als sich gegenseitig akklamierende Cliquen auf. Dienen sich gern beim Systemwechsel als Denunzianten und Lakaien dem neuen Machthaber an. Schwach als Künstler, doch stark im Betrieb.
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»Wissen Sie, was nach solchen Gedichten passiert? Es kommen drei in Uniform.«
So ein wohlwollender Redakteur in Moskau zum Lyriker Ossip Mandelstam (1891–1938). Das erlebte auch Friedrich Georg nach der Publikation seines Gedichtes »Der Mohn«.
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»Ich denke nicht dialektisch« – also nicht für oder gegen, sondern anders – Beendigung des Gesprächs.
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Daß das Fernsehen und überhaupt die mechanischen Medien die Literatur verdrängen, stimmt nur auf der Oberfläche und nur so lange, wie die Dichtung nicht in ihren wahren Rang eintritt.
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Schopenhauer: »Wenn in einer Gesellschaft ein Mensch von überragender Intelligenz auftritt, wird man bemerken, daß alle Dummköpfe sich gegen ihn zusammentun.« (Aus dem Gedächtnis zitiert.)
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Briefe. Jeder »innere« hat eine unsichtbare Kopie. Sie bleibt, auch wenn der Brief verlorengeht, ja den Empfänger nicht erreicht. Das gilt auch für die verbrannten Manuskripte, die zerstörten Tempel und Kunstwerke. Ilion steht unversehrt in Homers Gedicht. Auch das ist nur ein Aufschub; Ilion steht außerhalb der Zeit.
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Ohne Verhältnis zum Ganzen kein Genie. Es verrät sich auch daran, daß die Schwarz-Weiß-Malerei vermieden wird – sei es der Charaktere, sei es der Tatsachen.
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Die Leute mit dem Balken im Kopf. So wuchs sich der Splitter des anderen aus.
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Nicht nur gehen Bemerkungen am geschätzten Publico vorüber, weil es ihm an Kenntnis:
der Bibel
der Alten Sprachen
der Geschichte
der Mythologie
der klassischen und der Weltliteratur,
sondern auch am Handwerkszeug der Sprache mangelt:
der Grammatik
der Metrik
der Etymologie
der Lautmagie.
Dazu die Versandung und Funktionalisierung des Lebens dank der technischen Apparatur. Denken im DIN-Format.
*
Die Journalisten kennen meist nicht die Hausmacht, über die der Autor verfügt. Sie regt sich in den Träumen seiner Leser und deren geheimer Zuwendung.
*
Die Fellachen haben nicht nur kein Schicksal, sondern sie verübeln auch, wo sie ihn wittern, den Anspruch darauf. Daher gilt schon das Wort als suspekt.
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Sprachminderung. Es geht auch das Handwerk zugrunde und mit ihm die Sprachen der Reiter, Jäger, Bauern, Soldaten und Seeleute.
Was mehrt sich? Die technischen Ausdrücke. Autos und Fernsehen haben neue Vokabulare erzeugt. Sie sind zum Teil aus jenem der alten Schmiedezunft hervorgegangen, doch deformiert oder verflacht. Etwa: Blasebalg und Ventilator – hier noch das Werkzeug, dort die Funktion. Immer weniger Dinge werden mit der Hand angefaßt. Auch die Feder, die Nadel, der Fingerhut.
Plastisch bleibt der Ganovenjargon, daher auch die Zuwendung zu ihm. Der Einfluß von Villon, dann von Céline. Im Argot noch ein Grummet der alten Festwiesen.
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Recht, Freiheit, Demokratie werden durch die Verfassung im besten Falle festgeschrieben – gesichert nur durch die Freien und Redlichen. Sonst wachsende Unordnung, dann Diktatur.
Immerhin ist der Juwelier nicht zu entbehren, der dem Stein die Fassung gibt.
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N. N. will »die deutsche Geschichte umschreiben«. Er beginnt, indem er beim Prinzen Eugen die Türken weglügt und die Raubkriege Ludwigs XIV. zu deutschen Untaten »umfunktioniert«. Es verstimmt ihn, wenn man auch der eigenen Opfer gedenkt oder behauptet, Kant habe in Königsberg gelebt.
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Geburtsschmerzen. Es muß Blut in das Werk fließen. Anders die hohe Begeisterung: Geist strömt durch den Dichter; der gibt die Form.
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Starke Position: Sein Name wird nicht erwähnt, doch ER ist anwesend. Das Verschweigen droht zum Schweigen zu werden, in dem er wie der bekannte Engel durchs Zimmer fliegt. Dann wird die Trommel gerührt.
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Anklänge. Schlange und Schlingpflanze zeigen das gleiche Verhalten, Verwandtschaft in den Atomen – die Sprache nimmt Kenntnis davon.
Der Phlox: Duft und Farbe sind auf den gleichen Schlüssel, sind auf die Dämmerung gestimmt. Der Schwärmer wird doppelt gelockt. Etwas von diesem Zwielicht, vom Eintritt in die »chambre double«, muß in der Dichtung sein. Der Boden der Realität beginnt zu knistern; das ist verwirrend: ein Vorbeben.
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Die Väter treten ab. Das ist in Ordnung. Jede Generation muß ihre eigene Geschichte machen – aber Geschichte sollte es schon sein.
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Einst berühmte Bücher beginnen mit der Zeit säuerlich zu werden wie Wein, der schon im Most einen Stich hatte. Sie werden dann von den Tanten goutiert. Der Kenner fiel selbst in ihrer Glanzzeit nicht auf sie herein.
Das bezieht sich immerhin noch auf Qualitäten, nicht auf die Reißer außerhalb der Literatur, die wiederum in anderer Hinsicht unentbehrlich sind. Es gibt auch Kellereien, in denen einige Fässer stichig werden – wie bei Freiligrath. Makart wurde als Maler zunächst über-, dann unterschätzt. Das Urteil pendelt sich ein.
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Die politische Tiefenwirkung geht vom unpolitischen Thema aus. Daher hat Rousseau eine längere Dauer als Voltaire. Sein Opus bringt immer wieder Remissionen hervor. Hier spricht noch unter der Gesellschaft die Natur.
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Der Entlarver gleicht dem Kulissenschieber: beide eröffnen den Blick auf eine neue Illusion.
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Am eigenen Untergang arbeitet keiner zuverlässiger als der Tyrann. Aber die Saat des Unheils muß ausreifen. Wo der Witz zu früh einsetzt, wird er vorwitzig. Oft wirkt Schweigen stärker als Widerstand, besonders von einem, der viel zu sagen hat.
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Ein gutes Verhalten ist das eines Wanderers bei Schlechtwetter oder das eines alten Chinesen, der schon viele kommen und gehen sah. Vor allem am Eigenen arbeiten. Der Baum wird auch durch Wind und Unwetter geformt. Viel ging über ihn hinweg.
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Beim Adel sollte noch etwas herausspringen. Führt er nicht mehr politisch und militärisch, nicht einmal mehr im savoirvivre, so sollte er wenigstens im Musischen seine Existenz rechtfertigen.
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Kinderkreuzzug. So kamen sie, um uns zum Kreuz zurückzuführen, verkauften uns dann in die Sklaverei.
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Von einem Buch, das diesen Namen verdient, ist zu erwarten, daß es den Leser verändert hat. Nach der Lektüre ist er nicht derselbe mehr.
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Zur Sprachminderung: Der Klerus gewinnt das Monopol der Beherrschung der klassischen Sprachen und damit, wie einst durch das der Bibellektüre, einen gewaltigen Hort geistiger Macht.
Wahrscheinlich wird das Gegenteil geschehen: mehr oder minder freiwillige Reduktion auf den Generalnenner. Selbst die Messe wird nationalisiert.
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Das Honorarium ist nur eine Anerkennung – im Grunde betrifft es Werte, mit denen man nicht handeln kann. Die Schöpfung ist einerseits unbezahlbar, andererseits umsonst.
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Das Verhältnis zwischen Autor und Verleger gewinnt oft eine Komik, die an jenes von Don Quixote und Sancho Pansa gemahnt.
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Der Autor ist Freiherr gegenüber der Zeit, muß aber in der Verfügung über sie gewissenhafter als ein Buchhalter sein.
Wenn eine Arbeit drei Jahre dauert, setzt jede Stunde eine Masche daran.
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Man kann nicht vermeiden, daß man angespuckt wird, wohl aber, daß man sich auf die Schulter klopfen läßt.
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Ich habe mir öfter die Hände gerieben, wenn sie »von mir abrückten«, als bei ihrem Applaus.
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Wer keine Partei ergreift, macht sich allseits suspekt. So jener, den nicht die Art der Verteilung bekümmert, sondern dem die ökonomische Welt in toto zuwider ist.
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Geistige Ansprüche heute:
»Ich bin links – nimm also den Hut runter.«
»Du bist Faschist – verbeuge dich vor mir.«
Erst kamen sie mit Hitler, vor dem man sich verbeugen sollte, dann wieder mit ihm, damit man sich vor ihnen verbeugt.
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Welche Bücher liegen zwanzig Jahre nach ihrem Erscheinen noch in den Schaufenstern? Welche werden noch in den Bibliotheken verlangt? Schöne Literatur ganz vereinzelt, wissenschaftliche mehr.
Wieviel Romane werden begonnen, doch nie beendet. Wie viele Muscheln, wie wenig Perlen. Was ist der Sinn dieser Geschäftigkeit?
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Es ist dem Kritiker ebenso unmöglich, nicht zugleich über sich selbst auszusagen, wie dem Verbrecher, daß er keine Spuren hinterläßt.
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Es ist nicht tragisch, wenn einer als Schüler »wieder« und »wider« oder »Tod« und »tot« nicht scharf genug differenzieren kann. Wenn er aber später als Richter Mord und Totschlag nicht unterscheidet, sieht es schlimmer aus. Recht und Rechtschreibung sind nah verwandt.
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Nachruhm ist eher zu fürchten in Zeiten, in denen es von Geschlecht zu Geschlecht dünner wird.
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Geld für musisches Schaffen ist eine Art von Traum- und Phantasiegeld, daher auch schwerer beizutreiben und leichter ausgegeben als merkurischer Lohn.
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Im Bismarckreich galt es noch als unanständig, musisches Einkommen zu besteuern; es gab auch den »Künstler-Einjährigen«.
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Durch Beifall erledigt werden.
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Menschen, durch welche die Zeit stark wirkt, doch die an sich wenig oder nichts bedeuten, sind schlecht aspektiert. Der Zeitgeist bedient sich ihrer als Marionetten, die er dann fallen läßt. Er »schiebt die unbedeutenden Figuren vor«. Ihr Mangel an Eigenem ist ihm günstig; der Strom geht leichter durch sie hindurch.
Wenn man ihre Reden, ihre Bücher nachliest, scheint es rätselhaft, daß sie fasziniert haben. Aber eben das war die Aufgabe. Nicht zu schaffen, sondern zu verändern, war ihr Amt.
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Auch die Inquisition ist säkularisiert. Wie einst der konfessionellen, spürt sie heute der politischen Abweichung nach. Wie eh und je ist ihre zentrale Figur nicht der Leidende, sondern der Schuldige.
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Es gibt Minuten- und Stundenbrenner; manche halten auch Jahre und Jahrzehnte vor.
Ein Menschenalter, dreißig Jahre, bedeutet schon eine strenge Probe, und ein Jahrhundert gewährt eine gewisse Sanktion. Manche Werke gewinnen auch einen Fossilcharakter dank einem ein für alle Mal erworbenen Achtungserfolg, der ihnen ein passe-partout durch die Zeiten ausstellt. Man muß sie kennen; das heißt: man beschäftigt sich mit ihnen weniger aus Passion als aus historischen Gründen und ex officio.
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Er nahm von den Deutschen kein Stück Brot mehr – nur noch das Honorar.
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Dem Zeitalter des Anstreichers ist das der Anbräuner gefolgt.
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»Engagiert« ist jede Literatur, die den Namen verdient. Allerdings wächst die Potenz nicht im Maße des aufgewandten Wollens, sondern mit Art und Umfang der Anschauung. Nicht die Spannung entscheidet, sondern die Stromstärke.
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Oktober 1969. Ein Schulsenator wird interviewt.
Reporter: »Sie unterstellen, daß es möglich sein müßte … einen vernünftigen Kurs zu steuern zwischen Bildungsneigung, Bildungsangebot und Arbeitsmarktbedarf?«
Der Bildungssenator: »Es wird doch kein Mensch so dumm sein, ein Fach zu studieren, von dem er genau weiß, daß es ihm relativ geringe Chancen bietet, voranzukommen.«
Diese Darlegung zur Universitätsreform im Stil von Kurzwarenhändlern erinnert an Rangierkünste auf einem Güterbahnhof – die Massengesellschaft züchtet sich ihre Clercs. Da wird man dann lieblos bedient.
»Lust und Liebe sind die Fittige zu großen Taten.« (Pylades in der »Iphigenie«)
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Der Tempel des Leibes, verachtet, seitdem die Götter Abschied nahmen, jetzt zur Bedürfnisanstalt degradiert.
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Er hat eine Fuge in der Rüstung des Riesen erspäht. Nun sieht er nur die Fuge, die Rüstung nicht mehr. Er ist spitzfindig.
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Nach Goethe gehört zur Kritik immer ein Teil Lieblosigkeit. Das ist richtig und wird auch durch die Gegenprobe erwiesen, insofern als Liebe zur Kritik noch weniger geeignet macht.
Wohlwollen temperiert das Klima; wenn ein Porträt gelingt, wie bei Sainte-Beuve, so tragen auch die Schatten dazu bei.
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Die Sprache als »Haus des Seins«. Der Leser sollte im Werk des Autors Heimat finden, gerade wenn es draußen unwirtlich wird. In solchen Zeiten wird auch das Buch der Bücher stärker, inniger konsultiert.
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»Publikums-Beschimpfung« (1970). Die Verachtung wird epidemisch; der Ekel nimmt zu, auch in der Literatur. Baudelaire schon vor über hundert Jahren: »Kann man sich einen Dandy vorstellen, der zum Volke spricht – es sei denn, um es zu verhöhnen?«
Zum mindesten hätte er weder Eintrittsgeld gefordert noch gar bekommen dafür.
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»Ich habe etwas zu sagen, aber ich weiß nicht, was.« Das wird dann in Aktion, auch in Aggression umgesetzt.
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Humus, humanitas. Wie der Baum dem Walde mehr zurückgibt, als er ihm entnahm, so hinterläßt auch der Autor mehr, als er in der Gesellschaft vorfand und von ihr empfing:
Dreimal seliger Mann, der, gleich den unsterblichen Göttern,
Mehr gewähret der Welt, als die Welt ihm gewährt!
(Heinrich Zschokke: »Der heilige Lohn«, 1824)
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Man findet bei jedem beliebig viel Dinge, die schon gesagt worden sind. Doch ein Gedanke, der noch nicht gedacht, ein Bild, das noch nicht gesehen worden ist, werten beliebig viel Gleichgültiges auf.
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Es gibt Bücher, die sich ohne Aufsehen verbreiten wie ein Rhizom unter der Erde; hin und wieder sprießt eine neue Auflage hervor.
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Eine Auflage von hunderttausend Exemplaren ist leichter in einem Monat zu erreichen als in einem Jahrzehnt.
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Valéry: »Es gibt zwei Klippen, zwei Arten, sich als Schriftsteller zu verirren und umzukommen: die zu genaue Anpassung an das Publikum und die zu enge Treue dem eigenen System gegenüber.«
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Wohnsitz des Autors. Früher große Städte und Residenzen: Paris, Rom, Leipzig, Genfer See.
Nun der leere Betrieb, der Lärm, die Kasernierungen. Schon des Esseintes zieht sich zurück.
Die Städte sind heute eher Orte zum Studium als zur Produktion.
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Am Eigenen die strengste Kritik: »Wenn das ein anderer geschrieben hätte, wäre es gut.«
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Leonhard Fischer über einen »engagierten« Kritiker: »Er erblickt auf dem Olymp nur seinesgleichen.«
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Hilfsbuchhalter, mit Prokura für Weltfirmen. Da wirkt entweder die Gäa oder der Weltgeist unmittelbar. Der Fortschritt wird katastrophal. Truman und die Atombombe.
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Standorte. Für den Künstler günstig: eine Schicht von Zeitgenossen mit kultiviertem Geschmack, die zudem über ererbten Reichtum verfügt – weit besser als ein »fördernder« Staat.
Sehr günstig: Handelsrepubliken wie Florenz und Venedig, auch Freie Städte wie Nürnberg, Augsburg, Amsterdam. Der Handelsgeist darf nicht zu stark werden (Phönizien). Der Händler hält Söldner, führt Krieg nur um Profit, nicht für Ideen, ist festfreudig bei offenen Märkten, läßt Raum für private Existenz.
Ungünstig: Staaten mit Weltanschauung, in denen Gesinnung vor Leistung geht.
Höfe sind nach kulturellen, nicht nach politischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Dasselbe gilt moralisch; gewisse Grade der Dekadenz können zuträglich sein.
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Der Forderung, daß die Weltgeschichte umgeschrieben werden müsse, könnte sich der musische Mensch anschließen. Er würde die Völkergeschichte als Perlenkette, als Folge mehr oder minder gelungener Kunstwerke darstellen. Für ihn kommt der kulturelle Status eines Volkes weder mit dem sozialen noch mit dem politischen zur Deckung, und noch weniger mit dem technischen, wie die Banausen es den »Unterentwickelten« einreden.
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Der Künstler, dem Fürsten ebenbürtig, ist nicht minder besessen von seinen Zielen als der Feldherr oder der Politiker. Auch von ihm wird Dienst gefordert – nicht für Szepter und Krone, Volk und Priesterschaften, sondern an Kunstwerken. Wären Kriege nicht zu vermeiden, so würden sie als Tänze und Schauspiele geführt.
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Der Künstler dient nicht den Kulten, sondern sie sollen ihm zur Annäherung an die Götter dienen; er ehrt und belohnt sie mit Kunstwerken. Harmonie herrscht vor allem im Aufblühen; sie weicht in der Klimax achtungsvoller Distanz, wachsender Freiheit im Verfall. Neue Ideen werden nicht politisch oder philosophisch vorgestellt, sondern musisch, also näher am Sein. Von dort entwickeln sich die Revolutionen; daher hält Rousseau sich besser und konstanter als Voltaire.
Wo ein Kultus auf der Höhe der Macht steht, gibt es auch Künstler als große Herren. Die Übereinstimmung mit dem Priester kann Distanz zum Dogma einschließen. Der Künstler bedient sich des Sakralen und dessen Symbolik für seine eigenen Aussagen. Der Mißton kann den Priester zum Verbot der Bilder überhaupt führen oder, wie in Jahrhunderten des Mönchtums, zu stereotyper Wiederholung der Darstellungen.
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Das Verhältnis zur Macht ist eine Lebensfrage für den schaffenden Geist. Nicht zu nah und nicht zu fern – das pro ist wie das contra dem freien Wort abträglich. Der Dichter ergreift das Wort nicht als Gegner, sondern er bestätigt die währende Ordnung, indem er aus dem Ungesonderten in die Gegenwart wirkt. Das ist stärker als jede Polemik, weil es das Ganze ins Treffen führt.
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Ein Kapitel für sich: die Mitwirkung des Künstlers an der Schaffung von Zuständen, die ihn überflüssig machen, ja erledigen. Er rennt in die Klinge, an der er geschliffen, die er zugespitzt hat. Das geschah, weil er seine Aufgabe nicht scharf genug abgrenzte, sein Amt zu gering schätzte.
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Wer sich in der Jugend an Büchern gebildet hat, wiegt sich in zu großen Erwartungen. Er tritt mit idealen Maßen in eine Welt banaler Interessen ein. Unter den Konsequenzen: daß er sich an der Gesellschaft rächt. Das spiegelt sich in vielen Lebensläufen, besonders von Romantikern.
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Bibliotheken. Den öffentlichen ist die eigene vorzuziehen. Sie erspart nicht nur Wege und Korrespondenzen, sondern gibt auch ein Gefühl der Sicherheit. Man wird vertrauter – ähnlich, als ob man selbst Tiere hielte und pflegte, anstatt in Zoologische Gärten zu gehen. Übrigens gibt es auch Raubtiere; man muß sie zähmen, will man nicht an ihnen zugrunde gehen.
Nicht zu unterschätzen ist die Ausstrahlung; Bücher laden das Haus auf. Die beste Tapete bildet eine Bücherwand. Unter der Decke die gebräunten Pergamente, dann die Lederbände des 18. Jahrhunderts mit dem verblaßten Gold von Titeln, die längst vergessen sind.
Massive Substanz aus abgestorbenen Lettern – ein Korallenriff, zu dem Autoren, Setzer und Drucker beitrugen. Es erinnert an Morgenröten, in denen Schreiben noch eine Kunst von Einsamen und Erwählten war. Das Wagnis wird spürbar, das darin liegt, ein Buch zu schreiben, gleichviel wie es ausfalle.
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Periodik, flaue Zeiten, Jahre schwindender Fruchtbarkeit. Das ist normal, entspricht dem biologischen Rhythmus, der sich auf den geistigen überträgt. Ebben und Fluten, Strandungen auch. Das Individuum kann versanden oder katastrophal auf ein Riff prallen. Es lebt als sein eigenes Denkmal fort oder widmet sich den Geschäften wie Rimbaud. Selbstmorde sind häufig, mehr oder minder ausgesprochene Geisteskrankheiten auch. Selten ist eine Wendung zur Kriminalität. Da müßte schon im Opus ein Manko gewesen sein. Das Verbrechen ist zwar ein großes Motiv des Autors, aber notwendig von ihm entfernt.
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Der Autor hat sein Gesetz, er hat sein Ganzes; die Teile tragen sich durch den Zusammenhang. Wenn man jedem Leser, Betrachter, Beurteiler erlauben würde, einen Abstrich zu machen, fiele alles dahin.
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Es gibt eine Trotzreaktion für Thron und Altar – gegen das eigene bessere Wissen und obwohl man die dürftigen Repräsentanten gehört und gesehen hat. Auch wächst der Ekel vor dem, was man heraufkommen sieht. Da nimmt man schon mit einem abgedankten General vorlieb.
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Gewisse Begeisterungsstürme erinnern an den Sog von Kanonenöfen, die mit Makulatur geheizt werden. Das sind keine Geschmacksfragen mehr. Es wird unheimlich.
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Die »Leserbriefe« in den Zeitungen oder der Gratiskatalog zeitgenössischer Dummheiten. Dazu paßt der anmaßende Ton.
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Der Autor erfährt aus der Presse seinen Tageskurs, und zwar genau. Selten findet er dort eine zuverlässige Prognose dessen, was nach zehn oder hundert Jahren bestehen bleiben wird.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß es auch dann Modeströmungen geben wird – auch hinsichtlich des Vergangenen.
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Nicht über jemanden schreiben, den man nicht mag.
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Ambivalenz des Ruhmes. Mit seinem Anwachsen müssen auch die Angriffe zunehmen. Von einem gewissen Format an hat jeder seine Verfolger vom Dienst.
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Zirkel, die glauben, die Revolution gepachtet zu haben – eine verbreitete Form, zu langweilen. Das Neue kommt auf Grund unglaublicher chamäleonischer Künste immer gerade dort heraus, wo es am wenigsten vermutet wird. Wer nach Rezept revolutionär sein will, endet auf der Heerstraße.
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Ganz selten geworden: das Sich-am-Anderen-Mitfreuen – an seinem Rang, seinem Reichtum, seinem Glück.
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Die modernen Theologen, die hinter der Aufklärung herlaufen, erinnern an Gottfried Kellers »Gerechte Kammacher«. Andere kommen derweilen im Schlafe näher ans Ziel.
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Man trifft ihn auf allen Märkten: den Herumhorcher nach dem, was alle meinen, alle sagen – dann macht er sein Ethos draus. Außerdem erwartet er seiner Kühnheit wegen noch Respekt.
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Magnanimitas. An der Großherzigkeit erkennt man den besseren Mann. Ich hörte, daß Hitler eine Amnestie verkündet habe, erfuhr dann aber, daß sie nur für Parteigenossen galt.
Andererseits schwindet in den heutigen Reichen der Verfolger der Sinn für den Großherzigen und die Achtung vor ihm. Ich zeigte ein Lichtbild, auf dem ein Asiate in der Haltung eines jungen Gottes zur Hinrichtung schritt, und wurde gefragt, ob es sich um einen Nord- oder einen Südvietnamesen handelte.
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Catégorie exceptionelle. Sie läßt sich lieber das Geld als den Tag einteilen.
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Daß man auf der Hut sein und sich absichern muß gegen:
Oben und Unten
Rechts und Links
Vorn und Hinten
Vergangenes, Kommendes und Gegenwärtiges
Väter und Söhne,
wird zwar an zeitlichen, räumlichen und sozialen Umständen sichtbar, entspricht aber einer biologischen und physikalischen Grundordnung, nach der sich Verfassungen, Sitten, Verkehrsregeln ausrichten. Diese Ordnung will immer wieder in Fluß gebracht werden, elementar, vegetativ, zoologisch, human. Die Gesetze sind wie die guten Hausfrauen: um so besser, je weniger man von ihnen spricht. Auch die Humanität.
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Wie hinsichtlich der Freiheit zu prüfen ist: »Wozu?« so hinsichtlich des Ruhmes: »Bei wem?«. Der Ruhm wird um so suspekter, je mehr die Zahl der Menschen schwindet, auf deren Urteil und Achtung man noch Wert legen kann.
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Die Fahrt beschleunigt sich wie die eines Schiffes ohne Kompaß, in dem es der Gesellschaft bald zu wohl, bald jämmerlich und dann unheimlich wird. Damit wächst auch die physische Gefahr: Die Wirbel beängstigen mehr als die Schaumkronen. Die Werte verschwimmen. Das Verhältnis zum Tode wird ambivalent; er gewinnt an Bedeutung, verliert den Sinn. Nie wurden so viel Mord und so viel Mitleid auf einem Brett präsentiert. Auch der Ruhm erfährt:
a) eine Reduktion. Goethe, Cäsar, Friedrich werden »entlarvt«, die Väter und Großväter überhaupt. Jubiläen und Totenehrungen werden zu posthumen Hinrichtungen.
b) eine Aufblähung. Aus dem Wesenlosen erscheinen Abgötter, deren Anspruch nichts neben sich duldet und alles andere verdrängt. Sie leben vom Blut der Unschuldigen, und es ist erstaunlich, unter wie nichtigen Vorwänden sie es sich zu verschaffen wissen – auch das weist auf eben dieses Bedürfnis hin.
Wie verhält sich dem gegenüber der Historiker? Spengler versuchte in dem, was sich schon zu seiner Zeit ankündigte, eine Wiederholung des Cäsarismus zu sehen. Ähnlichkeiten bestehen ohne Zweifel, aber ein Tacitus hatte es immerhin noch mit einem Nero zu tun.
Wo der Rahmen der Geschichte gesprengt wird, muß sich auch die Geschichtschreibung ändern oder sogar einen anderen Namen wählen – vor allem sich dem Dichter verbünden, der allein den Titanismus zu bändigen vermag.
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Niedersächsische Poeten, wie Raabe, Busch, Reuter, spielen vielleicht eine größere Rolle in der Dämonologie als in der Literatur. Lichtenberg als Hessen, der den Großteil seines Lebens zu Göttingen verbrachte, darf man als eingemeindet anführen.
Das Opus bildet, wie ein Schneckenhaus oder eine Muschelschale, die geistige Struktur des Trägers nach. Dazu kommen die Muster und Zeichnungen des Milieus: der örtlichen und zeitlichen Umstände. Nadler ordnete seine Literaturgeschichte nach »Stämmen«; diese Gruppierung wird schwierig, ja unzuverlässig, seitdem die Technik eine neue Völkerwanderung einleitete.
Soll die Sprache dem Sein Heimat geben und dieses Gefühl mitteilen, so bedarf es vertrauter Anklänge. Eine Weltstadt kann literarisch so durchdrungen werden, daß sie auch für den Fremden heimatlich wird. Ein Datum der Spätzeit ist die Verlagerung des literarischen Bewußtseins aus der Provinz in die Hauptstädte. Es ist insofern historisch geworden, als im Zeitalter des Arbeiters der Unterschied zwischen Stadt und Land schwindet.
Woran also sich halten? Woran erkennt man und inwiefern genügt Literatur? Sie hat ihren eigenen Eros, ihren starken, doch schwer zu beschreibenden Zauber, den fast jeder erfahren hat. Ist die Sprache wirklich, wie Heidegger sie nannte, das »Haus des Seins«, so hat sie nicht nur Heimat, sondern auch heimbildende Macht. Auch wer den Indischen Ozean nie durchquerte, fühlt sich mit Baudelaire dort zu Haus. Und wer die Inseln schon mit Augen gesehen hat, spürt doch, daß er sie jetzt erst von Grund auf kennt. Dorthin führte ihn das Gedicht.
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Es trifft sich, daß ich heut morgen (am 4. März 1980) in der Zeitung über einen Kongreß des Schriftstellerverbandes las. In der Diskussion tauchte ein Problem auf, das (laut Schopenhauer) »Schriftstellerei und Stil« berührt. Der Vortragende machte sich Gedanken darüber – ich zitiere: »daß wir in der Regel die sprachlich geschliffenen Texte höher bewerten. In letzter Instanz setzen wir fast immer auf das ästhetisch Geglückte.« Damit verbindet er den Verdacht, daß uns ganze Teile der Wirklichkeit entgehen.
Das berührt das Verhältnis von Inhalt und Form. Die Unterscheidung von Schriftsteller und Autor (beide Begriffe überdecken sich zum Teil) schließt unter anderem ein, daß der Schriftsteller besonders sorgfältig auf den Stil zu achten hat. Das besagt schon der Name, und es ergibt sich aus der größeren Nähe zum Handwerk, zum Metier.
Auch das Ästhetische hat seine Tiefe; daher ist der Schluß vom Stil auf den Menschen nicht abwegig. Allerdings ist, ähnlich wie in der Graphologie, zu unterscheiden zwischen »Schönschrift« und schöner Schrift. Elegante und auch brillante Ausführungen mit schwachem Inhalt werden schnell vergessen – andererseits überlebt ein Argot wie der von Villon Jahrhunderte. Es kommt auf das an, was dahinter steckt, und in dieser Hinsicht ist zu vermuten, daß wenig verloren geht. Kristalle und selbst Körner wittern aus den Sedimenten heraus, auch wenn sie zu ihrer Zeit nicht bemerkt wurden. Solchen Entdeckungen sind späte Epochen sogar günstiger als die eigentlich fruchtbaren.
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Revolutionen. Der musische Mensch kann sie fördern, an sich vorübergehen lassen, ablehnen. Beaumarchais, Chateaubriand, Rivarol, Schubart, Schiller und all die anderen. Die Politik gibt eher Motive, besonders zu Dramen, als den Inhalt der musischen Existenz.
Sympathie und Ablehnung können sich in derselben Person ablösen, wie im Verhältnis der deutschen Klassiker zur Französischen Revolution. Der Autor ist souverän. Die Politik kann in seine Biographie und in sein System passen – nie aber er in das ihrige.
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Es gibt eine innere Revolution der schöpferischen Kraft, einen Vulkanismus, der sich auf Völker und Reiche überträgt. Rousseau und Tolstoi erkannten zunächst den Menschen; die Vision verarmte im Maß, in dem sie an Einfluß gewann und sich spaltete.
In der Wirkung eines Romans wiederholt sich die innere Explosion, die den Autor erschütterte. Sie überträgt sich auf den Leser: er erkennt oder ahnt die eigene, in ihm schlummernde Kraft.
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Gemeinsam-geistiger Genuß bei völliger Abgeschlossenheit. Die Außenwelt wird zur Kulisse – sei es im Zuge oder im Flugzeug zwischen Passagieren, in den Unterständen des Ersten, den Bunkern des Zweiten Weltkrieges, aus der Kartentasche während einer Gefechtspause, in den Tropen unter dem Moskitonetz.
Den vollkommenen Dialog mit einem unsichtbaren, vielleicht vor tausend Jahren gestorbenen Partner kann nur das Buch gewähren; kein anderes Medium schenkt diese ungeteilte Zuwendung.
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Aus Lesern werden zunächst Bewunderer, dann dienstwillige Geister, endlich Gläubiger. Selten auch Freunde; die Freundschaft mit dem Dichter ist ein empfindliches Kraut.
Was mag der Dichter in der Urgesellschaft gewesen sein? Erstens Priester und als solcher Mittler höheren Willens, auch Wahrsager. Das kann in besonderer, vielleicht in gebundener, Sprache geschehen sein, auch als Gesang.
Sodann Heros, der in der Begeisterung von den Taten der Väter sang, auch von den eigenen. Es ist denkbar, daß ihm nicht nur Bilder, sondern auch grammatische Formen zuströmten. Die Sprache erfuhr eine Art von Explosion, trieb Blätter und Blüten aus, verflocht sie im Rankenwerk.
Das bleibt im Sozialen. Darunter, dahinter die große Natur: »Ich singe, wie der Vogel singt.« Jeder ist genial.
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Autorschaft. Wie soll der Begriff gefaßt werden? Ganz allgemein als Äußerung schöpferischer Kraft. Autor ist jeder, nur wissen die meisten nichts von ihrem Glück.
Literarisch genommen, muß der Begriff den Dichter ein- und darf den Schriftsteller nicht ausschließen.
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Rechte an Quisquilien, etwa an Vertonungen, die in Cafés gehört oder auch überhört werden. Der Komponist als Zapfstelleninhaber. Besser der arme Spielmann mit dem Hut.
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Ephemeres? Der tausendjährige Eichbaum ist ebenso vergänglich wie das Buschwindröschen an seinem Fuß – doch in beiden ist Zeitloses auch.
Ein Feuilleton kann nach hundert Jahren noch ansprechen, zu träumen geben wie am Tage, an dem es erschien. Die Stimmung in Wiener und Pariser Caféhäusern, ein Theatersouper während des Empire mit Talma, der Duchenois, dem bösen Papa Geoffroy oder in London mit Kean, Fanny Kemble und dem Prinzen von Wales – das wird noch genossen, mitgenossen in Kritiken, Notizen, Briefwechseln.
Lichtenberg an Heinrich Christian Boie. London, 1. Oktober 1775: »Ich habe Herrn Garrick nunmehr gerade achtmal spielen sehen, und darunter in einigen seiner vorzüglichsten Rollen … Außerdem habe ich ihn selbst gesehen und habe nunmehr freien Zutritt in seine Loge.«
Das verspricht allerhand. Sympathie und kritische Begegnung innerhalb kleiner Zirkel, in deren Kontakt der Zeitgeist zündete – und nachleuchtet.
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Die kleinen Zirkel und ihr Behagen in Mansarden, Heurigenschenken, Künstlerzimmern, Garderoben, literarischen Salons. Es gibt einen Übergang zu Interessenverbänden, Tarifgesprächen, Medienpolitik. Eines seiner Daten: die Feder wird mit der Schreibmaschine vertauscht. Telefone und Bandgeräte verflachen das Gespräch.
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Knut Hamsun an Dr. Georg Brandes. Helsingfors, 25. November 1898: »Tag und Nacht habe ich an ›Victoria‹ geschrieben, ich habe geweint und wie ein Irrer daran gearbeitet. Trotzdem bespricht das norwegische ›Morgenbladet‹ es so, wie Sie es aus dem beiliegenden Ausschnitt ersehen wollen … Ich bin in meinem Glauben erschüttert worden – nicht in dem Glauben, daß ich mit dem, was ich schreibe, recht habe, sondern im Glauben an meine Begabung …«
Die Mühe eines Jahres wird über Nacht verhöhnt. Negative Wirkung und Verantwortung der Kritik. Eine Klippe, an der sich jeder mehr oder weniger schrammt, auch wenn ers nicht wahr haben will. Siehe Nietzsches Rückblick in »Ecce homo« (1888); Zeitungsartikel sind unvergessen: Im Berner »Bund«, den »berüchtigten ›Grenzboten‹«. Immerhin hat es Beistand gegeben: Ritschl, Taine, Bruno Bauer, Karl Hillebrand, Rée. Und eben Brandes: »An welcher deutschen Universität wären heute Vorlesungen möglich, wie sie letztes Frühjahr der damit einmal mehr bewiesene Psycholog Dr. Georg Brandes in Kopenhagen gelesen hat?«
Das Genie hat seine Früherkenner; das dürfte die Regel sein, die sich bei den Epigonen vielleicht noch eher bestätigt als beim großen Geist: Goethes Fehlurteile sind bekannt, und auch im »Ecce homo« mangelt es daran nicht. Paul Bourget und Anatole France werden überschätzt. Léon Bloy beurteilt sie, schon der Landsmannschaft wegen, treffender.
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Ein gutes Rezept: für den eintreten, der in der Tinte sitzt und von dem kein Hund ein Stück Brot mehr nimmt. Das ist nicht so einfach, wie es aussieht, wenn man an Zola und Dreyfus denkt. Nachträgliches Mitleid rennt offene Türen ein. Inzwischen ist der Verfolgte längst arriviert. Für ihn steckt man sich höchstens ein Vereinsabzeichen an den Hut.
Das Wagnis wird deutlich, wenn man mit sich selbst im Kämmerlein zu Rate geht, sich fragt, wer denn jetzt der Verräter, der Judas, der Teufel ist. Die Finger verbrennst du dir auf jeden Fall.
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»Gegen den Strom schwimmen« – auch ein gutes Rezept, allerdings nur so lange, wie das Wasser noch halbwegs sauber ist. Sonst wirkt die Anstrengung eher schädlich als förderlich. Öl und Mühe sind verloren; man geht als Hanswurst davon. In solchen Fällen ist ein Herakles besser als ein Sokrates am Platz.
Vor jeder Polemik ist zu fragen, ob sie sich lohne – das heißt: die Sache fördert, und sei es auf Kosten des eigenen Standpunktes. Hierzu auch Martin Luther: »Wer mit einem Scheißdreck rammelt, er gewinne oder verliere, er gehet beschissen davon.«
Die Parlamente erweisen sich als überflüssig oder als notwendig am Maßstab der Objektivität. Großartig die Debatten in England am Ende des 18. Jahrhunderts, deren Lektüre noch heute erregt. »Speeches of Edmund Burke«, 1815. »Speeches in the House of Commons of Charles James Fox«, 1815, dann die Reden des älteren und des jüngeren Pitt, 1810 und 1807 ediert.
*
»Der ›Ton‹ eines Autors ist etwas höchst Bedeutendes. Man spürt sofort, an wen er sich wendet: ob er sich eine Zuhörerschaft ohne eigene Überlegung, einen oberflächlichen jungen Mann vorstellt, den man blenden, verblüffen, packen muß, oder ein mißtrauisches, verschlossenes Individuum oder einen dieser Oberflächlich-Tiefen, die alles zugeben, alles aufnehmen, erfassen, überholen, aber auch schnell annullieren, was geschrieben wurde.«
Soweit Valéry. Das erinnert an unsere Bon-Marchés, in denen das Personal auf Verkaufspsychologie gedrillt wird und das Etikett wichtiger als die Ware ist. Der Umsatz wird gesteigert auf Kosten des Kunden und der Qualität.
Soll das Gespräch durchdringen, so muß ein Dritter oder ein Drittes dabei sein: das Objekt, die Sache, der Weltgeist, ein Gott, damit es nicht leeres Gerede bleibt. Wird über den Frieden verhandelt, muß der Kriegsgott, wird Geschichte bedacht, müssen die Toten, im Flüstern der Liebenden muß Freya zugegen sein und das Licht löschen.
Es gibt im Gespräch Augenblicke, in denen es ernst wird – das Motiv erklingt; Thema und Handlung treten zurück. Dem folgt das Schweigen, in dem das Verschwiegene und das zu Verschweigende, das Unaussprechliche herandroht: Soll der Sprung gewagt werden?
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Die Technik ist die Bedrohung des Autors und seiner Sprache, doch auch Herausforderung. Das gilt besonders für Gebiete, auf denen sie zu dominieren droht, wie für den Krieg und die Architektur. Stilfragen genügen nicht mehr. Es kommt entweder zu einem neuen Grundplan oder zu grotesken Fehlleistungen.
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Man kann und muß unter Umständen in Ruinen hausen – hier können sogar Geister wohnen – man sollte aber nicht vom Ruin leben.
Dem anderen in sein schlechtes Gewissen hineinreden, das ist ein großes Geschäft. Auch hier die Säkularisation: noch keine Priesterschaft hat das so unverhohlen, so unverschämt besorgt.
*
Nachruhm besitzt für den Betroffenen das Gute, daß er davon unbehelligt bleibt. Der Ärger mit den Zeitgenossen hat genügt. Der Ruhm liegt nicht in der Zeit. In diesem Sinne mag die Dauer, das Überleben eines Werkes als Hinweis darauf gelten, daß Zeitloses, wie im nachglühenden Schweif eines Kometen, für eine Weile sichtbar wird. Es ist vollbracht.
Der Autor wird:
a) abgewertet, entlarvt, weil er zu Lebzeiten sein Konto überzogen hat,
b) entdeckt und kommt in Mode, während die Zeitgenossen ihn kaum gekannt oder ihn verlacht haben. Ein schäbiger Trost für all jene, die der Hungertod ins Elysium beförderte.
Die Größe wird an der gleitenden Skala obskurer Geister gemessen, in den Zerrspiegeln ephemerer religiöser, sozialer oder politischer Überzeugungen.
*
Das Ephemere kann, rein zeitlich gesehen, Epochen ausfüllen. Man denke an die Plattheiten, die bei den Kirchenvätern über die griechischen Philosophen zu finden sind. Cassian läßt sich über ihre »eingebildete Keuschheit« aus; Sokrates ist »der Knabenschänder« für ihn. Chrysostomos, sich auf Paulus berufend, der den Griechen jedenfalls viel, und vielleicht seinen eigentlichen Zugriff, seinen »Kniff«, zu verdanken hat: »Sie waren neuerungssüchtig, und das liegt ganz im Charakter der Hellenen. Deshalb lagen sie auch einander in den Haaren; dem Plato stand Aristoteles gegenüber, diesen schnauzten wieder die Stoiker an, und es war ein ewiges Polemisieren gegeneinander. Und so soll man diese Leute nicht bewundern wegen ihrer Weisheit, vielmehr mit Abscheu sich von ihnen abwenden.«
Hin und wieder findet man ein dürftiges Lob, wie es Sektierer überhaupt kennzeichnet. Sokrates habe immerhin »die Glocken läuten gehört«. Nebelflecke bilden die Zeiten, in denen man zu hundert Prozent recht hat und nichts außerdem gilt – das sind nicht nur Jahre, es können Jahrhunderte sein, wie denn auch der überlegene Geist eines Julian noch immer mit dem Beinamen »Apostata« gebrandmarkt ist. Dagegen bleiben wir der Renaissance verpflichtet; sie führte eine Wiederentdeckung, ja fast eine Wiederbelebung des Pantheons herauf.
Übrigens ist in jedem Autor, sei er revolutionär, reaktionär oder indifferent, seiner Zeit gegenüber etwas vom Abtrünnigen. Daran wird er erkannt und darum verfolgt, selbst wenn er sich mit den Sternen oder den Protozoen beschäftigte.
Nietzsche sagte: »Der Ruhm ist eine Münze, die ich mit Füßen trete«, oder so ähnlich – das ist ein Urteil mittlerer Jahre und enttäuschter Jugend; auch Schopenhauer kam darüber nicht hinweg. Dagegen Henry Miller, mit siebenundachtzig: »Ist ein Mann alt genug geworden, dann sollte man ihn in Ruhe lassen und ihm Muße geben, sich mit dem Tode zu beschäftigen.«
So ein Alter, den man noch auf die Bühne zerrt, bietet meist ein trauriges Schauspiel; ich notiere das in diesen Tagen, in denen ein Ayatollah Chomeini Schlagzeilen macht. Erträglicher wird das, wenn ein Schuß Selbstironie dazu kommt, wie beim achtzigjährigen Léautaud.
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Der mechanischen Beschleunigung entsprechen Stufen des Niedergangs.
Das erweist sich auch an den Medien, so beim Vergleich von Filmen der fünfziger Jahre mit solchen aus dem Beginn unserer achtziger. Raumfahrt und Kernphysik haben immense Fortschritte gemacht, auch die Filmindustrie und das Fernsehen. Motive und Handlung, Mimik und Gestik wurden flacher und dürftiger. Die Technik hat auf Kosten der Substanz gewonnen; das gilt für den Zeitgewinn überhaupt. Die alten Daguerrotypien haben noch Porträtcharakter, auch steckt in ihnen viel Handarbeit.
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Der Autor kann das spezifische Gewicht seiner Zeit haben. Er schwimmt in ihr ohne Mühe, sie trägt ihn ohne Widerstand. Verfügt er zugleich über geistige Freiheit, so darf man von einem Glücksfall sprechen, von einer außerordentlichen Konstellation.
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Das Kopernikanische System: eine Fiktion unter anderen. Der Verlust der Mitte pflanzt sich ins Universum fort.
Die alte Schlange regt sich; hier wohnt die Vernunft der Schöpfung; der Verstand leistet Geburtshelferdienst, zunächst zerstörend – »sie wissen nicht, was sie tun«.
Eine Begleiterscheinung ist die Nekrophilie. Man steigt zu den Toten hinab – nicht um sie zu ehren, sondern um sie zu plündern. In den Gräbern der Pharaonen, den Horten der Steinkohlenzeit. Die Burgen der Heroen, die Paläste mythischer Könige brechen auf wie Wunden, die Fliegenschwärme anlocken.