Der übergriffige Staat - Andreas Dripke - E-Book

Der übergriffige Staat E-Book

Andreas Dripke

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Beschreibung

Der Staat greift immer öfter, immer un­verhohlener und immer umfangreicher nach unserer Freiheit. Er will, dass wir "korrekt" sprechen, denken und handeln - und legt wie selbstverständlich fest, was korrekt ist. Statt sich auf die Gesetzgebung zu beschränken, formt die Politik zusehends einen Gesinnungsstaat, in dem wir - die Bürger ­- die "richtige" Haltung zeigen sollen. Im Zeitalter der allgegenwärtigen Digitalisierung fällt die Kontrolle dieser Haltung leichter als je zuvor. Parallel dazu schröpft der Staat uns - "seine" Bürger - mit immer neuen und höheren Steuern und drangsaliert uns mit einer wuchernden Bürokratie. Während unsere Freiheit zusehends eingeschränkt wird, nimmt sich der Staat selbst grenzenlose Freiheiten heraus, dieses - unser - Geld für immer neue Projekte beinahe wahllos auszugeben. So richtig in Fahrt kommt die Staatsmacht, wenn es darum geht, möglichst viele Daten über uns zu sammeln und zu verknüpfen. Wie wir unser Geld verdienen, was wir besitzen, welche Haltung wir zeigen - der moderne Staat will alles wissen. In diesem Sinne ist dieses Buch ein "Werk des Widerstands" - aller Steuerzahler und aller freiheitsliebenden Menschen.

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Widmung

Dieses Buch ist den rund 46 Millionen Steuerzahlern in der Bundesrepublik Deutschland gewidmet.1

Ihre Schaffenskraft bildet die Grundlage für die Funktionsfähigkeit des Staates und damit eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie und ein Leben in Wohlstand und Freiheit.

Ein Dankeschön haben die Steuerzahler wohl selten erhalten. Umso heftiger wird häufig darüber diskutiert, wie man sie noch mehr schröpfen, kontrollieren und drangsalieren kann, um von dem, was sie erwirtschaften, einen noch größeren Anteil der Allgemeinheit zukommen zu lassen.

In diesem Sinne stellt das vorliegende Buch auch ein Dankeschön an alle Steuerzahler dar!

Doch es geht, wie der Titel dieses Buches nahelegt, um viel mehr als „nur um unser Geld“, nämlich auch um unsere Freiheit – und vor allem darum, wie alles zusammenhängt.

Geld verschafft eine finanzielle Unabhängigkeit und kann daher stets auch ein Symbol der Freiheit sein. Die Wissenschaft hat längst bewiesen, dass es eine stabile Beziehung zwischen dem Reichtum und der Lebenszufriedenheit eines Menschen gibt – nicht etwa, weil Geld per se zufrieden macht, sondern weil es die Freiheit ermöglicht, die für jeden Menschen begrenzte Lebenszeit selbst zu gestalten, statt äußerlichen Zwängen ausgesetzt zu sein. Wenn wir Steuern zahlen, geben wir also jedes Mal ein Stück Freiheit ab. Doch das reicht dem Staat schon lange nicht mehr.

„Die Freiheit stirbt zentimeterweise“, zitierte Guido Westerwelle in seiner Abschiedsrede 2011 den liberalen Vordenker Karl-Hermann Flach. Zwischenzeitlich sind aus diesen Zentimetern eher Meter geworden, denn der übergriffige Staat greift immer öfter, immer unverhohlener und immer umfangreicher nach unserer Freiheit. Er will, dass wir „korrekt“ sprechen, denken und handeln – und legt wie selbstverständlich fest, was korrekt ist. Statt sich „nur“ auf die Gesetzgebung zu beschränken, formt die Politik zusehends einen Gesinnungsstaat, in dem wir – die Bürger – die „richtige“ Haltung zeigen sollen. Im Zeitalter der allgegenwärtigen Digitalisierung fällt die Kontrolle dieser Haltung leichter als je zuvor.

Doch so richtig in Fahrt kommt die Staatsmacht, wenn es darum geht, alle oder jedenfalls möglichst viele Daten über uns zu sammeln und zu verknüpfen. Wie wir unser Geld verdienen, was wir besitzen, welche Haltung wir zeigen – der moderne Staat will alles wissen. In diesem Sinne ist das vorliegende Buch ein „Werk des Widerstands“ und nicht nur allen Steuerzahlern gewidmet, sondern darüberhinausgehend allen freiheitsliebenden Menschen.

Inhalt

Wir steuern auf den Eisberg zu

Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?

„Wir geben mehr Geld“

Bevölkerung schröpfen und Schulden machen

Weiter so statt Alarmstufe rot

Klaffende Nachhaltigkeitslücke

TEIL EINS: UNSER GELD

Entwicklung des Staatshaushalts im Überblick

Alles halb so schlimm

Schulden bis ins Jahr 2216

Schuldenbremse mit Notausstieg

Das Bundesverfassungsgericht schreitet ein

Der deutsche Steuerzahler als Terror-Finanzierer

Beinahe-Rekord im Jahr 2025

Grundsteuer unter Verdacht – verfassungswidrig?

Fake News vom Finanzminister

Das Finanzamt droht sozialen Wohnungsvermietern

Steuersparmodelle – der Gesetzgeber wehrt sich

Methode „Goldfinger“

Immobilienspekulation

„Giftliste“ am Parlament vorbei

Deutsch-Schweizerischer Steuerkrieg

Ein Selbstmord wird vertuscht

Der Steuerskandal Cum-Ex

Die Stunde der Whistleblower

Besser gut beraten

Selbstständig oder abhängig beschäftigt

Der Autofahrer, das geschröpfte Wesen

Früher war alles besser – oder?

Warum sich ein Steuerberater lohnt

Rätselraten für die Bürger

Der Staat als Bankräuber darf das Geld behalten

Prüfer setzt Steuerberaterin unter Druck

Der Staat verschleudert unser Geld

Wofür der Staat unser Geld ausgibt

Bürgergeld: Lohnt sich Arbeit überhaupt noch?

Der Staat am Steuer

Drei Milliarden Kopfhörer für die Bundeswehr

Die Rente ist sicher – oder?

Paradigmenwechsel bei der Rente

TEIL ZWEI: UNSERE DATEN

Das Smartphone – ein Wunderwerk

Die dunkle Schattenseite der Digitalisierung

Julian Assange, Edward Snowden, George Orwell

Grundrecht auf eigene Persönlichkeit

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

Panoptimus: Ein Leben im eigenen Gefängnis

Es gibt kein belangloses Datum

EU strebt Big-Brother-Behörde an

Lückenlose Bespitzelung wie in China und Russland

Düstere Zukunft für die Privatsphäre

Deutschland wehrt sich nicht

China, Russland, Nordkorea und die USA lesen mit

Gehirnwäsche als Ausweg

TEIL DREI: UNSERE FREIHEIT

Wir sind zu dumm und zu schwach, sagt die Politik

Moralischer Zeigefinger über den Tod hinaus

Der Staat regelt alles – alles!

Der entfesselte Staat: Corona

Familienregeln zu Weihnachten

Härtefälle: Kinder und Familien

Der moralisch überlegene Staat

Wir werden geschützt: Auf Corona folgt das Klima

Wir retten das Klima

Das Klima ändert sich schon immer

Achterbahnfahrt durch die Erdgeschichte

Die Sehnsucht nach dem Normklima

Die irrationale Energiewende

E-Autos als Klimaretter

Wärmepumpe für die Energiewende

Gebäudeenergiegesetz: Der Staat weiß es besser

Wärmeplanung für Länder und Kommunen

Wasserstoff als Hoffnungsträger

Wasserstoff ist unerschöpflich aus menschlicher Sicht

Politische Maßnahmen wie im Krieg

Ein Irrglaube der Politgesellen und ihrer Freunde

Balance zwischen Sicherheit und Freiheit

Die EU-Bürokratie frisst uns auf

Die EU-Kommission als europäische Regierung

EU: Weltmacht der Regulierung

„Wie mache ich mich am unbeliebtesten“

Wir sind zu „dumm“ für Künstliche Intelligenz

Herbst der Bürokratie

TEIL 4: UNSERE SPRACHE

Es ist nicht alles erlaubt, was nicht verboten ist

Manipulation durch Framing und Narrative

Der Streit ums Gendern

Gendern: Männer, Frauen und andere

Die feministische Linguistik der Luise Pusch

Genderzeichen

Natürliches und grammatisches Geschlecht

Zwang zu „m/w/d“

Verzicht aufs Kanzlerinamt

„Damen und Herren“ ist verfassungswidrig

Hamburger gegen Gendern

Der Rat für deutsche Rechtschreibung

Streit um das Gendern an Schulen

Mitläufer aller Orten

Gendern wichtiger als die Faktenlagen

Neusprech: Denken manipulieren

George Orwell: Sprachplanung wie in

1984

Neue Begriffe für alte Traditionen und die Leitkultur

Erziehung beginnt in der Schule

Wahrheitsministerium für „dynamische Geschichte“

Sprachführung auf den Kopf gestellt

Wenn Sprache Probleme verschleiert

Silvesterkrawalle 2022/23

Mordbube unter dem Sprachschutz des NDR

TEIL 5: UNSERE ZUKUNFT

Das gute Wir und das böse Andere

Worte als Waffe

Plädoyer für Vereinfachung

Die Bierdeckel-Rechnung des Friedrich Merz

Die 25 Prozent-Regel des Paul Kirchhof

Welche Unendlichkeit die größte ist

Über die Autoren

Andreas Dripke, Publizist

Hubert Nowatzki, Steuerberater

Bücher im DC Verlag

Über das Diplomatic Council

Quellenangaben und Anmerkungen

Wir steuern auf den Eisberg zu

Die Bundesrepublik Deutschland ist mit Staatsschulden in Höhe von rund 2.500.000.000.000 Euro in das Jahr 2024 gegangen. Das sind 2.500 Milliarden bzw. 2,5 Billionen Euro. Allein 2023 kamen weit über 50 Milliarden Euro Neuverschuldung hinzu.2 Die Pro-Kopf-Verschuldung liegt bei rund 30.000 Euro pro deutschem Staatsbürger.3

Um das in eine historische Relation zu setzen: 1950 lagen die Schulden Deutschlands bei umgerechnet zehn Milliarden Euro, 1960 bei 29 Milliarden, 1970 bei 64, 1980 bei 239, 1990 bei 538, im Jahr 2000 bei 1.211 Milliarden, 2010 bei 2.012, 2020 bei 2.173 und 2022 bei 2.368 Milliarden Euro.4

Doch das sind nur die statistisch ausgewiesenen, die offensichtlichen Staatsschulden. Hinzu kommen die sogenannten impliziten Schulden; das sind die durch das heutige Steuer- und Abgabenniveau nicht gedeckten staatlichen Leistungsversprechen für die Zukunft. Bestes oder wohl eher schlimmstes Beispiel dafür sind die Sozialversicherungen, bei denen gut zwei Drittel der impliziten Schulden zu verorten sind.

Insgesamt liegt die Staatsverschuldung Deutschlands bei über 14 Billionen Euro, hat der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen berechnet.5

Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?

Man fühlt sich an den alten Karnevalshit „Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt? Wer hat soviel Pinke-pinke, wer hat soviel Geld?“ erinnert.6 Und weil wir gerade beim Erinnern sind: Der damalige Schlager war eine Anspielung auf die durch die Währungsreform 1948 ausgelösten Preissteigerungen.7 Damals ersetzte die „Deutsche Mark“ die zuvor gültige „Reichsmark“. Für Preise und Löhne wurde dabei das Verhältnis 1:1 festgesetzt, aber die Schulden wurden im Verhältnis 10 zu 1 umgestellt.

Die Sparer waren also die Dummen; wer Schulden angehäuft hatte, war hingegen mit einem Schlag 90 Prozent seiner Schulden los. Wer Sachwerte (Betriebe, Immobilien, Waren) besaß, konnte sich ebenso wie die Schuldenmacher ins Fäustchen lachen, weil diese nicht nur erhalten blieben, sondern sogar im Wert stiegen.

Und wer ist wohl der größte Schuldenmacher und Sachwertbesitzer im Jahr 2024? Richtig, der Staat! Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, wenn sich Angst vor einer Währungsreform beim einen oder anderen breit macht.

Nun ist die Situation 2024 sicherlich in vieler Hinsicht nicht mit der von 1948 zu vergleichen und es gibt heute viele Wege, eine Währungsreform zu vermeiden. Aber wir müssen diese Wege natürlich auch gehen: Die Begrenzung der Neuverschuldung und der allmähliche Abbau der bereits angehäuften Staatsschulden sind unabdingbar, denn „ewig“ kann es nicht so weitergehen.

„Wir geben mehr Geld“

Wofür braucht der Staat eigentlich soviel Geld, könnte man fragen. Der Staatstheoretiker John Locke kam in seinem Werk Two Treatises of Government schon 1698 zu der Erkenntnis, dass eine Regierung die Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum zu beschützten hat. Doch die heutigen Regierungen haben ihre Befugnisse längst auf alle Lebensbereiche ausgedehnt. Für alle Herausforderungen unserer Gesellschaft hat der Staat nur eine Antwort parat: „Wir geben mehr Geld.“ Mehr Gerechtigkeit, mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Hilfe für die Welt – stets ruft der Staat mit lauter Stimme „wir zahlen!“

Elon Musk bezahlen wir eine Autofabrik, Intel eine Chipfabrik, wer nichts zur Wertschöpfung beiträgt, bekommt Bürgergeld, Migranten aus aller Welt locken wir mit hohen Sozialleistungen an. Um Haltung zu zeigen, kappen wir unsere Energieversorgung und zahlen der Industrie „einfach“ etwas dazu, um die hohen Energiekosten zu kompensieren. Beinahe alles, was politisch „durchgedrückt“ werden soll, wird subventioniert, beispielsweise E-Autos, um das Klima zu retten.

Bevölkerung schröpfen und Schulden machen

Jedes Problem und jede politische Idee werden mit Geld angepackt – Geld, das der Staat natürlich „irgendwoher“ nehmen muss. Dafür hat er genau zwei Wege gefunden: Er nimmt es „seinen“ Bürgern ab – Stichworte Abgaben, Steuern und Gebühren – und er leiht es sich – Stichwort Staatsverschuldung.

Deutschland weist – nach Belgien – die höchste Steuer- und Abgabenbelastung aller Industriestaaten auf, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) herausgefunden hat.8 Doch für die Großzügigkeit deutscher Regierungen reicht es schon lange nicht mehr, nur die eigene Bevölkerung zu schröpfen.

Damit sind wir beim zweiten Weg: der ausufernden Staatsverschuldung.

Weiter so statt Alarmstufe rot

Lassen wir dazu den Bundesrechnungshof zu Wort kommen. In seiner Stellungnahme zum Haushalt 2024 fasste er die Lage wie folgt zusammen:9

Die Kreditaufnahmen bzw. beschlossenen Kreditermächtigungen der Jahre 2020 bis 2023 betrugen rund 850 Milliarden Euro. Die Dynamik der Neuverschuldung ist beispiellos. Innerhalb von drei Jahren wurden Maßnahmen beschlossen, die den bis zum Jahr 2019 aufgebauten Schuldenberg des Bundes um 60 Prozent auf mehr als 2,1 Billionen Euro erhöhen können. Die Zinslasten als „Preis“ der Verschuldung rauben dem Bund letzte verbliebene Haushaltsspielräume. Die zu den Zinszahlungen hinzutretende Tilgung der Krisenkredite haben künftige Generationen als weitere Bürde zu tragen.

Diese Bestandaufnahme sollte eigentlich die „Alarmstufe rot“ auslösen, möchte man annehmen. Doch Pustekuchen, die deutsche Politik machte 2024 einfach so weiter wie bisher. Andere Probleme sind wichtiger: die Rettung des Klimas, die Umstellung unserer Energieversorgung auf grünen Strom, die Nothilfe für die Ukraine, die Sorge um die Menschen im Gazastreifen, die Menschen aus aller Welt, die nach Deutschland kommen, um hierzulande ein besseres Leben zu führen. Und natürlich benötigen wir immer mehr Bürokratie, um das alles zu organisieren, zu kontrollieren und einzugreifen, wenn irgendetwas nicht dem politisch vorgegebenen Kurs folgt.

Und wer bezahlt das alles? Natürlich die Steuerzahler, denen dieses Buch gewidmet ist. Der Staat verdient kaum eigenes Geld, sondern er zieht es von allen ein, die mit ihrer Leistung für Wertschöpfung sorgen. Der Staat schöpft hiervon einfach ab.

Klaffende Nachhaltigkeitslücke

„Nachhaltigkeit“ gilt als eines der wichtigsten Gebote unserer Zeit. Alles soll nachhaltig sein, damit wir nicht etwa heute alle Rohstoffe aufbrauchen oder unsere Umwelt zerstören, sondern für nachfolgende Generationen eine lebenswerte Umgebung zurücklassen. Die Politik wird nicht müde, uns mit immer neuen Gesetzen, Verordnungen und Verboten zur Nachhaltigkeit zu zwingen, von der Mülltrennung über die Subventionierung von E-Autos bis hin zu „korrekten“ Heizung im Keller… die Liste ließe sich beinahe endlos fortsetzen.

Bei seinen eigenen Finanzgebaren lässt der Staat allerdings keinerlei Nachhaltigkeit erkennen. Die sogenannte Nachhaltigkeitslücke, also die heutige direkte und indirekte Staatsverschuldung hat in Deutschland längst die Marke von 400 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überschritten. Zwar gibt es immer neue „externe“ Gründe, die die Politik als Entschuldigung für diese Misswirtschaft anführt, von Corona bis zum russischen Einmarsch in die Ukraine. Doch tatsächlich lenkt sie damit vor allem von den „internen“ Gründen ab: der schon sehr lange absehbaren demografischen Entwicklung, dem ausufernden Sozialstaat und der mehr an moralischer Haltung denn an Realitätssinn ausgerichteten Politik. Indem Deutschland heute für immer mehr Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Wohlstand und vor allem moralisch korrektes Verhalten hierzulande, aber auch möglichst überall auf der Welt, sorgen will, verschenkt es die eigene Zukunft.

Andreas Dripke Hubert Nowatzki

TEIL EINS: UNSER GELD

Der Staat benötigt immer mehr Geld von seinen Bürgern, weil er in seinem Ausgabeverhalten maßlos ist. Obgleich die Steuereinnahmen von Jahr zu Jahr steigen, galoppieren die Ausgaben in noch schnellerem Tempo davon, so dass sich die Staatsverschuldung unaufhörlich erhöht. So lässt sich der landläufig geäußerte Vorwurf gegen den Umgang des Staates mit dem Geld seiner Bürger auf den Punkt bringen. Stimmt das? Im Prinzip schon, wie ein Blick auf die Zahlen verrät.

Entwicklung des Staatshaushalts im Überblick

Kurz nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, im Jahr 1950, lag die Staatsverschuldung – von der damaligen Deutschen Mark auf Euro umgerechnet – bei rund zehn Milliarden Euro. 1975 wurde erstmals die Marke von umgerechnet 100 Milliarden Euro überschritten, und zwar kräftig mit 130 Milliarden Euro. 20 Jahre später, 1995, übersprang die Verschuldung die Marke von 1.000 Milliarden Euro, auf 1.083 Milliarden. Anders formuliert: Die Billionengrenze war überschritten. Im Jahr 2012 überstieg die deutsche Staatsverschuldung erstmals die Marke von zwei Billionen Euro. 2023 lag die Staatsverschuldung Deutschlands bei 2,62 Billionen Euro.10

An den mangelnden Einnahmen liegt die wachsende Verschuldung nicht. Die Steuern sind über all die Jahrzehnte hinweg beinahe kontinuierlich gestiegen, von umgerechnet rund zehn Milliarden Euro im Jahr 1950 auf über 900 Milliarden Euro 2023. 2025 soll Steuerschätzungen zufolge auf der Einnahmenseite erstmals die Marke von einer Billion Euro erreicht werden.11

Dennoch übertrafen in fast allen Jahren zwischen 1950 und 2013 die Ausgaben die Einnahmen. Entgegen dieser Entwicklung wurde von 2014 bis 2019 sechsmal in Folge ein Finanzierungsüberschuss erzielt. Durch die Corona-Pandemie wurde diese Phase allerdings abrupt beendet. Im Jahr 2023 erreichte die Verschuldung den höchsten jemals gemessenen Stand.

Alles halb so schlimm

Hat sich die wirtschaftliche Situation Deutschlands über die Jahrzehnte hinweg so dramatisch verschlechtert, wie man es aus der steigenden Staatsverschuldung abzulesen glaubt? Nein, sagt der Wirtschaftsweise Achim Truger, Professor für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen. Denn diese Nominalzahl sei kein geeigneter Faktor, um die Staatsverschuldung mit vergangenen Werten zu vergleichen. Er begründet: Im längeren Zeitverlauf wächst die Wirtschaftsleistung eines Landes stetig. So lag Deutschlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2002 bei rund 2,2 Billionen Euro, 2012 bei gut 2,7 Billionen Euro und 2022 bei mehr als 3,9 Billionen Euro.12 Da der Staat mit Steuern und Abgaben auf das nominale Bruttoinlandsprodukt – das ist der Gesamtwert aller im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen zu aktuellen Marktpreisen – zugreift, wachsen auch die Steuern und die Staatsausgaben über die Jahre, genau wie die Preise. Wenn der Staat ein Defizit eingeht, dann werden natürlich auch diese Beträge nominal immer größer. Das führt zusammen mit der Inflation dazu, dass beinahe jedes Jahr ein neuer Rekordwert bei der nominalen Staatsverschuldung verkündet werden könne.

Also alles halb so schlimm? Keineswegs, antwortet der Bund der Steuerzahler.

Schulden bis ins Jahr 2216

Der Bund der Steuerzahler veranschaulicht die deutsche Staatsverschuldung mit folgendem Gedankenspiel: Ab 2024 werden keine Schulden mehr aufgenommen und die öffentliche Hand gesetzlich verpflichtet, neben allen anderen Ausgaben jeden Monat eine Milliarde Euro an Schulden zu tilgen. Mit dieser Verpflichtung würde es bis ins Jahr 2216 dauern, um den Schuldenberg der Bundesrepublik Deutschland vollständig abzutragen.13

Mit Abstand am höchsten ist der Bund verschuldet. Auf ihn entfallen 67 Prozent der Staatsschulden. Danach folgen die Länder mit 27 Prozent. Die Schulden der Gemeinden schlagen mit sechs Prozent zu Buche. Die Bundesbank schätzt, dass rund 35 Prozent der Schulden des Bundes von inländischen Gläubigern gehalten werden und etwa 60 Prozent in der Hand ausländischer Gläubiger liegen. Anders formuliert: Der Bundeshaushalt ist zu rund 60 Prozent aus dem Ausland finanziert. Als Abhilfe für eine weiter galoppierende Verschuldung wurde seit 2009 schrittweise die sogenannte Schuldenbremse eingeführt. Die dazu notwendige Änderung des Grundgesetzes verpflichtet die Bundesregierung und die Länder, ihre Finanzhaushalte so zu führen, dass die Neuverschuldung begrenzt wird.

Schuldenbremse mit Notausstieg

Im Jahr 2009, auf dem Höhepunkt der weltweiten Wirtschaftskrise, hat die deutsche Politik die Verfassungsregeln für die öffentliche Verschuldung grundlegend reformiert und die sogenannte Schuldenbremse eingeführt. Art. 109 (3) Satz 1 des Grundgesetzes stellt fest: „Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.“ Für den Bund gilt diese Regel als erfüllt, wenn das konjunkturbereinigte Defizit nicht mehr als 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt. Eventuelle Überschreitungen dieses Betrags werden in einem Kontrollkonto erfasst und müssen „konjunkturgerecht“ (Art. 115 (2) Satz 3 Grundgesetz) zurückgeführt werden. Für den Bund ist die Einhaltung der Schuldenbremse seit 2016 verpflichtend. Die Länder regeln die Ausgestaltung der Schuldenbremse selbst. Unabhängig davon, ob und wie sie dies tun, sind aber auch die Länder seit 2020 zu ausgeglichenen Haushalten verpflichtet.

Diese Reform war eine Reaktion auf wachsende Sorgen über die Nachhaltigkeit der deutschen Staatsfinanzen. Die Staatsverschuldung war im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung seit den 1970er Jahren wie dargelegt immer weiter angestiegen. In 2009 war absehbar, dass 2010 die Schuldenquote 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts überschreiten würde. Hinzu kam die Erwartung, dass der demografische Wandel die Staatsausgaben in den kommenden Jahrzehnten weiter in die Höhe treiben würde. Außerdem galt es, in der kritischen wirtschaftlichen Lage des Jahres 2009 das Vertrauen der Kapitalmärkte in die Solidität der deutschen Staatsfinanzen zu stärken. Man erinnere sich: Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009, ausgelöst durch den Zusammenbruch des US-Immobilienmarktes, hatte zu einem weltweiten Rückgang der Wirtschaftsleistung, einem Anstieg der Arbeitslosigkeit und Finanzmarktinstabilität geführt.

Die Schuldenbremse wurde also im Grunde als „Notbremse“ verstanden. Doch genau hierfür, für den Notfall, hat sich der Staat – einmal wieder – ein Schlupfloch für sich selbst gelassen: In außergewöhnlichen Notsituationen kann die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt werden.

Der Regel, die die Schuldenbremse für konjunkturelle Normalzeiten definiert hat, hat die Corona-Pandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn die grundgesetzliche Schuldenbremse sieht im Falle von großen Krisen Ausnahmen vor. Diese „Notoption“ haben Bund und Länder im Zuge der Corona-Pandemie exzessiv genutzt und sich bis über beide Ohren verschuldet – auch für Ausgaben und Projekte, die in keinem Sachzusammenhang mit der Bewältigung der Folgen der Pandemie standen. Und damit sind wir bei einem Paradebeispiel angelangt, wie die Finanzpolitik immer und immer wieder maßlos wird – gleichgültig, ob das Geld vom Steuerbürger oder von Gläubigern stammt.

Das Bundesverfassungsgericht schreitet ein

Ende 2023 erklärte das Bundesverfassungsgericht den Nachtragshaushalt 2021 für verfassungswidrig. 60 Milliarden Euro, die zur Bekämpfung der Corona-Folgen gedacht waren, dürften nicht für Klimaschutzprojekte oder sonstige Zwecke verwendet werden.

Was war geschehen? Der Bund hatte während der Pandemie den Haushalt 2021 nachträglich in Form einer Kreditermächtigung um ganze 60 Milliarden Euro aufgestockt. Das war im Prinzip möglich, da die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse in Notfallsituationen gelockert werden kann – und bei der Pandemie handelte es sich zweifelsfrei um einen Notfall.

Letztendlich wurde das Geld aber gar nicht für die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen gebraucht. Doch der Staat gibt selten wieder her, was er sich selbst schon zugeschanzt hat. Prompt verfiel die Regierung (zu dieser Zeit aus SPD, Grünen und FDP unter dem amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz) auf die Idee, die schon verbuchten Milliarden in einen sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu retten. Davon sollten zahlreiche Förderprogramme bezahlt werden, etwa für klimafreundlicheres Heizen mit Wärmepumpen statt Öl- oder Gasheizungen und für E-Mobilität.

Die Umschichtung von Corona auf KTF wurde 2022 mit Zustimmung des Bundestages beschlossen – rückwirkend für das Jahr 2021. Die diffuse Argumentation: Die infolge von Corona schwächelnde Wirtschaft sollte angekurbelt werden. Indes: 197 Abgeordnete der Unionsfraktion im Bundestag legten dagegen in Karlsruhe Einspruch ein – und erhielten Recht.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts befand die Umnutzung als einen Verstoß gegen das Grundgesetz und stützte sich dabei argumentativ auf drei Säulen:14

Erstens müsse die Umgehung der Schuldenbremse „im Einzelnen sachlich gerade auf die konkrete Notsituation und den gesetzgeberischen Willen, diese zu bewältigen, rückführbar sein.“ Ein „allgemeiner Notstand“ reicht nicht aus, er muss konkret nachweisbar sein.

Zweitens wies das Gericht darauf hin, dass Haushaltsgrundsätze (Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit) auch im Staatsschuldenrecht gelten. Mit anderen Worten: Ein für einen speziellen Fall gebildetes Sondervermögen muss in dem Jahr verwendet werden, in dem es bereitgestellt wurde. Die nachträgliche Umwidmung in 2022 rückwirkend für das Jahr 2021 ist unzulässig. Sonst, so das Gericht, könne der Staat durch Sondervermögen ein Polster für künftige Krisen anhäufen.

Drittens monierte das Bundesverfassungsgericht, dass der Grundsatz der Vorherigkeit verletzt worden sei. Demnach muss ein Nachtragsentwurf bis zum Ende des betreffenden Haushaltsjahres beschlossen werden. Ein „nach Ablauf seiner Geltungsdauer im Folgejahr beschlossener Nachtragshaushalt ist kein zulässiges und zielführendes Instrument mehr, um den abgeschlossenen Haushaltsvollzug im Nachhinein zu verändern“. Mit anderen Worten: Ausgaben könnten nicht rückwirkend getätigt und Verpflichtungen nicht rückwirkend eingegangen werden.

Infolgedessen wurde 2023 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Bundeshaushalt nicht nur für verfassungswidrig, sondern auch für nichtig erklärt.

Zum Prinzip, Geld für schlechte Zeiten beiseitezulegen, hatte der Präsident des Bundesrechnungshofs Kay Scheller schon 2020 klargestellt: „Das entspricht nicht den Regeln des Grundgesetzes.“15 Er monierte das Umschichten von Corona zum Klima: „die Haushaltsgrundsätze Jährlichkeit, Klarheit und Wahrheit wurden nicht eingehalten.“

Weiter führte der Chef des Bundesrechnungshofs bereits 2020 aus: „Wir brauchen einen funktionierenden Staat auch für die nächsten Generationen. Auch sie sollen selbstbestimmt gestalten können und dafür müssen Gläubiger und Finanzmärkte Vertrauen in die Finanzierung eines Staatssystems haben. Wenn die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen gefährdet wird, engt das künftige Generationen ein.“16

Vor allem wies Deutschlands oberster Rechnungsprüfer 2020 auf die Gefahr steigender Zinsen hin: „Stellen Sie sich vor, die Zinsen normalisieren sich, es gibt wieder höhere Zinsaufschläge und Deutschland muss einen großen Schuldenberg refinanzieren.“ Genau diese Entwicklung setzte 2023 ein. Der Rechnungshof-Präsident verwies auf Italien als abschreckendes Beispiel: „Das Land hat wegen seiner hohen Staatsverschuldung echte Probleme, neue Kredite aufzunehmen – und will deshalb nun eine europäische Lösung.“17

Im nächsten Jahr ging es um keinen Deut besser weiter. In einem Bericht des Bundesrechnungshofs über den Haushalt 2024 wurde dieser in „verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch“ eingestuft.18 Der Bund hat sich für 2024 Ausgaben in Höhe von beinahe 477 Milliarden Euro zugestanden – bei einer Nettokreditaufnahme von rund 39 Milliarden Euro und damit – immerhin – im Rahmen der Schuldenbremse. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor, also 2023, lag das Soll bei mehr als 461 Milliarden Euro, die Nettokreditaufnahme bei über 27 Milliarden Euro.19 2024 kam es also erneut und erwartungsgemäß zu einem Anstieg, aber immerhin zu einem nur moderaten, tröstete sich die Politik selbst und vor allem die Bürger, damit diese übersehen, wie der „moderate Anstieg“ finanziert wird, nämlich mit höheren Steuereinnahmen. Diese wurden für 2024 mit knapp 378 Milliarden Euro taxiert, während es im Vorjahr noch „lediglich“ 356 Milliarden Euro gewesen waren.20

Nun mag man bei den Diskussionen um die Staatsverschuldung und die Schuldenbremse die Corona-Pandemie noch als Notfall durchgehen lassen. Doch das betraf vor allem die Jahre 2020/2021. Umso unverständlicher war es, als 2024 erneut die Forderung nach der Feststellung einer „außergewöhnlichen Notsituation“ aufkam, um die Schuldenbremse auszuhebeln. Diesmal gab es gleich zwei Begründungen: den Wiederaufbau in der Ukraine und im Nahen Osten. Zu dieser Zeit tobte der im Februar 2022 begonnene Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine allerdings immer noch, und der mit dem Überfall der Terrororganisation Hamas Anfang Oktober 2023 auf Israel aufgeflammte Nahost-Krieg eskalierte, ohne dass ein Ende abzusehen gewesen wäre. Doch Deutschland solle sich stärker verschulden, um in beiden Fällen schon einmal den Wiederaufbau vorzubereiten, so die Forderung, die immerhin vom Vorsitzenden derjenigen Bundestagsfraktion kam, die den Bundeskanzler stellte.21

Der deutsche Steuerzahler als Terror-Finanzierer