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Seit sich das größte soziale Netzwerk der Welt, Facebook, umbenannt hat in Meta, ist das Metaverse in aller Munde. Noch ist die Vorstellung, worum es sich beim Metaversum überhaupt handelt, reichlich diffus. Dennoch wird bereits der nächste Billionenmarkt prognostiziert. Tatsächlich bereiten sich alle namhaften Digitalkonzerne, darunter Apple, Amazon, Google und Microsoft, sowie unzählige Startup-Firmen darauf vor, an der Entstehung des Metaverse mitzuwirken. Das Metaversum soll eine Revolution auslösen, die bedeutender als der Buchdruck und das Internet zusammen sein wird. Das mag heute noch schwer vorstellbar sein. Aber, Hand aufs Herz, wer hätte sich das Internet zehn Jahre, bevor es sich durchgesetzt hat, vorstellen können? Die Vollendung des Metaverse liegt noch viele Jahre in der Zukunft, doch die Entwicklung beginnt jetzt. Das vorliegende Buch nimmt das Metaverse haargenau unter die Lupe Es benennt alle wesentlichen Aspekte der neuen Entwicklung, skizziert die Zusammenhänge und zeigt auf, wie sich unsere digitale Welt in den nächsten zehn Jahren verändern wird.
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Seitenzahl: 216
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Vorwort
Prolog
Die Welt in 100 Jahren
Ein Paradigmenwechsel verändert alles
Metaverse reicht bis in die 1970/80er Jahre zurück
CEOs lesen Snow Crash von Neal Stephenson
Was das Metaverse ist
Zweites Leben
Virtuelles Land, Einzelstücke und Tokens
Von Science Fiction in die Zukunft
Attribute des Metaverse
Avatare, digitale Identitäten und Dezentralisierung
Die sieben Kriterien des Metaverse
Das Metaverse wird überall sein
Was das Metaverse nicht ist
Virtuelle Welten
Proto-Metaversen
Virtuelle Realität
Kein Spiel und kein Disneyland
„User Generated Content“ greift zu kurz
Facebook und Google sind nicht „das Internet“
Milliardenmarkt Metaverse
Unternehmen ohne Metaverse verlieren ihre Zukunft
Das Metaverse verändert die Weltwirtschaft
Die Big Player im Metaverse
Microsoft: Das Metaverse ist da
Meta/Facebook: Nächstes Kapitel für das Internet
Amazon: primärer Ort, um „Zeug“ zu kaufen
Fortnite und Roblox
Das Gefühl „vor Ort zu sein“
China mischt mit im Metaverse
Die Säulen des Metaverse
Ohne Hardware geht nichts
Vernetzung in Echtzeit
Schiere Rechenleistung
Virtuelle Plattformen mit Ökosystem
Austausch ist das A und O
Digitale Zahlungssysteme
Inhalte und Dienste durchdringen das Metaverse
Der Nutzer, das unbekannte Wesen
Wie das Metaverse entstehen wird
Parallelitätsinfrastruktur für Millionen
Standards, Protokolle und ihre Annahme
Verbraucher gehen ins Metaverse
Quasi-Nachfolgestaat des mobilen Internet
Wann das Metaverse startet
Viele Innovationen formen zusammen etwas Neues
Das Metaverse definieren
Das World Wide Web als Vorbild
Das Internet wurde 1968 geboren
Das Internet gehört uns allen
Wer im Metaverse etwas zu sagen hat
USA: Die Daten im Internet gehören uns
Edward Snowden: Globaler Machtmissbrauch
Das Internet der Dinge umgibt uns
Daten sind die neue Währung
Allianz aus IoT, Cloud und KI
Immer größere Datenzentren
Computer, Software und das Gehirn
Kybernetik – alles wird geregelt
Boolesche Algebra: Null und Eins
Vom Algorithmus zur Software
Software und Künstliche Intelligenz
Parallele Computerwelt
Quantenphysik verändert die Welt
Vom Metaverse zum Quantversum
Künstliche Intelligenz voraus
Menschliches Denken automatisieren
Turing-Test für Intelligenz
Google telefoniert mit KI
Menschheitstraum von den arbeitenden Maschinen
Gemischte und virtuelle Realitäten
Neue Realitäten vor Augen
Das Judas Mandala
Cinema of the Future
Langzeitstudien am Menschen gibt es nicht
Man muss es erleben, um es zu verstehen
Von der Nische zum Massenphänomen
Ein neues Gefühl
Die vierte digitale Revolutionswelle
Die nächste Generation
Das Auge wird zum Bildschirm umfunktioniert
„Mit eigenen Augen gesehen“
Unser Körper im Metaverse
Vom Hund zum Menschen
Chip im Körper verursacht Gänsehaut
Wir haben schon künstliche Gegenstände im Körper
Chip unter der Haut verleiht uns eine Zauberhand
Chips im Körper werden zum Alltag
Der Chip-Mensch
Hautchips sind keine große Sache
Drei Wege zum Chip unter der Haut
Chip im Kopf
Versuche mit Hirnschrittmachern
Anschluss ans Gehirn über Haube oder Stirnband
Menschheit 2.0
Jedes Neugeborene wird gechippt
Von der Horrorvision zur Normalität
Digitale Identität online und offline
Digitale Identität auf Lebenszeit
Die UNO mischt mit
Quantenpunkt-Tatoo
Das Projekt vom bekannten Reisenden
NFT-Identität für das Metaverse
Kryptogeld als Zeichen des Wandels
Kryptogeld – die neue Währung
Neue Währungswelt
„Riders on the Storm“
Kurzer Ausflug nach China
Europa folgt China: der digitale Euro kommt
Nur Bares ist Wahres
Blockchain: dezentral statt zentral
Vom Kerbstock zur Distributed-Ledger-Technologie
Verteilte Buchhaltung ohne Notar
Blockchain: unbestreitbar und universell einsetzbar
Urknall einer Kryptowährung
Rechenleistung wie der Energiebedarf ganzer Länder
Blockchain ähnlich wie Internet und Metaverse
Quadratur des Kreises
Non-Fungible Tokens: Notar mit Fingerabdruck
NFT-Handel auf offener See
Kriminalität im Metaverse
Identitätsdiebstahl/Phishing
Infizierung von Computern, Smartphones und mehr
Social Engineering
Digitale Erpressung
Virtuelle Gewalt: Cybermobbing
Daten und Hacken sind ein- und dieselbe Medaille
Von „Blackout“ bis „Outbreak“
Pandemie im Metaverse
Unsere Daten sind nicht sicher
Beschleunigungsfaktor Corona
Digitalisierung kommt mit Macht
Neue Normalität: Home Office
Führung aus der Ferne
Digitales Bildungswesen
Sozialleben am Bildschirm
Internet mit Löchern aller Orten
Datenschutz im Metaverse
Bürokratiemonster DSGVO
Toaster mit Privatsphäre
Wir benötigen mehr Datenschutz, nicht weniger
Schwarze Schwäne der Zukunft
Pleonasmus als Irrtum
Das Metaverse als Symbol für digitale Disruption
Über die Autoren
Andreas Dripke
Marc Ruberg
Detlef Schmuck
Bücher im DC Verlag
Quellenangaben und Anmerkungen
Der Begriff „Metaverse“ bezeichnet ein „Über-Universum“, eine Welt jenseits unserer heutigen realen Welt.
Nur die Älteren unter den Lesern werden sich noch an die Zeit erinnern, als „das Internet“ wie eine Neuheit durch die Nachrichten geisterte. Zunächst wussten es nur die Insider, doch bald war es beinahe überall zu lesen, dass das Internet die Zukunft sein werde. Lange Zeit war weitgehend unklar, was das Internet eigentlich genau sein soll, aus welchen Komponenten es besteht, wem es gehört, wer es reguliert – und vor allem, wozu es gut ist und was man damit anfangen kann. Heute ist „das Internet“ längst allgegenwärtig. Ein Leben ohne Internet scheint geradezu undenkbar.
Genauso ist „das Metaverse“ einzuordnen. Es ist heute noch schwer auszumachen, was „das Metaverse“ genau sein wird, wer die Mitspieler sein werden, wie es von Nutzen sein kann, welche Gefahren es birgt, wohin die Reise genau geht. Doch es deutet vieles darauf hin, dass das Metaverse „the next big thing“ werden wird, die nächste digitale Revolution, die unseren Alltag, unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft ebenso stark prägen wird wie heute das Internet. Dabei gibt es viele Zwischenschritte, zahlreiche technologische Innovationen und nicht zuletzt ein sich stark veränderndes Konsumentenverhalten, die alle zusammen den Weg ins Metaverse ebnen werden. Dazu gehören sicherlich das mobile Internet, soziale Netzwerke und virtuelle Realitäten. Hinzu kommen zahlreiche Aspekte wie Kryptotechnologien, Künstliche Intelligenz, digitale Identitäten, das Internet der Dinge, das Zusammenwachsen von Menschen und Maschinen, Datenschutz und Datensicherheit, Cyberkriminalität und neueste Fortschritte wie Quantencomputer, die das Metaverse entscheidend prägen werden. All diese Entwicklungen werden im vorliegenden Buch vorgestellt, analysiert und in Bezug auf ihre Einflussnahme auf das Metaverse bewertet.
Die neue Metaverse-Dekade wird zweifelsohne von einem untrüglichen Geschäftssinn der heutigen Big Player und neuer Start-ups getragen, die alle in den Startlöchern stehen, um das Internet zum Metaverse weiterzuentwickeln. Genauso wie durch das Internet Milliardenkonzerne entstanden sind, wird das Metaverse Billionenkonzerne hervorbringen. Und ebenso wie das mobile Internet – also das Smartphone – und die sozialen Netzwerke unser aller Leben verändert haben, so wird das Metaverse in Zukunft unseren Alltag bestimmen.
In diesem Buch gehen wir auch darauf ein, was das Metaverse nicht ist. In den Medien wird das Metaverse häufig nur als eine dreidimensionale virtuelle Welt dargestellt, die mit Avataren bevölkert ist. Doch das ist nur ein Blickwinkel neben einer Vielzahl weiterer Aspekte. Als sich Facebook 2021 in Meta umbenannte, haben viele Medien die damit verbundene Vorstellung des Metaverse von Meta-Chef Mark Zuckerberg meist einfach übernommen. Gleiches gilt für ähnliche Firmenvorstellungen anderer Unternehmen, wie etwa Microsoft, und wird sich künftig weiter fortsetzen. Viele Medien ziehen das Metaverse zudem ins Lächerliche, weil ein Großteil des Metaverse dem Gamingsektor entspringt. Die beliebteste Metaverse-Spiele-plattform wird überwiegend von Kindern bevölkert, die kaum älter als zwölf Jahre sind. Doch alle diese Einzelbetrachtungen greifen viel zu kurz. Das Metaverse reicht weit über eine dreidimensionale spielerische Welt hinaus; es wird künftig unsere reale Welt gleichermaßen einbinden.
Im vorliegenden Buch blicken wir daher weit über die enge Metaverse-Definition hinaus auf das Gesamtbild, das sich für unsere Zukunft abzeichnet. Denn wir werden uns in Zukunft kaum noch an eine Zeit vor dem Metaverse erinnern, so wie uns heute die Ära ohne Internet und Smartphone wie die Steinzeit vorkommt. Brechen wir auf ins neue Metaverse oder, wie es gelegentlich auch genannt wird, ins Metaversum – die Revolution, von der behauptet wird, dass sie bedeutsamer als Buchdruck und Internet zusammen sein wird.
Andreas Dripke, Marc Ruberg, Detlef Schmuck
Technologie bringt häufig Überraschungen hervor, die niemand vorhergesagt hat. Die größten Entwicklungen werden jedoch oft Jahrzehnte im Voraus antizipiert. Diese frühen Prognosen liegen dabei in der Regel derart weit zurück, dass sich viele Menschen gar nicht mehr daran erinnern, wenn die Vorhersage später tatsächlich eintritt – Jahrzehnte, manchmal sogar ein ganzes Jahrhundert später.
In der 1910 publizierten Anthologie „Die Welt in 100 Jahren“ wurde die Idee eines „Taschentelefons“ geboren. In der damaligen Sammlung von visionären Aufsätzen von Schriftstellern, Journalisten, Politikern, Wissenschaftlern und Künstlern zur möglichen Lebenswelt ein Jahrhundert später hieß es „Die Bürger dieser Zeit werden überall mit ihren drahtlosen Empfängern herumgehen, die irgendwo, im Hut oder anderswo angebracht sein werden“.1 Es war eine zur damaligen Zeit unglaubhafte Prognose – die in der Zwischenzeit längst zur Realität geworden ist.
Im Jahr 1945 beschrieb der US-amerikanische Ingenieur Vannevar Bush unter der Bezeichnung „Memex“ („Memory Extender“) ein Gerät, das alle Bücher, Aufzeichnungen und Mitteilungen speichert und sie durch Assoziation miteinander verbindet.2 Dieses Konzept wurde dann verwendet, um die Idee des „Hypertexts“ (Links) – ein Begriff, der zwei Jahrzehnte später geprägt wurde – zu formulieren, der wiederum die Entwicklung des World Wide Web einleitete – das weitere zwei Jahrzehnte später entwickelt wurde.3
Das Taschentelefon und das Memex stehen exemplarisch dafür, wie Konzepte als grobe Umrisse zukünftiger Geräte oder Dienste schon lange vor ihrer technischen Realisierung verstanden und skizziert werden. Allerdings ist es oft unmöglich vorherzusagen, wie sich die antizipierte Entwicklung genau manifestiert, wann die Technologie dafür ausgereift ist, wie sich die Wettbewerbsdynamik darstellt, welche gesellschaftlichen Trends dabei eine Rolle spielen und ob es sich letztendlich tatsächlich durchsetzt.
Klar scheint hingegen, dass ein Paradigmenwechsel, wenn er sich vollzieht, beinahe alles beeinflusst, unser Verhalten im Alltag und im Beruf ebenso wie alle Anbieter auf dem Markt. Der Übergang von Großcomputern zu Personal Computern hat den einstigen Platzhirsch IBM in den Hintergrund gedrängt und mit Microsoft einen über Jahrzehnte hinweg dominanten Player ins Spiel gebracht. Als Apple das iPhone vorstellte, war das Schicksal des zuvor führenden Handyherstellers Nokia besiegelt. Doch es geht nicht nur um Geräte, sondern auch um unsere Gewohnheiten.
Die E-Mail hat den Brief als primäres Kommunikationsmittel abgelöst – und wird heute selbst zusehends von Messagingdiensten überrollt. Das lineare Fernsehen à la ARD und ZDF wurde nicht etwa vom Privatfernsehen, sondern vor allem von Streamingdiensten wie Netflix überholt. Die Speicherung von immensen Datenmengen in der Cloud hat selbst die größten Festplattenspeicher obsolet gemacht. Die heute maßgebliche Rolle der sozialen Medien wie Facebook, Twitter oder TikTok hat den klassischen Medien massiv zugesetzt. Bedenken wir: Bis Ende der 2000er Jahre war die Bedeutung sozialer Netzwerke gering, obwohl alle technischen Voraussetzungen dafür gegeben waren. Selbst Facebook kam erst um das Jahr 2005 herum an die Oberfläche.4
All diese Entwicklungen fanden nicht über Nacht statt, sondern zeichneten sich bereits Jahre zuvor ab; ihre Wurzeln reichten teilweise mehrere Jahrzehnte zurück. Doch die Frage, ob sich die eine oder andere Entwicklung tatsächlich auf breiter Front durchsetzen würde, war zum Zeitpunkt der ursprünglichen Idee – also Jahrzehnte vorher – nicht abzusehen. Doch wenige Jahre vor dem Durchbruch war sehr wohl offensichtlich, dass es zum Paradigmenwechsel kommen wird. An diesem Punkt – einige Jahre vorher – steht derzeit das Metaverse. Seine Wurzeln reichen viel weiter zurück, aber deutlich sichtbar ist es erst seit etwa 2020.
Seit den späten 1970er und frühen 1980er Jahren haben sich viele in der Technologie-Community eine zukünftige Version des Internet, einen „Quasi-Nachfolger“ vorgestellt – das sogenannte „Metaverse“. Es würde nicht nur die Infrastrukturebene der digitalen Welt revolutionieren, sondern auch einen Großteil der physischen sowie alle darüber liegenden Dienste und Plattformen beeinflussen.5 Obwohl eine vollständige Vision des Metaverse schwer zu definieren und eher fantastisch und Jahrzehnte entfernt zu sein schien, fühlten sich einzelne Aspekte schon damals sehr real an. Und wie immer bei solchen Veränderungen ist ihre Entwicklung so lang und unberechenbar, wie das Ziel lukrativ ist.
Aus diesem Grund ist das Metaverse für viele globale Technologiekonzerne zum neuen Makroziel geworden. Die Umfirmierung von Facebook in Meta im Jahr 2021 war geradezu ein Symbol für das neue Zeitalter des Metaverse.6 Aber auch andere Digitalgiganten haben sich längst auf den Weg gemacht, im neuen Metaverse eine Rolle zu spielen.
Einen besonderen Einfluss auf die Debatte um das Metaversum haben Beiträge des Visionärs Matthew Ball gezeitigt. Sein Essay „The Metaverse: What It Is, Where to Find it, Who Will Build It, and Fortnite“7 und darauf aufbauende Artikel wurden von Facebook-Chef Mark Zuckerberg zur Pflichtlektüre für seine Mitarbeiter erklärt – neben dem Buch „Snow Crash“ (deutsch: „Schneefall“).8
In den Büros der Big Tech-CEOs im Silicon Valley und anderswo rund um den Globus ist seit einigen Jahren stets eine Ausgabe des Science-Fiction-Romans „Snow Crash“ von Neal Stephenson zu finden. Er hat den Begriff „Metaverse“ und auch das damit eng verbundene Wort „Avatar“ erstmals beschrieben und im Wesentlichen geprägt.
In dem 1992 erschienenen Roman „Snow Crash“ ist das Metaverse eine virtuelle Welt, in die die Protagonisten immer wieder aus einer reichlich absurden realen Welt fliehen, die durch kapitalistische Ausbeutung gekennzeichnet ist. Es gibt aber auch Nutzer in dieser Welt – die so genannten Gargoyles – die sich entscheiden, für immer mit dem Metaverse verbunden zu bleiben. Sie betreten es mittels einer Art Augmented-Reality-Brille, mit der sie gleichzeitig in ihrem materiellen Dasein und im Metaverse leben können. Der Roman zeigt die Implikationen, die mit dem „In-zwei-Welten-gleichzeitig-sein“ daher kommen: Es ist für deren Gesprächspartner oft nicht klar, in welcher Welt sie gerade kommunizieren.9
Viele der fiktiven Visionen, die Neal Stephenson in „Snow Crash“ beschreibt, sind mittlerweile Realität geworden oder auf dem Weg dahin. So gibt es in dem Roman etwa einen digitalen Dienst namens Earth, der einen „Globus, eine perfekte Nachbildung des Planeten Erde“ und etwa so groß wie eine Grapefruit, in die Luft projiziert. Die Gründer von Keyhole, der Dienst, auf dessen Grundlage Google Earth aufgebaut wurde, bestätigten, dass sie das inspiriert habe. Die KI-Wachhunde, die im Buch „Snow Crash“ in Greater Hong Kong patrouillieren, finden ihre Entsprechungen in der realen Welt in dem Roboterhund Spot von Boston Dynamics und in den KI-Robotern von Knightscopes K-Robotern. Digitales Kryptogeld, das von der Regierung nicht besteuert werden kann – und im Roman die Ex-USA in die Hyperinflation treibt –, hat sich längst in Bitcoin und anderen Kryptowährungen manifestiert. Aber eine der faszinierendsten und zentralsten Technologien in „Snow Crash“ kommt erst jetzt in die Gänge: das Metaverse.
Im Epilog behauptet Neal Stephenson übrigens, dass er den Begriff „Metaverse“ für dieses Buch als Marketing Gag erfunden habe, ebenso wie „Avatar“.10
Neal Stephenson beschreibt das Metaverse in „Snow Crash“ als eine riesige und räumlich gestaltete Onlinewelt, in die sich Menschen wie der Pizzalieferjunge Hiro flüchten, um der tristen und traurigen Realität zu entfliehen – und sich jenseits von Gesellschafts-, Länder- und Kulturgrenzen neu zu erfinden. Oberflächlich betrachtet gleicht diese Welt einem entlang einer riesigen Straße agierenden Virtual-Reality -Rollenspiel, das jenseits des Bordsteins eine komplett parallele Wirklichkeit abbildet. Im diesem Metaverse existieren eine eigene Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft und ein Satz von Regeln und Normen. Menschen leben, arbeiten, exponieren sich dort in allen erdenklichen Formen. Dadurch entwickelt sich das Metaverse, ständig weiter und verändert sich, wie die reale Welt auch. Die Bewohner dieser Parallelwelt können Dinge erschaffen und zerstören. Das Metaverse wird im Roman genauso wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger als die physische Welt – und ist immer und überall zugänglich.
Das Metaverse verbindet in „Snow Crash“ also die reale, physische Welt mit der virtuellen, erweiterten Realität in Form einer gemeinsamen Online-Welt. Auch wenn in der aktuellen Debatte viele das Metaverse mit Filmen wie „Matrix“ oder „Ready Player One“ verbinden, ist es tatsächlich weit mehr als eine rein virtuelle Welt. In „Ready Player One“ ist die reale Welt so heruntergewirtschaftet, dass sich die Menschen nahezu ausschließlich in der virtuellen Realität aufhalten – außer zum Schlafen, Essen oder dem Gang zur Toilette, wie die Hauptfigur Wade Watts erklärt. Dort gibt es aber keine „Misch-Zugänge“ aus anderen Realitäten, keine Augmented Reality, die es ermöglicht, in beiden Welten zu sein. Im Film sind für die Menschen die reale und die materielle Welt getrennt voneinander.
Genau das soll im echten Metaverse anders werden, sind sich die meisten Experten einig. Das Metaverse wird geradezu geprägt sein von einer Mischung aus echter und virtueller Realität. „Mischzugänge“ werden Normalität. Den Schlüssel dazu stellt die Augmented Reality (AR) dar, wie an anderer Stelle in diesem Buch ausführlich beschrieben wird. Während Facebook allein durch die Umfirmierung in Meta das Metaverse offensichtlich in den Mittelpunkt seiner Strategie stellt, geht beispielsweise Apple unauffälliger vor. Es steht außer Frage, dass auch der iKonzern intensiv mit der Entwicklung von Brillen für Augmented und Virtual Reality befasst ist. Doch diese Brillen sind nichts anderes als ein wichtiges Stück Hardware, eine Kernkomponente, um den Zugang zum Metaverse zu ermöglichen. Die AR-Brille ist im Grunde die Inkarnation eines „Mischzugangs“, die reale und virtuelle Welt miteinander verbindet, der Zugang zum Metaverse schlechthin – doch was ist eigentlich das Metaverse?
Das Metaverse, gelegentlich auch als „Metaversum“ bezeichnet, ist im formalen Sinne ein kollektiver virtueller Raum, der durch die Annäherung von einer virtuell erweiterten physischen Realität und einem physisch dauerhaften virtuellen Raum entsteht – einschließlich der Summe aller virtuellen Welten, der erweiterten Realität und des Internet. Man kann auch von einem virtuellen Universum sprechen.
Dieses Konzept wurde ursprünglich unter einem ganz anderen Begriff bekannt, nämlich unter dem Namen „Cyberspace“. Was heute das Metaverse ausmacht, hieß zunächst „Cyberspace“. Das Konzept tauchte unter diesem Namen erstmals in der Kurzgeschichte „Burning Chrome“ von William Gibson (1982) auf und war ein zentrales Thema in seinem bahnbrechenden Roman von 1984, „Neuromancer“. 11 Doch zwischenzeitlich hat sich Cyberspace als Synonym für das Internet in seiner heutigen Form etabliert und es brauchte für die Zukunft einen neuen Begriff; so kam es zu der Wortkreation „Metaverse“ als Bezeichnung für das Konzept eines virtuellen gemeinsamen Raums, der mit der tatsächlichen Realität konvergiert
Das Wort „Metaversum“ ist ein sogenanntes Kofferwort aus der Vorsilbe meta- (in der Bedeutung „jenseits“) und Universum. Der Begriff wird verwendet, um das Konzept einer zukünftigen Iteration des Internet zu beschreiben, das aus dauerhaft gemeinsam genutzten, virtuellen, dreidimensionalen Räumen besteht, die zu einem wahrgenommenen virtuellen Universum verbunden sind.12 Im Metaversum sollen die Nutzer die virtuelle Welt mitgestalten und dort „leben, lernen, arbeiten und feiern“ können.13
Als erstes Metaversum gilt das Spiel „Habitat“ aus dem Jahr 198514 – noch bevor Neal Stephenson den Begriff „Metaverse“ geprägt hat. 2003 ging „Second Life“ online. Die im Jahr 2003 von dem US-Unternehmer Philip Rosedale ins Leben gerufene dreidimensionale Online-Infrastruktur ist eine von den Nutzern gestaltete virtuelle Welt, ein Metaversum, in der Menschen durch Avatare interagieren, spielen, Handel betreiben und anderweitig kommunizieren können.
Im Jahr 2013 verfügte das System etwa über 36 Millionen registrierte Benutzerkonten; rund um die Uhr waren meist zwischen 30.000 und 65.000 Nutzer gleichzeitig im System eingeloggt.15 Seither hat „Second Life“ an Bedeutung verloren, der Traum vom zweiten Leben – nämlich dem digitalen Leben neben dem ersten Leben in der realen Welt – schien geplatzt.16
Seit Anfang der 2020er Jahren erlebt das Metaversum einen neuen Hype durch den Verkauf von virtuellem Land in Spielwelten wie Decentraland und The Sandbox.17 Hierbei kommen sogenannte Non-Fungible Token (NFT) zum Einsatz, die auf der an anderer Stelle in diesem Buch erklärten Blockchain-Technologie basieren. Ein NFT fußt auf Datenblöcken, die wie die Glieder einer Kette aneinandergereiht sind (Blockchain). Jeder dieser Blöcke enthält gewisse Daten über das Objekt sowie den eigenen Hashwert und den des vorherigen Blocks. Einen Hashwert kann man mit einem Fingerabdruck in digitaler Form vergleichen, er ist immer einzigartig und dient somit zur Identifizierung eines jeweiligen Blocks. Dies macht NFT im Gegensatz zu einem Fungible Token nicht austauschbar bzw. kopierbar. Die Technik wird beispielsweise genutzt, um digitale Dateien, wie Memes oder computergenerierte Kunstwerke, als Einzelstücke zu kennzeichnen. Eine Analogie zum NFT im nichtdigitalen Leben wäre beispielsweise die „Mona Lisa“, die nicht ersetztbar ist, weil es nur eine einzige Version, das Original gibt. Ein Fungible Token, beispielsweise ein 2-Euro-Stück, kann jederzeit durch ein anderes 2-Euro-Stück ersetzt werden.
Man kann die Bedeutung von Non-Fungible Tokens kaum überschätzen; die an anderer Stelle in diesem Buch erklärten Kryptowährungen basieren vollständig auf dem NFT-Konzept der Blockchain. Bekanntheit erlangten die Non-Fungible Token vor allem durch Nachrichten von digitalen Kunstwerken, die für Millionen von US-Dollar verkauft worden sind. Das konnte man zum Beispiel bei der ersten rein digitalen Kunstauktion des Auktionshauses Christie's im März 2021 beobachten. Bei diesem Anlass wurde ein Kunstwerk des Digitalkünstlers Mike Winkelmann versteigert, der unter dem Namen „Beeple“ bekannt ist. Das Werk erzielte einen Verkaufspreis von 69,3 Millionen US-Dollar, was es zu diesem Zeitpunkt zum teuersten digitalen Kunstwerk machte.18
Im Frühjahr 2021 erhielt die Versteigerung von Jack Dorseys erstem Tweet als NFT – er ist der Gründer von Twitter – viel Aufmerksamkeit. Der Tweet ging für 1.630 Ether, einer Kryptowährung, u zu diesem Zeitpunkt umgerechnet etwa 2,9 Millionen US-Dollar, an einen Software-Unternehmer aus Malaysia.19
Letztendlich können sämtliche Vermögenswerte, die tokenisierbar sind, ein NFT sein – also neben Kunstwerken zum Beispiel auch Sammelkarten, Videos, Fotos oder Musikstücke. Und selbst vor dem Immobilienmarkt hat der NFT-Hype nicht haltgemacht. So wurde das Luxusanwesen „Mars House“ für mehr als eine halbe Million US-Dollar auf der digitalen Kunstplattform SuperRare verkauft. Die Immobilie konnte nur virtuell besichtigt werden und wurde dem Käufer entsprechend in Form eines digitalen 3D-Ordners zugestellt.20 Dem gängigen Spruch „Nur Bares ist Wahres“ ist also im Metaverse die Erkenntnis „Token sind alles“ entgegenzusetzen.
Übrigens: Ein Meme, ein kreativ geschaffener Bewußtseinsinhalt, ist eine Art Videoclip, meist mit montierten oder aus dem ursprünglichen Kontext gerissenen Fotografien, Zeichnungen, Animationen oder Filmsequenzen, der eine Meinung äußert, die häufig von vielen Unterstützern im Netz weiterverbreitet wird. Die Art der Aussagen reichen von humoristisch über gesellschaftskritisch bis rabenschwarz.21 Ein Meme stellt ein typisches Beispiel für eine neue Art von Kulturphänomen dar, der im Internet entstanden ist und sich im Metaverse sicherlich noch vielfältig weiterentwickeln wird.
Die wenigen Beispiele verdeutlichen, dass das Metaverse zwar vorerst noch eine Zukunftsvision zu sein scheint, die aber längst begonnen hat. Tim Sweeney, Gründer des Fortnite-Studios Epic Games, gab im April 2021 die Pläne für ein Metaversumsprojekt bekannt. Für den Aufbau veranschlagte Epic Games rund eine Milliarde US-Dollar, die über Investoren hereingeholt werden sollen.22 Im Juli 2021 kündigte Mark Zuckerberg an, sich mit seinem Unternehmen Facebook auf die Entwicklung eines Metaversums konzentrieren zu wollen.23 Am 28. Oktober 2021 verkündete er folgerichtig die Umbenennung des Konzerns in Meta.24
Die wenigen Beispiele verdeutlichen, dass das Metaverse in seiner finalen Form zwar noch in weiter Ferne liegen mag, die Entwicklung und die Monetarisierung jedoch spätestens 2021 angefangen haben. Das Metaverse hat Fahrt aufgenommen und alles deutet darauf hin, dass es in den nächsten Jahren zu einer rasant beschleunigten Entwicklung kommen wird.
Die gängigsten Vorstellungen vom Metaverse stammen aus dem Science-Fiction-Genre. Hierbei wird das Metaverse typischerweise als eine Art allumfassendes Internet dargestellt, eine Manifestation der echten Realität, die jedoch in einer virtuellen Welt dargestellt wird – so beispielsweise in Filmen wie „Ready Player One“ und „Matrix“. Solch eine Darstellung mag durchaus einen Aspekt des Metaversums charakterisieren, dennoch ist sie ähnlich eingeschränkt, wie zum Beispiel im Film „Tron“, in dem das Internet buchstäblich als digitale „Informationsautobahn“ aus Bits in Szene gesetzt wird. All diese Darstellungen sind nicht falsch, aber sie zeigen jeweils nur einen Teilaspekt, ähnlich wie sich eine schmackhafte Mahlzeit nicht auf nur eine ihrer Zutaten reduzieren lässt.
Ebenso wie es 1982 schwer vorstellbar war, wie das Internet der 2020er aussehen würde, ist es heute schwierig, das Metaverse zu beschreiben. Für jemanden, der sich 1982 nicht „einloggen“ konnte, also das Internet nicht selbst erleben konnte, waren die damaligen Beschreibungen nebulös, kaum nachvollziehbar, klangen eher wie Science-Fiction. Genauso mag es heute dem einen oder anderen gehen, wenn vom Metaverse die Rede ist.
Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Attributen, mit denen das Metaverse beschrieben und eine Ahnung davon vermittelt werden kann, was auf uns zukommen wird.25
Das Metaverse fängt irgendwann einmal an und hört nie mehr auf – genau wie das echte Leben. Wir werden geboren, leben und sterben – aber die Welt dreht sich weiter. Ungefähr so soll auch das Metaverse funktionieren: Eine Welt, in der wir – jeder Einzelne von uns – eine Rolle spielen, aber die auch ohne uns weiterläuft. Das Metaverse wird – im Unterschied zu Filmen, Spielen oder virtuellen Simulationen – niemals „zurückgesetzt“, „pausiert“ oder „beendet“.
Das Metaverse läuft parallel zu unserem realen Leben. Es existiert für jedermann in Echtzeit. Zwar wird es im Voraus geplante und in sich geschlossene Ereignisse geben, wie wir auch im realen Leben Veranstaltungen und sonstige Ereignisse kennen, die einen Anfang und ein Ende haben, aber das Leben und das Metaverse laufen immer wieder.
Jedermann, wir alle, können am Metaverse teilnehmen, uns dort aufhalten, präsent sein, uns individuell ausdrücken. Wir können an beinahe jeden Ort im Metaverse gelangen und uns dort entfalten. Die Idee des Metaverse ist im Grunde nichts anderes als eine digitale Zivilisation, ähnlich unserer realen Zivilisation, in der wir uns selbst bestimmen können. Während wir im realen Leben etwa aufgrund unserer Herkunft und unseres Aussehens in einer Weise vorherbestimmt sind, die wir schwerlich zu beeinflussen vermögen, können wir im Metaverse genau das Individuum sein, das wir sein wollen – jederzeit und überall. In diesem Sinn stellt das Metaverse das Versprechen eines besseren Lebens dar – zwar „nur“ digital, aber immerhin.