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Der eine ist der wohl bekannteste Pfarrer Deutschlands, der andere steckt als Kirchenpfleger hinter vielen verrückten Ideen der katholischen Kirchengemeinde »St. Maximilian« in München: Rainer M. Schießler und Stephan Maria Alof sind seit mehr als 25 Jahren ein unschlagbar kreatives Duo. Die beiden setzen alles daran, den Glauben ins Gespräch zu bringen – auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten. Zugleich entwickeln sie eine Perspektive für die Kirche von morgen. Machen deutlich, dass Kirche und Glaube alles andere als altbacken und langweilig sind. Eine Einladung zur inneren Positionsbestimmung in Glaubensfragen. Und ein Fundus an Spaß und Humor.
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Seitenzahl: 311
Pfarrer Rainer M. Schießler / Stephan Maria Alof
Einfach mal machen und so Kirche verändern
Knaur eBooks
Der eine ist der wohl bekannteste Pfarrer Deutschlands, der andere steckt als Kirchenpfleger hinter vielen verrückten Ideen der katholischen Kirchengemeinde »St. Maximilian« in München: Rainer M. Schießler und Stephan Maria Alof sind seit mehr als 25 Jahren ein unschlagbar kreatives Duo. Die beiden haben es faustdick hinter den Ohren und setzen alles daran, den Glauben immer wieder neu und positiv ins Gespräch zu bringen – ohne Festhalten am Gestrigen. Dafür nehmen sie auch gerne Gegenwind in Kauf.
Wo man andernorts in der katholischen Kirche angesichts steigender Austrittszahlen noch im Dornröschenschlaf zu verharren scheint, entwickeln Schießler und Alof eine Perspektive für die Kirche von morgen, die auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten ist und die befreiende Botschaft des Glaubens in den Mittelpunkt stellt. Eine Einladung zur inneren Positionsbestimmung in Glaubensfragen. Und zugleich ein unterhaltsames Lesevergnügen.
Widmung
Echt jetzt?
Andere Sichtweisen
Neues ausprobieren
Einander verbunden
Alles hat seine Zeit
Um den guten Ruf besorgt
Für andere
»Gut katholisch«
Anders sein
Volle Kanne
Sauber!
Gesund?!
Liebe
Geprägte Zeiten
Pssst …
Offene Türen
Die drei S
Beherzt zupacken
Alle in einem Boot
Was uns anvertraut ist
Gegen den Sog der Gleichgültigkeit
Die Liebe findet dich
Wohin sollen wir gehen?
Das schaffen sie nicht
Licht und Schatten
Schau!
Fülle und Weite
Danke für die Schönheit
Momentaufnahme
»Grundversorgung«
Wider die Einsamkeit
Den Tagen mehr Leben geben
Hier und Jetzt
Nachspiel
Die Skulptur »Der kleine König«, die auf dem Titelfoto in der Mitte steht, schuf der Künstler Ralf Knoblauch. Sie ist bei vielen Aktionen der Gemeinde St. Maximilian mit dabei und steht für eine besondere Haltung dem Menschen gegenüber.
Mehr über die Arbeiten von Ralf Knoblauch und die von ihm geschaffenen kleinen Könige finden Sie auf der Homepage des Künstlers: www.ralfknoblauch.de
Wir widmen dieses Buch den Mitgliedern und engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Münchner Pfarrei St. Maximilian, die uns selbst seit gut drei Jahrzehnten Heimat ist. Danke an alle, die uns dabei unterstützen, das zu tun, was uns am Herzen liegt – und ebenfalls danke an alle, die einfach da sind und mitmachen.
Gemeinsam teilen wir die Erfahrung: Es geht meist viel mehr, als man denkt! Und wir dürfen uns trauen, unsere Träume zu leben. Jesus sagt seinen Jüngerinnen und Jüngern
Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier nach dort! und er wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich sein. (Mt 17,20–21)
»Seid ihr noch zu retten?!« Diese Frage stellt sich momentan vielen Menschen, wenn sie an die katholische Kirche denken. Und ja – es ist wirklich kaum zu fassen, was sich unter deren Dach in der Vergangenheit alles ereignet hat und wie manche Verantwortliche bis heute agieren. Längst ist belegt, welche Ausmaße das Thema »Sexueller Missbrauch« weltweit und in Deutschland hat. Aber immer noch kommt Neues zutage.
Ein weiteres Gutachten, das am 20. Januar 2022 in München vorgestellt wurde, hat uns alle erschüttert. Einmal mehr wurde deutlich, dass man jahrzehntelang vor allem dafür gesorgt hat, die Kirche als Organisation zu schützen, statt sich um die Opfer von sexueller, physischer und psychischer Gewalt zu kümmern. Immer wieder hat man Täter von Ort zu Ort versetzt und Beweismaterial vernichtet, statt sie vor Gericht zu stellen. In Köln wurde eine Akte mit entsprechendem Inhalt mit dem Titel »Brüder im Nebel« beschriftet. Unfassbar, die schrecklichen Taten auf diese Weise zu verschleiern und zu verharmlosen!
Spätestens seit der Veröffentlichung des Films »Das Schweigen der Hirten« im Jahr 2018 hätte es ein Umsteuern und deutliche Signale aus dem Vatikan und den regionalen Kirchenleitungen gebraucht. Aber es wurde weiterhin abwartend und viel zu zögerlich reagiert. Dabei wäre es längst an der Zeit gewesen, alles aufzudecken, die eigene Schuld zu bekennen, Opfer um Vergebung zu bitten und für das erlittene Leid wenigstens finanziell großzügig zu entschädigen.
Ja, es hat solche Entschuldigungsversuche gegeben. Aber Aussagen wie: »Ich bin betroffen von den Taten der anderen« oder »Das hätte nie passieren dürfen, das System hat versagt« – sie helfen nicht weiter, sie reichen nicht! Das neue Gutachten ist ein weiterer Ruf zur Umkehr!
Es ist fünf nach zwölf. Viele enttäuschte und auch zu Recht ob der Geschehnisse wütende Menschen verlassen die katholische Kirche. Die Austrittszahlen steigen von Jahr zu Jahr und die Kirche steht irgendwann mit dem Rücken zur Wand – auf der in großen Lettern das Wort »Bedeutungslosigkeit« steht.
Der Missbrauchsskandal wird jedenfalls nicht aus dem Gedächtnis der Menschheit verschwinden. Und noch in Jahrzehnten werden die Folgen zu spüren sein. Denn wie schlimm ist es, wenn diejenigen, die eigentlich für die Botschaft der Liebe einstehen sollen, derartige Taten begehen, decken oder vertuschen – nur um eine fromme Organisation zu schützen oder ihre eigene Macht zu erhalten? So denken viele!
Kirche lebt mehr als jede andere Einrichtung vom Vertrauen der Menschen. Wir müssen darum ringen, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Wie kann das gehen?
Zunächst haben die Menschen ein Recht darauf, zu erfahren, wer da alles mitgemacht hat. Denn bei aller berechtigten Kritik an der Organisation und Hierarchie hat nicht »die Kirche« an sich versagt, es waren immer einzelne Menschen vor Ort, die Schuld auf sich geladen haben. Die Beteiligten müssen nun die Konsequenzen tragen.
Es geht bei der Aufklärung nicht nur darum, welcher Missbrauchstäter wann und wo etwas getan hat, sondern auch um die Frage, wer alles dabei war, wenn vertuscht, verdeckt, versteckt oder verharmlost wurde. Wer dazu beigetragen hat, dass sich derartige, ungeheuerliche Vorfälle weltweit vieltausendfach wiederholen konnten – und das jahrzehntelang! Wer eine Mitschuld daran trägt, dass Missbrauchstäter nach einem ersten Vorfall nicht gestoppt wurden, sondern weitere Taten begehen konnten. Warum Täter oftmals nur versetzt wurden, um später an neuer Stelle ungebremst weiterzumachen. Diese Fragen müssen wir klären! Und wir sollten auch denen nachgehen, die scheinheilig behaupten, sie wüssten von nichts, obwohl sie bei den Gesprächen und Entscheidungen nachweislich mit am Tisch saßen. Da hängen ganz viele mit drin!
Es ist wie bei einem Banküberfall. Am Ende werden eben nicht nur diejenigen verurteilt, die den Mann am Schalter mit der Waffe bedroht und geraubt haben, sondern auch alle anderen Tatbeteiligten. Die Typen, die während der Tat Schmiere gestanden haben, derjenige, der das Fluchtauto besorgt hat, und auch diejenige, die ein gutes Versteck für die Bande vorbereitet hat.
Ein echter Neubeginn gelingt vermutlich nur mit anderem Personal. Denn wenn das Vertrauen erst einmal komplett weg ist, hilft es nicht, zu betonen, dass man gebraucht wird, um die Kirche zu leiten und in die Zukunft zu führen.
Und es gibt an dieser Stelle keine Unterschiede: Egal ob Papst, Kardinal, Bischof, Monsignore, Prälat, Priester, Personalreferent oder Ordensfrau – alle, ausnahmslos alle müssen Position beziehen und sich erklären, wenn sie in irgendeiner Form an dem Geschehen beteiligt waren. Ein Schuldeingeständnis kann dabei helfen, dass die Opfer von Gewalt – all die Menschen, die so viel Leid erlebt haben – endlich zur Ruhe kommen können.
»Seid ihr noch zu retten?!«, das dachten wir auch, als vor etwa einem Jahr ein Sendschreiben aus Rom zum Thema »Segnung gleichgeschlechtlicher Paare« veröffentlicht wurde.
In einer Situation, in der ohnehin schon jede Menge Stimmen laut werden, dass die Kirche mit Blick auf die Sexualmoral anders agieren sollte als bisher, schreibt der Papst einen »Hirtenbrief«, der in den Augen vieler alles andere als fürsorglich daherkommt. Seine Botschaft ist eindeutig: »Gleichgeschlechtliche Paare bekommen keinen Segen«, Punkt. Aus.
»Echt jetzt?! Das ist nicht euer Ernst!« – könnte man meinen. Aber es ist ernst!
Hunderttausende von Menschen haben genug von derartigen Ansagen, schwer verdaulichen Sendschreiben und vor allem vom gefühlten Stillstand in der Kirche. Dem Festhalten am Gestrigen und dem Gefühl, endlos auf etwas zu warten, was längst überfällig ist: einen wirklichen Neuanfang, der die Kirche wieder zu einem Ort macht, an dem sich alle, die möchten, willkommen und zu Hause fühlen können.
Klar gibt es auch einige Konservative, die es gut finden, wenn der Vatikan unmissverständlich klarstellt, dass homosexuelle Beziehungen nicht gesegnet werden dürfen. Manchen ist es auch egal. Aber viele, darunter auch wir, finden es befremdlich, so etwas im Jahr 2021 anzuordnen. Und für die Menschen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, ihre Familien und Freunde ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn man gesagt bekommt: Ihr gehört nicht zu denen, die in der Kirche willkommen sind. Mehr noch: Ihr bekommt keinen Segen Gottes, weil eure sexuelle Orientierung schlichtweg falsch ist (um das Wort »Sünde«, das wir an dieser Stelle als völlig absurd empfinden, nicht zu gebrauchen).
Am 25. Januar 2022 lief in der ARD der Film »Wie Gott uns schuf« des Journalisten Hajo Seppelt. Gleichzeitig outeten sich einhundertfünfundzwanzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirche, von der Kantorin bis zum Priester, dass sie homosexuell oder queer unterwegs sind. Es ist bewegend zu sehen und zu hören, wie die Menschen, die hier an die Öffentlichkeit treten, darunter leiden, wie die Kirche mit ihnen umgeht. Dass sie die Liebe ihres Lebens verleugnen müssen, um ihre Arbeitsstelle nicht zu verlieren. Die Betroffenen berichten von Zurückweisung, Einschüchterung, Denunziationen, Disziplinarmaßnahmen und Selbstmordversuchen.
Man könnte angesichts all der Schlagzeilen und der aktuellen Debatte meinen, es gehe mit der Kirche nur noch bergab … Aber glücklicherweise gibt es auch kleinere und größere Lichtblicke. Mancherorts scheint man aus dem Dornröschenschlaf aufgewacht zu sein, bezieht Position, leitet Veränderungen ein und versucht dabei die sogenannten »Laien« einzubeziehen, weil es um die Zukunft der Kirche geht. In den letzten Monaten ist einiges in Bewegung gekommen.
»Seid ihr noch zu retten?!« Das wäre zu hoffen … Aber wir selbst müssen die Kirche gar nicht retten. Viel wichtiger ist die befreiende Botschaft des Glaubens. Diese gilt es zu bewahren. Denn es wäre mehr als schade, wenn sie in all den Auseinandersetzungen unterginge.
Abzuwarten, bis »die da oben« sich ändern und es offizielle Handlungsanweisungen gibt, wie wir als katholische Kirche aus der Misere kommen, ist nicht unser Ding. An diesem Punkt sind wir uns einig. Unsere Zeit ist hier und jetzt. Und wir machen einfach treu unsere Arbeit vor Ort, an der Basis, so gut es geht.
In einem kreativen Miteinander entstehen seit mehr als zweieinhalb Jahrzehnten in der Pfarrei St. Maximilian in München immer wieder schöne Projekte. Unsere unterschiedlichen Begabungen ergänzen sich dabei gut und wir haben gemeinsam mit vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jede Menge lostreten können. Davon erzählt dieses Buch. Menschen für den christlichen Glauben zu begeistern, die Botschaft von Jesus von Nazareth weiterzugeben – das ist uns ein Anliegen.
Immer wieder geht es um die Frage: Wie kann es gelingen, Kirche und Glaube zeitgemäß zu präsentieren, sodass die Botschaft ankommt? Zunehmend erleben wir, dass es schwieriger wird und uns in der Gemeindearbeit ein rauer Wind entgegenweht. Es melden sich weniger Mädchen und Jungen zur Kommunion an, es kommen weniger Firmlinge zu den Kursen und junge Familien nutzen das Angebot der Gemeinde seltener. Dabei geht es uns hier in Sankt Max noch vergleichsweise gut. Die Gottesdienste haben Zulauf, die Menschen beteiligen sich an vielen Aktionen der Pfarrei.
Aber die Fehler, die weltweit und in Deutschland in der katholischen Kirche immer wieder begangen werden, schlagen natürlich durch bis in die Gemeinden vor Ort. All das Machtgehabe und das unselige Agieren einzelner Bischöfe, das Blockieren und Verweigern, das Taktieren und Abwarten – es führt tiefer in die Krise. Wenn es mit Blick auf mögliche Neuerungen heißt: »Keine Experimente« oder »Das war doch schon immer so«.
Natürlich ist es bequemer, sich auf nichts Neues einzulassen. Aber es ist an der Zeit, zu handeln und das eine oder andere an Reformen endlich auf den Weg zu bringen. Denn die Kirche erodiert an vielen Ecken schneller, als man schauen kann. Und ab einem bestimmten Punkt ist manches kaum noch aufzuhalten. Es entgleitet den Verantwortlichen.
Eines müssen wir bei aller Kritik, die wir äußern, an dieser Stelle unbedingt klarstellen: Wir haben die Weisheit keinesfalls mit Löffeln gefressen und wissen nicht alles besser. Oftmals sind auch wir ratlos. Und vieles von dem, was wir versuchen, misslingt auch, weil wir es falsch anpacken. Aber wir versuchen immer wieder neue Wege zu finden, wie Glaube schmackhaft und ansprechend daherkommen kann – im wahrsten Sinne des Wortes.
Was wir tun, schmeckt natürlich nicht jedem …
»Seid ihr noch zu retten?!« – diese Frage bekommen wir öfters zu hören. Ist das euer Ernst, diese oder jene Aktion zu veranstalten? Beispielsweise einen Faschingsgottesdienst mit Marschmusik und Blaskapelle zu gestalten, eine Regenbogenfahne vom Kirchturm wehen zu lassen oder eine Fronleichnamsprozession durchzuführen, die an der Schwulenkneipe haltmacht. Das gehört sich doch nicht – oder?
»Ihr traut euch ja was …«, meinen deshalb die einen. Andere sehen uns für das, was wir so veranstalten, irgendwann ganz bestimmt in der Hölle schmoren.
»Seid ihr noch zu retten?!« kann man dann wieder fragen. Wir sagen: »Ja, ganz klar, natürlich!«
Denn Jesus rettet gerade die schrägen Gestalten, die Ausgegrenzten und die vermeintlich verlorenen Schafe. Er hat sogar diejenigen besucht und umarmt, die ansteckende Krankheiten hatten. Jesus kannte keine Berührungsängste. Und er hat auch nicht immer das gemacht, was die geistlichen Anführer seiner Zeit von ihm verlangt haben. Der Gottessohn war überhaupt total ungewöhnlich unterwegs. Sein Leben und Sterben sind bis heute ohnegleichen. Angefangen bei den Umständen seiner Geburt in einer einfachen Feldscheune über die Auswahl seiner Wegbegleiter und -begleiterinnen und die zahlreichen Wunder, die er vollbracht hat – bis hin zum Tod auf dem Hügel Golgatha und seiner Auferstehung am dritten Tag danach.
Wir sind keine Kirchenreformer und erst recht keine Rebellen. Aber die Botschaft, um die es uns geht, hat Sprengkraft: Es ist die wunderbare Botschaft der Liebe und der Freiheit im Sinne Jesu.
Den christlichen Glauben in seiner ganzen Schönheit und Tiefe auszuloten, andere dafür zu begeistern, das treibt uns an. So ist dieses Buch auch eine Einladung zur inneren Positionsbestimmung in Glaubensfragen.
Rainer Maria Schießler und Stephan Maria Alof
Rainer M. Schießler // Kennen Sie den? Ein Ballonfahrer hat sich verflogen, und jetzt weiß er nicht mehr, wo er ist. Er kennt sich einfach nicht mehr aus. Da sieht er am Boden einen Mann laufen, den fragte er: »Können Sie mir sagen, wo ich bin?«
Der Mann ruft herauf: »In einem Heißluftballon.«
Der Ballonfahrer gibt zurück: »Kann es sein, dass Sie ein Pfarrer sind?«
»Woher wissen Sie das?«
»Erstens, weil Sie eine laute Stimme haben, zweitens, weil Sie mir Dinge sagen, die ich selber weiß. Und drittens, weil ich mit all dem nichts anfangen kann.«
Ich habe diesen Witz einmal an Fasching in der Kirche erzählt. Und die Leute haben herzlich mit mir gelacht. Lachen zu können, und das auch mal über sich selbst, das ist so wichtig. Die Menschen sollen Freude haben, am Leben und am Glauben.
Gerne mag ich auch diesen Witz: Mitten in der heiligen Messe kommt der Teufel in die Kirche. Alle Leute laufen sofort hinaus, der Pfarrer voran, er hat am meisten Angst. Nur ein Mann, Mitte siebzig, der bleibt sitzen. Geht der Teufel hin zu ihm und sagt: »Wieso läufst denn du nicht weg?«
»Warum sollte ich?«
»Ich bin der Teufel.«
»Das macht mir nichts aus, ich bin seit vierzig Jahren mit deiner Schwester verheiratet.«
Witze erzählen, das ist nicht einfach, gerade, wenn man sie auswendig vorträgt. Eine gute Vorbereitung hilft. Anderes entsteht spontan, ergibt sich aus einer bestimmten Situation heraus. Bei einer Viecherlmesse habe ich die Besucher einmal mit Blick auf eine Schildkröte gefragt: »Was haben wir beide gemeinsam? Die Antwort ist simpel: Wir sind beide uralt – und wir schau’n beide verdammt gut aus.«
Das fanden die meisten Anwesenden zum Brüllen komisch.
Wissen Sie, dass Sie, wenn Sie lachen, mehr Muskeln bewegen, als wenn Sie ins Fitnessstudio gehen? Nicht weitersagen, sonst machen die Läden alle Pleite.
Warum muss es in der Kirche immer so bieder, so ernst, so streng zugehen? Warum verlassen wir nicht öfters lachend und gut gestimmt den Gottesdienst? Diese Fragen stellen sich viele Menschen. Andere, oftmals sehr fromme sagen: Das mit dem Lachen steht nicht in der Bibel.
Aber die Bibel ist auch kein Handbuch, aus dem man herauslesen kann, wie etwas konkret ablaufen soll. Etwa: Bitte jetzt nicht in der Kirche lachen – weil das nicht sein darf. Denn Jesus hat schließlich auch nicht gelacht!
Doch das wissen wir gar nicht, denn es steht tatsächlich nichts darüber in der Bibel. Aber ich glaube schon, dass auch Jesus Humor hatte, dass er herzhaft lachen konnte – denn er war ein Mensch wie Sie und ich. Und das Lachen gehört zum Leben dazu.
Es steht ja auch nicht in der Bibel, dass Jesus sich gekämmt oder die Zähne geputzt hat. Und ich lebe doch heute nicht meinen Glauben, indem ich Jesus kopiere! Die Evangelien sind keine Regiebücher, keine Handlungsanweisung, die wir einfach umsetzen können. Wir müssen oft zwischen den Zeilen lesen. Wenn beispielsweise der Evangelist Johannes seinen Bericht mit der Hochzeit von Kanaan beginnt oder Jesus selbst immer wieder das Bild der Hochzeit, des Festmahls verwendet – warum tun sie das? Wir wissen doch, wie es bei solchen Festen zugeht, dass da ausgelassen gefeiert, getanzt, gegessen und getrunken wird.
Manch einer könnte jetzt ängstlich nachfragen: Ist das wirklich im Sinne der Kirchenordnung? Ja, warum denn nicht! Denn auch Jesus hat mit den Leuten zusammengesessen und mitgefeiert. Und er wird dabei manche lustige Geschichte erzählt haben, denn er war ganz bei den Menschen. Macht mir bitte aus Jesus keinen Miesepeter!
Das Osterlachen ist eine schöne Tradition, die seit Jahrhunderten in vielen christlichen Gemeinden gepflegt wird. Nach der langen Fastenzeit und der Passionswoche kommt man am Ostersonntag zusammen und feiert die Auferstehung Christi. Dass es dabei fröhlich zugeht, versteht sich für mich von selbst.
Einen neuen, richtig guten Osterwitz zu finden ist oft schwieriger, als eine gute Predigt zu formulieren. Denn in der Predigt hat man fünf bis zehn Minuten Zeit, das Thema zu entfalten. Ein Witz muss direkt auf den Punkt kommen und zünden.
Einen sehr netten Witz hat Stephan Alof vor einiger Zeit mitgebracht. Der geht so: Die Jünger fragen Josef von Arimathäa nach der Kreuzigung, wo sie Jesus beerdigen können. Und Josef von Arimathäa antwortet: Ach, das ist schwierig. Jesus ist hingerichtet worden, wie stehe ich denn da, wenn ich für so jemand ein Grab herrichte? Da sagt einer der Jünger: Jetzt tu nicht so, ist ja bloß für drei Tage.
Dass wir am Ende der Osterliturgie lachen können, ist wichtig. In dieser Situation, in der wir die Auferstehung Jesu feiern, lachen wir über den Tod, weil er keine Macht mehr über uns hat. Paulus fragt: Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Zu wissen, dass der Tod nicht das Ende bedeutet, das ist schön!
Es gibt sehr viele schöne Witze, die sich mit dem Glauben und der Kirche beschäftigen.
Meistens sind die einfachen die besten. Beispielsweise dieser: Ein Junge besucht mit seinem Bruder an einem Samstagnachmittag die Kirche. Eine Putzfrau macht zu dieser Zeit gerade den Mittelgang sauber.
Als die beiden Buben später heimkommen, fragt sie ihre Mama, wie es in der Kirche war. Sagt der eine Bub: Ach da war nichts Besonderes. Die Kirche war leer, der liebe Gott war nicht da, aber seine Frau hat geputzt.
Wenn wir in der Kirche lachen, heißt das nicht, dass wir den Glauben nicht ernst nehmen. Es ist ein befreites Lachen – denn wir dürfen frei sein und uns über das Leben mit all seinen Facetten freuen. Dazu lädt uns Christus ein. Seine Botschaft ist die der Freiheit!
Jede und jeder soll das Gefühl haben, willkommen zu sein. Und alle sind wichtig. Der kleine Junge, der im Gottesdienst mit dabei ist und am Ende hoffentlich fröhlich nach Hause kommt, die ältere Dame, die die Kirchenmusik so sehr liebt, und auch diejenigen, die eher am Rand des Geschehens stehen. Bei den Menschen zu sein, das ist mir ein großes Anliegen.
Zehn Jahre habe ich deshalb auf der Wiesn im Schottenhamel gekellnert. Zwei Wochen am Stück habe ich zwölf Stunden am Tag Bestellungen aufgenommen, Maßkrüge geschleppt und Hendl serviert. Ein Kontrastprogramm zu meinem Job als Pfarrer. Und doch hatte beides miteinander zu tun. Wenn der Kirche die Leute davonlaufen, dann laufe ich ihnen auf der Wiesn entgegen, mit Maßkrügen in der Hand.
Ich habe im Supermarkt und in Kneipen oft die besten Ideen gehabt. Meinen Job auf der Wiesn habe ich bekommen, weil ich den Schottenhamel-Wirt gefragt habe: Kann ich mal hier arbeiten? Einfach so. Es war eine spontane Idee.
Was bin ich die ersten Jahre dafür angefeindet worden. Man hat mir gesagt: »Das geziemt sich für einen Priester nicht!« Ich habe das gar nicht verstanden. Was sollte an meiner Tätigkeit falsch sein? Ich habe Urlaub genommen, um auf der Wiesn zu arbeiten. Meinen Lohn und das Trinkgeld habe ich immer gespendet, beispielsweise für ein Aids-Projekt an der Elfenbeinküste oder um syrischen Flüchtlingen im Libanon zu helfen.
Priester werden teilweise auch heute noch als »Hochwürden« wahrgenommen, eine Art Übermensch. Ich möchte mit den Leuten auf Augenhöhe sein – das kann man auf der Wiesn sehr gut üben. Trotz der harten Arbeit hat es mir sehr große Freude gemacht, mich auf der Wiesn zu engagieren. Immer wieder haben sich kurze, aber gute Gespräche mit den Gästen oder Kollegen ergeben. Und mein Einsatz hatte noch einen Nebeneffekt: Plötzlich kannten mich die Menschen in der ganzen Stadt. In einem Fernsehinterview hat einer der Gäste gesagt: »So muss ein Pfarrer sein – raus zu den Leut’, nicht sich in der Kirche verstecken.«
Als ich aufgehört habe, gab es Applaus von zweihundertzwanzig Kollegen. Der Wirt des Schottenhamel-Zeltes hat sich bei mir bedankt. Danach ist ein Saxofonist auf die Bühne gekommen und hat das Lied »Heast das nit, wia die Zeit vergeht« von Hubert von Goisern gespielt – da hatte ich Gänsehaut.
Es hat ja durchaus etwas Paradiesisches, mit anderen Menschen zu feiern. Und im Festzelt werden auch zahlreiche Ehen gestiftet.
Für die einen bin ich immer noch die lustige Wiesn-Bedienung, der Typ, der vermeintlich nicht über den Biertisch rausschaut, und für die anderen der unkonventionelle Pfarrer, der vor allem eines möchte: auffallen. Viele lesen irgendwas im Internet: vom »Pfarrer Klartext«, »… dem, der Tiere und Autos segnet« oder dem Rebellen – und schon stecken sie dich in eine Schublade. So wie manche Schauspielerinnen und Schauspieler, die immer wieder ähnliche Rollen spielen und irgendwann bloß noch »die schräge Kommissarin« oder »der kleine Komödiant« sind, obwohl sie durchaus ernste Rollen spielen könnten. Auch ich habe, wenn man mich näher kennt, durchaus viele Facetten und Begabungen, die mich ausmachen. Als einen Rebellen würde ich mich selbst jedenfalls nie bezeichnen. Das Wort ist mir unangenehm, allein, weil da der lateinische Begriff bellum, d.h. Krieg drinsteckt. Ich bin überzeugter Pazifist. Dass Menschen aufeinander losgehen, um sich umzubringen, werde ich nie verstehen. Ich finde das total widersinnig und kann mir im Fernsehen auch keine Kriegsfilme anschauen.
Weil du aus bestimmten Schubladen irgendwann kaum noch rauskommst, war mir mein letztes Buchprojekt, bei dem ich Auslegungen zu Bibeltexten veröffentlicht habe, besonders wichtig. Denn ich betreibe durchaus ernste Theologie und bin nicht nur so eine Art »Herrgottsquatscher vom Dienst«, wie mir manche zuweilen unterstellen. Das mit der »Schießler Bibel« war nicht meine Idee, der Verlag brauchte einen verkaufsstarken Titel und machte den Vorschlag. Und falsch ist der Titel ja nicht, denn dieses Buch besteht zur Hälfte aus Bibeltexten, nämlich solchen, die wir sonntags im Gottesdienst hören. Nach jedem Text folgt meine Erklärung – exakt das, was ich die ganze Woche lang in der Vorbereitung auf den Sonntag erarbeite. Und ich freue mich daran, wenn Menschen mir schreiben, dass ihnen dieses Buch an manchen Stellen die Augen geöffnet hat. Auch aus einem Kloster bekam ich Post, dort lesen sie beim Mittagessen aus dem Buch vor. Aber ich bin beileibe kein Heiliger ;-) Was ich denke, sage und tue, passt manchmal nicht zusammen. Ich mache Fehler wie jeder Mensch. Und das eine oder andere bereue ich später. Man probiert sich ja auch immer wieder neu aus und merkt manchmal erst nach einer Weile, was nicht stimmig, irgendwie ungeschickt oder total unpassend ist. Wenn andere Menschen über mich behaupten, dass sich das eine oder andere, was ich tue, so nicht für einen katholischen Priester gehört, muss ich das stehen lassen. Wir haben eben unterschiedliche Auffassungen.
Ich hatte nie das Gefühl, dass ich bloß ein Angestellter des Ordinariats bin. Auch wenn es für manche befremdlich klingen mag, bin ich davon erfüllt, meine Berufung zu leben. Meine Aufgaben als Priester sehe ich als Dienst an den Menschen. Dafür setze ich mich mit all meinen Fähigkeiten ein.
Meine Gegner werfen mir Arroganz vor und dass ich mich wichtigmachen will. Aber das ist nicht der Fall! Ich versuche vor allem, die Menschen mit der guten Botschaft des Evangeliums in Berührung zu bringen und dafür zeitgemäße Formen zu finden. Aufmerksamkeit ist wichtig, damit man überhaupt gehört wird. Und es ist schön, wenn die beste Botschaft aller Zeiten eine möglichst große Reichweite bekommt. Zugegebenermaßen macht es mir auch richtig viel Spaß, auf großen Bühnen zu sprechen. Manches hätte ich mich früher so noch nicht getraut. Du wächst ja mit deinen Aufgaben. Alles andere wäre ja auch schrecklich. Aber grundsätzlich war meine Denke nie anders als heute. Mit meiner Meinung halte ich ungern hinter dem Berg. Und ich bin seit Kindesbeinen in der katholischen Kirche zu Hause.
Als Kind war ich froh, wenn die Messe gelesen und der Gottesdienst aus war, weil ich manches total langweilig fand. Trotzdem bin ich dabeigeblieben und später selbst Priester geworden, weil ich gemerkt habe: Das ergibt Sinn. Und seitdem bin ich mit Leidenschaft in der Kirche engagiert. Natürlich habe ich mich im Laufe der Jahre verändert. Früher war ich in meinem Handeln sicher noch etwas konservativer. Viele Traditionen führe ich gerne fort, solange es die Menschen anspricht. Konservativ zu sein bedeutet, das Gute zu bewahren, damit es nicht verloren geht. Es eint Stephan Alof und mich, dass wir versuchen, kirchliche Tradition und moderne Lebenspraxis auf eine interessante Weise miteinander zu verbinden.
Im vergangenen Jahr zeichnete sich irgendwann ab, dass wir wegen der Corona-Pandemie die Fronleichnamsprozession nicht wie gewohnt durchführen können. Logisch: Es galt Abstände einzuhalten, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten eine »Mund-Nase-Bedeckung« tragen und eine Blaskapelle gab es natürlich auch nicht, wie sonst üblich.
Bewusst haben wir dann einen Schweigemarsch gemacht und dabei statt der traditionellen Kirchenfahnen Schilder getragen. Damit haben wir an die vielen Corona-Toten erinnert, an einigen Stationen im Viertel haltgemacht und gebetet. Wir haben uns in der Tradition eingefunden und sind trotzdem einen neuen Weg gegangen. Anschließend haben viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesagt, wie wichtig sie das fanden.
Gemeindepastoral heißt für mich, heute das zu tun, was in meiner Macht steht, um zu bewirken, dass Menschen das Angebot der Kirche für sich ansprechend finden. Die Gegebenheiten und den Zeitgeist zu berücksichtigen, Möglichkeiten und Chancen, die sich bieten, zu nutzen.
Wenn mich Menschen fragen: »»Na ja, glauben musst du natürlich schon selbst, das nimmt dir jetzt keiner ab. Aber die Kirche braucht dich! Und du brauchst die Kirche, weil wir hier miteinander feiern, miteinander trauern, miteinander das Leben in all seinen Facetten teilen.«
Jahrelang war ich ein großer Fan von Ueli Steck, dem Solokletterer, der in einer unglaublichen Geschwindigkeit die schwierigsten Routen gemeistert hat. Ueli Steck ist Wände hochgestiegen wie kaum ein Zweiter. Auch Felswände mit der Griffigkeit einer groben Raufasertapete. 2015 bestieg er innerhalb von zweiundsechzig Tagen alle zweiundachtzig Viertausender der Alpen. Zwischen den Bergen war Ueli Steck entweder zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Gleitschirm unterwegs. Insgesamt bewältigte er auf dieser Tour 117450 Höhenmeter und 1770 Kilometer Wegstrecke. Wahnsinn! Was für eine Energie der Mann hatte. Und was für ein Durchhaltevermögen.
Leider ist Ueli Steck 2017 bei einer Tour in Nepal abgestürzt. In einem Interview wurde der Extrembergsteiger einmal gefragt: »Wo schaut man denn am besten hin, wenn man mit einer Fingerkuppe in fünftausend Meter Höhe in der Wand hängt? Blickt man nach unten, wo man herkommt? Betrachtet man die Strecke, die schon geschafft ist? Oder schaut man nach oben, wie es weitergeht?«
Ueli Steck hat in etwa so geantwortet: »Ich schaue geradeaus in die Wand, das ist meine Lebensversicherung. Denn ich muss die Wand begreifen, das, was ist, bewusst mit allen Sinnen wahrnehmen und dann die beste Route herauslesen. Nur so kann ich weiter aufsteigen.« Das hat mich wahnsinnig beeindruckt.
Nichts anderes will auch ich tun. Das, was gerade in diesem Moment vor mir liegt, mit allen Sinnen wahrnehmen. Und dann andere begeistern, sich mit der Gemeinde Jesu auf den Weg zu machen.
Im Jetzt sein. Darauf kommt es an. Stephan Maria Alof und ich haben eigentlich nie, wenn wir uns zusammen hingesetzt haben, um zu besprechen, was gerade dran sein könnte, überlegt: Wohin führt das vielleicht auf lange Sicht? Wo mag das in zehn Jahren vielleicht enden? Es macht uns schlicht Spaß, das aktuelle Geschehen zu gestalten, alles andere ergibt sich dann von selbst.
Stephan Alof und ich sind auch alles andere als Verwaltungshengste. Der »Sitzungskatholizismus« ist an uns beiden spurlos vorübergegangen. Das können wir nicht, ebenso wenig wie Protokoll schreiben. Aber das, was wir machen, ist natürlich trotz aller Spontaneität bei der Durchführung im Vorfeld durchdacht und vorbereitet.
Immer haben wir beide nur die gerade aktuelle Aktion geplant, vielleicht noch die kommende Woche, den nächsten Monat, bestenfalls ein halbes Jahr im Voraus. Und wir haben – im Nachhinein muss ich sagen, leider – anschließend auch fast nichts von unseren Projekten im Bild festgehalten. Nur in den seltensten Fällen haben wir etwas archiviert, keine Erfolgsstorys gesammelt. Nie hatten wir Interesse daran, dass das, was wir zusammen auf die Beine stellen, irgendwann einmal im Rückblick präsentiert wird. Manche stellen ja wunderbare Dokumentationen zusammen, mit denen sie dann über ihre Arbeit berichten können. Das liegt uns fern.
Viel wichtiger war uns immer, dass es schön wird, was wir machen. Und ja, meistens haben sich viele Menschen tatsächlich daran gefreut. Und das war gut.
Unser Credo: Einfach machen, dann entstehen die tollsten Dinge!
Stephan Maria Alof // Wenn du Spaghetti zubereitest, kannst du allein durch die unterschiedliche Kochzeit der Nudeln einiges bewirken. Jede und jeder mag die Teigwaren auf die eine oder andere Art am liebsten: bissfest, al dente oder weich. Hartweizengrieß-Pasta oder Eiernudeln? Und dann die Soßen: Tomatensoße klassisch, bolognese, all’Arrabbiata mit Peperoni, mit Hackfleisch, Schinken, Speck, Lachs, Thunfisch, Krabben, Spinat, Erbsen und Möhren, frisch geriebenem Parmesan. Oder eine Käse-Sahne-Soße. Vielleicht auch vegan oder vegetarisch?
Ich koche wahnsinnig gerne, auch Spaghetti. Viele Rezepte habe ich schon ausprobiert, aber sicherlich noch nicht alle. Immer wieder finden sich neue Kombinationen, die superinteressant klingen und sich mehr oder weniger einfach zubereiten lassen. Eine bekannte Internetplattform für Kochrezepte nennt fünfhundertsiebenundvierzig Spaghettisoßen-Rezepte.
Es gibt Rezepte, die sind einfach der Hammer! Vor einer Weile habe ich ein Rezept von Ottolenghi ausprobiert: Tomatensalat mit Kardamom. Aus den Kardamomkapseln werden die Samen ausgelöst und im Mörser fein zerstoßen. Dazu kommen Ziegenfrischkäse, etwas Joghurt, der Saft einer Limette, je eine fein geschnittene kleine Chilischote, eine Knoblauchzehe und eine Zwiebel. Frische Minze und etwas Salz runden das Ganze ab. Das Gericht ist die reinste Geschmacksexplosion. Wenn du den ersten Bissen probierst, denkst du, dich haut’s um. So etwas Überraschendes hatte ich lange nicht auf dem Tisch. Anderes koche ich seit Jahren gerne immer wieder, weil es meinen Freunden und mir schmeckt.
Das meiste gelingt, wenn ich am Herd stehe, da hilft die Erfahrung. Manchmal gibt es trotzdem am Ende eine kleine Enttäuschung, weil ich schlicht nicht wusste, dass das Pärchen, das Alexander und ich das erste Mal zum Essen eingeladen haben, sich inzwischen ausschließlich vegan ernährt oder vier Peperonischoten in der Spaghettisoße letztlich doch zu viel waren und die Soße nach längerem Köcheln teuflisch scharf geraten ist.
Den Veganern zaubere ich vielleicht schnell einen Tomatensalat zu den Nudeln und die scharfe Soße kann ich verdünnen. So findet sich für vieles eine Lösung.
Wenn man sich in der Kirchengemeinde engagiert, ist es nicht anders. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, etwas Interessantes zu kreieren, was vielen Menschen schmeckt. Einige altbekannte Rezepte muss man abwandeln, damit sie mehr Pfiff bekommen. Anderes lässt man besser ganz sein. Ich denke an manche fettigen Speisen vergangener Zeiten, die ich heute nicht mehr anrühren würde.
Viele lieben Büfetts, an denen sie selbst wählen können, was ihnen schmeckt. Einheitskost ist nicht angesagt. Aber eines ist sicher: Liebe geht durch den Magen. Deshalb gibt es in St. Maximilian immer wieder Veranstaltungen, bei denen wir reichlich auftischen. Das kleine Gedeck sind Butterbrezen, die nach dem Gottesdienst im Innenhof gereicht werden, wenn wir noch zusammenstehen und ins Gespräch kommen. Bei anderen Gelegenheiten haben wir schon einen Foodtruck vor der Kirche aufgefahren. Da gab es dann Fleischpflanzerl (die bayerische Version von Fleischklopsen bzw. Frikadellen), Bratwurst, mexikanische Burritos mit Hackfleisch, Paprika und Mais, Pommes, Salat und natürlich auch vegane Bratlinge. Einige Hundert Menschen sind zum Essen geblieben und waren ganz begeistert.
Wir sehnen uns alle nach Abwechslung, auch in der Kirche. Das lässt sich machen!
Eine sinnliche Kirche, die mit vollen Händen Liebe austeilt – und die dazu auch etwas Ordentliches auf den Tisch bringt, damit Leib und Seele erfreut werden –, sie macht den Unterschied. Denn auf diese Weise wird es schmackhaft, duftet es derart köstlich, dass viele Menschen die Einladung annehmen. Der katholische Glauben beinhaltet viele sinnliche Elemente zum Schauen, zum Hören, zum Riechen, zum Schmecken und zum Fühlen – das alles gilt es freudig auszukosten. Seht, hört, fühlt und kommt zu Tisch! Und das nicht nur bei der Eucharistiefeier. Und habt Spaß, freut euch an der fetzigen Musik, die gespielt wird, an der schönen Dekoration und besonderen Auftritten.
Eine gastfreundliche Kirche, die ihre Türen weit aufmacht, hat Zukunft.
Zum Patrozinium, dem Gedenktag unseres Kirchenheiligen Maximilian, der am 12. Oktober gefeiert wird, stehen auch gerne mal »Goaßlschnalzer« auf den Kirchenbänken. »Goaßl« ist die Bezeichnung für die Fuhrmannspeitsche, deren lederne Enden mit lautem Knallen durch die Luft gewirbelt werden. Das Schnalzen ist eine Mordsgaudi. Im Anschluss an den Gottesdienst wird Bier ausgeschenkt, gemeinsam gegessen und getrunken. An Guadn!
Vor einiger Zeit kamen das erste Mal alle Faschingsgilden aus der Stadt und dem Umland von München zu einem Gottesdienst in St. Maximilian zusammen. Es war ein toller Tag, der bei vielen sicherlich noch lange nachhallt. Allein der Einmarsch der Gilden in die Kirche, im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten, ist beeindruckend. Ein riesiger Zug fröhlicher Menschen, die sich total freuen, dabei zu sein. Leute, die gerne feiern. Ihre prächtigen Kostüme in leuchtenden Farben sind eine Augenweide. In der Kirche werden Faschingslieder gesungen und geschunkelt: »Mer losse d‘r Dom en in Kölle.«
Warum nicht?
Wer zu welcher Konfession gehört, spielt bei solchen Ereignissen keine Rolle. Alle sind willkommen und mit Begeisterung dabei. Ganz nebenbei wächst durch solche Aktionen ein Netzwerk von Menschen, die du über das Jahr für die unterschiedlichsten Anlässe und Aufgaben ansprechen kannst. Zum Beispiel die drei Posaunisten und der Trommler, die im November beim Martinsumzug mitmachen, oder die Fotografin, die sich immer mal wieder bei unseren Aktionen sehen lässt und tolle Aufnahmen macht, seit sie an Fasching gemerkt hat, was für eine besondere Truppe in Sankt Max alle Register zieht. Alle fünf freuen sich darauf, mit von der Partie zu sein. In einer Gemeinschaft mit anderen gelingt manches, was wir allein nicht bewältigen könnten. Das zu erfahren ist pures Glück.
Vor einigen Jahren haben wir uns am Erntedankfest an der »Unbezahlbar-Aktion« beteiligt. In der Kirche und auch davor waren in langen Reihen jede Menge Tische aufgebaut, darauf hatten wir Pappteller und Stifte ausgebreitet. Die Gottesdienstteilnehmer waren dazu eingeladen, ihre Antworten auf die Frage »Was in deinem Leben ist wertvoll und mit Geld nicht zu bezahlen?« aufzuschreiben. Es haben so viele mitgemacht, dass die dafür vorgesehenen Pappteller nicht gereicht haben. Deshalb haben auch einige ihre Antworten auf die Papiertischdecken geschrieben.
Danach bin ich, wie viele andere auch, an den Tischen entlanggegangen und habe festgestellt, dass es oft sehr ähnliche Antworten waren. Ein Spiegel dessen, was im Leben wirklich zählt: Glaube, Hoffnung, Liebe, Partnerschaft, gute Freundinnen und Freunde, Sonnenschein, Singen, Spaß, Dankbarkeit. Entstanden ist die Aktion, die in vielen Städten auf der Welt Menschen zusammenbrachte, anlässlich der Bankenkrise. In Bethlehem stand eine Tafel vor der Geburtskirche, andere in Madrid, Dublin oder Nürnberg.
Als kleine Erinnerung bewahre ich eine Postkartenserie auf, die es damals zur Aktion gab. Denn es ist gut, sich immer wieder mal zu fragen: Was ist in deinem Leben wertvoll?
Am Erntedank-Sonntag haben wir einmal kleine Brote verteilt, die man mit nach Hause nehmen durfte. Duftendes, frisches Brot ist ein wunderbares Sinnbild; Jesus sagt von sich: »Ich bin das Brot des Lebens.« Bei anderen Gelegenheiten stellen wir eine lange, schön gedeckte Tafel in der Mitte der Kirche auf, an der wir nach dem Gottesdienst gemeinsam essen. Im Joseph, so heißt mein eigenes Restaurant, koche ich mit Helfern dreihundert Portionen Gulasch und natürlich auch eine vegetarische Suppe für alle, die kein Fleisch essen. Weintrauben und Brot stehen auf den Tischen; auch in den beiden Seitengängen sind Bierbankgarnituren aufgebaut. Die ganze Arbeit ist vergessen, wenn ich sehe, wie viel Freude die Menschen haben, beieinander zu sein und gemeinsam zu essen und zu lachen.
Letztes Jahr bekam an Allerheiligen jeder Gottesdienstbesucher ein kleines Gläschen selbst gekochter Marmelade mit auf den Weg. Und immer wieder gibt es in Sankt Max auch einen Frühschoppen mit Bier und Brezen.