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"Saubere" Dieselmotoren, deren schmutzigen Abgase die zulässigen Höchstwerte um mehr als 500 % überschreiten. Eine zweite Kfz-Steuer, die man beschönigend "Pkw-Maut" nennt. Entlassungen, die man als "Verschlankungen" verkauft. Rein chemisch hergestellte Aromen in Lebensmitteln, die noch nie eine Frucht gesehen habe und die man uns als "naturidentisch" andreht. Und das völlig legal. Wofür haben wir ein Verbraucherschutzministerium? Schleichende Enteignung tauft man verharmlosend "Negativzinsen". Peter Hahne lässt sich das nicht länger gefallen.
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Seitenzahl: 138
Cover
Über den Autor
Titel
Impressum
Buschkowsky, die Landnahme und die deutsche Naivität
Es gibt keine Politikverdrossenheit
Die Flüchtlings-Bildungs-Mogelpackung
Von Funny Facts und Kieselhumes
Müllers Mathematik und Schwesigs Scheinheiligkeit
Wolf Biermanns Oster-Ohrfeige
Die armen reichen Kinder
Jesus Christa und die Mondin
Grüne, Köter, Selbstverachtung
Wahrheit statt Wortmüll
Einbrecher-Eldorado: Mogelpackung Sicherheit
Respekt, liebe Lidl-Leute
13.Monatsgehalt unerwünscht?
Rasen und Rauchen für die Rente
Der Barmherzige Samariter und die Gaffer
Flüchten aus dem Flüchtlingsheim
Von Wasserpredigern und Weintrinkerinnen
Helmut Schmidt: aufgehängt!
Wenn schon, denn schon …
Kirche und Sprache – Herr, schick Hirn!
Wen schützt Datenschutz?
Wie der Hase auf den Hund gekommen ist
Todesurteil für Lebensmittel
Wahldesaster auf Augenhöhe
Über Pommes, Fritten und die EU
Der Bundes-Bläh-Reichstag
Hände weg von unseren Vereinen!
Multikulti-Mogelpackung
Schreiben nach Gehör und ohne Sinn und Verstand
Frau am Steuer, Hirn im Eimer
Der Traummann vom
Traumschiff
Limburger Käse
Feigheit siegt: Das Kreuz mit dem Kreuz
Bevor
mund
ung
Deutscher Rechtsstaat oder beseeltes Bullerbü?
Herr
*
in, schick Hirn
*
in!
Crusade gegen die Rückkehr des Höfischen
Wortmüll als Wohlstandsverwahrlosung
Wir brauchen Bräuche
Peter Hahne, Jahrgang 1952, studierte evangelische Theologie, Philosophie und Germanistik. Stationen: Chefredaktion Politik des Saarländischen Rundfunks, seit 1985 beim ZDF als Moderator und Redakteur der Nachrichtensendungen heute und heute-journal. Von 1999 bis 2010 stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, anschließend erhielt Peter Hahne eine nach ihm benannte sonntägliche Talkshow. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, darunter der Bestseller Schluss mit lustig! Das Ende der Spassgesellschaft (2004).
Peter Hahne
Schluss mit euren ewigen Mogelpackungen!
Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen
BASTEI ENTERTAINMENT
Wir danken Wolf Biermann für die Abdruckgenehmigung der letzten Strophe aus dem Liedtext »Ermutigung«.
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Originalausgabe
Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Umschlaggestaltung: fuxbux, Berlin
Umschlagfoto: Olivier Favre, Köln
Dieser Titel ist auch als Hörbuch erschienen
eBook-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN 978-3-7325-5579-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Wenn man mich nach Klartext-Politikern fragt, die sich nicht verbiegen lassen und unverdrossen zu ihren Ansichten stehen und diese auch gegen extremste Kontrahenten vehement und mutig verteidigen, dann sind es vor allem zwei »B-Politiker«. Beide schafften es nicht in die »A-Reihe« ihrer Parteien und wurden vom dortigen Mainstream-Management aus Positionen ferngehalten, die ihnen eigentlich auf den Leib geschrieben sind: zum Beispiel Innenminister. Beide fangen auch mit »B« an: Wolfgang Bosbach (CDU) und Heinz Buschkowsky (SPD). Vor allem in Sachen Multikulti und Verharmlosung des Islams zeigen beide klare Kante. Sie waren häufiger zu Gast in meiner Sendung, meist traten sie gegen ihre schärfsten Kritiker an. Niemals hörte ich von ihnen das inzwischen zum Ritual gewordene Absage-Argument: mit dem oder der trete ich nicht gemeinsam auf. Und gegangen ist auch keiner …
Heinz Buschkowsky, der legendäre Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, ähnliche Einwohnerzahl wie die Großstadt Bielefeld, sorgt in seiner BILD-Kolumne regelmäßig für Schnappatmung bei seinen gutmenschelnden Genossen. So auch mit einem Begriff, der genau ins Schwarze trifft, voll auf die Zwölf: was die Muslime in Deutschland betreiben, sei eine »gesellschaftliche Landnahme«. Komisch: Es gab keinen Aufschrei gegen dieses »Unwort«, weil diese Auf-Schreihälse wohl genau wissen – da ist so viel Wahres dran, dass man keine schlafenden Hunde wecken will.
Landnahme heißt laut Wikipedia: Die Inbesitznahme fremden Grund und Bodens, unabhängig von Eigentumsverhältnissen, Zustimmung oder Duldung. Der Buschkowsky-Begriff stimmt höchstens insofern nicht, als wir ja bereit sind, das alles demütig und ohne jede Gegenwehr zu dulden – jedenfalls multikulti-beseelte Naive, die in der Regel in sicheren beziehungsweise gesicherten Häusern und Wohngegenden leben, ihre Kinder in Privatschulen schicken und den »Ausländer« nur als netten Gemüse- oder Teppichhändler oder liberalen Akademiker kennen. Doch was Buschkowsky so glaubwürdig macht: Er schreibt nicht aus einer Charlottenburger Jugendstil-Altbauwohnung, sondern buchstäblich aus dem Souterrain des »Problemkiezes« Neukölln. Der Mann weiß, wovon der redet.
Im Fall »Landnahme« meint er zum Beispiel den Dauerstreit um das Kopftuch. Permanent würden unsere Gerichte mit dauerklagenden Beamtinnen gelähmt, »und es wird auch einen nächsten geben und einen übernächsten, so lange, bis wir toleranten Bürger müde werden, gegen einen Prozess der gesellschaftlichen Landnahme anzukämpfen«. Die Taktik der Zermürbung wird geschickt angewandt, wie wir sie auch in Kindergärten, Schulen, bei Klassenfahrten oder in den Kantinen erleben. Irgendwann ist man es leid zu intervenieren, was nun gegessen werden darf oder ob man noch Weihnachten feiern kann – und man steht ja ohnehin in dem Verdacht, rechtsradikal zu sein, wenn man diese »Landnahme« kritisiert.
Diese »gesellschaftliche Landnahme« schreitet immer weiter fort. Erst benannte man bereitwillig Weihnachtsmärkte in Wintermärkte und das jüdische Laubhüttenfest in Herbstfeier um, doch bald wurden die Sternsinger beispielsweise in der Potsdamer Staatskanzlei nicht mehr empfangen und von den NRW-Linken beantragt, den Nikolaus aus öffentlichen Kindergärten zu verbannen. Landnahme! Erst wurde aus Rücksicht auf Muslim-Kinder in der Kita eine Alternative zum Schweinefleisch gekocht, heute gibt’s in vielen Horten nur noch Rindfleisch – die Töpfe könnten ja »unrein« werden.
Einer Landnahme der besonderen Art leistete der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel Vorschub: Er nahm am Fastenbrechen in der Berliner Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate teil. In seiner Rede fielen so abenteuerliche Sätze wie: »Die Geschichte unserer Religionen verbindet uns mehr, als die meisten Christen das wissen.« Ach! Im Übrigen sei Kern der drei monotheistischen Religionen die Friedensbotschaft. Ach so! Erst türkischstämmige Genossinnen und Islamexperten mussten ihn daran erinnern, dass er irrt und außerdem auf dem Terrain jener feiert, die im eigenen Land Menschen auspeitschen, Vergewaltigungsopfer(!) bestrafen und die Frauen ihrer Menschenrechte berauben. Auch eine Form der Landnahme: Deutsche ihres kritischen Verstandes zu berauben. Übrigens hat Bosbach recht: Die Toleranz einer Weltanschauung oder Religion erkennt man immer daran, wie die sich in Ländern verhalten, in denen sie die Mehrheit haben. Die Emirate lassen grüßen!
Nebenbei erwähnt: Auch der Berliner evangelische Bischof war mit von der Partie, doch das wundert schon keinen mehr. Ein Islamexperte bilanziert: Eine solche Anbiederei hält der erlebten Praxis nicht Stand und wird dem gesellschaftlichen Frieden alles andere als dienen. Die Leute fühlen sich für dumm verkauft und rächen sich mit Kirchenaustritt oder Protestwahl. Das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 war deshalb nur für Ahnungslose ein Schock. Es war die erwartbare logische Konsequenz für Bürger, die den Mainstream der Naiven satt sind. Mehr Beweis für Elfenbeinturm und Polit-Parallelgesellschaft bedarf es nicht: Direkt nach der Wahl, die seine sächsische Heimat-CDU hinter die AfD sacken ließ, brachte Thomas de Maizière einen islamischen Feiertag ins Spiel. Weltrekord der Bürgerferne! Der langjährige ARD-Nordafrika-Korrespondent Samuel Schirmbeck lapidar: »Ohne Islamverharmlosung von Politik und Kirchen wäre die AfD niemals aufgestiegen.«
Der »Bund der Deutschen Katholischen Jugend« brachte ein noch bizarreres Kunststück fertig, von Verstand keine Spur: »Alle Christen glauben an Allah«, so lauteten Plakate, zu sehen in der Universitätsstadt(!) Tübingen. Eine Universität, die im Gründungssiegel in lateinischer Sprache die Jesus-Worte hat: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben!«
Auch der verweigerte Handschlag für Frauen, von deutschen Spitzenpolitikern wie Renate Künast bagatellisiert, ist eine erfolgreiche Landnahme. Als ich in meiner Sendung darauf beharrte, sie möge mir das bitte als grüne Frauenrechtlerin und Vorkämpferin für Gleichstellung mal erklären, entgegnete sie durchaus schnippisch: »Sie stellen ja Fragen wie die AfD.« Ein berühmtes Totschlagargument, um einen in die »rechte«, in Wahrheit: rechtsextrem-nationalistische Ecke zu stellen. Kein Alleinstellungsmerkmal der grünen Partei, die anderen können das durchaus auch! Als ein besorgter Bürger, der gegen diese »Landnahme« protestiert, ist man bekanntlich schnell bei »Pegida« angesiedelt. Selbst von Rosa Luxemburg haben diese Salon-Sozis keine Ahnung: »Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden!«
Da ist das Wort Diskussionskultur endgültig zur Mogelpackung pervertiert. Ich schrieb bereits vor Jahren in meinem Bestseller Rettet das Zigeuner-Schnitzel: Was vor zehn Jahren noch als völlig normal galt, ist über die Stufen konservativ, rechts, rechtsradikal nun fast zum Nazi geworden. Bin ich etwa Nationalist, wenn ich diese grundgesetzwidrige »Landnahme« nicht will?! Wenn Leute sich nicht mehr trauen, im Rahmen der Meinungsfreiheit ihre Ansichten und Befürchtungen zu artikulieren, ist es fünf vor zwölf.
Und das Schlimmste: Genau die, die durch eine für alle offene Gesprächsatmosphäre »Politik möglich machen sollten« (Richard von Weizsäcker), nämlich die Kirchen, schlagen mit der Moralkeule drauf, wenn man sich erfrecht, die Meinung zu haben, dass der Islam eben nicht unisono eine Friedensreligion ist und wir mit unseren Traditionen nicht klein beigeben dürfen.
Paradebeispiel: Deutsche Bischöfe legen das Amtskreuz, das Symbol des Leidens und Sterbens von Jesus Christus, bei ihrem Tempelberg-Besuch in Jerusalem einfach ab und verkaufen das als Toleranz. Mogelpackung! Das ist erfolgreichste Landnahme durch vorauseilenden Gehorsam, sonst nichts. Ganz im Sinne des türkischen Despoten Erdogan, der seine Leute dazu aufgerufen hat, den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee, also den Tempelberg, zu »beschützen«. Doch statt zum Beispiel Lehrer und Erzieherinnen vor dem Mob radikaler Jugendlicher und ihren Eltern zu beschützen, verteilt die EKD Hochglanzbroschüren gegen Fremdenfeindlichkeit. Verkehrte Welt!
Aus dieser Ecke der klerikalen Ahnungslosen hört man ja auch nach jedem Terroranschlag die stereotype Gebetsmühlen-Leier: Das hat alles nichts mit dem Islam zu tun! Als wären sie einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Dabei sagt der renommierte frühere Präses des Verbandes der Landeskirchlichen Gemeinschaften Christoph Morgner klipp und klar: »Islam hat nicht unbedingt etwas mit Islamismus zu tun; aber Islamismus hat immer etwas mit dem Islam zu tun.« Und Landnahme pur ist der bewusst missdeutbare Irrsinn deutscher Nachrichtenmedien, die den Schlachtruf der Mörder »allahu akbar« (Allah ist groß!) mit dem Wort Gott – und nicht mit Allah – zitieren. Das wiederum führt dazu, dass schlichte Gemüter den Schluss ziehen, alle Religionen seien kriegerisch und es ließe sich ohne Religionen besser und sicherer leben. Oder dem naiven Kurzschluss selbst studierter Menschen mit Theologen-Abschluss, Allah und Gott, der Vater von Jesus Christus, seien ein und dasselbe. Herr, erbarme dich!
Dass die Buschkowskysche Landnahme inzwischen die deutsche Rechtsprechung erfolgreich erobert hat, lässt einen geradezu verzweifeln. Da bekommen islamische Schläger geringere Strafen, »weil das doch in ihrer Kultur eine Verteidigung der Familienehre ist«. Wo Grundgesetz draufsteht, steckt Scharia drin. Mogelpackung! Eine arabisch-stämmige Frau wurde mit ihrer Vergewaltigungsklage abgeschmettert, »weil das doch in ihrem Kulturraum kein Delikt ist«. Wenn es um Landnahme geht, ist jedes Mittel recht. Denn die »Eroberer« können sich ja auf eins felsenfest verlassen: Aus dem betroffenheits-duseligen Deutschland in seiner willkommens-kulturellen Seligkeit ist kaum mit Widerstand zu rechnen.
Diese Tatenlosigkeit beklagt in einem dramatischen Kommentar Springer-Chef Mathias Döpfner: »Wo war der Aufschrei der Empörung!«, fragt er, nachdem das Frankfurter Landgericht einer kuwaitischen Fluggesellschaft recht gab, keine israelischen Bürger befördern zu müssen. Wäre es ein Türke gewesen, »hätte es Lichterketten gegeben.« Kein Mucks von Politik und Kirche! Döpfner verschärft den Begriff »Landnahme« und spricht von »Unterwerfung« – bewusst in Anspielung auf den Roman von Michel Houellebecq, der fiktiv die Islamisierung Frankreichs bis in die Staatsspitze beschreibt. Leider keine Mogelpackung!
Ralph Knispel, immerhin Vorstand der Vereinigung Berliner Staatsanwälte, sieht bereits unseren Rechtsstaat gefährdet. Ein Mann, der es wissen muss. Diese dramatischen Warnungen vor existenzbedrohenden Missständen sind also längst kein Privatthema einer neu gegründeten Partei. Doch wo bleiben die anderen?
Es stimmt, was der SPD-Mann Heinz Buschkowsky prophezeit: Es kommt der nächste Prozess und dann der übernächste, und dann sind wir des Kämpfens müde. Und der Hardcore-Islam hat Geduld und langen Atem, ganz im Sinne Erdogans, der offen und unverhohlen bei einer Kundgebung in Köln dröhnte: Wir werden Euch bevölkerungspolitisch in die Knie zwingen. Diese schreiende Naivität, das nicht hören und ernst nehmen zu wollen, tut weh. Toleranz wird zum Tollhaus.
Auf ein solches Tollhaus-Phänomen weist Hans-Ulrich Jörges in einer STERN-Kolumne hin. Ich schätze ihn als Unabhängigen, denn er kann und konnte auch anders, lässt sich aber von den Realitäten überzeugen: »Der Islam hat mit dem Terror der Islamisten nichts zu tun? Das, Ihr Muslime, glaubt Euch niemand mehr. Denn die Terroristen kommen aus Euren Moscheen, sie zitieren aus Eurem Koran, und sie führen den Namen Eures Gottes auf den Lippen, wenn sie morden und sterben. ›Das ist für Allah!‹, riefen jüngst die Messerstecher von London.«
Kann man das ernsthaft behaupten? Alles spricht doch dagegen. Gibt es wirklich keine Politikverdrossenheit, von der Kommentatoren gerne schreiben, von der neue Parteien leben und von der selbst Politiker populistisch schwadronieren. Ein Ablenkungsmanöver! Eine Mogelpackung! Denn in Wahrheit ist das keine allgemeine Politikverdrossenheit, die wie Blei auf den Bürgern liegt – es ist eine Politiker verdrossenheit, die einen in Rage bringt. Nicht ein allgemeines Allerwelts-Phänomen also, sondern etwas ganz Konkretes, Personbezogenes.
Konkrete Menschen machen Politik, und nicht irgendwelche anonymen Mächte. Menschen, denen die Bürger, was ihre Pflicht ist, auf die Finger schauen. Gerade die Medien haben hier eine wichtige, sogar verfassungsrechtlich gebotene Aufgabe. Ich bin allerdings gegen Treibjagden auf Politiker, gegen Investigation als Tarnwort für den modernen Pranger, der wehrlose Menschen bloßstellt. Selbst bei einem Dementi oder einer Entschuldigung gilt die Devise: Etwas bleibt immer hängen. Qualitätsjournalismus braucht keine Folterwerkzeuge nach dem Motto: »Den oder die grillen wir heute.«
Aber was falsch läuft und für die Betroffenen unangenehm werden kann, darf nicht verschwiegen werden. So jene Statistik zum Ende der Legislaturperiode des Deutschen Bundestages im September 2017. Dabei kam heraus, dass drei Abgeordnete der CDU für die Teilnahme an nur zwei Sitzungen in der vierjährigen Periode bis zu 35000 Euro kassierten. Alle drei waren sogenannte Nachrücker und erst kurz vor den Neuwahlen ins Parlament gekommen. Drei MdBs waren ausgeschieden, weil sie Minister in Landesregierungen geworden sind. Und das Gesetz schreibt vor, dass frei gewordene Plätze sofort nachbesetzt werden müssen.
Also wurden die drei Neulinge an einem Montag in der letzten Sitzungswoche vor der Bundestagswahl (bei der keiner von ihnen wieder kandidierte!) im Reichstag persönlich begrüßt und feierlich willkommen geheißen. Zwei Sitzungstage! Was für eine Kurz-Karriere! Einer bilanziert: Ich war dann noch bei einer Fraktionssitzung, habe eine Handvoll Bürgeranfragen bearbeitet und zwei Briefe an das Verkehrsministerium diktiert. Diktieren und Bearbeiten konnte er, weil ihm rechtlich alles zusteht, was ein Abgeordneter bekommt, der die vollen vier Jahre im Parlament sitzt: ein eigenes Büro, Mitarbeiter, Sekretärin, extra gedruckte Visitenkarten und Briefpapier, den Fahrdienst und 1. Klasse Bahn. Alles für nur ein paar Stunden Sitzung und eine Woche »Amtszeit«.
Das Entscheidende: Obwohl keiner der drei wegen dieser paar Tage seinen Beruf aufgeben oder einen größeren Umzug veranstalten musste, bezieht er volles Gehalt. Genau 9.541,74 Euro Abgeordnetendiät plus all die Gelder für Büro, Unkostenpauschale etc., die einem Mitglied des Bundestages nun mal zustehen. Ja, soll man da nicht wütend werden als Lieschen Müller oder Otto Normalverbraucher?! Jemand, der arbeitslos ist, nur einen Minijob hat oder sich als Alleinerziehende durchs Leben schuften muss, kann doch nur in die Tischkante beißen. Nicht wegen der Politik, sondern wegen der Politiker, die solche Irrsinnsgesetze beschließen beziehungsweise nicht sagen: Ich nehme dieses gewählte und gesetzlich geregelte Mandat zwar an, verzichte aber auf alle Annehmlichkeiten und die Zahlungen. Oder ich spende sie.
Wer für den Bürger nichts mehr tun und sich höchstens ein paar Tage auf Steuerzahlers Kosten Berlin anschauen kann, der sollte außer den reinen Kosten nichts bekommen – geschweige denn 35000 Euro und einen Mitarbeiterstab! Kein Wunder, dass Bürger den Hals voll haben von solchen Politikern und sich ins Private zurückziehen oder ihren Frust bei der nächsten Wahl zum Ausdruck bringen.
Unsere Volksvertreter heißen Volksvertreter, weil sie das Volk vertreten und nicht Profit, Prestige und Privilegien. Pauschalverurteilung ist fehl am Platz, das ist mir zu diesem Thema wichtig. Aber die, die sich darüber beschweren, haben es selbst in der Hand, das durch entsprechende Gesetze, Verordnungen und Praxis zu unterbinden.
Ach, was hatte man uns alles vorgeschwärmt in jenen milden Sommertagen 2015, als sich das Heer von Flüchtlingen aus dem Osten zu uns wälzte. Die Österreicher, wir erinnern uns, hatten liebevoll und fürsorglich extra Schilder aufgestellt: »Germany!« Damit auch niemand der Flüchtenden sein Wunschziel verfehlt und bloß nicht im Alpenland, sondern erst jenseits der Grenze als Geflüchteter registriert wird. Der Münchner Hauptbahnhof verwandelte sich in eine Teddybär-Jubel-Willkommens-Station. Als kämen Boygroups zu ihren Teenie-Fans. Ein neues Wort ward geboren: Willkommenskultur.