Shakespeare erzählt - Michael Köhlmeier - E-Book

Shakespeare erzählt E-Book

Michael Köhlmeier

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Beschreibung

Mitreißend lebendig erzählt Michael Köhlmeier elf Dramen von William Shakespeare nach – beginnend mit »Macbeth«, der blutigen Tragödie der Einbildungskraft, über »Ein Sommernachtstraum«, das schönste Zaubermärchen der Weltliteratur, und »Othello«, die Schule für Intriganten, bis zum Skandal an Dänemarks Hof, »Hamlet«, dem nach über 400 Jahren noch immer faszinierendsten Drama des großen englischen Dichters. – »Shakespeare erzählt in seinen Stücken großartige Geschichten, die uns die Grundlagen unseres Menschseins zeigen, im Guten wie im Bösen« (Köhlmeier).

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

ISBN 978-3-492-97234-5

August 2015

© Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2004

Covergestaltung: semper smile, München

Covermotiv: Hans Makart (»Romeo und Julia an der Treppe«, Artothek)

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

Für Paula

Den »Kaufmann von Venedig«

haben wir zusammen gesehen.

Erinnerst du dich, mein Liebling?

Der Bruno hat den Shylock gespielt.

Macbeth

Es war einmal ein König, der hieß Duncan. Er wurde der Friedfertige genannt. Da wußten die Leute, daß er nicht friedfertig war. Er führte Krieg und verhandelte nicht mit seinen Feinden. Ein Feind bleibt immer ein Feind – das war seine Devise. Die Kriege waren kurz und verheerend. Bald hatte er alle seine Feinde besiegt. Sieg hieß Vernichtung. Nun war es nicht mehr nötig, Krieg zu führen. Viele Jahre herrschte Frieden, und Duncan wurde der Friedfertige genannt. Die Leute sagten: Friede ist, wenn kein Krieg ist. Aber sie fürchteten den Friedfertigen, sie liebten ihn nicht.

Daß die Siege vollkommen waren, verdankte König Duncan vor allem zwei seiner Generäle: General Banquo und General Macbeth. Diese beiden wußten die Heere zu führen, und sie wußten, daß man mit Feinden nicht verhandelt. Sie wußten, daß der Friede nicht aus Diplomatie, sondern aus Vernichtung erwächst.

Über Macbeth hieß es, er sei der Bessere von beiden, weil der Konsequentere, und das hieß: der brutalere Krieger. Die Soldaten bewunderten Macbeth. Angst schien er nicht zu kennen. Den Tod schien er nicht zu fürchten. Wenn die Schlacht um ihn herum tobte, hielt er sein Pferd an und richtete sich auf. Die Majestät des Todes verneige sich vor ihm, hieß es. Macbeth scheute keine Konfrontation. Stirn gegen Stirn mit dem Feind – und am Ende des Tobens war er der einzige, dem keine Wunde geschlagen worden war. Ruhe, Gelassenheit, Voraussicht, Kälte in der Analyse – als gelänge ihm das Unmögliche, nämlich die Gegenwart in Vergangenheit zu verwandeln, die er gleichsam im Rückblick betrachtete: Aus der Vergangenheit droht keine Gefahr, aus der Vergangenheit ragt kein Schwert herüber.

Macbeth war ein Schweiger. Er sprach nicht viel mit seinen Leuten. Die meisten seiner Sätze hatten am Ende ein Ausrufezeichen. Einmal aber habe er General Banquo die Prinzipien seines Handelns erläutert.

»Was ist Handeln?« fragte Macbeth seinen Mitstreiter.

»Handeln«, gab Banquo zur Antwort, »handeln heißt, eine Strecke Zeit nach deinem Willen gestalten.«

»Ich weiß«, sagte Macbeth, »das denken alle. Und dann sind sie enttäuscht und versagen. Nicht der Weg soll dich interessieren, sondern nur das Ziel. Was ist das Ziel, das ich erreichen will? Ausschließlich diese Frage ist für mich von Bedeutung. Das Ziel sucht sich den Weg von allein. Du mußt Vertrauen zu deinem Ziel haben. Du mußt dich darauf verlassen, daß der Weg der einzig richtige sein wird, weil ihn das Ziel selbst für dich ausgewählt hat. Du wirst dem Ziel untreu, wenn du dich um den Weg kümmerst. Hast du das Ziel erreicht, wirst du sagen: Ich bin den einzigen Weg gegangen, der zu diesem Zielführte.«

Banquo und Macbeth waren nicht Freunde. Macbeth hatte keine Freunde. Aber Banquo war der einzige Mensch, mit dem er manchmal ein paar Worte über das Notwendige hinaus wechselte.

Der General war verheiratet. Und er war glücklich verheiratet. O ja, darüber wurde viel spekuliert. Die Offiziere sprachen darüber hinter vorgehaltener Hand, die Soldaten redeten drüber. Die Soldaten rissen über alles ihre Witze, über die Ehe von General Macbeth aber sprachen sie voll Respekt. Aber aus dem Staunen kamen sie nicht heraus. Der hat eine Frau? Der liebt? Der weiß, was Liebe ist? Der ist glücklich? Der weiß, was Glück ist? Der? Das konnten sie sich nicht vorstellen. Aber es hieß, die Liebe und das Glück seien so mächtig zwischen den beiden, daß sie niemanden sonst in ihrem Leben brauchten. Lady Macbeth und ihr Gemahl genügten einander. Das war schön. Es war schön, solche Worte auszusprechen. Und am Ende staunten die Soldaten, wie sie von Anfang an gestaunt hatten: Wie konnten in diesem kältesten aller Herzen Zärtlichkeit und Hingabe gedeihen und überleben?

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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