Schacht und Hütte - Karl May - E-Book

Schacht und Hütte E-Book

Karl May

4,9

Beschreibung

Neben den frühen Werken "Das Gewissen", "Wanda" und "Die Fastnachtsnarren" sind hier aus Karl Mays Redakteurszeit die "Geographischen Predigten" abgedruckt, die er 1875/76 im 1. Jahrgang der von ihm gegründeten Dresdener Zeitschrift "Schacht und Hütte" veröffentlichte. Der Band enthält folgende Erzählungen bzw. Beiträge: 1.) Das Gewissen 2.) Wanda 3.) Die Fastnachtsnarren 4.) Gesammelte Aufsätze 5.) Geographische Predigten

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 72

SCHACHT UND HÜTTE

FRÜHWERKE

AUS DER REDAKTEURSZEIT

VON

KARL MAY

Bis 1990 herausgegeben von Roland Schmid,

neue Fassung von Lothar und Bernhard Schmid

© 1959 Karl-May-Verlag

Die Jahreszahl am Beginn der einzelnen Abschnitte bezeichnet die Zeit der Erstveröffentlichung. Vorwort, Erläuterungen und Fußnoten von den Herausgebern.

VORWORT

Die in diesem Buch vereinten Texte sind Früharbeiten des Schriftstellers Karl May. Zum besseren Verständnis und zur angemessenen Würdigung ihrer Entstehung und Thematik ist die Kenntnis des Mayschen Lebensganges bis Ende 1876 wenigstens in seinen wesentlichen Punkten unentbehrlich. Karl Mays erschütternde Lebensbeichte („Mein Leben und Streben“ in Band 34 der Gesammelten Werke „ICH“) berichtet gerade über diese Zeit seiner tragischen Jugend besonders ausführlich.

Karl May wurde am 25. Februar 1842 als fünftes von insgesamt vierzehn Kindern bitterarmer Webersleute in Hohenstein-Ernstthal im sächsischen Erzgebirge geboren. Die Zeit seiner Kindheit und Jugend war von allgemeiner Armut und Not gezeichnet. Mühsam und mit eisernem Fleiß konnte sich der begabte Schüler jedoch bis zum Beruf eines Volksschullehrers emporarbeiten, den er im Alter von neunzehn Jahren antrat. Eine zweifellos harmlose Handlung wurde ihm als Eigentumsfrevel ausgelegt, mit einer Freiheitsstrafe von sechs Wochen geahndet und führte gleichzeitig als Folge davon zu seiner Entlassung aus dem Schuldienst. Durch diesen behördlichen Missgriff wurde der junge Mensch zur Verzweiflung getrieben. In wilder Erbitterung lehnte er sich gegen Rechtspflege und Gesellschaftsordnung auf und beging das, was man ihm irrig vorgeworfen hatte: Eigentumsfrevel. Schwer hat er diesen Wahnwitz büßen müssen; er wurde ein „Vorbestrafter“. Als er 1874 die Strafanstalt verließ, hatte er sich auf sich selbst besonnen und begann, durch redliche Schriftstellerei seinen Unterhalt zu verdienen. Schon nach wenigen Jahren konnte er sein ureigenes Gebiet finden: den in Ich-Form geschriebenen Reiseroman. Von da an war seiner literarischen Tätigkeit ein ununterbrochener Aufstieg beschieden.

Wie Karl May in seiner Selbstbiografie ausführlich schildert, verdankt er seine Rückkehr ins bürgerliche Leben insbesondere dem Einfluss eines katholischen Katecheten namens Kochta, der ganz offensichtlich die erstaunliche Begabung des jungen Häftlings erkannte, ganz besonders aber auch die ungestüme und zügellose Fantasie, die sicherlich nicht unwesentlichen Anteil daran hatte, dass May als junger Mensch auf die schiefe Bahn kam. Dieser Fantasie eine neue, positive Richtung zugewiesen zu haben, dürfte das wichtigste Verdienst Kochtas gewesen sein. Verschiedene Anzeichen, besonders in den ganz frühen Werken, aber auch beim größten Teil des späteren Schaffens, deuten darauf hin, dass der Katechet offenbar nicht nur den Rat gab, der nimmer ruhenden Fantasie durch schriftstellerische Betätigung ein Ventil zu schaffen, sondern sich auch dadurch von seiner Vergangenheit „frei zu schreiben“, dass Namen von Orten und Personen und unheilvollen Ereignissen in zum Teil unverhüllter Gestalt die Werke durchziehen und so gewissermaßen „gebannt“ wurden. Karl May hat im hohen Alter mehrfach ausgesprochen, dass in seinen Werken „rein deutsche Angelegenheiten in exotischem Gewand“ geschildert seien.

Seine erste literarische Betätigung führte May mit einem Dresdener Verleger zusammen, mit dem ihn anfangs eine Art freundschaftlicher Zuneigung verband, die sich gegen Ende 1876 jedoch wandelte. Dieser Verleger hieß Heinrich Gotthold Münchmeyer, war ursprünglich Zimmergeselle und hatte 1868 einen Kolportage-Verlag ins Leben gerufen. Es ist möglich, dass May die Bekanntschaft dieses Mannes bereits Ende 1868 oder auch 1869 machte. Eine Karl May zugeschriebene Kurzgeschichte findet sich im Rahmen der bei Münchmeyer gedruckten Sammlung von Kriminal- und Abenteuergeschichten „Das Schwarze Buch“, Band 2. Es handelt sich um „Das Gewissen“, die im vorliegenden Sammelband abgedruckte Erzählung.[1] Im Zuge der Forschungen konnte ermittelt werden, dass Band 1 des „Schwarzen Buchs“ 1868 und der vierte (letzte) Teil 1878 erschien. Der hier wichtige zweite Teil ist vermutlich zwischen 1871 und 1874 veröffentlicht worden.

Am 2. Mai 1874 wurde Karl May aus der Haft entlassen. Im März des folgenden Jahres suchte Münchmeyer ihn auf und bat ihn, so rasch wie möglich die Redaktion des Wochenblattes „Der Beobachter an der Elbe“ zu übernehmen, dessen zweiter Jahrgang damals gerade ungefähr bei der Mitte der insgesamt 52 Lieferungen angelangt war. Der bisherige Schriftleiter Otto Freitag hatte nämlich Streit mit dem Verleger bekommen und seinen Arbeitsplatz kurzerhand verlassen. Karl May nahm die ihm gebotene Stelle als Redakteur an und begab sich unter rechten Schwierigkeiten nach Dresden, was ihm, den man für zwei Jahre nach der Haftentlassung unter Polizeiaufsicht gestellt hatte, nicht ohne weiteres gestattet war.

In der im März 1875 veröffentlichten Nummer 26 des „Beobachters“ beginnt der Abdruck von Mays Novelle „Wanda“. Der Hauptroman des Jahrgangs trägt den Titel „Der Goldmacher“ und stammt von Otto Freitag. Der ganzen Anlage nach ist dieser Roman offenbar zum Fortsetzungsabdruck über alle 52 Hefte bestimmt gewesen, bricht jedoch mit einem unvermuteten, eiligen Schluss in Heft 37 ab. Überraschenderweise zeigt sich gleichzeitig im Fortsetzungsabdruck von „Wanda“ genau dort eine Pause: Die Novelle hört mit Heft 35 mitten im Text auf und wird erst wieder ab Heft 38 weiter- und zu Ende geführt. In seiner Selbstbiografie erwähnt May, sein Vorgänger Otto Freitag habe beim Verlassen des Münchmeyer-Verlags auch alle Manuskripte mitgenommen. So steht zu vermuten, dass sich May gezwungen sah, den von Freitag nicht fertig gestellten „Goldmacher“ zu beenden, wodurch er selber mit seinem eigenen Werk „Wanda“ in Verzug geraten sein dürfte.

Bald nach Antritt seiner Redakteurstätigkeit wusste May seinen Verleger Münchmeyer davon zu überzeugen, dass eine weitere Herausgabe des alles in allem sehr schwach aufgebauten „Beobachters“ ein Fehler wäre. Stattdessen wurde nun die Gründung zweier neuer Blätter beschlossen und vorbereitet: „Deutsches Familienblatt“ und „Schacht und Hütte“. Diese letztgenannte Zeitschrift verdient besondere Beachtung, sie bildet nämlich praktisch den Beginn von Mays literarischer Laufbahn: Erstmals schrieb er nicht in der Hoffnung, vielleicht einen Drucker, einen Verleger dafür zu finden, sondern mit dem festen Auftrag, eine ganz bestimmte schriftstellerische Leistung zu vollbringen. Wie der auf den Vorsatzblättern des vorliegenden Buchs in Originalgröße abgedruckte Titelkopf zeigt, wendet sich „Schacht und Hütte“ an einen bestimmten Leserkreis. Der ehemalige Lehrer Karl May wusste zweifellos sehr gut, wie ungenügend es um die Bildungsmöglichkeiten dieser Arbeiterschicht bestellt war. Die Herausgabe des Blattes muss ihm ein sehr ernstes Anliegen gewesen sein, denn ein bemerkenswert großer Teil der Texte stammt ohne Zweifel aus Mays Feder.

Und nicht nur das. May stellte einige Probehefte zusammen, ließ sie drucken und trat eine Werbereise an, um sein neues Blatt bei den großen Betrieben wie Krupp, Hartmann, Borsig und anderen persönlich vorzulegen. Der Erfolg dieser Werbereise war offenbar hervorragend und bescherte dem Münchmeyer-Verlag eine stattliche Reihe fester Abonnenten. Als May mit berechtigtem Stolz auf den Erfolg seiner Reise nach Dresden zurückkehrte, erfuhr er zu seiner Bestürzung, dass Münchmeyer während der Abwesenheit des Redakteurs die fünf Probenummern „umgeändert und verbessert“ habe. Wen interessiere es schon, wie viele Lokomotiven es gebe und was ein Pfund Eisen koste, wenn Uhrfedern daraus gemacht worden seien! Das interessiere höchstens nur die paar Uhrmacher, weiter aber keinen Menschen. Daher habe er Mays Blatt nur zur Hälfte so gelassen, wie es war, im Übrigen aber einen sehr schönen Roman hereingenommen: „Geheime Gewalten“ von Friedrich Axmann, einem langjährigen Mitarbeiter des Hauses. May war begreiflicherweise sehr empört darüber, konnte aber den weiteren Abdruck des erwähnten Romans nicht mehr verhindern, weil die ersten Nummern von „Schacht und Hütte“ bereits ausgeliefert waren. „Geheime Gewalten“ ist ein Spannungsroman der üblichen Prägung. Sein Inhalt hat keinerlei Beziehung zum Berg- und Hüttenwesen. Durch die Änderung erhielt der erste (und einzige) Jahrgang der Zeitschrift „Schacht und Hütte“ folgendes Bild.

Die insgesamt 52 Hefte umfassten je acht Seiten im üblichen Großformat der Wochenschriften, der zweispaltig gedruckte Text zählte somit 416 Seiten. Gegen Schluss jedes Heftes kehren zwei Rubriken regelmäßig wieder: 1. „Gewerbliche Notizen“ (Statistiken und Berichte über Produktionen und Umsätze der einschlägigen Industrien), 2. „Allerlei“ (Anekdoten, Witze, Gedichte, Rätsel und Briefkasten). An längeren erzählenden Beiträgen bot das Blatt den Roman „Geheime Gewalten“ von Friedrich Axmann in Heft 1 bis 37, „Fundgrube Vater Abraham“ ohne Verfasserangabe in Heft 37 bis 42 und „Ein moderner Abenteurer“ von Friedrich Axmann in Heft 42 bis 52. Zwischen dem jeweiligen Roman und den beiden Schlussrubriken sind in den ersten 14 Heften jene belehrenden Kurztexte enthalten, die im vorliegenden Buch den Hauptabschnitt „Gesammelte Aufsätze“ bilden; der Abdruck dieser Texte erfolgte zwar ohne Verfasserangabe, jedoch bestätigt May in einer Briefkastenantwort des Heftes 49 seine Verfasserschaft an den Aufsätzen, „die er besonders für die ersten Nummern von ,Schacht und Hütte‘ schrieb.“ – Die „Geographischen Predigten“ folgten unter Angabe des Verfassernamens Karl May in den Nummern 15 bis 24 (Kapitel 1 bis 4) und 26 bis 46 (Kapitel 5 bis 8). – Weiterhin enthält „Schacht und Hütte“ verschiedene Nachdrucke aus Zeitungen und Zeitschriften, durchweg statistische Berichte über die Bergwerksindustrie, die Entwicklung der Eisenbahn, allgemeine deutsche Ein- und Ausfuhr und über einen Grubenunfall, den Wassereinbruch in den Marienkohlenschacht in der Nähe von Pilsen in Böhmen. Schließlich enthalten die Nummern 25 sowie 47 bis 52 kleinere Feuilleton-Beiträge anderer Verfasser, teils mit Namensangabe, teils anonym, jedoch durchweg mit Sicherheit nicht von Karl May. – Im Abschnitt „Allerlei“ der Hefte 3, 5, 7 und 9 finden sich vier Gedichte Karl Mays, und zwar „Der blinde Bergmann“, „Nacht“, „Die wilde Rose“ und „Trost“ (Letzteres abgedruckt in Band 43 „Aus dunklem Tann“, in der Erzählung „Die Rose von Ernstthal“); im Briefkasten der Hefte 44 und 46 stehen die beiden Strophen des Gedichtes „Die Berge von Befour“, das Karl May 1879 auch in seinen Roman „Zepter und Hammer“ (Band 45) aufnahm.

Entgegen der damals üblichen Gepflogenheit, die Wochenzeitschriften jeweils im Oktober beginnen und enden zu lassen, erschienen der „Beobachter an der Elbe“, „Schacht und Hütte“, „Deutsches Familienblatt“ sowie auch „Feierstunden am häuslichen Heerde“ (dieses ist die dritte von May gegründete Münchmeyer-Zeitschrift, die 1876 das „Familienblatt“ und „Schacht und Hütte“ ablöste) jeweils von September an. Karl May kündigte seine Redakteursstelle bei Münchmeyer zum ersten Kalendervierteljahr 1877. Der von ihm somit nicht bis zum Ende redigierte erste Jahrgang der „Feierstunden“ umfasst insgesamt 56 Hefte, wodurch der Anschluss an den üblichen Jahrgangsbeginn erzielt wurde.

In seiner Redakteurszeit bei Münchmeyer zwischen März 1875 und März 1877 arbeitete Karl May vermutlich nur für diesen Verlag. Außer den im vorliegenden Buch zusammengestellten Werken erschienen im „Deutschen Familienblatt“ die indianischen Erzählungen „Inn-nu-woh, der Indianerhäuptling“ und „Old Firehand“ (abgedruckt in Band 71), „Ein Stücklein vom Alten Dessauer“ (in Band 84 „Der Bowie-Pater“) und „Auf den Nussbäumen“ („Pankraz, der Ehestifter“, in Band 47 „Professor Vitzliputzli“). Mays fünfter Beitrag für das „Familienblatt“ war die Humoreske „Die Fastnachtsnarren“. Der Abdruck erfolgte in allen fünf Fällen unter dem Verfassernamen Karl May.

Für die „Feierstunden“ schrieb May die orientalische Erzählung „Leilet“ unter dem Decknamen M. Gisela („Die Rose von Kahira“, in Band 71), ferner die Humoreske „Im Wollteufel“ (Band 47) und die reichliche Hälfte des historischen Romans „Der beiden Quitzows letzte Fahrten“ (der von Karl May stammende Teil, der bis zu seinem Weggang von Münchmeyer zum Abdruck gelangte, bildet heute den Inhalt von Band 69 „Ritter und Rebellen“).

Nachzutragen bleibt noch eine letzte frühe Erzählung. In der Schlussnummer August 1875 des „Beobachters“, zweiter Jahrgang, erschien „Der Gitano“ von Karl May (Bd. 48 „Das Zauberwasser“) zusammen mit dem Hinweis, dass der „Beobachter“ künftig eingestellt werde, während an seiner Stelle nunmehr das „Deutsche Familienblatt“ erscheine, für dessen spannenden und farbenprächtigen Inhalt die „Gitano“-Erzählung eine Art Textprobe bilde.

Am 15. Mai 1878 – also vier Tage nach Hödels Attentat auf Kaiser Wilhelm I., das wenige Monate später zusammen mit Nobilings Anschlag den äußeren Anlass für Bismarcks „Sozialistengesetze“ gab – wurde Karl May in einer polizeilichen Auskunft des Oelsnitzer Gendarmen Oswald „als Socialdemokrat durch und durch“ bezeichnet, was für die Behörden so viel bedeutete wie „Anarchist“. Es kann kein Zweifel bestehen, dass diese behördliche Würdigung auf Karl Mays „Schacht und Hütte“ zurückzuführen ist. Nicht nur die immer wieder in den Aufsätzen und auch in den „Geographischen Predigten“ aufklingenden Randbemerkungen verraten Mays soziale Einstellung, sondern auch die Auswahl der gewerblichen Statistiken, Anekdoten und Witze.

May hat natürlich bald gemerkt, dass er mit der unmittelbaren Anprangerung gesellschaftlicher Missstände der Öffentlichkeit wenig Nutzen, sich selber aber nur Schaden bringen konnte. So verlegte er bereits seit 1879/80 die Schauplätze seiner Erzählungen fast ausnahmslos ins Exotische. Durch die Romantik und die Erweckung der Sehnsucht nach Abenteuern in fernen Ländern erlebten seine Werke bald einen einzigartigen Erfolg. Und dennoch: Es war nur ein exotisches Gewand, das nunmehr seine im Innern „rein deutschen“ Erzählungen kleidete. Denn insbesondere die Vertreter der fremdländischen Behörden, etwa in den damaligen türkischen Gebieten von Tunesien rund ums Mittelmeer bis in den Balkan, sind ohne Zweifel in den meisten Fällen nichts anderes als ironische Zerrbilder derer, die Karl Mays Jugend und die ersten Jahre seiner literarischen Tätigkeit so hart und herzlos beeinflussten...

DAS GEWISSEN

(1873? 1874?)

Unter den zahlreichen kurzen Beiträgen findet sich im zweiten Band des „Schwarzen Buchs“ die anonyme Novelle „Rache / oder / Das erwachte Gewissen“. Stilistische und motivische Einzelheiten weisen mit einiger Sicherheit auf Karl May als Verfasser hin. Lediglich der Titel selber scheint von fremder Hand zu stammen: Kein anderes Werk Mays bediente sich je wieder einer solchen modischen Titelform („... oder ...“); denn der bekannte Kolportage-Titel „Das Waldröschen / oder / Die Verfolgung rund um die Erde“ (1882/83) stammt nicht von May, sondern ging, wie er in seiner Selbstbiografie ausdrücklich mitteilt, auf den Verleger Münchmeyer zurück.

„Das Gewissen“ weist die charakteristischen Züge der Erzgebirgischen Dorfgeschichten auf, die Holzschnittmanier in der Zeichnung der Personen. Besonders aufschlussreich und beweiskräftig ist aber die Erwähnung der „Eisenhöhle“, die sich auch in der „Rose von Ernstthal“ (in Band 43 „Aus dunklem Tann“) findet: Genauso hieß jene nördlich von Mays Geburtsort gelegene Höhle, die bis heute bei der Bevölkerung nur noch „Karl-May-Höhle“ genannt wird, weil sie ihm 1869 eine Zeit lang als Zufluchtsort diente, als er sich in ähnlich gehetzter Lage befand wie die Hauptgestalt seines „Gewissens“. Daneben entdeckt man zahlreiche weitere Motive, die an wirkliche Erlebnisse Mays anklingen: falsche Anschuldigung, einen Brand gelegt zu haben; Polizeiaufsicht; Verhaftung um die Weihnachtszeit; selbstgegossene Talglichte u. a. mehr. Besonders bemerkenswert ist die Textparallele zwischen der Schlussrede des Waldbauern und dem ungefähr zur gleichen Zeit entstehenden „Weihnachtslied“ Mays (vgl. Bd. 49 „Lichte Höhen“).

1

Der Eingetretene war an der Tür stehen geblieben.

„Grüß Euch Gott, Waldbauer!“

„Danke, Förster, hab’ Euch kommen lassen, um Euch einen Gefallen zu tun.“

„Ihr? Mir? Mich deshalb kommen lassen? Nehmt mir’s nicht übel, Waldbauer; aber dann tut Ihr Euch einen desto größern damit.“

„Was Ihr klug und weise seid! Aber hört!“

„Zum Hören kann man sich wohl setzen.“

„Ist nicht notwendig; ich liebe die lange Schwatzerei nicht und Ihr könnt Eure kurze Zeit auch besser brauchen. Also hört. Ihr habt schon lange den Ebert fangen wollen?“

„Beim Teufel, ja; aber wie kommt Ihr zu der Frage?“

„Weil der Kerl jetzt auf meinem Revier pürscht und...“

„...und der Waldbauer, der stolze, geizige Waldbauer, ihn ohne den Förster nicht wieder loswerden kann! Drum habt Ihr mich kommen lassen, um mich für ein paar Lumpenkreuzer auf den Wilddieb zu hetzen!“

„Wenn Ihr in meinem Hause seid, so lasst Ihr mich ausreden und hört mich fein manierlich an; merkt’s Euch! Draußen im Wald bei Euren Klaftermachern könnt Ihr’s halten, wie Ihr wollt; und wenn’s Euch hier nicht gefällt, so könnt Ihr gehen!“

„Na, so war’s nicht gemeint. Es wäre mir schon ein Gefallen, wenn ich den Spitzbuben haben könnte; ich bin ihm nun jahrelang vergeblich nachgegangen.“

„Und könnt es jetzt so leicht und billig haben, dürft nur heut Abend in die Eisenhöhle kriechen.“

„Und?“

„Dort ist der beste Wechsel auf meinem Gebiet und da will er sich heut Nacht einen Bock holen oder zwei.“

„Woher wisst Ihr das so genau?“

„Das ist Euch gleich.“

„Nicht ganz; oder glaubt Ihr vielleicht, dass ich mich eine geschlagene Nacht in die Höhle verkrieche und mir den Rheumatismus in die Knochen hole, um mich dann von Euch auslachen zu lassen? Wenn ich wirklich gehen soll, so muss ich Gewissheit haben.“

„Glaubt Ihr denn, Förster, dass ich es der Mühe wert halte, mit Euch zu spaßen? So billig kauft Ihr den Waldbauern nicht; wenn Euch aber die Neugierde gar so plagt, so sollt Ihr’s wissen. Der Löwenwirt hat die Böcke bestellt und dort hat er von der Höhle gesprochen; ich hab’s von dem Stallknecht, dem Elias, der früher auch mitgemacht hat, jetzt aber dem Ebert nicht mehr grün zu sein scheint. Übrigens komme ich selbst mit, man weiß nicht, was passieren kann. – Bekommen wir ihn, so sollt Ihr nicht leer ausgehen. – So, das ist’s, was ich Euch sagen wollte. Pünktlich um neun Uhr werde ich ins Forsthaus kommen, und jetzt mögt Ihr Euch davontrollen. Lebt wohl!“

Der Förster ging und der Bauer war allein.

Den Ellenbogen auf die Seitenlehne des Stuhles stemmend, legte er den Kopf in die Hand und ein Neugieriger hätte jetzt ungestört den Mann beobachten können. Keine Spur von Stolz, Hochmut, Geiz und Habgier, wegen deren er im Umkreis bekannt und gescheut war, konnte man in seinem Gesicht entdecken; denn diese Eigenschaften haben ihre Züge; sein Gesicht aber hatte nicht einen einzigen Zug. Was war’s aber dann, was den Beobachter so von ihm fortdrängte?

Die harte, sehnige Hand, die großen, plumpen Füße, die eckige, kantige Gestalt, die schroffe, massige Stirn, die dichten, buschigen Brauen, das kleine, haltlose Auge, die scharfe, knochige Nase, die strengen, eingekniffenen Lippen, das spitze, vortretende Kinn, das gebrochene, gradlinige Profil, das starke struppige Haar, die ungelenken, wuchtigen Bewegungen – und dazu seine ganze Umgebung: die niedrige, schwarzgeräucherte Stube, der feste eichene Tisch, der rote ungefüge Uhrkasten, die hochlehnigen, knorrigen Holzstühle als die fast einzigen Einrichtungsstücke, ferner die glattgegriffene, langstielige Verwalterhacke, die eingeschmierten, dicksohligen Wasserstiefel in der Ecke und der knotige, ungeschälte Schwarzdornstock daneben – wovon erzählten die nur alle? Vielleicht von einem granitenen Willen, von einem verknöcherten Herzen, von eisenfester, ja stählerner Strenge, die lieber bricht als nachgibt? – Der Waldbauer war hart, steinhart – feuerhart.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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