Schwarze Roben - Stefanie Gregg - E-Book

Schwarze Roben E-Book

Stefanie Gregg

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Beschreibung

Der Kieler Hauptkommissar Sven Fricke arbeitet gemeinsam mit der attraktiven Staatsanwältin Elena Karinoglous an einem neuen Fall: Beim Start zum alljährlichen Betriebsausflug geht der Bus der renommierten Anwaltskanzlei »Bartelsen & Partner« mit einem lauten Knall in die Luft - ein Bombenattentat in Kiel! Und obwohl es auch privat zwischen den beiden wieder schwierig wird, entdecken sie schon bald dunkle Geheimnisse unter den schwarzen Roben der feinen Anwälte.

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Stefanie Gregg / Paul Schenke

Schwarze Roben

Kriminalroman

Zum Buch

Anwaltsgeheimnisse Hauptkommissar Sven Fricke übernimmt einen neuen Fall: Die renommierte Anwaltskanzlei »Bartelsen & Partner« macht ihren alljährlichen Betriebsausflug. Die Anwälte steigen gut gelaunt in einen Kleinbus, doch beim Zünden des Motors geht das Fahrzeug mit einem lauten Knall in die Luft – ein Bombenattentat in Kiel! Die Frau eines der Opfer ruft die Staatsanwältin Elena Karinoglous, als alte Bekannte ihres Mannes, zu Hilfe. Die wiederum fordert Hauptkommissar Fricke an. Die beiden sind sich bereits beim letzten Fall nähergekommen, als es beruflich nötig gewesen wäre. Obwohl Sven Fricke weder Lust auf Kiel noch auf einen solch hochpolitischen und medienwirksamen Fall hat und es privat zwischen ihnen mal wieder schwierig wird, bei den beiden geht der Beruf vor. Gemeinsam stürzen sie sich in die Ermittlungen und entdecken dabei dunkle Geheimnisse unter den schwarzen Roben der feinen Anwälte.

Stefanie Gregg, 1970 in Erlangen geboren, lebt in der Nähe von München. Sie studierte Philosophie, Kunstgeschichte, Germanistik sowie Theaterwissenschaften. Sie hat mehrere Fachbücher und diverse wissenschaftliche Publikationen sowie Krimis, Kurzgeschichten und Romane veröffentlicht. Mehrfach wurde die Autorin mit Literaturpreisen ausgezeichnet.

 

Paul Schenke, 1966 in Moers geboren, lebt nach Stationen in Afrika, Algerien und Frankreich nun in Hannover. Nach seine Lehrtätigkeit als Religionswissenschaftler widmet er sich nun dem Schreiben – tagsüber schläft und lebt er, nachts schreibt er. Weitere Interessensgebiete sind Diskussionen über den Wahrheitsgehalt der Bibel und seine Tätigkeit als Freimaurer.

 

Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:

Blutvilla (2017)

Impressum

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Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2018

Lektorat: Susanne Tachlinski

Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Ralf Gosch/Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-5840-8

Haftungsausschluss

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

Düsternbrook. Ein kleiner, aber feiner Stadtteil von Kiel. Wer an diesem idyllischen Fleckchen an der Kieler Förde wohnte, hatte es geschafft. Hier besaß man ein eigenes Haus, möglichst mit Pool, einer Doppelgarage und einem gepflegten Vorgarten, jeder kannte jeden, und Geld spielte keine Rolle. Man grüßte sich auf der Straße, besuchte sich gegenseitig zum gemeinsamen Grillen, die Frauen der Nachbarschaft trafen sich jeden Donnerstag zum Rommé-Spiel und die Mütter hatten einen Fahrdienst eingerichtet, um die Kleinen in den Kindergarten zu bringen. In Düsternbrook, so schien es, war die Welt noch in Ordnung.

Und das, wo es in Kiel ohnehin nur Diebstähle und Einbrüche waren, die der Landesregierung am meisten zu schaffen machten. Bei den wenigen sogenannten »Delikten gegen das Leben«, die es hier überhaupt gab, konnte die Polizeidirektion in ihrer Statistik der Kriminalitätsentwicklung stolz eine Aufklärungsquote von 100 Prozent vorweisen. Die Kieler konnten sich sicher fühlen. Und die Reichen aus den Villenvierteln beauftragten zusätzlich einen privaten Wachschutz, der mehrmals am Tag und in der Nacht die Häuser kontrollierte.

Hinter verschlossenen Türen jedoch herrschte Neid und Missgunst. Ob es nun der Pool war, den sich der Nachbar vergrößern ließ, ob jemand einen Bentley in der Garage stehen oder sich ein Boot gekauft hatte, jeder wollte den anderen mit irgendetwas übertrumpfen. Man gönnte dem Nachbarn nur, was er hatte, solange es nicht größer, neuer oder teurer war als das, was man selbst besaß.

Markus Lohmann war vor etwa zwei Jahren nach Düsternbrook gezogen und hatte hier die reiche Witwe Susanne Winter kennengelernt. Ihr Mann, der ein halbes Jahr zuvor bei einem Raubüberfall ums Leben gekommen war, war ein bekannter Baulöwe in Niedersachsen gewesen. Doch es dauerte nur drei Monate, bis die Trauer über den Tod ihres Mannes verflogen war und Susanne Markus traf. Zur Einweihung seines Neubaus hatte er damals die Nachbarschaft zu einem Grillabend eingeladen, und bereits zwei Wochen später übernachtete Susanne das erste Mal bei ihm. Kurz danach verkaufte sie ihr Haus in Hannover und zog bei Markus ein. Ende des Jahres bereits wollten sie heiraten. Wenn es nach Susanne gegangen wäre, hätten sie das sogar schon früher getan, aber Markus hatte warten wollen, bis er in Kiels führender Anwaltskanzlei Bartelsen & Partner als vollwertiger Sozius aufgenommen wurde. Bisher hatte er die Position lediglich auf Probe innegehabt, was ihm zwar alle nötigen Rechte in der Kanzlei einräumte, ihm die Beteiligung am Umsatz und ein entsprechendes Gehalt aber noch verwehrte. Letzten Monat war es dann endlich so weit gewesen – er war offiziell und vollumfänglich einer der fünf Bartelsen-Partner geworden. Damit war seine Zukunft gesichert und er gab Susannes Drängen nach, sie zu heiraten.

Für diesen Freitag war der alljährliche Betriebsausflug der Kanzlei geplant. Man hatte hierfür eigens einen Kleinbus gemietet, mit dem die gesamte Belegschaft gemeinsam übers Wochenende in den Schwarzwald in ein exklusives Golfhotel fahren konnte.

 

Kapitel 1

Donnerstag, Düsternbrook, 18 Uhr

Wie jeden Donnerstag hatten sich Karin, Susanne, Birgit und Julia in ihrer Vierer-Frauenrunde zum Rommé-Spiel getroffen. Diese Woche waren sie bei Susanne zu Gast. Sie saßen im großzügigen Wohnzimmer ihrer Bauhaus-Villa, deren bodentiefe Fenster einen Ausblick in den gepflegten Garten boten. Die Frauen konzentrierten sich aber viel mehr auf die kleinen Erdbeertörtchen, die Susanne auf einem Silbertablett soeben hereintrug.

»Oh, sind das die kleinen Tarteletten vom Lorenz Bäcker?«, fragte Karin mit einem begeisterten Blick.

»Genau«, bestätigte die Gastgeberin und reichte Karin das Tablett, von dem diese sich gleich eines der kleinen Gebäckstücke nahm und einen Bissen probierte.

»Göttlich!«, nickte sie Susanne lächelnd zu und seufzte dann: »Aber das sind wieder Kalorienbomben!«

Susanne machte eine wegwerfende Handbewegung: »Du kannst dir das doch wirklich leisten.«

Als sie nun auch noch eine Flasche Prosecco öffnete, blickte Julia sie überrascht an: »Oh, gibt’s heute etwas zu feiern?«

»Ja«, erklärte Susanne, während sie die prickelnde Flüssigkeit in die bereitgestellten Gläser einschenkte, »euch wollte ich es zuerst sagen: Nächstes Wochenende, wenn alle aus dem Schwarzwald zurück sind, geben Markus und ich eine Party …« Sie machte eine Pause, und ihre Freundinnen sahen sie erwartungsvoll an. »… um unsere bevorstehende Hochzeit anzukündigen!« Sie strahlte in die Runde.

»Ich freue mich für euch«, rief Karin Munsch begeistert und hielt ihr Sektglas Susanne entgegen, die lächelnd mit ihr anstieß.

Karin wohnte im Haus nebenan. Ihr Mann Dieter war einst Markus’ Kollege in der Kanzlei Bartelsen & Partner gewesen und hatte ihm über Beziehungen das Haus in Düsternbrook vermittelt. Vor einiger Zeit war er aus der Kanzlei ausgestiegen und hatte seine eigene Unternehmensberatung gegründet.

Er hatte die neue Frau an Markus’ Seite von Anfang an nicht gemocht und konnte gar nicht verstehen, dass seine Frau Karin stets Susannes Nähe suchte, aber er überließ es ihr, selbst zu entscheiden, mit wem sie sich traf.

»Kommen die Partner der Kanzlei auch zu eurer Feier?«, fragte Julia, als alle Frauen Susanne gratuliert und mit ihr auf die spannende Neuigkeit angestoßen hatten. Sie bewohnte das Haus gegenüber und besaß mit ihrem Mann Thomas ein Maklerbüro, das sich ausschließlich auf Immobilien in Südfrankreich spezialisiert hatte.

»Ja, ich nehme es zumindest an. Morgen fahren sie ja erst einmal in den Schwarzwald zum Golfen, und Markus wird ihnen bei der Gelegenheit unsere Pläne eröffnen«, antwortete Susanne.

»Hast du da eigentlich gar keine Bedenken?«, fragte Karin, nahm ihre Karten auf und sortierte sie in der Hand, ohne aufzublicken.

Eine unangenehme Stille breitete sich aus. Alle Anwesenden spürten, dass diese unpassende Bemerkung nicht grundlos gefallen war.

Susanne stellte ihr Sektglas ab und sah Karin fragend an. Und was für Bedenken sie hatte! Oh nein, sie war sich nicht sicher, ob der kommende Betriebsausflug nicht sogar für Markus die Gelegenheit bot, eine Nacht mit einer anderen zu verbringen. Aber es würde nun hoffentlich das letzte Mal sein. Warum sollte sie ausgerechnet jetzt, wo sie beschlossen hatten zu heiraten, den anderen ihre Zweifel offenbaren?

Als Susannes Antwort auf sich warten ließ, hob Karin Munsch den Blick. »Na, ich meine, hast du die Frauen mal gesehen, die in der Kanzlei arbeiten? Da ist eine hübscher als die andere. Und nun verbringen sie ein Wochenende zusammen in einem Hotel mit deinem Freund. Du weißt genau, was ich meine«, erklärte sie, leicht verärgert darüber, dass ihre Freundin offensichtlich nicht begreifen wollte.

Susanne lachte auf. »Also, wenn er meint, er müsse sich vor unserer Hochzeit noch mal vergnügen, dann kann ich es eh nicht verhindern und werde es wohl auch nie erfahren.«

Karin sah sie verblüfft an. Als Susanne bemerkte, dass ihr Sarkasmus bei der Freundin offenbar nicht angekommen war, fügte sie schnell hinzu: »Ach was, das war ein Scherz. Markus geht nicht fremd.«

Julia prustete laut heraus, als sie Karins verdutztes Gesicht bemerkte, auf dem nach Susannes Erklärung ein verlegenes Lächeln erschien.

»Bist du dir sicher, dass du Markus heiraten willst?«, fragte nun Birgit Schönborn, deren Mann ebenfalls einer der Kanzlei-Partner war.

Susanne verschlug es die Sprache. Wie konnte Birgit ihr eine solche Frage stellen?

»Ich sehe schon. Du hast es dir gut überlegt«, sagte Birgit schnell, als sie Susannes Verärgerung bemerkte. »Ich wünsche euch in jedem Fall alles Gute!«

»Danke«, antwortete Susanne und spülte ihr Unbehagen mit einigen Schlucken Sekt hinunter.

Die anderen taten es ihr gleich, bevor alle sich wieder ihrem Kartenspiel zuwandten.

»Hey, ich hoffe aber, dass sich durch eure Hochzeit nichts an unseren Donnerstags-Rommé-Nachmittagen ändern wird«, entrüstete sich Birgit gespielt, als sie gerade ihre dritte Runde begannen.

»Warum sollte sich daran etwas ändern? Solange unsere Männer das Geld mit nach Hause bringen, können wir uns erlauben, Karten zu spielen, so viel wir wollen«, kommentierte Susanne und lächelte hinter ihren Karten hervor.

Sie wusste, dass ihre Freundinnen diese kleine Spitze schon verstanden hatten. Sie selbst besaß genug Geld und war auf das von Markus nicht angewiesen. Die anderen Frauen jedoch überließen es ihren Männern, das Geld zu verdienen, das ihnen ihren luxuriösen Lebensstandard ermöglichte.

»So, wie du lächelst, scheinst du jedenfalls glücklich zu sein«, entgegnete Julia, ohne auf Susannes Bemerkung einzugehen. Auch die anderen in der Runde taten, als hätten sie die Anspielung nicht gehört.

»Ja, bin ich. Angesichts der Joker auf meiner Hand«, erklärte die Gastgeberin, wandte sich Birgit zu und wiederholte ihre Frage: »Also, warum sollte sich an unserer wunderbaren Frauenrunde etwas ändern?«

»Na, erst die Hochzeit, und wenn dann noch Kinder hinzukommen, hast du vielleicht keine Zeit mehr für uns«, erklärte Birgit.

Susanne lachte laut auf: »Kinder? Nein, die brauchen wir nun wirklich nicht. Es ist gut, wie es ist, und so soll es bleiben. Nein, es soll sogar noch besser werden, aber dafür brauche ich keine Kinder. Keine Sorge, wir werden auch weiterhin donnerstags Rommé spielen, und im Anschluss zu Hause mit unseren Männern gegenseitig über einander ablästern.«

Die anderen stimmten in ihr Lachen ein, und jede von ihnen wusste, dass in dieser scherzhaften Bemerkung viel zu viel Wahrheit steckte.

Kapitel 2

Freitag, Düsternbrook, 6 Uhr

»Hast du alles gepackt?«, fragte Susanne, während Markus sich den letzten Bissen seines Brötchens in den Mund steckte und mit einem Schluck Tee hinunterspülte.

»Ja. Ich habe sogar den Laptop mitgenommen. Wir können abends ein wenig skypen, wenn du magst. Ich rufe in jedem Fall an«, versicherte er, küsste Susanne zum Abschied auf die Stirn und ging zur Haustür.

»Pass auf dich auf! Nächstes Wochenende findet hier eine Party statt, und ohne dich kann ich keine Hochzeit ankündigen«, lachte Susanne, die ihrem Verlobten hinterhergekommen war. Sie umarmte ihn ein letztes Mal und sah zu, wie er zur Garage ging, in seinen Mercedes stieg und winkend davonfuhr. Ob er wirklich Zeit zum Skypen haben würde? Sie würde sich die Zeit dafür nehmen, falls er anriefe. Sie wusste aber, dass dies höchst unwahrscheinlich war.

Markus verfluchte den Stau in der Innenstadt, wegen dem er eine Viertelstunde zu spät, gegen 7.15 Uhr, in der Tiefgarage des Bürogebäudes ankam, in dem sich die Kanzlei befand. Es war eines der modernsten Bürogebäude in Kiel. Erst im letzten Jahr war der achtstöckige Bau fertiggestellt worden. Im Erdgeschoss befanden sich zwei Restaurants, ein Friseur, ein Schmuckgeschäft und ein exklusiver Juwelier. Die ersten drei Etagen gehörten der Anwaltskanzlei Bartelsen & Partner. Darüber hatte ein Schönheitschirurg die restlichen vier Etagen angemietet, wobei sich in den obersten beiden Stockwerken seine Klinik befand, in der die Patienten nach ihren Operationen in standesgemäßen Zimmern untergebracht waren.

»Na, wo bleiben Sie denn, Lohmann? Kaum sind Sie Partner, schon kommen Sie zu spät. Es ist bereits nach sieben«, grinste der Seniorpartner, Dr. Manfred Bartelsen, als Markus aus seinem Wagen stieg.

»Sorry, aber ich habe doch bei Ihnen zu Hause angerufen und gesagt, dass es auf der Kaistraße einen Unfall gegeben hat. Hat Ihre Frau es nicht ausgerichtet?«

»Doch, doch, Barbara hat es mir gesagt. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass es trotzdem noch so lange dauern würde«, antwortete Bartelsen.

»Hat es aber. Ich bin sogar im Anschluss am Königsweg noch geblitzt worden, als ich endlich aus dem Stau heraus war und aufs Gas gedrückt habe«, erwiderte Markus. »Ich nehme nicht an, dass die Kanzlei das Knöllchen übernehmen wird, oder?« Er zwinkerte Bartelsen zu.

Markus kam mit seinem Chef gut zurecht. Von Anfang an hatte er gespürt, wie dieser ihm sein Vertrauen schenkte und ihn auf die finanziell potenten und wichtigen Mandanten losließ. Nicht einmal ein Bewerbungsgespräch hatte er führen müssen. Bartelsen hatte Markus’ Fälle bei der Staatsanwaltschaft Kiel genau beobachtet und erkannt, welches Potenzial in ihm steckte, denn er gewann nahezu jeden Prozess. Also machte er ihm ein Angebot, das Markus nicht ablehnen konnte. Sein Gehalt verdreifachte sich und bei besonders wichtigen Verhandlungen passte sich sein Bonus an den jeweiligen Streitwert an.

»Jetzt kommen Sie schon. Es sind bereits alle im Bus und ich glaube, die Hälfte davon ist schon betrunken. Wir hatten bereits unsere erste Runde Champagner«, lachte Bartelsen nun.

Wie zur Bestätigung klopften seine Kollegen im Bus munter an die Scheiben und winkten ihnen entgegen. Während Markus sein Gepäck aus dem Kofferraum holte, stieg Bartelsen zurück in den Bus und forderte den Fahrer auf, die Tür zu schließen. In seinem vom Alkohol herrührenden Übermut wollte er seinen frischgebackenen Partner ein wenig aufziehen und so tun, als ob sie ohne ihn losfahren würden.

Doch anstatt sich nun erst recht zu beeilen, stellte Markus auf halbem Weg seine Reisetasche am Boden ab und kehrte noch einmal zu seinem Mercedes zurück. Er hatte den Laptop vergessen. Dies wiederum ermutigte Bartelsen, noch eins draufzusetzen, und er wies den Fahrer an, den Motor zu starten. Bereitwillig drehte der den Zündschlüssel um, während Markus auf den Bus zulief und den Kollegen drinnen zugrinste.

In diesem Moment erschütterte ein ohrenbetäubender Knall die gesamte Tiefgarage, der Bus hob ab, sämtliche Fenstergläser sprangen in alle Richtungen und einer der Hinterreifen flog Markus Lohmann gegen den Kopf. Mitsamt dem Reifen wurde er einige Meter zurückgeschleudert und schlug gegen eine der Betonsäulen.

Kapitel 3

Freitag, Landgericht Kiel, 10 Uhr

Elena knöpfte die schwarze Robe auf. Sie war froh, endlich aus dem schweren Gewand herauszukommen. Bei der Hitze war das wirklich unerträglich.

Heute hatte sie den ersten Prozesstag um die »Bluterbin« hinter sich gebracht. So hatten die Kieler Nachrichten Sabine Krogmann genannt, die vor einem Jahr ihre eigene Schwester, deren Mann, eine Hausangestellte sowie deren Vater ermordet hatte, um an das Familienerbe zu gelangen. Es war kein besonders schwerer Prozesstag gewesen. Die Indizien waren eindeutig, sodass Sabine Krogmann heute bereits gestanden hatte. Trotzdem würden noch zwei weitere Prozesstage folgen, in denen alle Fakten präsentiert und die psychologischen Gutachten vorgestellt werden sollten. Der zuständige Hauptkommissar Sven Fricke hatte ihr die nötigen Unterlagen gut aufbereitet. Na gut, eines der Protokolle war nur handschriftlich eingereicht, ab und zu hatte sich ein Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen und an der ein oder anderen Stelle die unvermeidlichen Rechtschreibfehler, über die sie unwillkürlich lächeln musste. Aber Sven legte eben keinen besonderen Wert auf bürokratische Formalitäten. Das Nötigste war jedoch vorhanden, die Sachlage klar und eindeutig dargelegt.

Kurz schweiften ihre Gedanken zu Sven ab, und ein warmes Gefühl überkam sie. Sie mochte ihn. Und er mochte sie. Mehr noch, sie fühlten sich zueinander hingezogen. Aber irgendwie war es schwierig zwischen ihnen und momentan herrschte sogar weitestgehend Funkstille. Ob aus ihnen je ein Paar werden würde, stand in den Sternen. Ein erster Versuch während der gemeinsamen Bearbeitung des letzten Falles war jedenfalls gescheitert. Fricke wollte danach ein wenig Abstand. Freundlich, aber bestimmt hatte er ihr erklärt, beruflich, zumindest für eine gewisse Zeit, nach Eckernförde zu gehen, zumal sein Chef Ahrensmeier dorthin gewechselt war und Fricke gebeten hatte, wenigstens eine Zeit lang mitzukommen, da die Polizei in Eckernförde dramatisch unterbesetzt war. Elena war davon nicht begeistert gewesen, sie hätte Sven gerne weiter bei sich gehabt. Aber sie konnte es verstehen. Wahrscheinlich brauchten sie tatsächlich ein wenig Distanz voneinander. Seit fast einem Jahr war er nun schon in Eckernförde, und sie hatten sich nur einmal zufällig getroffen. Beide hatten versucht, sehr distanziert zu sein, sogar zum Sie waren sie zurückgekehrt. Seltsam, aber vielleicht brauchten sie beide das. Trotzdem, Elena glaubte nicht, dass das das Ende ihrer Beziehung war. Dafür mochte sie ihn viel zu sehr. Und sie wusste, er sie auch.

Elena schüttelte den Kopf und hängte die Robe im Schrank ihres Büros auf, als das Telefon klingelte. Missmutig griff sie nach dem Hörer; lieber hätte sie noch fünf Minuten für sich gehabt und wäre mit einem Kaffee etwas zur Ruhe gekommen.

»Karinoglous«, meldete sie sich.

»Frau Staatsanwältin, hier ist eine Susanne Winter in der Leitung, die Sie sprechen möchte. Sie wirkt sehr aufgelöst und weint.«

Manchmal war es hilfreich, wenn die Dame vom Empfang unten ihr bereits einen kleinen Hinweis gab, in welcher Verfassung die Anrufer oder Gäste sich befanden, die sie sprechen wollten.

»Danke, Frau Maier«, sagte Elena, »stellen Sie sie durch.«

Sie wusste sofort wieder, wer Susanne Winter war. Es war eine peinliche Situation gewesen damals, als sie sich das erste und einzige Mal begegnet waren, und an solche Situationen konnte man sich eben leider besonders gut erinnern.

Vor einem halben Jahr hatte sie ihren alten WG-Mitbewohner Markus Lohmann in Düsternbrook besucht, weil sie beide Fälle bearbeiteten, in die höchstwahrscheinlich dieselbe Mafia-Gruppe verwickelt war. Sie wollten ihre Informationen austauschen, und er hatte Elena zu sich nach Hause eingeladen. Drei Männer und zwei Frauen waren sie damals in ihrer Kieler Juristen-WG gewesen, allesamt junge Rechts- oder Staatsanwälte, und Elena erinnerte sich gerne zurück an diese lustige und unbeschwerte Zeit. Ohne darüber nachzudenken, war sie Markus’ Einladung gefolgt und zu ihm in seine Villa gefahren, wo sie einen Nachmittag lang über ihre Fälle diskutiert hatten. Sie hatte ihn nicht danach gefragt, ob er sich zurzeit in einer Beziehung befand. Auf die Idee war sie gar nicht gekommen, schließlich war ihr Besuch rein beruflicher Natur gewesen. Als plötzlich die Tür aufging und Susanne Winter ins Wohnzimmer spazierte, saßen beide gerade dicht beieinander auf dem Sofa, aber nur weil sie sich gemeinsam Fotos der Mafiosi angesehen hatten. Dennoch herrschte plötzlich eine eigenartige Stimmung im Raum, als hätte Susanne sie bei etwas Verbotenem erwischt. Denn eigentlich hatte sie erst viel später nach Hause kommen wollen, und Markus hatte ihr offensichtlich nichts von Elenas Besuch erzählt. Ob Markus dabei vielleicht doch irgendwelche Hintergedanken gehabt hatte, hatte Elena sich seitdem oft gefragt. Jedenfalls war er schuldbewusst aufgesprungen und hatte die beiden Frauen sichtbar verlegen einander vorgestellt, Susanne als seine Freundin und Elena in ihrer Funktion als Staatsanwältin. Dass er sie kurz darauf im Gespräch aber duzte, schien Susanne bitter aufzustoßen. Elena jedenfalls hatte sich danach schnell verabschiedet, mit dem unguten Gefühl, dass es bei den beiden zum Krach kommen würde, sobald sie die Haustür hinter sich zuzog. Es hatte ihr leidgetan, aber sie konnte nun wirklich nichts dafür. Markus hatte Susanne Winter hoffentlich glaubhaft versichern können, dass sie zusammen in einer WG gewohnt hatten und sonst zwischen ihnen nichts war.

Das also waren die Umstände gewesen, unter denen sie Susanne Winter kennengelernt hatte, und sie war gespannt, was die Frau nun von ihr wollte.

Es knackte in der Leitung und die Verbindung war hergestellt.

»Elena Karinoglous«, meldete die Staatsanwältin sich.

»Susanne Winter.« Die Stimme klang sehr brüchig. Gar nicht nach der selbstbewussten, attraktiven Blondine, die sie in Erinnerung hatte. »Können Sie sich noch an mich erinnern?«

»Ja«, bestätigte Elena und fügte in Gedanken hinzu: und wie!

»Markus ist im Krankenhaus, er liegt im Koma«, nur stockend konnte Susanne ihre Informationen preisgeben, »es war ein Attentat, ein Bombenattentat, auf den Bus, in dem alle Anwälte der Kanzlei Bartelsen & Partner saßen. Sie sind alle tot. Nur Markus nicht. Er war wohl noch draußen, als es passiert ist. Aber vielleicht überlebt er es trotzdem nicht.« Susanne Winter schluchzte.

Elena setzte sich wie elektrisiert auf. Als Staatsanwältin hörte sie beinahe täglich von schrecklichen Verbrechen und war entsprechend abgehärtet. Betraf es aber jemanden, den sie kannte, war sie genauso erschüttert wie die meisten anderen Menschen auch.

Markus in Lebensgefahr, Opfer eines Bombenattentats? Sie versuchte, das Gehörte zu verdauen. Und auch den Anwalt Bartelsen hatte sie gekannt, er war ein Freund ihres Vaters gewesen. Elena fragte sich, warum sie von der Sache noch nichts mitbekommen hatte. Da ging in Kiel eine Bombe hoch, und sie erfuhr es auf diese Weise am Telefon? Ihr wurde bewusst, wie sehr sie sich wieder in ihren derzeitigen Fall verbissen hatte. Ein Einbruch, der vermutlich von einem Bekannten des Opfers begangen worden war. Dreisterweise hatte der mutmaßliche Täter dem Opfer im Vorfeld eine Musicalkarte geschenkt, um sicherzustellen, dass dieser zum Zeitpunkt des Einbruchs außer Haus sein würde. Aber die Beweislage war nicht ganz eindeutig. Wie so oft, hatte sie einfach ihr gesamtes Umfeld ausgeblendet, während sie am Schreibtisch gesessen und alle Puzzleteile mühsam zusammengefügt hatte. Kein Fernseher, kein Radio, kein Kontakt nach außen.

»Bitte, Frau Karinoglous, ich brauche Ihre Hilfe. Als Sie bei uns waren, damals, da war ich nicht begeistert, ich gebe es zu. Aber Markus hat mir versichert, dass ich mir ganz umsonst Sorgen mache, und er hat von Ihnen erzählt. Dass Sie die brillanteste Juristin des ganzen Jahrgangs waren und dass Sie nahezu jeden Fall gewinnen, weil Sie sich da so hineinbeißen. Die Kieler Polizei, und vielleicht auch die Staatsanwaltschaft – ich habe das Gefühl, die machen gar nichts, um die Sache mit der Bombe aufzuklären. Die sind total überfordert! Bitte, können Sie sich da nicht vielleicht mal einschalten? Bitte.«

Elena atmete langsam aus. Die verschiedensten Emotionen jagten sich in ihrem Kopf. Über allem lag das Entsetzen, dass Markus etwas zugestoßen war. Sie konnte sich nur schwer einmischen, wenn es der Fall eines anderen Staatsanwaltes war. Andererseits war sie in gewisser Weise verpflichtet, sich für Markus einzusetzen. Schon allein aus moralischen Gründen. Zumal, wenn er tatsächlich so große Stücke auf sie hielt. Sie konnte ihren Freund und Kollegen doch nicht im Stich lassen!

»Gut, warten Sie.« Sie blätterte in ihrem Terminkalender. Jetzt kam das Wochenende und bis Mittwoch stand nichts Wichtiges an. »Ich könnte morgen nach Düsternbrook kommen. Ist inzwischen jemand bei Ihnen, der sich um Sie kümmert?«

»Ja, eine Psychologin. Und vorhin hat ein Arzt mir etwas zur Beruhigung gegeben.«

»Gut. Dann sehen wir uns morgen. Ich komme abends, dann habe ich mich vielleicht schon etwas über die Sache informieren können. Gegen 20 Uhr?«

»Okay«, brachte Susanne Winter noch heraus, bevor sich alles in Schluchzen auflöste.

Elena dachte kurz nach, nachdem sie das Telefonat beendet hatte. Sie hatte nie freie Kapazitäten, ihr Tisch war stets überfüllt und ihr Terminkalender platzte aus allen Nähten. Aber dieser Fall betraf sie persönlich und er war hochbrisant – warum also nicht.

Sie tippte die Durchwahl des Oberstaatsanwalts Abraham, schaltete den Lautsprecher ein und griff nach dem Hörer, sobald das Freizeichen ertönte.

»Guten Tag, meine liebe Frau Karinoglous!« Offensichtlich hatte er ihren Namen im Display gesehen, und er schien gut gelaunt zu sein.

»Herr Abraham, ich habe von dem Bombenattentat auf die Kanzlei Bartelsen gehört. Haben Sie schon jemanden dafür eingesetzt?«

»Nun ja.« Abraham räusperte sich unbehaglich. »Ich weiß, dass Sie mehr als alle anderen um die Ohren haben. Aber ich wollte gerade zum Hörer greifen, um Sie anzurufen und die Sache an Sie zu übergeben. – Bitte warten Sie, bevor Sie sich beschweren! Eigentlich müsste ich die Angelegenheit persönlich bearbeiten, das ist mir klar. Aber Sie wissen, dass ich kurz vor der Rente stehe, und es ist mir schlicht zu viel. Ich würde Ihnen auch komplett freie Hand lassen und im Gegenzug den Diebstahl- und den Körperverletzungsprozess für Sie übernehmen. Bitte, Frau Karinoglous, ich sehe keine andere sinnvolle Möglichkeit, als Sie mit der Sache zu betrauen.«

Elena schmunzelte trotz aller Betroffenheit in sich hi­nein. Das war ja mehr als gut gelaufen. Sie bekam den Fall, den sie ohnehin haben wollte, und wurde dafür sogar noch zwei andere los. Großartig! Und gleichzeitig eine wunderbare Gelegenheit, um eine ganz bestimmte Person ebenfalls in diesen Fall hineinbeordern zu lassen.

»Hm«, war es nun sie, die sich räusperte. »Herr Abraham, Sie wissen genauso gut wie ich, dass dieser Fall aufwendiger ist als die anderen beiden zusammen. Aber ich gebe zu, dass er mich durchaus reizt. Ich habe daher einen Vorschlag zu machen: Holen Sie mir Hauptkommissar Fricke aus Eckernförde hinzu. Wir arbeiten gut zusammen und gemeinsam mit ihm kann ich es schaffen.«

Kapitel 4

Samstag, Eckernförde, 8 Uhr

Ohne Unterlass hämmerte es an seiner Wohnungstür in Eckernförde. Nach dem ersten Klopfen verschwand Frickes Kopf unter dem Kopfkissen. Er hoffte darauf, der Krach würde nach wenigen Sekunden aufhören. Er verspürte nicht die geringste Lust, aufzustehen und nachzusehen, wer da am Samstagmorgen zu so früher Stunde derart penetrant war.

Aber es half nichts. Das Klopfen hörte einfach nicht auf. Im Gegenteil, es wurde schneller und lauter. Frickes Geduldsfaden riss endgültig. Er schmiss die Bettdecke zurück, störte sich nicht daran, dass er nur Boxershorts und ein T-Shirt trug, und stampfte wutentbrannt aus dem Schlafzimmer hinaus durch den Flur bis zur Wohnungstür. Während er den Haustürschlüssel umdrehte, rief er: »Ich warne Sie, ich habe eine Waffe!«

Vor der Tür standen zwei uniformierte Polizisten, die erschrocken zwei Schritte zurücktraten, als sie in Frickes wutverzerrtes Gesicht sahen.

»Was zum Henker wollt ihr von mir?«, raunzte Fricke die beiden an.

»Ahrensmeier schickt uns«, antwortete einer der beiden und versuchte dabei ein Lächeln.

Ahrensmeier also, der Chef des Polizeipräsidiums Eckernförde. Fricke gehörte zwar immer noch der Mordkommission Kiel an, aber er hatte Ahrensmeiers Wunsch entsprochen und sich für vorerst 18 Monate an die Eckernförder Polizei ausleihen lassen. Zu diesem Zeitpunkt war Ahrensmeier zu ihm überaus freundlich und höflich gewesen, nun hatte er sich wieder seinen alten Kasernenton angeeignet, was Fricke mittlerweile sehr störte. Vielleicht hätte er doch lieber in Elenas Nähe bleiben sollen, als sich das anzutun. Aber sie beide waren wie Feuer und Lunte – sobald sie länger zusammen waren, knallte es. Doch eigentlich wünschte er sich, dass wieder etwas zwischen ihnen entstehen könnte, in aller Ruhe, ohne permanent beruflich aneinanderzugeraten. Er war hier in Eckernförde sozusagen eine Leihgabe, und das war ihm auch ganz recht, denn so blieb ihm weiterhin die Möglichkeit, hierzubleiben oder nach Kiel zurückzukehren.

»Und? Was will er denn?«, fragte Fricke genervt und zog immer noch in Erwägung, den beiden die Tür vor der Nase zuzuschlagen, nicht, ohne ihnen vorher anzudrohen, sie zu erschießen, sollten sie es noch einmal wagen zu klopfen.

»Das wissen wir nicht, aber wir müssen den Parkplatz fegen, wenn wir ohne Sie zurückkommen«, verteidigte sich nun der andere.

Fricke schnaubte. Ja, das klang ganz nach Ahrensmeier. Parkplatzfegen war seine Lieblingsstrafe, wenn man seinen Anweisungen nicht Folge leistete, unverschämt war oder ihm sonst irgendwie missfiel. Das hatte sich auch hier in Eckernförde nicht geändert. Wie oft hatte sein Chef ihm selbst diese Sanktion schon angedroht? Er konnte es nicht sagen, war aber immer wieder aufs Neue amüsiert bei der Vorstellung, er könnte sich tatsächlich einmal mit dem Besen in der Hand auf dem Polizeiparkplatz wiederfinden.

Dem Jüngeren der Polizisten schien Frickes Belustigung nicht entgangen zu sein. »Sie haben gut lachen, Herr Kommissar. Also, was ist – können wir los?«, fragte er ungeduldig und wollte sich schon zum Gehen wenden.

Fricke blickte demonstrativ an sich herunter. »In Boxershorts und T-Shirt? Ich werde mich ja wohl noch umziehen dürfen.« Seufzend drehte er sich um und schlurfte den Flur entlang Richtung Schlafzimmer. Die Beamten ließ er einfach vor der geöffneten Wohnungstür stehen. »Es ist übrigens Samstag. Was macht der Alte denn am Wochenende im Büro?«, rief er laut zurück, erwartete aber ohnehin keine Antwort.

Wenige Minuten später stand er in schwarzen Jeans und einem weißen knittrigen Hemd vor den Uniformierten und wedelte mit seinem Autoschlüssel: »Wir können, Jungs. Ich fahre hinter euch her.«

Kapitel 5

Samstag, Eckernförde, 9 Uhr

Fricke klopfte an die Bürotür seines Chefs und wartete darauf, dass er ihn hereinrief. Als er dies nach dem dritten Klopfen ziemlich lautstark tat, öffnete der Kommissar mit Unschuldsmiene die Tür.

»Fricke, was soll der Scheiß? Seit wann warten Sie darauf, dass ich Sie hereinrufe?«, schimpfte Ahrensmeier und forderte seinen Untergebenen auf, sich zu setzen.

»Seit wann holen Sie mich an einem Samstagmorgen um 8 Uhr aus dem Bett? Und dann noch mit Eskorte?«, konterte Fricke und setzte sich auf den ihm zugewiesenen Stuhl vor dem Schreibtisch seines Chefs.

»Ich habe versucht, Sie anzurufen, aber Ihre Scheißmailbox geht ständig ran und Sie rufen nicht zurück …«, begann Ahrensmeier zu erklären, wurde aber von Fricke unterbrochen.

»Weil ich samstagsmorgens um 8 Uhr keine Mailbox abhöre. Da schlafe ich.«

»Warum haben Sie dann ein Handy? Und was ist mit Ihrem Festnetzanschluss? Stecker gezogen, was? Sie sehen ja, ich hatte keine andere Möglichkeit, als Sie einfach abholen zu lassen. Schließlich sind Sie Beamter der Mordkommission Kiel und wissen genauso gut wie ich, dass Mörder keine geregelte Arbeitswoche haben und schon gar nicht samstags frei. Sie müssen immer und überall erreichbar sein, merken Sie sich das! Sonst können Sie gleich den Park…«

»…platz fegen. Ja, schon klar, Chef«, beendete Fricke mit einer abwinkenden Geste den Satz. »Wollen Sie mir jetzt nicht endlich mal verraten, warum ich hier sitze?«