Die Schießler-Bibel - Rainer M. Schießler - E-Book
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Die Schießler-Bibel E-Book

Rainer M. Schießler

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Beschreibung

Der Bestseller des medienbekannten Geistlichen und Menschenfischers jetzt im Taschenbuch: Ein inspirierender Ratgeber für alle Lebenslagen

In seinem Bestseller öffnet uns Rainer Maria Schießler mit seiner kraftvollen und sehr persönlichen Sicht auf die Heilige Schrift einen ganz neuen Blick, wie mithilfe der Bibel unser Leben mit all seinen Facetten gemeistert werden kann. Die Schießler-Bibel gewährt überraschend neue Einblicke und Denkanstöße und wird so zu einem lebensnahen Ratgeber für alle Situationen. Schießler geht dabei auf die Fragen ein, die alle beschäftigen, die nach Glauben, Gemeinschaft und dem Sinn des Lebens suchen. Eine inspirierende und spirituelle Lebenshilfe, welche die wichtigsten Bibelstellen des Autors mit seiner lebensnahen Auslegung verbindet.

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Mit seiner kraftvollen und persönlichen Sicht auf die Bibel eröffnet uns Rainer Maria Schießler einen ganz neuen Blick, wie mithilfe der Bibel unser Leben mit all seinen Facetten gemeistert werden kann. Damit gewährt die Schießler-Bibel überraschend neue Einblicke und Denkanstöße und wird somit zu einem lebensnahen Ratgeber für alle Situationen. Schießler geht dabei auf die Fragen ein, die alle Menschen beschäftigen, die nach Glauben, Gemeinschaft und dem Sinn des Lebens suchen. Eine inspirierende und spirituelle Lebenshilfe. Darin enthalten sind Rainer M. Schießlers wichtigste Bibelstellen mit der dazugehörigen lebensnahen Auslegung.

Diese Bibel des bundesweit bekannten Seelsorgers aus der bayerischen Landeshauptstadt entstand aus Sorge um unser Wohlergehen in diesem Leben – und aus der Überzeugung, dass dieses 2000 Jahre alte Buch ein wertvoller Rat-Geber für unsere Alltagssorgen sein kann.

Rainer M. Schießler

Die Schießler-Bibel

Kraft für alle Lebenslagen

Kösel

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Copyright © 2021 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlagmotiv: © Susanne Krauss/fotografie, susanne-krauss.com

Umschlag: ZERO Werbeagentur

E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-27314-9V002

www.koesel.de

Meinem Wegbegleiter im priesterlichen Dienst und unvergesslichen Freund Pfarrer Roland Breitenbach

(†15.Juli 2020)

Inhalt

Vorwort

Schon wieder Advent! Wie die Zeit vergeht!

Heil und Heilung

Veränderung erleben!

Der Mensch als ein heiliger Ort

Weihnachtswunderland

Visionen einen Raum geben

Ein Segen sein

Gott ist ein Gott der Anderen

Miterben Christi

Offener Himmel

Liebe im 7.Himmel

Kirche sammeln

Eure Heiligkeit!

Das Himmelreich ist nahe!

Dem Jesus sein Gott

Gott ist in mir

Ein Anderer sein können

Bitten können

Arm bleiben

Ihr seid das Salz der Erde!

Ja heißt Ja, Nein heißt Nein!

Gewaltlosigkeit und Feindesliebe

Nicht zu Tode lachen

Wer ist dieser Gott überhaupt?

Jesus, der Schüler

Freie Sicht

Die große Gelassenheit

Die Freiheit hat ihren Preis

Glaube, der Freiheit atmet

Ein neues Gottesbild

Die Wende zum Menschen

Mut zur Sanftheit

Nur Palmsonntagschristen?

Leib und Leben

Ein schönes Kreuz

Nur wenn das Grab leer ist, macht’s auch Sinn!

Wunder des Glaubens

Das Heute verändern

Echte Wunder

Die Mystik Jesu

Eine spirituelle Heimat haben

Der gute Hirte

Gott und Mensch

Nur wo der Widerspruch sich regt, wird Neues in der Welt bewegt

Lieben, nicht tauschen!

Religion braucht … frische Luft

Lebt so, dass man euch fragt

»Vater, ich will!«

Mit dem Herzen sehen

Vorzüglich

Geist Gottes

»Komm Heiliger Geist!«

Drei Sichtweisen des einen Gottes

Strömendes Geheimnis der Liebe

Kuchen statt Brot?

Gott allein genügt

Angst ist keine Gottesfurcht

»Ene, mene, muh, und raus bist Du!«

Mehr lieben oder nachfolgen?

Als Befreite leben

Wo kein Zugang ist, ist kein Leben.

»Ihr seid eine neue Schöpfung!«

Blühende Phantasie

Samaritanische Achtsamkeit

Weder Sieger noch Verlierer

Lasst beides wachsen!

Martha oder Maria

Der wahre Schatz

Was nichts kostet, ist nichts wert

Sodom und Gomorra

Geh doch!

Der Nachruf ist meistens besser als der Ruf

Es kam eine Frau …

»Fürchte dich nicht, du kleine Herde! …«

Binden und lösen

Friede oder Spaltung?

Die Letzten werden die ERSTEN sein!

Arme Kirche – wozu?

Radikale Nachfolge

Gegen den Strom schwimmen

Unmoralische Vorbilder

Barmherzige Reiche

Der Gott der kleinen Dinge

Bloß undankbar?

Ohnmächtige Mächtige

Das Kreuz mit der Moral

»Jetzt helfe ich mir selbst«

»Weil wir da gerne Hoch-würden«!

Ewiges Leben – ja oder nein?

Glaubensversicherung?

Mit dem Üblichen brechen

Dank

Bibelstellenverzeichnis

Vorwort

Wenn man im Laufe der Jahre viele Texte entwirft, dann sind diese meistens nur für einen Augenblick bestimmt, einen Vortrag, eine Zeitungskolumne, soziale Netzwerke oder als Gastbeitrag für einen ganz bestimmten Anlass. Es ist meistens ein einmaliges Geschehen, das auch nur einem ganz bestimmten Kreis zugänglich gemacht werden kann.

Immer wieder haben mich daher aufmerksame und dankbare Leserinnen und Leser darauf hingewiesen, dass ich diese Gedanken auch denen zukommen lassen müsste, die beispielsweise nicht in den verschiedenen Internetforen unterwegs sind. So wurde die Idee geboren und von außen an mich herangetragen, doch einfach einmal eine gewisse Auswahl dieser Texte mit einem biblischen Bezug noch einmal in einem Buch zusammenzustellen.

Es sollte ein Buch entstehen, das man immer wieder gerne in die Hand nimmt. Um darin einen Bibeltext zu lesen, den wir gewöhnlich irgendwann einmal im Laufe des Lesezeitraums eines Kirchenjahres hören können. Dabei geht es um keine bestimmte theologische Disziplin, die hier verfolgt werden soll, weder Exegese noch fundamentaltheologische Arbeiten. Das Buch will nur ein kleiner Beitrag zum persönlichen Glauben, sozusagen zur privaten »Hirtensorge« für die Leser sein.

Dies ist nun geschehen, und ich darf zugeben, dass mich diese Arbeit innerlich sehr erfüllt hat. Im kirchlichen Wettersegen bitten wir Gott täglich um seinen Segen auch »für unserer Hände Arbeit«. Es bereicherte mich sehr, auf diesem Wege betrachten zu können, wie schöpferisch unser menschliches Tun doch sein kann.

In der Hoffnung, dass alle Leserinnen und Leser nun darin wirklich Nachdenkliches und Bestärkendes, Neues und geschätztes Altes, Überlegenswertes und – unter Umständen – auch aufregend Provozierendes entdecken, wünsche ich allen ein gewinnbringendes und hoffentlich auch begeisterndes Lesen dieser Bibel.

München, am 1. Advent 2020

Rainer Maria Schießler, Pfarrer

Schon wieder Advent! Wie die Zeit vergeht!

Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.

(Mt 24,42–44)

Und schon beginnt ein neues Jahr, also Kirchenjahr!

»Chronos« (griechisch für Zeit) war jener Göttervater, der seine eigenen Kinder aus lauter Angst, sie könnten ihm die Zeit stehlen und ihn vom Thron stürzen, auffraß. Viele empfinden sich gerade in den Tagen vor Weihnachten von der Zeit gejagt, gehetzt, buchstäblich in Gefahr, aufgefressen zu werden.

Dagegen steht der »Kairos«, das andere griechische Wort für Zeit. Er beschreibt die Stunden und unsere Tage als gut und wohltuend: Man lässt sich nicht total von der Zeit bestimmen, man nimmt sich die Zeit, kommt zusammen, feiert vielleicht Gottesdienst, kommt ins Gespräch miteinander.

Wir kennen den Unterschied ganz genau: In Angst und Gefahr hängt uns die Zeit wie Blei an den Füßen. In freundschaftlicher Atmosphäre aber nehmen wir sie wie ein schönes Geschenk an. Wo »Chronos« herrscht, da sind Mangel, Gewalt, Hetze und Angst. Wenn wir dagegen unsere Zeit aus den Händen Gottes empfangen, entstehen heilige Zeiten wie der Advent.

Jesus ermuntert uns immer wieder, die gute, wohltuende Zeit zu wählen. Es gilt, unsere Zeit zu leben, auszukosten, denn »die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium« (Mk 1,15).

Es macht überhaupt keinen Sinn, über die Hektik der vorweihnachtlichen Zeit zu jammern. Es macht auch keinen Sinn, dagegen Aktionen in Gang zu setzen, die wiederum neue Hektik erzeugen. Es genügt, für sich selbst einen Schritt aus dem Chronometer der Gesellschaft heraus zu tun. Schon fließt der hektische Strom an uns vorbei, und Gelassenheit breitet sich aus. Und vielleicht lässt sich der eine oder andere davon anstecken.

Heil und Heilung

In jener Zeit, als Jesus mit seinen Jüngern und einer großen Menschenmenge Jericho verließ, saß an der Straße ein blinder Bettler, Bartimäus, der Sohn des Timäus. Sobald er hörte, dass es Jesus von Nazareth war, rief er laut: Sohn Davids, Jesus, hab Erbarmen mit mir! Viele wurden ärgerlich und befahlen ihm zu schweigen. Er aber schrie noch viel lauter: Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! Jesus blieb stehen und sagte: Ruft ihn her! Sie riefen den Blinden und sagten zu ihm: Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich. Da warf er seinen Mantel weg, sprang auf und lief auf Jesus zu. Und Jesus fragte ihn: Was soll ich dir tun? Der Blinde antwortete: Rabbuni, ich möchte wieder sehen können. Da sagte Jesus zu ihm: Geh! Dein Glaube hat dir geholfen. Im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen, und er folgte Jesus auf seinem Weg.

(Mk 10,46–52)

»Der Mensch ist unheilbar religiös«, formulierte einmal der russische Religionsphilosoph und frühere Marxist Nikolaj Berdjajew. Und wirklich: In unserer Welt gibt es mehr als je zuvor Menschen mit religiösen Überzeugungen, auch wenn sie heutzutage in den wenigsten Fällen den Lehren der großen Kirchen und Religionen folgen.

Zum Glück aber ist Religion keine Krankheit, von der man die Menschen heilen müsste. Außer sie entpuppt sich als fanatisches Machtinstrument. Je mehr Vertrauen aber aus Religiosität entsteht, desto stärker ist auch die Bereitschaft, im Blick auf eine transzendente Wirklichkeit, also auf Gott, das Leben zuzulassen und sich zu fügen. Glaube und Vertrauen führen zu einer Lebenseinstellung des Zulassens und des Loslassen-Könnens. Menschen erfahren sehr häufig, dass ein Genesungsweg gerade dann einsetzen kann, wenn man sich auf eine lebendige Beziehung zu Gott einlässt. Fernab von kirchlichen Bedingungen und Zielsetzungen kennt das Evangelium diese Erfahrung als »Heilung«.

Der »Heiland« ist wohl einer der schönsten Titel, den die Urchristen Jesus von Nazareth gaben. Viele Heilungsgeschichten in den Evangelien ermutigen uns, das Leben neu zu sehen. Es geht in erster Linie nicht um die Behebung einer äußeren Störung, sondern dass ein Mensch ganz am Rand wieder in die Mitte rückt, dass er sein Licht nicht länger unter den Scheffel stellt und er aus seinem tiefen Loch herausklettern will. Dort ist ein neuer Weg, und immer wieder heißt es dann vom Geheilten: »Er folgte Jesus auf seinem Weg.«

Heilung ist bei Jesus also Neuorientierung. Das ist keine leichte Therapie, auch nicht für eine Kirche, die sich mit dem »synodalen Weg« auf eine solche Neuorientierung einlassen möchte und auch einmal zu der einen oder anderen Tradition gelassen sagen können muss: Es ist genug!

Die junge indische Ärztin Mary Verghese wurde kurz nach ihrem Examen bei einem Busunfall so schwer verletzt, dass sie querschnittsgelähmt blieb. Nach langem Kampf schrieb sie ein Buch mit dem Titel »Um Füße bat ich, und er gab mir Flügel«. Denn nach der leidvollen und schweren Behinderung konnte sie sich besser in die operierten, verstümmelten Lepra-Patienten hineinversetzen und entwickelte für sie vorteilhaftere Operationsmethoden. Für viele Menschen am Rand der Verzweiflung wurde sie so zum »Heiland«.

Veränderung erleben!

In jener Zeit hörte Johannes im Gefängnis von den Taten Christi. Da schickte er seine Jünger zu ihm und ließ ihn fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten? Jesus antwortete ihnen: Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt.

(Mt 11,2–6)

»Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein!« Da tut sich etwas, wird Johannes dem Täufer ausgerichtet. Er will wissen, ob Jesus wirklich der Heiland ist, auf den alle warten. Kirche hat daher bis heute den Auftrag, diese Antwort umzusetzen. Wenn also nicht wenige Menschen mit dem Slogan »Jesus – ja, Kirche – nein« hantieren, dann stimmt etwas am Wirken von Kirche oder an ihrer Darstellung nicht! »Die Art, wie Kirche sich gibt, ist Teil ihrer Botschaft«, meint der französische Erzbischof Albert Rouet.

Eine Kirche, die an alten Worten, verbrauchten Formen und unverständlichen Symbolen hängt, kann so für Jesus und sein Evangelium nicht überzeugend sein. Papst Franziskus benennt die krankhaften »-ismen« einer solchen Kirche unmissverständlich: Übertriebener Narzissmus, krankhafter Klerikalismus und aufgeblähter Zentralismus.

Kirche muss wieder glaubwürdiger, muss authentischer werden, indem sie die Verantwortung für ihr Tun – wie schon in der Urkirche – viel stärker in die Hände der Gläubigen selbst übergibt. Nicht über Berufungsmangel gilt es zu klagen, sondern die Begabungen aller Getauften mit einzubeziehen, die bereit sind, zum Wohl und Wehe der Glaubensgemeinschaft unverwechselbar zu sein. Das ist das Gebot der Stunde.

Das Neue, was Jesus von Nazareth gebracht hat, ist keine Organisation wie in den großen Religionen seiner Umwelt, einschließlich der jüdischen. Auch mit dem Tempel hatte er nicht viel am Hut; die freie Natur, der Berg, der See waren ihm lieber, um seine Botschaft an die Menschen zu richten. Seinen neuen Weg verstehen kann nur, wer sich als echte Gemeinschaft erfährt und nicht als verordnete Einförmig- und Eintönigkeit.

Kirche nein! – Das heißt nicht, dass Kirche grundsätzlich abgelehnt, sondern eine andere Kirche gesucht wird, in der man sich untereinander auf Augenhöhe begegnet, denkt und handelt. Erzbischof Rouet fordert daher zu Recht ein Dreifaches: Die Kirche müsse dreifaltig, kirchlich, menschlich sein. Das sei ihr Markenzeichen. Nur die wechselseitigen Beziehungen schaffen Leben und sorgen für Veränderung. Wo es diese Beziehungen auf Augenhöhe nicht gibt, ist Jesus Christus nicht drin.

Der Mensch als ein heiliger Ort

Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, auserwählt, das Evangelium Gottes zu verkündigen, das er durch seine Propheten im Voraus verheißen hat in den heiligen Schriften: das Evangelium von seinem Sohn, der dem Fleisch nach geboren ist als Nachkomme Davids, der dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten, das Evangelium von Jesus Christus, unserem Herrn. Durch ihn haben wir Gnade und Apostelamt empfangen, um in seinem Namen alle Heiden zum Gehorsam des Glaubens zu führen; zu ihnen gehört auch ihr, die ihr von Jesus Christus berufen seid. An alle in Rom, die von Gott geliebt sind, die berufenen Heiligen: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

(Röm 1,1–7)

»Wo Weihnachten draufsteht, muss Jesus drin sein.« Sonst wäre das Fest für alle Mitfeiernden vielleicht gerade noch eine nostalgische Erinnerung, im Letzten aber irgendwie eine Mogelpackung. Da soll also in der Person und Gestalt eines Jesus aus Nazareth Gott menschliche Wirklichkeit geworden sein? Unglaublich!

Aber in den Erzählungen vom Unterwegssein, der Herbergssuche, der Geburt in einem Stall kommt sehr deutlich zum Ausdruck, was die Menschwerdung Gottes soll: Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, auch die am Rande der Kirche, wird ein Reich Gottes, ein Land des Friedens und der Gerechtigkeit angekündigt. Es soll im Leben eines jeden Einzelnen Wirklichkeit werden, auch im Leben dessen, der vielleicht nur einmal im Jahr in den Gottesdienst kommt.

Ein solcher Gott, der unter uns Mensch wird, verändert sowohl das Menschen- wie das Gottesbild von Grund auf. Der Mensch bekommt eine besondere Würde, die er in vielen Teilen der Welt noch immer nicht hat. In keiner anderen religiösen Überzeugung wird diese Würde so deutlich gemacht. »Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr«, drückt der Apostel Paulus es aus.

Jeder Mensch ist also ein heiliger Ort, und das schärft unseren Blick auf unsere Mitmenschen. Besonders auf jene, die unter Vorurteilen verschiedenster Art zu leiden haben. Auch in ihnen wohnt Gott, vielleicht sogar bevorzugt. Wir sollten ihn nicht leichtfertig übersehen.

»Gott ist auf unseren Straßen anzutreffen, in den dunkelsten Kellern und einsamsten Kerkern des Lebens werden wir ihn treffen«, ermahnen uns die Worte des Jesuitenpaters Alfred Delp, der noch im Februar 1945 von den Nazis ermordet wurde. Aus dieser tiefen Überzeugung erwächst so seine eindringliche Aufforderung: »Lasst uns dem Leben trauen, weil diese Nacht das Licht bringen musste. Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht mehr allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.«

Weihnachtswunderland

In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien. Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen. So zog auch Josef von der Stadt Nazareth in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids. Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete. Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.

(Lk 2,1–7)

Wer hat eigentlich festgesetzt, dass Weihnachten unbedingt still und beschaulich, am besten gleich im Zeitlupentempo gefeiert werden muss? Und wenn sich die Hektik davor nicht rechtzeitig abstellen lässt – spätestens am Hl. Abend –, ist dann Weihnachten erledigt?

Als wenn nicht schon das erste Weihnachten Turbulenz pur gewesen wäre: römische Militärkolonnen, eine Volkszählung zur Steuererfassung als reine Schikane der kleinen Leute, an jeder Ecke Partisanenkämpfe und terroristische Anschläge, überfüllte Hotels mit Wucherpreisen, absolut skrupellose Spekulanten und Ausbeuter. Diese Welt aber, in die Jesus da hineingeboren wird, ist kein Regiefehler Gottes. Sie ist so – bis heute.

Gott ist eben nicht Mensch geworden, um sentimentale Stimmungen unter uns zu unterfüttern, sondern weil er uns in unserer unerträglichen Not begegnen will! Gott will hinein in unsere Probleme und nicht daran vorbei! Er kommt, gerade weil Familien und ganze Völker vom Hass zerrissen werden. Da brauchen wir nicht plötzlich auf »heile Welt zu machen«. Und er kommt, um »gegen« diesen Hass und diese Schuld zu sterben. Ausgerechnet da, wo uns in unseren zahlreichen Zerrüttungen Heilung angeboten wird, wäre es daher grundfalsch, dies abzulehnen und so zu tun, als sei alles in Ordnung.

Nichts ist in Wahrheit in Ordnung. Wer hat in der Nacht die Sensationsmeldung von der Geburt des Erlösers als Erstes bekommen?

Schuld und Streit unter uns – auch an Weihnachten – sollen eben nicht ausgeklammert werden und dafür ein heiliges »Heitschibumbeitschi« konstruiert werden. Der Teufelskreis von Hass und Vergeltung, Lüge und Verniedlichung, Gewalt, Schuld und Resignation soll aufgesprengt werden und die gegenseitige Vergebung eine neue Chance bekommen.

Wir beklagen uns, dass diese Welt so viele und große Probleme hat. Aber genau deswegen ist doch Weihnachten passiert. Dieser Jesus sucht keine Welt eines ewigen »Süßer-die-Glocken-nie-klingen-Gesäusels«, sondern uns – mittendrin in dem ganzen Schlamassel von verlorenen Träumen und vergifteten Stimmungen, Hoffnungslosigkeiten und Niedertracht. Genau da hinein kommt er als das zerbrechlichste, liebenswerteste, schützenswerteste und überzeugendste Argument schlechthin: als kleines Kind. Um uns zu heilen und zu verwandeln!

Visionen einen Raum geben

Da geschah es, nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel; er saß mitten unter den Lehrern, hörte ihnen zu und stellte Fragen. Alle, die ihn hörten, waren erstaunt über sein Verständnis und über seine Antworten. Als seine Eltern ihn sahen, waren sie voll Staunen, und seine Mutter sagte zu ihm: Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. Da sagte er zu ihnen: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?

(Lk 2,46–49)

»Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?« – Die Eltern Jesu haben es sicher nicht verstanden, welche Tragweite diese Ansage ihres Sohnes Jesus besitzt und wie diese sich durch sein ganzes Leben ziehen wird. Kompromisslos wird er seinen eigenen Weg gehen, und selbst die komplett versammelte Verwandtschaft wird ihn nicht zurückholen nach Nazareth und ihn davon überzeugen können, seine Mission und seine Verkündigung eines neuen Gottesbildes zu stoppen.

Jetzt gleich die fromme widerspruchslose Zustimmung seiner Eltern dazu vorauszusetzen, wird der Dynamik und Dramatik des Lebens und Wirkens dieses Jesus von Nazareth einfach nicht gerecht. Wie alle Eltern mussten sicher auch Josef und Maria erst lernen, den Visionen – auch den religiösen – ihres Sohnes Raum zu lassen und ihn damit los- bzw. auch gehen zu lassen.

Dies aber geht im Leben nur, wenn es in Liebe geschieht. Erst dann erfahren wir das Wunder der Gelassenheit, mit der man dem Menschen eher gerecht wird als durch ständiges besseres Vorauswissen, Regulieren und Kontrollieren. Wer aus Liebe gelassen ist, wird achtsamer gegenüber allem, was sich ereignen kann. Man findet zu einer anderen Sprache und einem deutlich faireren Umgang miteinander, und zwar auf Augenhöhe.

Dann erst entsteht eine Heilige Familie, in der auch die Würde der Ausscherer eine Heimat besitzt. In einer solchen Atmosphäre kann Neues und Unerwartetes entstehen. Was wäre denn die Konsequenz gewesen, wenn sich Josef und Maria gegen ihren Sohn durchgesetzt hätten? Wohl nur ein weiterer entmutigter, lustloser junger Mann, der irgendwo in der Versenkung verschwindet. So aber geht Jesus seinen Weg weiter und bringt uns in einer neuen tiefen Weise Gott näher, den wir seitdem zuallererst in uns selbst suchen und finden dürfen.

Ein Segen sein

Silvester/Neujahr

Der HERR sprach zu Mose:

Sag zu Aaron und seinen Söhnen: So sollt ihr die Israeliten segnen; sprecht zu ihnen:

Der HERR segne dich und behüte dich.

Der HERR lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.

Der HERRwende sein Angesicht dir zu und schenke dir Frieden.

So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, und ich werde sie segnen.

(Num 6,22–27)

Wir gehen gewohnt routiniert in ein neues Jahr. Mit Vorsätzen, Erwartungen und vielleicht auch Sorgen. Was aus diesem Jahr werden wird, wissen wir nicht, auch wenn Politiker, Hellseher und Horoskopschreiber ihre Vorhersagen bereits gemacht haben. Keiner wird sie daran erinnern, wenn sie sich mit ihren Prophezeiungen wieder mal geirrt haben. Nicht alles, aber vieles in diesem Jahr liegt in unserer Hand.

Mit einem solchen Jahr ist es wie mit einem Menschen: In jedem stecken gleichzeitig ein kleines Kind und ein alt gewordener Mensch! Im praktischen Leben herrscht mal das eine, mal das andere vor. Die Jahre zwischen 20 und 50 aber sind besonders schwer. Da ist nicht viel Zeit zum Nachdenken. Ideal wäre es, wenn das Kind in uns und das Alter einander gute Freunde sein könnten. Das gilt für jeden Einzelnen von uns, aber auch für unser Zusammenleben. Das gilt für ein Jahr, für seinen Anfang und sein Ende. Das Kind steht für den Frühling, die Offenheit, die Erwartung, für die Bereitschaft, immer wieder Neues zu entdecken, und viel Ungeduld. Die Spannung ist groß, denn das Eigentliche kommt ja noch. So ist es auch mit einem neu beginnenden Jahr.

Der alte Mensch steht für die Erfahrung, die Reife und die Ernte. Er kann mit Gelassenheit und Heiterkeit auf die Vergangenheit zurückblicken und muss nicht alles so wichtig nehmen, weil er schon so viel erlebt und auch erlitten hat. Wir sollten den alten Menschen sehr ernst nehmen, damit wir mit gutem Gewissen auch die Ernte dieses neuen Jahres einmal einfahren dürfen.

Wenn in uns das Kind und der alte Mensch Freunde sind, wird es ein gutes Leben sein. Denn Hoffnung und Erfüllung binden sich immer gerne. Der Volksmund sagt: Ein junger Mann, der nicht weinen kann, ist ein wilder, und ein alter Mann, der nicht lachen kann, ein Narr. Ein neues Jahr lehrt uns beides: das Lachen und das Weinen. Beide bewahren uns davor, wie Wilde zu sein oder wie Narren; bewahren uns aber auch davor, die Monate eines Jahres und die Jahre unseres Lebens zu ernst zu nehmen.

Gott ist ein Gott der Anderen

Fest der Erscheinung des Herrn

Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.

(Mt 2,9–12)

Die drei Weisen aus dem Morgenland läuten das Ende der Weihnachtszeit ein. Wir kennen sie nicht, auch wenn sie einer sehr späten Tradition nach Kaspar, Melchior und Balthasar genannt werden. Wir wissen nicht, woher sie kamen und wohin sie gegangen sind. Und es ist für einen gesunden Glauben nicht so entscheidend, ob die im Kölner Dom im Dreikönigsschrein verehrten Gebeine auch wirklich die der Weisen aus dem Morgenland sind.

Sie sind ein biblisches Bild für eine ganz neue Erfahrung und eine neue Lehre: Dieser Gott ist eben nicht nur der Gott einer Sippe oder eines Volkes. Er ist immer auch der Gott der Anderen. Wenn Christen von ihrem Glauben sprechen, dann sprechen sie gerne vom »Glauben der Väter«. Glauben ist dann eigentlich ganz leicht und folgt unkritisch dem Motto Goethes: »Was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen.«

Doch in unserer Zeit bekommen wir es sehr deutlich zu spüren: Wir haben auf Gott kein Monopol, und er ist und bleibt ein radikales Geheimnis. Ihn als einen Besitz des Glaubens zu verstehen, wäre lächerlich und blasphemisch zugleich.

Die weisen Männer kamen daher von irgendwoher und verschwanden irgendwohin. Sie sind wie die Anderen, die Zweifelnden, die Suchenden, die Andersgläubigen und Ungläubigen unter uns. Aber sie haben eine andere Sicht von Gott bekommen. Zum Beispiel, dass er sich ganz klein macht wie ein Kind, um den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.

Wie viel besser könnten doch die verschiedenen Religionen unserer Welt miteinander auskommen und sich gegenseitig stützen, wenn sie akzeptieren wollten, dass »ihr« Gott immer auch der Gott der Anderen ist.

Miterben Christi

Ihr habt doch gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch verliehen hat. Durch eine Offenbarung wurde mir das Geheimnis kundgetan. Den Menschen früherer Generationen wurde es nicht kundgetan, jetzt aber ist es seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist offenbart worden: dass nämlich die Heiden Miterben sind, zu demselben Leib gehören und mit teilhaben an der Verheißung in Christus Jesus durch das Evangelium.

(Eph 3,2–3a.5–6)

Jeder Mensch braucht seine Intimsphäre. Wird sie ihm genommen, zerbricht seine Persönlichkeit.

Der Glaube gehört in die Intimsphäre eines Menschen. Man mag beim Menschen auf vieles zugreifen können, nicht aber auf seinen Glauben. Weder kann er ihm genommen, noch kann er zu einem bestimmten Glauben gezwungen werden. Darum ist es immer so unangenehm, wenn sogenannte Gläubige ihre Überzeugung ständig aufdringlich vor sich hertragen und gleich wieder als allgemeingültige Glaubenswahrheit einfordern. Zum Glauben wirst Du nur eingeladen, das aber genügt.

Auch die Liebe gehört zu unseren Geheimnissen: »Meine Art, Liebe zu zeigen, das ist ganz einfach Schweigen. Worte zerstören, wo sie nicht hingehören«, hat Daliah Lavi gesungen.

Der Glaube ist für Propaganda jeder Art zu schade. »Warte, bis man dich fragt, warum du glaubst«, das ist der bessere Weg, auch wenn er viel Geduld erfordert. Wirkliche Geheimnisse aber bleiben Geheimnisse.

Das Grundgeheimnis des Christentums aber ist, wie Gott in menschlicher Gestalt der Welt erscheinen konnte. Da gibt’s nichts zu verstehen oder zu erklären. Hier sind nicht Intelligenz oder Verstand gefordert. Wir können allein nur das Geheimnis zulassen. »Suchst du Gott, dann suche ihn im Geheimnis!«

Offener Himmel

Fest der Taufe des Herrn I

In jener Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.

(Mt 3,13–17)

»… da öffnete sich der Himmel«, heißt es über die Taufe Jesu im Jordan. Mit dieser Szenerie endet die Weihnachtszeit, und es stellt sich die Frage: Wie war das jetzt an Weihnachten? Haben wir IHN diesmal gefunden oder war er wieder versteckt zwischen Geschenkpapier, Weihnachtsfeiern, Einladungen, Spendenaufrufen und TV-Weihnachtsprogramm? War der Himmel offen für uns?

Den meisten Zwängen in unserer Gesellschaft kann man nicht ausweichen; auf der religiösen Ebene aber brauchen wir diese Möglichkeit unbedingt. Der Himmel muss offen sein, d.h. eine neue Freiheit muss spürbar werden, eine Freiheit in Verbindlichkeit. Verbindlichkeit meint die Bereitschaft zum Dienst an der Welt und den Menschen. In der Freiheit aber liegt die Möglichkeit der Wahl: Man entscheidet sich z.B. in aller Freiheit für eine Kirche, die mir den Himmel offenhält, weil sie das Evangelium Jesu nicht nur verkündigt, sondern glaubwürdig lebt. Daher kann sie die Erde und den Menschen gar nicht aus dem Auge verlieren.

Das zeigt auch die Taufe Jesu. Jesus zeigt sich solidarisch mit den vielen Menschen, die beladen und belastet in die Wüste gezogen sind, weil sie eben keinen offenen Himmel über sich sehen konnten. Er stellt sich im Jordan in die Reihe der Sünder, um ihnen zu zeigen: Auch über euch geht der Himmel auf, den religiöse Vorschriften gerne für ein bestimmtes Klientel allein reserviert haben möchten.

Wenn ein Zug ständig mit geschlossenen Fenstern fährt, weil die Überzeugung noch immer vorherrscht, man müsse die Türen und Fenster vor der ach so bösen Welt verschließen, kann man auf der Reise den Himmel nicht sehen. So steht die Kirche vor großen Herausforderungen in ihrer Nach-Weihnachtszeit. Die Fenster gilt es konsequent aufzumachen, durchzulüften, keine Angst vor Veränderungen und Umwälzungen zu haben und die große Einladung anzunehmen, mit allen, die da kommen, um gemeinsam in den offenen Himmel zu schauen.

Liebe im 7. Himmel

Fest der Taufe des Herrn II

Das Volk war voll Erwartung und alle überlegten im Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei. Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.

(Lk 3,15–16)

Jesus von Nazareth war ein Mystiker im wahrsten Sinne des Wortes. Er hörte bei seiner Taufe – so die Evangelien – Gottes Stimme: »Du bist mein geliebter Sohn. An dir habe ich Gefallen gefunden!«

Mystiker haben es im geschlossenen System ihrer Religion immer schwer, werden nicht ernst genommen, verspottet, verfolgt und am Ende gerne auch grausam entsorgt. Doch ihre Stimmen und Visionen leben weiter. Jahrhunderte später werden sie dann vielleicht genau von derselben Kirche heiliggesprochen!

Warum mag man in der Kirche keine Mystiker?: Weil sie sich mit ihrer persönlichen geistlichen Erfahrung der Kontrolle der Glaubenswächter entziehen. Der Mystiker ist durch und durch ein freier Mensch. Der Apostel hat dazu mit seinen Worten den Grundstein gelegt: »Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit« (2 Kor 3,17).

Auch ein Jesus von Nazareth passte nicht ins System der Schriftgelehrten und Priester. Sie wollten Zeichen und Beweise und nicht anerkennen, dass die Worte, Taten, ja sein ganzes Leben bereits Beweis genug sind, von Gott in diese Welt gesandt zu sein.

Geht uns nichts an? Joseph Ratzinger schreibt 2003 in »Glaube, Wahrheit, Toleranz«, dass sich die Mystik untergeordnet verstehen muss. Glaubensgehorsam steht an erster Stelle.

Dennoch bleibt es so: Mystik kennt keine Grenzen, bringt immer wieder viele Blüten hervor, lässt sich nicht aufhalten. Der muslimische Mystiker Rumi, der Gründer des Derwischordens, drückt es so aus: »Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott.« Und: »Bevor der Verstand sich entschließt, einen Schritt zu tun, hat die Liebe bereits den siebten Himmel erreicht!«

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