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Henry ist ein reisefreudiger Seestern. In drei Geschichten wird von seinen Abenteuern erzählt. Auf seiner Italienreise lernt Henry endlich seinen Cousin Antonio persönlich kennen. Aber er trifft auch auf die böse Zangenkrebsgang und muss sich mit ihr auseinandersetzen. Seine nächste Reise geht nach Norwegen, wo er mit Antonio Weihnachten feiern möchte. Allerdings bringt ihn und seinen Freund Gunwald der alte Buckelwal Jared in arge Bedrängnis, weil der bei der Überquerung des Atlantiks die Orientierung verloren hat. In der dritten Geschichte muss Henry los, um seiner Seestern-Verwandtschaft im Schwarzen Meer zu helfen. Von dort gibt es schrecklich beunruhigende Nachrichten. Ausgerechnet eine Hai und die wilden Orca-Wale muss er um Hilfe bitten. Der Text ist in größerer Schrift geschrieben.
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Seitenzahl: 99
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Dieses Buch ist den Meerestieren der Welt gewidmet.
Henrys Reise nach Italien
Antonio
Das Schiff
Das Fischernetz
Die Riesenseesterne
Die Verhandlung
Die Zangenkrebsgang
Die Verabschiedung
Die Hochzeit
Henrys Italienreise in Bildern
Seestern Henry feiert Weihnachten in Norwegen
Der Entschluss
Die Abreise
Der Golfstrom
Hilflos im Atlantik
Gestrandet
Die Menschen
Die Rettung
Der Ausflug mit dem jungen Orca Wal
Die Seniorengruppe
Die Weiterreise
Ein trauriger Tag
Ein Wal in Not
Ankunft in Norwegen
Antonio
Das Weihnachtsfest
Henry auf Sondermission
Über die Autorin:
Henry hatte Post von seinem Cousin aus Italien bekommen. Es war eine Einladung von Antonio, die Ferien mit ihm zu verbringen. Henrys Eltern hatten der viele Wochen lang dauernden Reise letztendlich zugestimmt. Für einen kleinen Seestern, wie Henry einer war, war sie nicht ungefährlich.
Der Wal, der Henry von Amerikas Ostküste durch den Atlantischen Ozean mitnehmen sollte, versprach, gut auf Henry aufzupassen. Er wollte ihn in Gibraltar, dem Felsen zwischen Spanien und Nordafrika, den Delfinen übergeben. Sie würden ihn dann direkt vor Rom, der Hauptstadt von Italien, absetzen.
Trotz großer Bedenken seiner Eltern durfte er endlich aufbrechen.
Der Wal glitt ruhig, aber schnell durch die Wellen. Henry musste sich mit den Saugnäpfen seiner fünf Arme ganz schön festhalten, besonders, wenn der Wal zum Luft holen auftauchte.
Noch schwieriger war es allerdings, auf den Delfinen sitzen zu bleiben, die übermütig Purzelbäume über den Wellen schlugen.
Die temperamentvollen Tiere waren aber nun mal die schnellste Möglichkeit, von Gibraltar nach Italien zu kommen - auch wenn man Muskelkater bekam.
Schließlich ist Henry aber doch wohlbehalten in Rom angekommen. Bevor Cousin Antonio ihn abholte, nahm Henry noch ein herrliches Sandbad. Dazu buddelte er sich tief in den Sand und schubberte sich ausgiebig. Als er wieder auftauchte, schüttelte er sich kräftig und war bereit für die neuen Eindrücke des fremden Landes und für die Abenteuer mit Antonio.
Sie trafen sich an der verabredeten Muschelbank und erkannten sich gleich, obwohl sie sich bisher nur geschrieben hatten.
Die ersten Minuten waren für die Beiden ein wenig schwierig. Durch ihre Briefe waren sie sehr gute Freunde geworden, hatten sich ihre geheimsten Gedanken anvertraut. Jetzt standen sie sich erstmals persönlich gegenüber und beäugten sich neugierig.
Sie waren miteinander verwandt, hatten beide fünf Arme und die gleiche Größe. Allerdings war Antonio viel dunkler als Henry, der mit seiner hellen sandfarbenen Haut gleich als Fremder auffiel.
Aber schon nach kurzer Zeit unterhielten sie sich, als wären sie schon immer zusammen gewesen.
Henry wollte als erstes etwas von Rom sehen, von dem seine Großmutter ihm so viel erzählt hatte.
„Und außerdem haben wir dann das Offizielle, die ganze Kultur und so schon hinter uns und können ausgiebig spielen“, sagte er verschwörerisch zu Antonio.
Mit einem Fischtaxi ging es den Fluss Tiber herauf und sie sahen sich das Kolosseum mit seinen vielen Katzen an. Es folgten noch so viele andere Sehenswürdigkeiten, deren Namen er schnell wieder vergessen hatte - es waren einfach zu viele.
Dann gingen sie etwas essen. Auf seiner ersten Ansichtskarte nach Hause schrieb Henry, wie erstaunt er darüber war, dass sich die Italiener für das Essen so viel Zeit ließen. Sie machten ein regelrechtes Fest daraus, das fast die ganze Nacht dauerte.
Am nächsten Morgen reisten Henry und Antonio mit dem Fischzug an der Küste entlang nach Süden, wo Antonios Familie wohnte. Obwohl sie sich beeilen mussten, weil Antonios Schwester bald heiraten würde und sie natürlich rechtzeitig dort sein wollten, nahmen sie sich Zeit, die kleinen Inselchen und den weiten herrlichen Strand zu bewundern.
Als sie schon fast in Antonios Bucht angekommen waren, hörte Henry ein brummendes Motorengeräusch. Antonio sagte: „Das ist nur ein Schiff. Da sind immer ganz viele Menschen drauf, die oft etwas Essbares ins Meer werfen. Manchmal ganz köstliche Dinge. Aber gefährlich sind die nicht.“
„Meine Eltern haben mir etwas anderes erzählt“, sagte Henry nachdenklich.
Antonio zerstreute seine Bedenken: „Ach, Eltern. Die haben doch immer Angst um einen.“
„Na ja, du bist hier zu Hause. Vielleicht ist es hier ja anders als bei uns“, sagte Henry.
Nach einer Weile war der Rumpf des Schiffes genau über ihnen. Henry war noch nie einem Schiff so nahegekommen und er stellte hundert Fragen, die Antonio lachend beantwortete. Sie waren damit so beschäftigt, dass sie die vielen Fische hinter sich gar nicht bemerkten.
Und dann passierte es:
Ein quietschendes, blechernes und sehr lautes, Geräusch näherte sich mit großer Geschwindigkeit, Sand stob auf, vor ihnen erhob sich eine dicke Leine - und dann erkannten sie das Netz, das sich schnell nach oben bewegte und sich wie eine Tüte zusammenzog. Hunderte von Fischen, Krebsen und die beiden Seesterne wurden auf engstem Raum zusammengedrängt.
Irgendwie wurde Henry nach oben geschleudert, und es gelang ihm, über die obere Leine außerhalb des Netzes zu kommen, bevor es sich endgültig zusammenzog und niemanden mehr freigab.
Schließlich gab es einen Ruck und das Netz blieb halb im Wasser hängen. Es bewegte sich nicht mehr.
Henry schrie verzweifelt Antonios Namen, aber in dem allgemeinen Geschrei hörte ihn niemand.
In dem Netz waren alle so eng zusammengepfercht, dass sie sich kaum bewegen konnten. Außerdem hatten die oben liegenden akute Wassernot - und Wasser war nun einmal für alle Meerestiere lebensnotwendig.
Henry war wie erstarrt vor Schreck. Doch nach einer Weile riss er sich zusammen und hangelte sich um das Netz herum. Oben, nahe der Wasseroberfläche, fand er Antonio an die Maschen des Netzes gedrückt. Einer seiner Arme hing schlaff aus einer Masche.
“Antonio! “, schrie Henry.
Der antwortete ganz schwach:
„Henry, sieh zu, dass du in Sicherheit kommst. Mir kannst du nicht mehr helfen!“
Henry stimmte ein Klagelied an und tanzte dazu. Die Tiere im Meer können keine Tränen vergießen, deshalb zeigen sie ihre Trauer auf andere Weise wie die Menschen.
Plötzlich hielt Henry inne:
„Nein, so schnell gebe ich nicht auf.
Und du auch nicht, Antonio!
Ich suche jemanden, der uns hilft.“
Henry sprang auf einen Fisch auf und schon ging es los in die weiten, ihm unbekannten Gewässer.
Er schrie dabei aus Leibeskräften: „Seesterne Italiens, bitte kommt mir zu Hilfe.“
Einige vorbeischwimmenden Fische sahen ihm verwundert nach.
Dann kam er an eine Seestern-Kolonie.
Er bettelte: „Bitte, bitte helft mir. Mein Freund ist in einem Netz gefangen.“
Sie antworteten müde: „Fremder, wir können zwar Muscheln öffnen, aber keine Netze zerstören.“
Darüber hatte Henry noch gar nicht nachgedacht. Aber es musste einen Weg geben! Er rief weiter um Hilfe. Da kam ihm ein Trupp von sehr großen und sehr böse aussehenden Seesternen entgegen. Henry bekam Angst. Die Riesen-Seesterne fraßen manchmal die kleineren, wie er einer war. Er wollte schon ausweichen, als der Anführer ihn ansprach: „Äih du. Wofür brauchste denn Hilfe?“
Henry nahm seinen ganzen Mut zusammen und antwortete: „Für meinen Freund. Er ist in großer Gefahr.“
„Aha“, sagte der Anführer und kratzte sich am Mund „Was gibste uns, wenn wir dir helfen?“
Henry erschrak: „Ich, äh ... was wollt ihr denn?“, stammelte er.
„Mit anderen Worten, du hast nichts. Pah!!“, rief der Anführer mit drohender Stimme. Er ließ alle Muskeln seiner fünf kräftigen Arme spielen.
Henry überlegte fieberhaft. Er besaß wirklich nichts Wertvolles.
Verzweifelt bot er ihnen das einzige an, was er konnte: „Ich schreibe euch eine Geschichte!“, sagte er stolz.
„Eine Geschichte?“, wiederholte der Anführer ungläubig. Er drehte sich zu den anderen um. „Habt ihr gehört? Er will uns eine Geschichte schreiben!“
Der ganze Trupp brach in grölendes Gelächter aus.
Minutenlang kugelten sich alle vor Lachen, bis einer atemlos brüllte:
„Was zum Seeteufel sollen wir mit einer Geschichte? Wir können noch nicht einmal lesen!“
„Dann erzähle ich sie euch!“, sagte Henry trotzig.
Jetzt lachten alle noch mehr als vorher.
„Ja, die von dem verschollenen Schatz irgendwo in oben Alaska, dort wo ...“ Henry war immer leiser geworden. Der Mut hatte ihn endgültig verlassen.
„Wenn ihr mir nicht für die Geschichte helfen wollt, habt ihr gar nichts“, sagte er noch leiser. Gerade wollte er auf seinem leicht beunruhigten Taxifisch davon schwimmen, als der Anführer ihn rüde festhielt. Henry glaubte, vor Schreck sterben zu müssen, aber der Anführer fragte nur ungehalten: „Dort wo was??“
Henry antwortete mit zitternder Stimme: „Dort wo das große Menschenschiff untergegangen ist. Dort wo die wertvollsten Muscheln der Welt sein sollen.“
„Sollen, sollen! Immer nur sollen. Alles Ammenmärchen, wa?“
„An den meisten Märchen ist etwas Wahres dran“, flüsterte Henry.
Der Anführer überlegte: „Schon möglich. Für ‘nen kleinen Seestern biste ganz schön mutig. Du musst deinen Freund wirklich sehr mögen. Die meisten aus deiner Familie hätten längst versucht, zu fliehen. Hhm, das gefällt mir.“
Er drehte sich zu seinem Trupp um und brüllte sie an: „Hört mit dem albernen Gelächter auf. Wir helfen ihm!“ Schlagartig verstummten die anderen.
Henry jubelte: „Super, das ist aber nett von euch.“ Fast wäre er dem Anführer um den Hals gefallen; das traute er sich dann aber doch nicht. „Lasst uns nur schnell machen, bevor es für Antonio zu spät ist.“
Schon bald kamen sie zu dem Netz, das immer noch unbeweglich im Wasser hing, und beratschlagten, was zu tun sei.
„Sieht schlimm aus“, sagte der Anführer langsam, „Junge, Junge, das sieht nicht gut aus!“ Er kratzte sich besorgt mit der Spitze eines seiner Arme am Mund.
Henry wurde immer verzweifelter.
Gerade, als er traurig aufgeben wollte, murmelte der Anführer: „Ich hab’s! Da hilft nur die Zangenkrebs-Gang.“
Erleichtert seufzte Henry: „Gott sei Dank!“ Aber dann redete der Anführer weiter: „Das Dumme ist nur, die werden uns nicht helfen.
Ich schulde denen noch was. Die bringen uns um, bevor wir etwas sagen können.“
Henry ließ entmutigt alle seine Arme hängen. Da kam eine tiefe, heisere Stimme aus dem Netz: „Das glaube ich auch. Du schuldest uns eine Menge, Castor.“
Der Anführer drehte sich erstaunt um und brach dann in hämisches Gelächter aus: „Max! Na so was. Mein Erzfeind ist auch in dem Netz gefangen.“
Obwohl Max ebenso eingepfercht und geschwächt war wie der arme Antonio, gelang es ihm, eine seiner Zangen drohend zu erheben.
„Wenn es dir gelingt, meine Leute hierher zu holen und mich zu befreien, dann ...“
„...dann sind wir quitt, “ beendete Castor den Satz mit Genugtuung.
Schnell arbeitete man einen Plan aus: Henry sollte in der Nähe des Netzes bleiben, um Max und Antonio Wasser zuzufächeln; Castor und seine Truppe wollten zur Krebskolonie und die Zangenkrebs-Gang so sehr reizen, dass sie ihnen folgten; alles Weitere wollte Max dann hier am Netz mit seinen Leuten besprechen.
Henry schien es eine ganze Ewigkeit gedauert zu haben, als er endlich Castors Truppe in erstaunlicher Geschwindigkeit heranschwimmen sah, gefolgt von den viel größeren, sehr wütend aussehenden Krebsen.
Am Netz angekommen, drehte sich Castor gelassen um und sagte überheblich: „Unser Freund Max ist in diesem Netz. Wir sollten uns mit der Befreiung beeilen. Ich höre schon die Motoren des Schiffes.
Bald wird das Netz ganz hochgezogen. Und dann ist es zu spät.“
Die Zangenkrebs-Gang stoppte verblüfft. „Du mit deinen blöden Geschichten. Noch einmal legst du uns nicht rein,“ kreischte einer der Krebse.
Mit letzter Kraft sprach Max: „Ich bin hier drin. Ich bat Castor, euch zu holen.“
In dem Moment erkannten die Krebse, dass blinde Wut kein guter Führer ist. Castor hätte sie genauso gut in eine Falle locken können.
Aber jetzt ging es darum, ihren Anführer zu befreien. Sie erhoben ihre Zangen und legten los. Bald hatten sie die ersten Fäden des Netzes durchgezwickt.
Gerade als ein Ruck durch das Netz ging, was anzeigte, dass es endgültig hochgezogen werden sollte, riss das Netz durch das Gewicht der Hunderte von Meerestieren unten ganz auf und gab seine Gefangenen frei.
Ein großes Jubelgeschrei ging durch das Wasser.