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Ben Brighton, der Erste der Arwenacks, war dieses Mal unbeteiligter Zuschauer, weil er als Lotse auf dem Flaggschiff "Salvador" fuhr. Denn die Schebecke griff an, überfallartig. Wie ein Raubvogel stürzte sie sich zwischen die Schaluppen und Einmaster der Themse-Ratten. Der Höllenlärm ging mit einem Schlag los. Hasard hatte Zielverteidigung nach allen Seiten befohlen, die Schebecke wurde zu einem feuerspeienden Ungeheuer. Aber dann schloß Ben Brighton die Augen, als die Schebecke einen Einmaster auf die Hörner nahm, rammte und untermangelte. Es sah aus, als segle sie durch den Einmaster hindurch. Masten und Spieren barsten weg - und als Ben Brighton die Augen wieder öffnete, luvte die Schebecke gerade an, um auf Gegenkurs zu gehen und nachzusetzen...
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Impressum©1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-96688-063-3Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]
Davis J. Harbord
Als der Konvoi heransegelt – schlüpfen sie aus ihren Löchern …
23. Dezember 1598.
Der Fischer auf dem Steg östlich von Margate an der südlichen Trichtermündung der Themse in die Nordsee hatte zwischen den Nebelschwaden an diesem frühen Morgen zehn einlaufende Schiffe gesichtet – Schiffe unter spanischer Flagge!
Nur der schlanke fremdartige Dreimaster an der Spitze des Konvois hatte die englische flagge geführt. Der Fischer war ganz nüchtern, aber was er sah, schien ihm Teufelswerk. Und darum war er in seine Hütte geflüchtet.
Etwa anderthalb Stunden später glaubte der Hafenmeister von Margate, Wahnvorstellungen zu haben, als er sich gerade anzog und zufällig durch ein Fenster der Hafenmeisterei schaute.
Da glitt ein Schiff nach dem anderen an den großen Kai und vertäute dort. Und fremdländische Wortfetzen wehten ihm in die Ohren.
Die Flaggen?
Ja, das waren spanische!
O heiliger Andreas, dachte der Hafenmeister, die Spanier sind gelandet – eine Invasion …!
Sir Harald Tregwin – der sogenannte Landedelmann hat eine Raubflotte aufgebaut, die aus 25 Schaluppen und 20 kleineren Einmastern besteht.
Hiram Webster – auch „Frog“ genannt, besitzt eine Hafenkneipe in Margate und geht unter anderem dem einträglichen Geschäft eines „Spähers“ nach.
Der Whistler – pfeift auf dem letzten Loch, weil er es auf der Lunge hat. Aber das Reifen vergeht ihm.
Ben Brighton – Hasards Erster hat Ärger mit dem Arsenalkapitän von Margate und nennt ihn ein „Arschloch“, was nun wirklich nicht die feine englische Art ist.
Philip Hasard Killigrew – steht vor der letzten Etappe seines Konvoi-Raids und muß noch einmal alle Register ziehen.
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Der Hafenmeister – er hieß Archibald Stubbs – stieß das Fenster auf, wischte sich über die Augen und beugte sich weit hinaus, um Genaueres zu sehen.
Kalte, feuchte Seeluft fegte in den Schlafraum, der im ersten Stock der Hafenmeisterei lag.
„Archie!“ quengelte Deborah Stubbs, seine bessere Hälfte. „Es zieht!“ Und sie kroch tiefer unter das Federbett. Nur ihr Schlafhäubchen schaute noch raus.
Archibald Stubbs fuhr zu ihr herum und sagte ächzend: „Die – die Spanier sind da! Eine Armada …“
„Quatsch!“ unterbrach ihn Deborah resolut. Ihre Nase wurde wieder sichtbar. „Morgen ist Weihnachten, da kommen keine Spanier, weil die auch feiern. Außerdem ist es denen bei uns viel zu kalt!“
Archibald mochte mit seiner Debbie nicht darüber streiten, ob die Spanier gleichfalls Weihnachten feierten und deshalb auf eine Invasion verzichteten. Frauen, insbesondere Debbie, entwickelten ihre eigene Logik, gegen die man machtlos war – und wenn man sich das Maul fransig redete.
Er sagte also gar nichts, knallte nur das Fenster zu, schlüpfte in die Hose und setzte sich auf einen Hocker, um die langschäftigen Stiefel anzuziehen.
Debbie rutschte im ehelichen Bett höher, runzelte die Stirn und fragte energisch: „Wo willst du hin?“
„Die Miliz alarmieren“, knurrte Archibald Stubbs. „Was denn sonst, verdammt noch mal?“
„Du bleibst hier!“ fauchte Debbie.
„Nein! Muß meine Pflicht tun!“ Archie stand auf, zerrte die Langschäfter höher – und erstarrte, als unten an die Tür gehämmert wurde.
„Wer ist das?“ verlangte Debbie zu wissen, obwohl ihr klar sein mußte, daß auch ihr Archie kein Hellseher war. Aber das hing ebenfalls mit Logik zusammen.
Archie fluchte, ging wieder ans Fenster, stieß es auf und brüllte nach unten: „Was ist los? Wer ist da?“
Unten trat ein Riese mit breiten Schultern und schlanken Hüften zurück, hob den Kopf und rief: „Sind Sie der Hafenmeister?“ Das war unverfälschtes Englisch.
„Ja, bin ich!“ blaffte Archibald Stubbs. „Und wer sind Sie?“
„Kapitän Killigrew“, erwiderte der Riese. „Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie so früh am Morgen störe oder aus den Federn hole, aber ich muß Sie unbedingt sprechen.“
„Gehören Sie zu den spanischen Schiffen dort am Kai?“
„Gehören ist gut!“ Der Riese lachte, und weiße Zähne blitzten in dem braunen Gesicht. „Umgekehrt wird ein Schuh draus – die Schiffe gehören zu meiner Crew und mir – nämlich spanische Schiffe, die wir vereinnahmt haben, um sie unserer Königin als Weihnachtsgeschenk zu bringen!“
Archibald Stubbs schluckte mehrmals. „Was sagten Sie – wie war ihr Name?“
„Philip Hasard Killigrew!“
„Etwa der Seewolf?“ Archibald Stubbs fiel vor Aufregung fast aus dem Fenster.
Der Riese lachte wieder. „Nun ja, man nennt mich so.“
„Ich komme!“ schrie Archibald Stubbs und fegte aus dem Schlafgemach. Das Fenster ließ er offen, aber die Tür knallte er zu. Dann knallte es gleich noch mal, aber das war Debbie, die aus dem Bett geflutscht war und das Fenster zugehauen hatte – wutentbrannt.
Aber gleich darauf stieß sie es wieder auf, beugte sich hinaus und schrie nach unten: „Ist das eine Art, zu nachtschlafender Zeit meinen Archie aus dem Bett zu holen?“
Dann blinkerte sie, denn der Riese dort unten verbeugte sich galant – so wie bei Hofe –, lächelte bezaubernd und rief: „Verzeihung, Ma’am, ich versichere Ihnen, daß ich das nie wieder tun werde. Aber wir sind seit drei Monaten unterwegs und von drüben aus der Neuen Welt hierhergesegelt, da nimmt man es mit der nachtschlafenden Zeit nicht mehr so genau. Bitte noch einmal um gütigste Vergebung.“ Er griff in die gefütterte Segeltuchjacke, holte etwas heraus und fragte: „Können Sie fangen, Ma’am?“
Debbie kicherte. „Aber ja!“
„Also dann – fangen!“ rief der Riese. „Ein kleines vorweihnachtliches Geschenk für Sie, Ma’am!“ Und er warf zielgenau etwas Taubeneiähnliches zum Fenster hoch.
Debbie fing es geschickt auf, und ihre Augen wurden tellergroß.
Eine wunderhübsche, große mattblinkende Perle!
„Oh!“ stammelte sie verwirrt und schmolz dahin.
Hätte Philip Hasard Killigrew jetzt eine Leiter angelegt, wäre die Festung im Sturm genommen worden.
Aber unten schloß Archibald Stubbs die Tür auf und ließ den Riesen eintreten. So hörte Hasard das gehauchte „Danke“ nicht mehr und konnte auch nicht sehen, daß die errötete Debbie die Perle an ihren wogenden Busen drückte. Es hätte ihn sicherlich entzückt.
Archibald Stubbs stellte sich vor, geleitete seinen frühen Gast in das Amtszimmer und fragte aufgeregt: „Was kann ich für Sie tun, Sir Hasard – verzeihen Sie, ich bin ganz durcheinander. Ich dachte schon, die Spanier seien bei uns gelandet, als ich die spanischen Schiffe am Kai sah.“
„Nein, nein!“ Hasard winkte lachend ab. „Ich glaube, die Spanier haben seit dem Tode Philipps des Zweiten etwas anderes zu tun, als bei uns eine Invasion zu planen, geschweige denn, durchzuführen. Da können Sie ganz unbesorgt sein, Mister Stubbs.“
„Ja, danke.“ Archibald Stubbs schien innerlich aufzuatmen, blickte aber immer noch nicht ganz durch, denn wo gab’s das schon, daß da einer erschien und ganz locker erklärte, er wolle der Königin zu Weihnachten mal so eben ein paar spanische Schiffe schenken, nicht wahr? Aber immerhin war das der legendäre Seewolf, und von dem erzählte man sich die tollsten Sachen.
Einmal – vor einigen Jahren – sollte er der Königin einen goldenen Anker geschenkt haben! Jawohl, ganz aus purem Gold, so was Verrücktes! Einen riesigen Schiffsanker …
„Sir!“ sagte Archibald Stubbs, und er war immer noch durch den Wind. „Stimmt es, daß Sie Ihrer Majestät mal einen goldenen Schiffsanker geschenkt haben?“
Hasard stutzte, dann erinnerte er sich und nickte lächelnd. „Ja, das stimmt.“
„Aber – aber so ein Anker aus purem Gold kann doch gar nicht halten“, stotterte Archibald Stubbs, „so was gibt’s doch gar nicht. Anker müssen aus Eisen sein. Einer aus Gold bricht bei Zugbelastung doch glatt auseinander. Oder?“
Hasard nickte, immer noch lächelnd. „Das ist richtig, Mister Stubbs. Aber das war eben ein besonderer Anker. Den hatte sich ein schlitzohriger spanischer Kapitän drüben in der Neuen Welt in Gold gießen, aber mit Blei überziehen lassen, um das Gold auf diese Weise nach Spanien schmuggeln zu können. Nur fiel der Goldanker nebst anderen Schätzen in unsere Hände, und wir beschlossen, ihn samt dieser Schätze Ihrer Majestät zu verehren. Das ist alles.“
Archibald Stubbs Augen waren genauso tellergroß wie die seiner Debbie beim Anblick der Perle.
Hasards Augen hingegen verloren sich irgendwo in einer unendlichen Ferne, und er murmelte: „Mein Gott, das ist über achtzehn Jahre her. Da brachten wir die ‚Isabella V.‘, vollbeladen mit Schätzen, an die Towerpier, und der damalige Towerhauptmann Mark Bromley glaubte, diese Schätze für sich vereinnahmen zu können …“ Er verstummte, denn die Situation damals, im März 1580, entschied sich gar nicht mal so sehr von der heutigen – es sei denn dadurch, daß er morgen nicht ein Schiff, vollbeladen mit Schätzen, Ihrer Majestät übergeben wollte, sondern gleich sieben.
Und bei dieser Überlegung hatte Philip Hasard Killigrew so ein gewisses Tickern im Kopf, das ihm verriet, daß diese sehr lange Reise über den Atlantik hier in Margate keineswegs zu Ende war.
Die längste Route dieser Reise war nicht die von der Karibik bis Margate, sondern die von Margate bis zur Towerpier – nur weniger als hundert Meilen, aber die konnten es in sich haben!
Hasards Augen kniffen sich zusammen. Konnte er diesem Mister Stubbs, seines Zeichens Hafenmeister von Margate, trauen? Aber der hatte ein offenes, ehrliches Gesicht, ein Gesicht, das kritiklose Bewunderung für „Sir Hasard“ ausdrückte, für den Seewolf, der Ihrer Majestät sieben spanische Schiffe verehren wollte – aber bestimmt keine Schiffe mit leeren Laderäumen!
„Mister Stubbs“, sagte Hasard und dämpfte die Stimme, „ich habe Sie aufgesucht, um etwas mit Ihnen zu besprechen. Und ich bitte Sie, nichts darüber hier in Margate bekannt werden zu lassen, obwohl ich mir darüber im klaren bin, daß sieben spanische Schiffe dort hinten am Kai Aufsehen erregen werden.“
Archibald Stubbs nickte und sagte: „Sie können sich darauf verlassen, Sir. Was hier besprochen wird, bleibt unter uns.“
„Gut“, sagte Hasard. „Stimmt es, daß Sie über eine Reiterstafette eine unmittelbare Verbindung zum königlichen Hof haben, um dorthin wichtige Nachrichten zu übermitteln?“ Hasard grinste. „Zum Beispiel die Nachricht über spanische Invasoren?“
„Das ist richtig, Sir Hasard.“
„Dann wäre es möglich, daß ich über diese Verbindung Ihrer Majestät eine Nachricht zusenden kann?“
„Selbstverständlich.“
„Sind die Reiter dieser Nachrichtenstafette zuverlässig?“ fragte Hasard.
„Absolut. Es sind ausgesuchte Leute und gute Reiter“, erwiderte Archibald Stubbs. „Das müssen sie sein, wenn bei Wind und Wetter und Hagelschlag Alarmmeldungen schnell den königlichen Hof erreichen sollen.“
Hasard überlegte und fragte dann: „Ihnen ist bekannt, wo sich Ihre Majestät zur Zeit aufhält?“
„Soviel ich weiß auf ihrem Schloß in Richmond westlich von London.“ Archibald Stubbs grinste und fügte hinzu: „Es soll das wärmste ihrer Schlösser sein – alte Leute frieren ja leichter als junge.“
Nun ja, die gute Lissy war wirklich nicht mehr die Jüngste, da hatte Archibald Stubbs recht.