Sebastian Thrun: Eine deutsche Karriere im Silicon Valley - Andreas Dripke - E-Book

Sebastian Thrun: Eine deutsche Karriere im Silicon Valley E-Book

Andreas Dripke

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Beschreibung

Vom aufmüpfigen Schüler in Deutschland zum Superstar im Silicon Valley. Was wir aus der kometenhaften Karriere des Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Sebastian Thrun für unser eigenes Leben lernen können. Mit einem Vorwort von Claus Kleber. Sebastian Thrun gilt als einer der geistigen Väter von Künstlicher Intelligenz (KI), hat die Grundlage für selbstfahrende Autos und autonome Flugtaxis erschaffen, die erste Datenbrille fürs Metaverse entwickelt, die Fortbildungsbranche mit einer Online University revolutioniert, die Basis geschaffen für Roboter, die sich frei bewegen können, und grundlegende Erfindungen für das digitale Gesundheitswesen entworfen. Das Magazin Foreign Policy zählt ihn zu den fünf global einflussreichsten Denkern. Zu seinem Freundeskreis gehört die Tech-Elite, darunter Jeff Bezos, Elon Musk, Larry Page und Eric Schmidt. In diesem Buch schildert der in Jahrzehnten denkende Visionär, erfolgreiche Unternehmer und vielfach ausgezeichnete Wissenschaftler seine Lebensgeschichte. Die Leser profitieren dank unzähliger konkreter Ratschläge von der Lebenserfahrung des Masterminds für ihren eigenen Lebensweg. Es ist ein Buch, dass Eltern ihren Kindern, Großeltern ihren Enkeln, Kollegen und Freunde untereinander empfehlen. Last but not least gibt der KI-Pionier in diesem Buch einen faszinierenden Ausblick, was wir von Künstlicher Intelligenz in Zukunft noch alles zu erwarten haben. Dieses Buch umfasst vier Bücher. Die erste autorisierte Biografie des Tech-Pioniers Sebastian Thrun. Ein Motivationsschub für alle Menschen, die in ihrem Leben mehr erreichen wollen. Eine Reise in die Welt der Tech-Eliten im Silicon Valley. Ein Wegweiser in die Zukunft der Künstlichen Intelligenz.

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Die autorisierte Biografie als ein Aufruf zum Mut, sein Leben selbst zu gestalten und sich seinen Lebenstraum zu erfüllen

Die wahre Geschichte hinter Google Maps, Street View, der Online-Universität Udacity, Datenbrillen, selbstfahrenden Autos, autonomen Flugtaxis, dem digitalen Gesundheitswesen, der Künstlichen Intelligenz und anderen Erfindungen, die unsere Welt verändern. Ein Vorbild, wie wir etwas Großartiges aus unserem Leben machen können.

Die wahre Geschichte hinter Google Maps, Street View, der Online-Universität Udacity, Datenbrillen, selbstfahrenden Autos, autonomen Flugtaxis, dem digitalen Gesundheitswesen, der Künstlichen Intelligenz und anderen Erfindungen, die unsere Welt verändern. Ein Vorbild, wie wir selbst etwas Großartiges aus unserem Leben machen können.

Diplomatic Council Publishing

Sebastian Thrun (*14. Mai 1967 in Solingen) ist ein deutscher Unternehmer, Informatiker und Robotik-Spezialist. Er ist Professor für Künstliche Intelligenz an der Stanford University und war Vizepräsident bei Google.

Wikipedia

Sebastian Thrun ist ein deutscher Informatiker. Er ist einer der Urväter der „Probabilistischen Robotik“, welche statistische Verfahren in der Künstlichen Intelligenz und insbesondere in der Robotik einsetzt. Thrun leitet eine Gruppe von Wissenschaftlern, welche sich im Bereich des Autonomen Fahrens verdient gemacht hat.

Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina

„Sebastian ist einer der smartesten Menschen, die ich kenne. Er ist einer der klügsten Köpfe hinter dem modernen Silicon Valley“.

Eric Schmidt, Google/Alphabet Executive Chairman (2011-2020)

„Visionär ist bei Sebastian untertrieben, denn er hat viele seiner Ideen, etwa die vom autonomen Fahren oder von der Demokratisierung der Bildung tatsächlich angepackt, statt nur von ihnen zu träumen. Er gilt zu Recht als ein Mastermind des Silicon Valley. Noch tiefgreifender ist sein Einfluss als Lehrer, er hat als Stanford-Professor und mit Udacity eine ganze Generation von Talenten geprägt. Und reicht damit weit über das Silicon Valley hinaus.“

Matthias Hohensee, Silicon Valley Tech-Reporter seit 25 Jahren

„Sebastian ist ein Visionär und ein beeindruckender Unternehmer und Leader, der innovative Lösungen entwickelt, die die Landschaft in den Bereichen Transport- und Bildungswesen sowie Personalentwicklung weltweit verändert haben. Sein Engagement, Innovationen anzunehmen und voranzutreiben, wird auch weiterhin enorme Auswirkungen auf Menschen aus allen Lebensbereichen haben.“

Ivanka Kushner, geb. Trump

„Er ist der Vater der Revolution selbstfahrender Autos – und das ist nur die Spitze des Eisbergs von Sebastians Genialität.“

Eric „Astro“ Teller, Wissenschaftler, Unternehmer, Autor

„Sebastian Thrun ist ein praktizierender Visionär.“

Zvi Galil, Dean Emeritus, Georgia Institute of Technology

„Sebastians Vision der Online-Bildung für alle ist ein Katalysator für den Frieden in der Welt. Um es mit Heinrich Böll zu sagen: ‚Ein Soldat, der denkt, ist schon fast kein Soldat mehr‘.“

Jamal Qaiser, Friedensaktivist

„Ein ‚typischer Thrun‘ geht wie folgt: alte Zöpfe durch logisches Denken ersetzen, eine klare Entscheidung fällen, und diese dann konsequent durchziehen.“

Andreas Dripke, Biograf

Inhalt

„Schöne neue Welt“

Einführung

Meine Zeit in Deutschland

Alleinsein als Grundstein der persönlichen Reifung

Optimist, Eigenbrötler, Vorzeigekind, Rebell

Kluger Kopf, bewegungsfreudiger Körper

Animosität gegenüber Autorität

Sebastian lernt programmieren

Partymensch Sebastian und die Arroganz

Studium in Hildesheim als „Game Change“

Der talentierte Sebastian

Der Professor reift heran: Zusammenhänge erklären

Umzug nach Bonn

Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz

Wissenschaftlicher Durchbruch in jungen Jahren

Globales Netzwerk intellektueller Freundschaften

Eintrittskarte nach Amerika

Olymp und Unsicherheit

Rückkehr nach Deutschland

Das weltberühmte Trio Burgard, Fox und Thrun

Ein Leben in Deutschland und eines in den USA

Was Sebastian Thrun als Wissenschaftler auszeichnet

Wie ich in die USA auswanderte

Drei Vorstellungen in Amerika

Mit siebenundzwanzig an die Carnegie Mellon

Eine bedeutende Lebenserfahrung: Entscheide Dich!

„Wir wurden weltberühmt“

Sebastian Thrun begründet eine neue Disziplin

Von Gauß zu Thrun

Professor „Red“ vom Militär

Professor für Krankenpflege

Meine Zeit in Stanford

Stanford ist der Olymp der Informatik

Silicon Valley: Forschung und Geld vereinen sich

Eine der reichsten Universitäten der Welt

Wenig zu tun in Stanford

Das Rennen meines Lebens

Der Probelauf geriet zu einem Desaster

Vor der DARPA Grand Challenge 2005

„Ich stand schon vor dem Rennen als Verlierer fest“

Maschinelles Lernen als Erfolgsfaktor

Wissenschaftliche und menschliche Fortschritte

Typischer Tagesablauf: Fahren und programmieren

Testen in der Praxis statt akademischer Konzepte

Monate in der Wüste, um Fehler zu auszumerzen

Die Sonne geht über der Wüste auf

„Gottvater der selbstfahrenden Autos“

Sebastian plaudert und plaudert und plaudert

Sebastian will Geschäftsmann werden

Meine Zeit bei Google

Die Vermessung der Welt

Sebastian treibt Geld auf

Der Deal seines Lebens

Das Paradies der unendlichen Forschungsressourcen

Das bis dahin größte Projekt von Google

Datenkrake oder Beschützer der Privatsphäre?

Vertraue keinem Experten

Tausend Inder codieren die Welt

Die digitale Disruption knackt Quasi-Monopole

Man traute dem eingewanderten Deutschen alles zu

Selbstfahrende Autos, das zweite Kapitel

Als ich Chef eines Geheimlabors war

Sebastian wird „Q“ im geheimen Forschungslabor

Projekt Chauffeur: das autonome Auto wird geboren

Larry One Thousand: autonom auf der Lombard

Sieg für „Meister Thrun“ und sein Dream Team

Ein geheimes Projekt wird öffentlich

Waymo: Eine Vision wird wahr

Google X war viel mehr als selbstfahrende Autos

Google Glass – ein Desaster nimmt seinen Lauf

Eine technische Meisterleistung entsteht

Tech-Eliten als „Glasshole“ beschimpft

Dreimal falsch: Timing, Vermarktung, Name

Wahnsinns-Erfolg Google Brain

Loon: Internetversorgung aus der Stratosphäre

Projekte, die nicht funktionierten

Dinge erschaffen, die die Menschheit verändern

Wie ich meine eigene Uni gründete

Eine E-Mail veränderte das Bildungssystem

Prof. Sebastian Thrun versus Stanford University

Mit Bildung Menschen mitten im Leben erreichen

Die besten Studenten kamen gar nicht von Stanford

Eine Online University wird gegründet

Udacity: Ein Traum wird wahr

Der Tag, an dem der Gouverneur anrief

Eine falsche Entscheidung und schwierige Jahre

Professor Thrun erfindet das Nanodegree

Udacity wird zum Einhorn

Ein neues Zeitalter der Bildung auf Hochschulniveau

Fast alle deutschen Großkonzerne sind bei Udacity

Mehr als Udacity in Blick

Meine Bruchlandung mit Kitty Hawk

Erinnerung an die Gebrüder Wright

Erfolgsgeschichte Wisk Aero

Kitty Hawk wird geschlossen

Warum ich von KI überzeugt bin

Die Idee der menschlichen Maschine

Vom Homunkulus bis zum Faust

Automaten und autonome Autos

Maschinelles Lernen statt Künstlicher Intelligenz

Warum KI so lange auf sich warten lässt

Warum autonomes Fahren so schwer ist

KI wird unsere Gesellschaft beeinflussen

Quantencomputer als Sprungbrett

KI ist interdisziplinäre Forschung

Auf dem Weg ins Paradies – oder in die Hölle

Technologien machen uns stärker und besser

KI verbessert den Umweltschutz und die Medizin

Niemand kann sich Künstlicher Intelligenz entziehen

Auf dem Weg zur Singularität

Meine Philosophie

Lebensweisheiten eines der klügsten Köpfe der Welt

Wenig logisches Denken in der Politik

Intro- und extrovertiert zugleich

Leidenschaft für gutes Essen und Trinken

In einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist

Gescheitert und daraus gelernt

Zwei völlig falsche Emotionen

Eine Währung für alle Menschen: die Zeit auf Erden

Von Arroganz, Bescheidenheit und Selbstkritik

Ein Tag mit Elon Musk

Logik statt Bauchgefühl

Weltenwandel: Buchdruck und neue Medien

Loyalität und Treue

Vom Geld und der Planung für die Zukunft

Dankbarkeit als Lebensphilosophie

Das größte Geschenk ist die Zeit

Hyperoptimist und wahrer Mensch

Zwiespältiger Blick auf Deutschland

Kleine Wünsche für die Zukunft

Über allem steht die Menschlichkeit

Über den Biografen

Über das Diplomatic Council

Appendix: Sebastian Trun in Fotos

Sachbücher im DC Verlag (Auszug)

Quellenangaben und Anmerkungen

Die autorisierte Biografie als Aufruf „Erfülle dir deinen Lebenstraum!“

Diese Biografie ist von Sebastian Thrun autorisiert. Das bedeutet zweierlei. Erstens hat er dem Autor seine Lebensgeschichte über Stunden hinweg frank und frei erzählt. Ein Großteil des Textes basiert auf diesen Erzählungen. Zweitens hat er alle Zitate – und davon wimmelt der Text geradezu – auf ihre Richtigkeit hin geprüft. Alles, was ihm in diesem Buch als Zitat zugeschrieben wird, hat er so gesagt und auch so gemeint. Doch damit endet die Autorisierung. Sebastian Thrun hat zu keinem Zeitpunkt direkt oder indirekt in den Text eingegriffen. Seinem für die Presse reservierten Grundsatz „als Journalist muss man unabhängig arbeiten“ ist er ohne Abstriche treu geblieben.

Doch es gibt einen wichtigen Grund, warum Sebastian Thrun diese Biografie autorisiert hat: um mit seinem Lebensweg anderen Menschen Mut zu machen, ihren eigenen Lebenstraum zu verwirklichen. Er sagt: „Ich hoffe, dass dieses Buch viele Menschen motiviert, ihren eigenen Lebensweg aktiv zu gestalten!“

Sebastians Botschaft: „Trau dich, die für dein Leben richtigen Entscheidungen zu treffen und diese dann konsequent durchzuziehen. Dazu gehört auch, Risiken einzugehen, gelegentlich hinzufallen und danach wieder aufzustehen. Tue, was DU für richtig hältst, und lass dich weder von anderen Menschen noch von irgendwelchen Umständen davon abhalten. Wenn ich, ein Junge aus einem kleinen deutschen Dorf, es schaffen kann, Stanford-Professor zu werden, die Grundlagen für autonomes Fahren zu schaffen und der Online-Bildung zum Durchbruch zu verhelfen, dann kannst auch DU alles erreichen, was du dir erträumst. Zögere und zaudere nicht, sondern schreite mit Optimismus in die Zukunft!“

„Schöne neue Welt“

Ein Vorwort von Dr. Claus Kleber

Ehrlich gestanden: Als ich Sebastian Thrun zum ersten Mal traf, hatte ich keine Ahnung, wie wenig ich von Leben und Arbeit in Silicon Valley wusste. Fünfzehn Jahre als ARD-Korrespondent in den USA, ungezählte Reisen nach Kalifornien und zwei ausführliche Dokumentationen über den „Golden State“ haben dafür nicht gereicht. Das Tal der genialen Ingenieure, Mathematiker und Geldmacher (korrektes Gendern würde hier einen falschen Eindruck hinterlassen) blieb für mich ein Mythos. Bis 2016. In dem Jahr, in dem auf der großen politischen Bühne ein Grobian namens Donald Trump seiner allgemein erwarteten Niederlage gegen Hillary Clinton entgegenstampfte, brach ich wieder nach Westen auf. Ich hatte mir vorgenommen zu zeigen, was dran ist an der Region am „Golden Gate“, aus der ein Tsunami an Innovationen über die Welt hereinbrechen sollte.

Ein deutscher Freund, der aus dem verschlafenen Technik-Museum der Valley-Hauptstadt San Jose eine brummende Lehrwerkstatt für Innovationen machte, schickte uns zu Sebastian. Der sei genauso verrückt wie er selbst, sagte Peter Friess in typischer Bescheidenheit, aber klüger und noch tiefer drin in den Netzwerken, die dort alles entscheiden.1 Ich war skeptisch. Mich an Deutsche zu wenden, um eine fremde Welt zu verstehen, schien mir nun wirklich kein idealer Zugang zu sein. Aber ich war verzweifelt. Meine Versuche, aus Deutschland per Mail und mit den aufkeimenden „social media“ Türen zu öffnen, waren allesamt gescheitert. Das war eine erste Lektion: die Schöpfer dieser „Schönen Neuen Welt“ (so hieß dann unser Film) wollen analog, mit Handschlag und Blick in die Augen angesprochen werden. Oder mit der digitalen Empfehlung eines Menschen, dem sie trauen. „Old school“ – das hatte ich nicht erwartet.

Sebastian wurde mein erstes Date – und war knapp dran. Er müsse nach Singapur, aber ein paar Minuten habe er schon übrig. Er empfing uns in einem der trostlosen Business-Parks, in denen viele Herzen von Silicon Valley schlagen – eine cool spartanisch eingerichtete Studenten-WG von ein paar Hundert Quadratmetern. Es war das Headquarter seiner Online-Universität Udacity, damals schon ein „Unicorn“, mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet; und eine gewaltige Herausforderung an seine geliebte „alma mater“: Stanford. Sebastian fläzte auf einem abgewetzten Sofa, hämmerte konzentriert in seinen Laptop, schaute auf und war sofort bei der Sache. „You’re friends of Peter’s. What can I do for you?“. Freundlich, but no use for small talk. Er hörte zu, fragte mit sanfter Stimme nach, und hämmerte dabei weiter in die Tasten. Dann sprang er auf, vielleicht sehe man sich ja wieder, aber jetzt müsse er los. Das war nicht der erwartete Aufschlag, dachte ich. Bis ich meine Mailbox öffnete. Sie enthielt Diamanten: die Kopien einer Handvoll Nachrichten an einige der entscheidenden Player im Valley, bei Google, bei Medizin-Konzernen, an der Stanford Uni. Sie öffneten Türen, wo wir vorher nicht einmal „Sorry, no“ als Antwort bekommen hatten. Der Film blieb eine große Herausforderung, aber nun hatten wir eine „fighting chance“. Mehr darf im Silicon Valley niemand erwarten.

Für mich war es der Anfang einer steilen Lernkurve. Am Ende konnten wir eine Ansicht der Welt-Zukunftsschmiede zeigen, die wir selbst vorher nicht erkannt hatten. Silicon Valley – das ist nicht ein Cluster von Tech-Unternehmen. Es ist eine Welt für sich. In ihrer schöpferischen Kraft näher am Florenz der Renaissance als an deutschen Elfenbeintürmen. Es geht nicht so sehr darum, an welchem Projekt man arbeitet – an Medizin, an Bildgebung, Architektur, Biologie, Kunststoffe, Geographie, Suchmaschinen, dem Konzept von Geld oder 3D-Animationen – you name it. Es geht um die Fernsicht der Idee.

Jennifer Doudna, die damals an der Uni Berkeley an einer „Genschere“ arbeitete, die den Code des Lebens redigieren lässt wie ein Word-Dokument, und für diese Arbeit wenig später einen Medizin-Nobelpreis bekam, gehörte zu denen, die uns die Augen öffneten. Nirgendwo sonst in der Welt konzentriert sich so viel Talent, so viel Geld, so viel Bereitschaft, über Grenzen hinaus zu denken, wie in diesem Tal, sagte sie uns. Nirgendwo sonst wurden damals (die Ewigkeit von acht Jahren ist das aus dem Jahr 2023 rückblickend her) Ideen so schnell in Geschäftsmodelle und Realität umgesetzt. Und nirgendwo sonst gab es mehr Offenheit für Neues, Unerprobtes, Unerhörtes. Es ist ein System, das Scheitern verzeiht. Das Einzige, was zählt, ist Dein aktuelles Projekt. Dieses Biotop hat seine eigenen Gesetze. Es schuf eine neue Art von Vordenkern.

Ganz am Ende des Drehs stand für uns ein Interview mit Sebastian: „Der riesige Vorteil, den wir hier haben, ist die Geschwindigkeit“, sagte er sinngemäß. „Die Politik kommt da nicht mit. Bis die gemerkt haben, was wir entwickeln, ist es schon auf dem Markt. Wenn es den Menschen gefällt, werden sie es sich nicht mehr nehmen lassen. Und wenn nicht, stürzen wir uns auf die nächste Idee.“ „Sie machen mir Angst, Herr Thrun“, hielt Joachim Gauck, damals Bundespräsident, dem Gast aus Silicon Valley entgegen. Sebastian erzählt die Anekdote mit diebischer Freude. Er glaubt an grenzenlose Freiheit für Forscher*innen und Unternehmen – und hat damit nicht Unrecht. Die Dynamik entfesselt Innovationen. Aber sie hat einen hohen Preis.

Wenige Monate nach unserem Interview entschied sich im sogenannten „Vereinigten Königreich“ eine knappe Mehrheit unzufriedener Wähler für den Austritt aus der Europäischen Union. Noch im selben Jahr folgte der Wahlsieg von Donald Trump, nicht nur über Hillary Clinton, sondern auch über etablierten Strukturen beider amerikanischer Parteien. Drei Monate später, am 20. Januar 2919, installierte er mit der Behauptung, seine Inauguration sei von „der größten Menschenmenge der amerikanischen Geschichte“ gefeiert worden, die Lüge als Instrument der präsidialen Macht. Da erst begannen wir zu verstehen, welche Rolle die Algorithmen aus Silicon Valley bei der Zerstörung demokratischer Strukturen haben können. „Wir bitten hier nicht um Genehmigungen. Wir machen einfach. Notfalls bitten wir danach um Verzeihung.“ So beschreibt der Ingenieur und Journalist Chris Anderson das Prinzip von Silicon Valley in „Utopia“.2

Hierbei unterscheiden sich meine Vorstellungen von denen Sebastians. Ich bin davon überzeugt, dass auch Genies, gerade die Genies, Rechenschaft und Geduld schulden, wenn sie mit Technologien wie Gehirnimplantaten und Künstlicher Intelligenz irreversible Tatsachen schaffen. Aber ich bin mit Sebastian der Überzeugung, dass insbesondere Deutschland mehr vom Silicon Valley-Spirit, von Wagemut und Innovationsfreude, und weniger bürokratische Hemmnissen braucht. Wenn Deutschland mitreden will bei der Gestaltung der Zukunft, muss es seinen erbärmlichen Rückstand bei der Digitalisierung aufholen. Wer nicht mehr kann als Bremsen, wird niemals einen Kurs bestimmen. Am Ende hängt das an einzelnen Menschen, an ihrem Können, an ihrer Energie und Zuversicht. Sebastian Thrun will all das ermuntern und fördern. Deshalb ist seine Biografie, mitsamt den Rückschlägen, über die er freimütig spricht, „a good thing to know“ – lesenswert!

Claus Kleber

Einführung

Der Technologie-Pionier, Wissenschaftler und Unternehmer Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Sebastian Thrun hat die weltweite Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI), des Maschinellen Lernens (ML) und der Robotik maßgeblich geprägt und ist Vorreiter unter anderem bei der Entwicklung selbstfahrender Autos und digitaler Hochschulbildung.

Der gebürtige Deutsche ist 2001 mit vierunddreißig Jahren ins Silicon Valley ausgewandert und übernahm mit sechsunddreißig den Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz an der berühmten Stanford University. Mit neununddreißig Jahren wurde er als Mitglied in die US-amerikanische National Academy of Engineering und in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Das US-Magazin Foreign Policy zählt ihn zu den fünf global einflussreichsten Denkern. Der Guardian würdigt ihn als einen der „Top Twenty Fighters for Internet Freedom“. Das Magazin Popular Science nahm ihn 2005 in die Riege der „Brilliant Five“ auf. 2006 wurde er Fellow der American Association of Artificial Intelligence. 2011 erhielt er den Max-Planck-Forschungspreis. Im gleichen Jahr kürte ihn Fast Company als „Fifths most creative person“. 2012 wurde ihm der begehrte „American Ingenuity Award“ des Smithsonian Magazine in der Kategorie „Education“ verliehen. Die European Association for Artificial Intelligence hat ihn als Fellow aufgenommen, die höchste Form der Mitgliedschaft. Das Smithsonian Institute verlieh ihm 2015 die „James Smithson Bicentennial Medal“, die höchste Auszeichnung der wohl renommiertesten Kulturinstitution der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie wird ausschließlich an Persönlichkeiten verliehen, die „außergewöhnliche Beiträge zu Kunst, Wissenschaft, Geschichte, Bildung oder Technologie geleistet haben“.3 Zu den weiteren Preisträgern gehören unter anderem die britische Königin Elizabeth II und Papst Johannes Paul II. 2016 verliehen ihm die Technische Universität im niederländischen Delft und das mexikanische National Politechnic Institute die Ehrendoktorwürde. Der US-Fernsehsender CNBC bezeichnete ihn 2018 als „Disrupter #8“ und das World Affairs Council verlieh ihm den „Global Leadership Award“. 2019 zog die Universität Hildesheim mit dem Ehrendoktor nach. 2021 wurde ihm die höchste Ehre der Universitätsstadt Aachen zuteil, der Aachener Ingenieurpreis.4 2022 wurde er in Deutschland als „Vordenker“ ausgezeichnet; diese Ehre war zuvor unter anderem dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und dem Rat der Wirtschaftsweisen zuteil geworden. Im gleichen Jahr nahm ihn der globale Think Tank Diplomatic Council, der zum engsten Beraterkreis der Vereinten Nationen gehört und die hier vorliegende Biografie über ihn herausgibt, als Ehrenmitglied auf. Zur Klarstellung: Diese Aufzählung stellt lediglich eine Auswahl von Thruns Auszeichnungen und Ehrungen dar. Insgesamt hat Sebastian Thrun weit mehr als sechzig Auszeichnungen erhalten.

Trotz aller dieser Erfolge ist Sebastian Thrun außerhalb seines Fachgebietes in der breiten Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt. Das will die vorliegende Biografie ein Stück weit ändern. Sie zeichnet den Weg des rebellischen Jugendlichen und des wissenshungrigen jungen Erwachsenen nach, gibt einzigartige Einblicke in sein Seelenleben und die Wurzeln seines Erfolges und verfolgt den Aufstieg des gleichzeitig ehrgeizigen und gelassenen Deutschen zum heimlichen Superstar im Silicon Valley.

Seine Ausbildung und wissenschaftlichen Tätigkeiten führten ihn von den Universitäten Hildesheim und Bonn zur Carnegie Mellon University im US-amerikanischen Pittsburgh und von dort als Professor und Leiter des Artificial Intelligence Lab an die Stanford University in Kalifornien – bis er schließlich seine eigene Online-Universität gründete und damit das akademische Bildungswesen auf den Kopf stellte.

Seine wissenschaftliche Karriere verlief glänzend. Er hat an mehr als dreißig Büchern mitgeschrieben, über zweihundertfünfzig begutachtete Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht, mehr als einhundert wissenschaftliche Abhandlungen für Konferenzen und Workshops sowie technische Reports verfasst und ist an mehr als fünfundfünfzig erteilten Patenten beteiligt. Die Rolle seines Lebens hat er jedoch nicht als „Egghead im Elfenbeinturm“ gefunden, sondern als „praktischer Professor“, als überaus ambitionierter Denker und Macher in einer Person, dem es gelingt, Projekte aus der Taufe zu heben, die zuvor als undenkbar galten – bis Sebastian Thrun übernahm.

Google-Mitgründer Larry Page und Googles CEO Eric Schmidt beauftragten ihn mit dem Aufbau der geheimen Forschungsabteilung Google X, in der unter anderem die Transformation der zuvor rein wissenschaftlichen KI-Forschung in die kommerzielle Nutzung und damit in unseren Alltag begann, und wo zuvor unmögliche Projekte wie Google Glass und Street View ihre Verwirklichung fanden.

Sowohl in Stanford als auch bei Google begeisterte er sich für selbstfahrende Autos. So entwickelte er mit dem Stanford Racing Team den autonom fahrenden Wagen „Stanley“ (eine liebevolle Hommage an den Namen der Universität Stanford), der unter anderem die US-amerikanischen „Grand Challenge“, ein Rennen zwischen autonomen Roboterfahrzeugen, gewann. Mit seinem Unternehmen Kitty Hawk ging er noch einen Schritt weiter: Das Startup war aufgestellt, um mit Flugtaxis in Zukunft herkömmliche Fahrzeuge überflüssig zu machen. Autonome Fahr- und Flugzeuge gelten als eine Schlüsselanwendung für Künstliche Intelligenz. Doch mit Kitty Hawk scheiterte Sebastian Thrun vorläufig. Es war nicht das erste Mal, denn sein Leben verlief keineswegs so geradlinig, wie es ein Schnelldurchgang durch die Biografie vermuten lassen könnte. Immer wieder war sein Werdegang von Brüchen gekennzeichnet – und von Neuanfängen.

Geblieben ist ein unverbesserlicher Optimist, tief verwurzelt in der unverrückbaren Überzeugung, dass die Zukunft besser sein wird als alles bisher Dagewesene. Dieser Optimismus ist erfrischend ansteckend. In diesem Sinne will auch das vorliegende Buch Optimismus verbreiten und Lust auf die Zukunft machen.

Übrigens: Wenn man ihm zum ersten Mal persönlich begegnet, hängt die Aussprache seines Namens davon ab, wo man ihn trifft. In seinem Geburtsland Deutschland wird er wie „Truhn“ gesprochen, in den USA heißt es „Thran“, natürlich mit dem englischen „tee-aitch“. Indes ist man bei einer Begegnung mit ihm in der Regel binnen weniger Minuten beim „Sebastian“, das im deutschen wie im englischen einigermaßen ähnlich ausgesprochen wird.

Ich habe in den stundenlangen Gesprächen mit Sebastian Thrun, die dieser Biografie zugrunde liegen, viel gelernt – über ihn, einen der klügsten Köpfe der Welt, aber auch über die Denkweisen im Silicon Valley. Der Leserschaft wünsche ich viel Vergnügen damit, diese einzigartige Karriere des Sebastian Thrun nachzuvollziehen und dabei hoffentlich zugleich wesentliche Erkenntnisse für das eigene Leben zu gewinnen.

Andreas Dripke

PS: Sebastian sagt, es gäbe nichts Schöneres für ihn an diesem Buch, als dass die Lektüre Menschen aufrüttelt und motiviert, den Mut zu finden, ihrem eigenen Lebensweg eine neue positive Richtung zu geben. Gerne liest er persönliche Stories dazu, wenn sie über [email protected] übermittelt werden. Er liest sie wirklich!

Meine Zeit in Deutschland

Am 14. Mai 1967 erblickte der kleine Sebastian in Solingen das Licht der Welt. Großgeworden ist der blonde Lockenkopf in einem Dorf namens Blecher mit rund zweitausend Einwohnern, gelegen im Rheinisch-Bergischen Kreis in der Nähe von Altenberg. Als er zehn Jahre alt war, zog seine Familie mit ihm nach Hildesheim um, bedingt durch einen Berufswechsel des Vaters. Niemand konnte damals ahnen, dass Sebastian eines Tages als Erwachsener zu den berühmtesten Deutschen im legendären Silicon Valley in Kalifornien gehören würde; in die Wiege gelegt war es ihm jedenfalls nicht. Doch wenn man seine Kindheit genauer betrachtet, wird deutlich, dass die Grundlagen für seine internationale Karriere als Wissenschaftler und Unternehmer bereits zu dieser Zeit gelegt wurden – und zwar in erster Linie von ihm selbst.

Sebastian sagt: „Es ist egal, ob du in einem kleinen Dorf oder in einer Großstadt geboren wurdest. Es liegt allein bei dir, in die Welt hinauszugehen und deinen eigenen Lebensweg zu finden.“

Sebastian war das dritte Kind einer jungen und aufstrebenden Familie; der Vater war Prokurist, die Mutter Hausfrau. Die Eltern waren mit seinem 1964 geborenen Bruder Thomas und seiner 1965 zur Welt gekommenen Schwester Monika bereits ausgelastet. Der zwei Jahre später geborene Sebastian war das ungeplante Überraschungskind in der Familie. „Dich hat der Esel im Galopp verloren“, sagte sein Vater später des Öfteren zu ihm; das war lustig gemeint, drückte jedoch zugleich aus, dass Papa und Mama mit ihrem dritten Sprössling nicht allzu viel anzufangen wussten. Die Aufmerksamkeit der Eltern blieb während Sebastians ganzer Kindheit hindurch wenig auf den Nachzügler gerichtet, weil sie bereits mit ihren beiden ersten Kindern sehr beschäftigt waren.

Alleinsein als Grundstein der persönlichen Reifung

Doch wer daraus die Schlussfolgerung zog, das dritte Kind wäre wie ein „fünftes Rad an der Familienkutsche“ als ein Mitläufer vorprogrammiert gewesen, wurde durch die beinahe unglaubliche Laufbahn des Sebastian Thrun eines Besseren belehrt. Ganz im Gegenteil entwickelte sich die Tatsache, dass der Junge häufig auf sich allein gestellt war, zu einem Grundstein eines persönlichen Reifeprozesses und einer internationalen Karriere, die ihresgleichen sucht. Er lernte frühzeitig, sich mit sich selbst zu beschäftigen, seine eigenen Entscheidungen zu treffen und seine eigenen Wege zum Glücklichsein zu finden.

Sebastian sagt: „Versuche so früh wie möglich in deinen Leben, unabhängig von anderen Menschen zu werden, auf eigenen Beinen zu stehen und deinen ureigenen Weg zum Glück zu finden.“

Familiäre Situationen, die man von außen betrachtet eher als belastend beurteilen würde, stählten seine früh entwickelte Persönlichkeit. Sebastian erinnert sich: „Wir hatten eine ganz komische Regelung zu Hause. Wenn wir als Kinder etwas falsch gemacht hatten, dann musste uns der Vater dafür bestrafen. Das wurde abends mit dem Kleiderbügel erledigt, oftmals mehrfach in der Woche.“ Diese familiäre Regelung, dass tagsüber begangene kindliche Missetaten am Abend mit Prügel bestraft wurden, erstaunt Sebastian rückblickend immer noch. Der Vater hat den Kindern dabei nicht ernsthaft wehgetan, aber den zeitlichen Verzug bezeichnet Sebastian in Nachhinein als „komisch und amüsant“. Diese Einstufung geht einher mit der Aussage des erwachsenen Sebastian Thrun: „Ich habe meine ganze Kindheit immer als positiv empfunden.“

Sebastian sagt: „Sei ein Happy-Mensch, fast egal, was passiert.“

Diese Episode verdeutlicht, dass der heutige Optimist bereits in jungen Jahren angelegt war. „Ich war ein Happykind“, sagt er. Dabei wird klar, dass er seinen eigenen Optimismus und sein Glücklichsein nicht etwa von den äußeren Umständen abhängig macht, weil er fest davon überzeugt ist – wie sich im weiteren Verlauf dieser Biografie noch zeigen wird –, dass es an ihm selbst und nur an ihm selbst liegt, sein Leben in die Hand zu nehmen und etwas daraus zu machen. Wer das Vorwort zu diesem Buch gelesen hat, weiß, dass ihm das auf überaus beeindruckende Weise gelungen ist. Betrachtet man die Liste der berühmten Kinder Solingens, die noch am Leben sind, mag man geneigt sein, das Multitalent Sebastian Thrun neben dem publizierenden Philosophen Richard David Precht als die beiden herausragendsten Persönlichkeiten dieser Stadt einzustufen.5 Dabei ist Precht eher in Deutschland und Thrun vor allem im Silicon Valley bekannt.

Optimist, Eigenbrötler, Vorzeigekind, Rebell

Neben dem beinahe schon realitätsfernen Optimismus zeichnete den heranwachsenden Sebastian ein Hang zur Eigenbrötelei aus. „Ich musste mich immer selbst beschäftigten“, gesteht er, und begründet: „Meine Eltern haben sich wenig Zeit für mich genommen.“ Sebastian fühlte sich auf sich allein gestellt. „Ich war immer derjenige, der außen stand“, analysiert er rückblickend, und man ist geneigt, bei allem Optimismus einen Hauch von Verbitterung herauszuhören, wenn er erklärt: „Seit meiner jüngsten Kindheit hatte ich das Gefühl, allein gelassen zu werden.“ Doch Sebastian Thrun sieht das anders: „Das war nicht negativ, sondern eine positive Sache, die mir später sehr geholfen hat.“

Endlose Stunden verbrachte der Junge damit, mit dem damals populären Konstruktionsbaukästen der Marke Fischertechnik Autos, Kräne und sonstige technische Modelle zu bauen. Er fühlte sich dabei gleichzeitig wie ein Ingenieur und ein Designer. Mit den eigenen Händen etwas zu konstruieren, das er sich selbst ausdachte, faszinierte Sebastian. Die Eltern warfen kaum einen Blick auf seine Konstruktionen; nur ein Onkel, der gelegentlich zu Besuch kam, hatte ein Auge dafür.

In seiner frühen Kindheit galt Sebastian selbst bei den eigenen Eltern als – wie er sagt – „distanziert und unnahbar“, aber auch als „der Kluge“. Die Beziehung zu seinen Eltern beschreibt er wie folgt: „Für meine Mutter wurde ich mit etwa zehn Jahren zum Vorzeigekind, weil ich brav und wohlerzogen war“

Schon im ersten Grundschuljahr zeigte sich die Begabung des Knaben Sebastian in der Mathematik. „Jedoch war ich in der Schule im Großen und Ganzen relativ unbeliebt“, erzählt Sebastian Thrun mit einem Lächeln, das eher verkniffen als befreiend wirkt. Er gesteht freimütig: „Ich war ein Einzelgänger.“

Sebastian sagt: „Ob du ein Einzelgänger oder eher gesellig bist, sagt nichts über deine Chancen im Leben aus, solange du sie nutzt.“

In der fünften Klasse, zwischenzeitlich von Blecher in die Großstadt Hildesheim mit rund einhunderttausend Einwohnern umgezogen, wurde er ins Gymnasium Josephinum eingeschult. Die Schule des im Jahr 815 gegründeten Bistums Hildesheim ist eine der renommiertesten Schulen in Hildesheim und eine der ältesten Bildungseinrichtungen Deutschlands. Als ein Zugezogener wähnte er sich einige Wochen in der Heldenrolle in der Klasse, bevor er sich zu einem der unbeliebtesten Schüler wandelte. Er führt das darauf zurück, dass er als gebürtiger Rheinländer mit der norddeutschen Art nicht klargekommen sei. Doch tatsächlich lag es wohl eher an dem blondgelockten Jungen selbst. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich besonders lustig bin.“ Erst im Nachhinein ist ihm augenscheinlich klar geworden, dass sein Humor eher fragwürdig war. Sein damaliger Ehrgeiz, den „Klassenclown“ zu spielen, ging ins Leere. Hinzu kam: An der römischkatholischen Jungenschule in unmittelbarer Nähe zum Dom galten die rhetorischen Fähigkeiten als ausschlaggebend für den Beliebtheitsgrad. Da konnte Sebastian, der seit seiner Kindheit als Einzelgänger unterwegs war, und zwar über eine hohe mathematische Begabung verfügte, aber rhetorisch am unteren Ende rangierte, nicht mithalten. Er lernte, sich im Mittelfeld der schulischen Rangordnung einzuordnen.

Kluger Kopf, bewegungsfreudiger Körper

Schon damals wurde indes sichtbar, dass Sebastian nicht nur über einen klugen Kopf, sondern auch über einen bewegungsfreudigen Körper verfügt. So entwickelte sich seine Leidenschaft fürs Tanzen in dieser Zeit. Und das kam wie folgt. Als bloße Knabenschule mangelte es dem Josephinum am weiblichen Geschlecht, so dass regelmäßig lockere Zusammenkünfte mit der nahe liegenden und ausschließlich von Mädchen bevölkerten Marienschule stattfanden, um sich Partner für den Besuch einer Tanzschule auszusuchen. In der Überzeugung, dass Mädchen den Jungen bei der pubertären Entwicklung mindestens ein Jahr voraus wären, wurde jeweils eine Mädchenklasse mit einer eine Jahrgangsstufe höheren Jungenklasse zusammengeführt. So lernte der Blondschopf Sebastian seine damalige Freundin Marion kennen. Beim Anfängerkurs in der Tanzschule kamen die beiden zwar noch nicht zusammen, aber den Fortgeschrittenenkurs absolvierten sie gemeinsam. Sebastian und Marion wurden für rund anderthalb Jahre ein unzertrennliches Paar. Was hat sie an ihm angezogen? „Seine Begeisterungsfähigkeit, sein Ideenreichtum, sein Tatendrang, seine Zuverlässigkeit und sein Interesse an beinahe allem“, blickt sie heute auf ihre Jugend zurück. „Er war stets optimistisch und wusste immer, wie man ein Problem lösen kann“, erinnert sie sich. Sein vielseitiges Interesse, das sich durch sein Leben ziehen sollte, wurde in diesen jungen Jahren schon sichtbar. „Wir haben so viel zusammen unternommen“, erinnert sich Marion an ihren Sebastian, der damals auch „Bastel“ genannt wurde, und zählt auf: „Fahrrad oder Boot fahren, Billiard, Tischtennis oder Klavier spielen, Inliner laufen, mit dem Motorrad herumkurven, Partys feiern, Platten hören, Spaß haben.“ Diese Vielseitigkeit hat sich Sebastian sein ganzes Leben lang erhalten. Die damit verbundene Neugier hat ihn davor bewahrt, im Laufe seiner Karriere „nur“ ein Wissenschaftler zu werden, sondern weit darüberhinausgehend auch ein weit in die Zukunft blickender Visionär, ein zupackender Macher und ein erfolgreicher Unternehmer.

Sebastians damaliger Freundin Marion sind zudem seine Qualitäten als Gesprächspartner im Gedächtnis: „Man konnte sich sehr gut mit ihm unterhalten, weil er so vielseitig interessiert war.“ Wie sich sein späteres Studium der Informatik in dieser Jugendzeit schon andeutete, ist Marion ebenfalls erinnerlich: „Er hat sich damals intensiv mit dem programmierbaren Taschenrechner TI-57 von Texas Instruments beschäftigt.“ Seine Marion bewunderte ihren Sebastian für seine sehr rasche Auffassungsgabe – „Er hat selbst Programme geschrieben und mir vorgeführt“ –, meint jedoch: „Sein herausragendes Talent hat damals wohl weder er noch ich noch sonst irgendjemand wahrgenommen.“ Dabei meint sie nicht nur den Umgang mit Computern, sondern seine intellektuellen Fähigkeiten im Allgemeinen. Jahrzehnte später, als Marion den längst in die USA ausgewanderten Sebastian anlässlich der Verleihung des Aachener Ingenieurpreises an ihn wiedertrifft, kramt sie die alten Liebesbriefe und Postkarten, die er ihr während ihrer gemeinsamen Zeit zuhauf geschrieben hat, aus dem Schrank ihrer Mutter hervor. Als sie sie mit den Augen einer Erwachsenen liest, wundert sie sich: „Es ist erstaunlich, wie stilistisch gut er für sein Alter geschrieben hatte.“

Mit zunehmender Pubertät entwickelten sich Sebastian und Marion auseinander. Sie blickt zurück: „Mit seinen blonden Locken sah er wirklich niedlich und bubihaft aus, auf jeden Fall eher jünger für sein Alter.“ Das kommt ihm heute mit beinahe sechzig Jahren zugute, findet seine ehemalige Freundin („Er sieht immer noch jünger aus als andere in seinem Alter“), aber als Jugendliche in der Pubertät war ihr Sebastian zu sehr „Bubi“ und zu wenig „cool“ im Aussehen. Zudem zeigte sich, nachdem Marion ihren fünfzehnten Geburtstag gefeiert hatte, dass an dem Vorurteil, Mädchen würden sich in der Pubertät schneller entwickeln als Jungen, etwas dran ist. Über Händchen halten, Umarmungen und Küsschen auf die Wange gingen die Zärtlichkeiten zwischen Sebastian und Marion nicht hinaus – und das war der heranreifenden Frau auf Dauer zu wenig. Konsequenterweise gab sie ihm den Laufpass, was Sebastian in eine schmerzhafte Zeit stürzte.

Doch der Trost kam rasch. Zum Freundeskreis von Marion gehörte nämlich Petra, die eine Klassenstufe unter ihr in dieselbe Schule ging. Sie war die Tochter des Schulleiters. Marion erinnert sich, wie Petra sie nach ihrer Trennung von Sebastian ansprach: „Du bist ja nicht mehr mit Sebastian zusammen. Aber ich finde ihn so süß und nett.“ Einige Zeit später kam das neue Paar tatsächlich zusammen, und Petra Dierkes wurde Thruns erste Ehefrau.

Sebastian sagt: „In jeder Krise, privat oder beruflich, steckt eine Chance. Vergiss die Krise und konzentriere dich auf die Chance.“

Animosität gegenüber Autorität

Neben den Liebeleien hält Sebastian eine andere Entwicklung aus seiner Schulzeit für wichtiger: „Mit der Pubertät habe ich eine Animosität gegenüber Autorität entwickelt.“ Zuhause tat er stets das Gegenteil dessen, was von der Mutter angeordnet wurde. In der Schule führte das dazu, dass er ab der siebten Klasse schlichtweg das Interesse verlor – in erster Linie wohl, um gegen die Eltern zu rebellieren, die den Schulgang schließlich erzwungen hatten. „Ich wollte schon damals gerne meine eigenen Entscheidungen treffen, und das ist bis heute so“, analysiert sich Sebastian Thrun selbst.

Er erkennt: „Alle meine Freunde und Freundinnen haben sich stets beklagt, dass der Sebastian immer selbst entscheiden möchte.“ Das kann Marion nur bestätigen: „Ich habe sehr an ihm geschätzt, dass er seine Meinung klar und deutlich geäußert hat“. Sein späterer Kommilitone Jörg von der Universität Hildesheim bescheinigt ihm „Authentizität“: „Er macht einem nichts vor, sondern ist immer ehrlich. Das bringt manchmal Probleme mit sich, aber mit den Folgen hat er gelernt zu leben.“

Sebastian sagt: „Lass dein Leben nicht von vermeintlichen Autoritäten leiten. Stelle dir selbst die Aufgaben, die du lösen willst.“

Gelangweilt vom Unterricht stellte sich der Schüler Sebastian die Aufgabe, die Schule spannend für sich zu gestalten. Daher nahm er sich kategorisch vor, bis zum Rest der Schulzeit niemals mehr Hausaufgaben zu machen. Hierzu führte er für sich neue Regeln ein: Statt die Aufgaben zu Hause zu erledigen, nutzte er die morgendliche Busfahrt zur Schule, um sie von anderen abzuschreiben. Häufig lieh er sich sogar ein Heft von einem Mitschüler aus und gab es dem Lehrer gegenüber als sein eigenes Werk aus. Dabei mag er zwar vom Stoff nicht viel gelernt haben, aber er entwickelte seine sozialen Fähigkeiten: „Dafür musste ich es beherrschen, dass meine Mitschüler bereit waren, ihre Hausaufgaben mit mir zu teilen.“ In dieser Zeit konnte der Schüler Sebastian erstmals seine zuvor eher mäßig entwickelte Sozialkompetenz deutlich ausbauen. Schließlich musste er andere überzeugen, ihm ihre Schulhefte zu überlassen, verbunden mit dem Vertrauen, dass sie diese auch wieder unbeschadet zurückbekommen würden. Es mag sein, dass er den Lehrstoff nicht in vollem Umfang erfahren hat, aber für sein späteres Leben hat er in dieser Phase sehr viel gelernt.

Sebastian sagt: „Finde deinen eigenen Weg, eine hohe Sozialkompetenz zu erlangen. Denn man muss lernen, mit Menschen empathisch umgehen zu können, um im Leben voranzukommen.“

Erst in der Oberstufe besserte sich der „Tick mit den Hausaufgaben“, als Sebastian von einem Mathematiklehrer als sehr begabt erkannt wurde. Der Lehrer bestand darauf, dass der Schüler nach jeder Mathematikstunde zu ihm persönlich kam und die Aufgaben vorlegte und erklärte. „Das hat mich motiviert“, sagt Sebastian Thrun, allerdings nur im Fach Mathematik.

Dieser geplanten Faulheit zum Trotz absolvierte Sebastian Thrun das Abitur mit einer Durchschnittsnote von immerhin einskommafünf. Einsen bekam er in Mathematik, Physik und wie er sagt „abstrusen Fächern“ wie Handschrift. Im Sport galt er als unbegabt, aber schließlich bestand seine eigene „sportliche Herausforderung“ darin, ohne Hausaufgaben durch die Schule zu kommen.

Wenn er sich doch einmal anstrengte, war er gut; er erinnert sich, einmal im Geschichtsunterricht für eine Woche die vorgegebene Lektüre gewälzt zu haben und daraufhin tatsächlich die Note eins bekommen zu haben. In Latein verschaffte er sich eine gute Note, indem er „De bello Gallico“ auf deutsch auswendig lernte und anschließend während der Klassenarbeit einfach das Gelernte niederschrieb, statt es übersetzen zu müssen. „Ich habe das große Latinum geschafft, obwohl ich keinen Satz Latein beherrsche“, bekennt Sebastian Thrun nicht ohne Stolz.

„Die Lehrer waren damals sehr klassisch“, blickt er zurück, und es klingt nicht positiv. Das Ergebnis konnte sich jedenfalls sehen lassen: Von sechsundachtzig Schülern hat Sebastian das drittbeste Abitur hingelegt. In den Leistungsfächern wie Mathematik, die ihm Freude bereiteten, konnte er mit Topnoten seine mangelnden anderweitigen Leistungen ausgleichen. Zudem konnte er einen Deutsch- und Geschichtslehrer von seinem Intellekt überzeugen, der sich Mühe gab, ihm trotz Desinteresse an den Fächern gute Noten ins Zeugnis zu schreiben. Diese Überzeugungskraft wird in seinem weiteren Lebenslauf immer wieder in Erscheinung treten – ebenso wie der unumstößliche Wille, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Sebastian sagt: „Finde einen Weg zu einem ordentlichen Schulabschluss. Denn dein schulischer Abschluss kann entscheidenden Einfluss auf deine künftigen Wahlmöglichkeiten im Leben haben.“

Die Studienstiftung des Deutschen Volkes, bei der er eingeladen worden war, sah ihn allerdings trotz herausragendem Abitur nicht für ein Stipendium vor. Ebenso lehnte ihn die Katholische Studienstiftung Cusanuswerk ab. Seine Begabung für Mathematik wurde beiden Institutionen, die den akademischen Nachwuchs fördern, nicht offenbar.

Sebastian lernt programmieren

Im Alter von vierzehn Jahren fand eine wichtige Weichenstellung für den mathematisch Begabten statt: Sein Vater lieh im viertausend Deutsche Mark, um davon einen gebrauchten Computer von seinem Onkel zu kaufen und sich selbst programmieren beizubringen. Um den Computer zu bekommen, musste der Junge einen Vertrag mit seinem Vater unterschreiben, dass er das Geld auch zurückzahlen würde. Es war eine Investition ins Leben. Rund zwei Jahre lang, von vierzehn bis sechzehn, saß Sebastian im Wesentlichen zu Hause und befasste sich mit seinem neuen Computer der Marke NorthStar Horizon. Diese Programmierzeit war zweifelsohne prägend für den späteren Werdegang.

Zurückgezogen in seine Programmierwelt und widerspenstig gegenüber Autoritäten beschwor der Heranwachsende immer größere Konflikte zu Hause herauf, vor allem mit der Mutter. Während ihm der Vater das Gefühl vermittelte, dass er, der Junge, seinen eigenen Weg schon finden werde, und sich an ihn, den Vater, wenden würde, wenn er väterlichen Rat suchte, gebärdete sich die Mutter als autoritär. „Meine Mutter hatte eine klare Vorstellung, wie ich mein Leben zu leben hätte – und genau das wollte ich nicht“, blickt er zurück. Er erinnert sich, wie er einmal mit dreizehn oder vierzehn Jahren eine Freundin mit nach Hause genommen hatte, die von der Mutter kurzerhand aus der Wohnung geworfen wurde, weil sich „so etwas nicht gehörte“ – „obwohl wir nur geredet hatten“, wie ihm erinnerlich ist. Der Konflikt mit der Mutter spitzte sich immer weiter zu, auch, weil Sebastian zwischenzeitlich bei seinen rhetorischen Fähigkeiten kräftig dazugelernt hatte und ständig Widerworte geben konnte. „Ich habe sie oft ausargumentiert“, sagt er, „und das hat sie gehasst.“ Einmal hat er schlichtweg eine ganze Woche lang kein einziges Wort mit ihr gesprochen. „Ich war mit vierzehn nicht mehr erziehbar“, urteilt er über sich selbst.

Dieser auffallend frühzeitig ausgebildete „eigene Kopf“ zieht sich durch den weiteren Lebensweg Sebastians wie ein roter Faden. So wie er in jungen Jahren gegen die Anweisungen seiner Eltern rebellierte – nicht, weil diese falsch gewesen wären, sondern schlichtweg, weil sie von seinen Eltern kamen –, so lehnt Sebastian Thrun sein ganzes Leben lang Direktiven „von oben“ ab. Dieses konsequente Festhalten an einem eigenen, selbstbestimmten Lebensweg bildete die wichtigste Grundlage für den Aufstieg des kleinen Sebastian aus Solingen zum späteren hochgeachteten Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Sebastian Thrun im Silicon Valley.

Sebastian schildert eine andere Situation aus der damaligen Zeit: „Ich war mit etwa sechzehn Jahren bei einer Freundin, die übrigens später meine erste Ehefrau werden sollte, was meiner Mutter nicht gefiel. Sie rief dort an, ich nahm den Telefonhörer ab und ging, während sie am Telefon lautstark redete, in die Küche, um etwas zu trinken. Als ich zwanzig Minuten später den Hörer wieder aufnahm, sprach sie immer noch. Ich fragte sie, ob sie sonst noch etwas zu sagen hätte, und als sie ‚nein‘ sagte, haben wir aufgelegt.“ Was sie ihm mitteilen wollte, hatte ihn schlichtweg nicht interessiert. Nicht zuletzt mit der Anschaffung eines eigenen Motorrads wollte er seine Unabhängigkeit vom Elternhaus demonstrieren und ausleben.

Die Eltern – Winfrid und Kristin (geborene Grüner) – verstanden sich untereinander übrigens gut, was Sebastian Thrun auf eine „Regel“ zurückführt, die er als „sehr gut“ einstuft: Bei einem Streit hatten sich die Eltern auferlegt, diesen zu beenden, bevor sie abends zu Bett gingen. Er stellt klar: „Es war nicht alles negativ in meiner Kindheit, sondern es gab viele positive Momente“, erinnert sich „Wir sind viel wandern und auf Reisen gegangen“, und macht deutlich: „Die Momente, die mich rückblickend am stärksten geprägt haben, waren positiv.“

Sebastian sagt: „Wenn du eine deiner Entscheidungen für richtig hältst, dann bleibe dabei, selbst wenn sie unpopulär sein mag.“

Aus dieser Zeit mitgenommen hat er unter anderem den Charakterzug, Entscheidungen, die er für richtig hält, durchzuziehen, gegebenenfalls gegen alle Widerstände. „Wenn ich den Eindruck habe, dass eine Entscheidung richtig ist, dann bleibe ich dabei, selbst wenn sie unpopulär sein mag“, stellt er klar.

Partymensch Sebastian und die Arroganz

„Ich war ein Partymensch“, beschreibt Sebastian Thrun seine Zeit als Jugendlicher ab etwa sechzehn Jahren. Beinahe jeden Abend zog es ihn auf eine Fete, ins Pub oder einfach nur mit Kumpeln durch die Straßen. „Ich bin unheimlich gern tanzen gegangen“, erinnert er sich – was übrigens heute noch gilt.

Über seine beiden besten Freunde von damals, die mit ihm ständig unterwegs waren, äußert er: „Wir hatten eine Hierarchie und ich war in der Mitte.“ Die Abstufung bezieht sich auf das Maß an „Lustigkeit“, ein Gradmesser, der für Sebastian Thrun im Leben von Bedeutung war und ist. In dieser Clique erfuhr der heranwachsende Sebastian zum ersten Mal bewusst, was Arroganz bedeutet: „Wir wurden sehr arrogant und haben andere nicht so nett behandelt“.

Der Spiegel wurde ihm vor Augen gehalten, als er mit sechzehn Jahren auf eine Sprachfreizeit ins britische Bournemouth geschickt wurde, um sein Englisch zu verbessern. Nach wenigen Tagen sagte ihm Nigel, der achtzehnjährige Sohn der Gastfamilie, in der er untergebracht war, ins Gesicht: „You are really arrogant!“ (deutsch: „Du bist wirklich arrogant“). Zu dieser Zeit war Sebastian von dieser Anschuldigung überrascht, er konnte sie sich nicht erklären. Zuvor hatte er in ähnlichen Fällen vermutet, dass andere neidisch seien, weil, wie er sagt, sein Vater „etwas mehr Geld als andere“ besaß, oder dass es sich um Neid auf sein Motorrad, das ihm zu dieser Zeit gehörte, handelte.

„Doch ein völlig Fremder, der mich arrogant nennt, das hat mich in eine Krise gestürzt“, blickt Sebastian Thrun zurück. Er analysiert: „Ich konnte nichts und niemanden außer mich selbst dafür verantwortlich machen, von Nigel binnen weniger Tage als arrogant eingestuft zu werden. Das hat mich gelehrt, mir regelmäßig einen Spiegel meiner Persönlichkeit vor Augen zu halten und mich selbstkritisch zu hinterfragen. Er habe seitdem akzeptiert, dass es niemanden außer mich selbst gibt, den ich zu ändern vermag. Die Frage, was kann ich beim nächsten Mal besser machen, stelle ich mir seit dieser Zeit in vielen Situationen.“

Sebastian sagt: „Hinterfrage dich regelmäßig selbstkritisch, erkenne deine Fehler, lerne daraus, und mache es künftig besser.“

Bei seinen gelegentlichen Besuchen in Deutschland fällt Sebastian Thrun immer wieder auf, wie viele Menschen hierzulande wahlweise anderen oder den Umständen die Schuld geben, wenn in ihrem eigenen Leben nicht alles glatt läuft. „Damit vertun sie die Chance, ihre eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten zu erkennen und zu korrigieren, um ein besseres Leben zu erreichen“, meint Sebastian Thrun.