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Bizarre Morde in Stratford-on-Avon. Den Opfern werden Sprüche aus Shakespeares Stücken auf den Leib gebrannt. Sherlock Holmes und Dr. Watson versuchen, die Shakespeare-Verschwörung zu lösen. Sie reisen zum Vatikan, in ein Schloss nach Schottland, zur St. Paul's Kathedrale in London. Und in Shakespeares Gruft selbst.Das Rätsel um die Identität William Shakespeares muss unbedingt gelöst werden.
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Seitenzahl: 205
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In dieser Reihe bisher erschienen:
3001 – Sherlock Holmes und die Zeitmaschine von Ralph E. Vaughan
3002 – Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge von J. J. Preyer
3003 – Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand von Ronald M. Hahn
3004 – Sherlock Holmes und der Werwolf von Klaus-Peter Walter
3005 – Sherlock Holmes und der Teufel von St. James von J. J. Preyer
3006 – Dr. Watson von Michael Hardwick
3007 – Sherlock Holmes und die Drachenlady von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)
3008 – Sherlock Holmes jagt Hieronymus Bosch von Martin Barkawitz
3009 – Sherlock Holmes und sein schwierigster Fall von Gary Lovisi
3010 – Sherlock Holmes und der Hund der Rache von Michael Hardwick
3011 – Sherlock Holmes und die indische Kette von Michael Buttler
3012 – Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic von J. J. Preyer
3013 – Sherlock Holmes und das Freimaurerkomplott von J. J. Preyer
3014 – Sherlock Holmes im Auftrag der Krone von G. G. Grandt
3015 – Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin von E. C. Watson
3016 – Sherlock Holmes und die Geheimnisse von Blackwood Castle von E. C. Watson
3017 – Sherlock Holmes und die Kaiserattentate von G. G. Grandt
3018 – Sherlock Holmes und der Wiedergänger von William Meikle
3019 – Sherlock Holmes und die Farben des Verbrechens von Rolf Krohn
3020 – Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosie‘s Hall von Michael Buttler
3021 – Sherlock Holmes und der stumme Klavierspieler von Klaus-Peter Walter
3022 – Sherlock Holmes und die Geheimwaffe von Andreas Zwengel
3023 – Sherlock Holmes und die Kombinationsmaschine von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)
3024 – Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers von Michael Buttler
3025 – Sherlock Holmes und das Urumi-Schwert von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)
3026 – Sherlock Holmes und der gefallene Kamerad von Thomas Tippner
3027 – Sherlock Holmes und der Bengalische Tiger von Michael Buttler
3028 – Der Träumer von William Meikle
3029 – Die Dolche der Kali von Marc Freund
3030 – Das Rätsel des Diskos von Phaistos von Wolfgang Schüler
3031 – Die Leiche des Meisterdetektivs von Andreas Zwengel
3032 – Der Fall des Doktor Watson von Thomas Tippner
3033 – Der Fluch der Mandragora von Ian Carrington
3034 – Der stille Tod von Ian Carrington
3035 – Ein Fall aus der Vergangenheit von Thomas Tippner
3036 – Das Ungeheuer von Michael & Molly Hardwick
3037 – Winnetous Geist von Ian Carrington
3038 – Blutsbruder Sherlock Holmes von Ian Carrington
3039 – Der verschwundene Seemann von Michael Buttler
3040 – Der unheimliche Mönch von Thomas Tippner
3041 – Die Bande der Maskenfrösche von Ian Carrington
3042 – Auf falscher Fährte von James Crawford
3043 – Auf Ehre und Gewissen von James Crawford
3044 – Der Henkerkeller von Nils Noir
3045 – Die toten Augen des Königshauses von Ian Carrington
3046 – Der grausame Gasthof von Ralph E. Vaughn
3047 – Entfernte Verwandte von Jürgen Geyer
3048 – Verrat aus dem Dunkel von James Crawford
3049 – Die Dämonenburg von Nils Noir
3050 – Die Shakespeare-Verschwörung von J. J. Breyer
Die neuen Fälle des Meisterdetektivs Sherlock Holmes
Buch 50
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Copyright © 2024 BLITZ-Verlag
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Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
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Vignette: iStock.com/neyro2008
Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten.
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3050
ISBN: 978-3-7579-5814-5
Dominosteine
Queen Mab
Titus Andronicus
Shakespeares Schädel
Der Fluch von Shakespeares Grab
Der fünfte Sarg
Das Psychogramm Shakespeare
Ein Schloss in Schottland
Der erste Stein ist gefallen
Höllenfahrt
Über den Autor
GEGEN DEN WAHNSINN
Ich sitze am Fenster zum Meer und schreibe.
Als mich die zwei Menschen verließen, die meinem Leben Halt gegeben hatten, meinte ich, verrückt zu werden.
Die Erinnerung an den großen Detektiv Sherlock Holmes und seine Ermittlungen im Fall der Shakespeare-Verschwörung retteten meinen Verstand. Ich begann, dieses Buch zu schreiben. Gegen den Wahnsinn.
Stratford-on-Avon, England
Feuchter Nebel drückte kalt auf die kleine Stadt am Fluss Avon. Es war ein Morgen, an dem alle, die nicht unbedingt unterwegs sein mussten, zu Hause geblieben waren. Die Straßen waren menschenleer, die Beleuchtung war noch eingeschaltet, die Läden hatten noch nicht geöffnet.
Atemlose Stille, die nur vom Schlagen der Turmuhr der Trinity Church kurz unterbrochen wurde, lag über Shakespeares Geburtsort.
Am Theatergebäude am Fluss plätscherte dunkel das Wasser des Avon. Noch hatte die Saison nicht begonnen, noch hatten die kulturinteressierten Touristen den Weg aus London hierher nicht angetreten.
Eine einsame Gestalt, in einen langen, dunklen Mantel gehüllt, eilte am Theater vorbei in Richtung Clopton Bridge. Am Shakespeare-Denkmal am Bancroft Park blieb sie stehen. Fast schien es, als ob sie den steinernen Rundsockel, auf dem der Dichter, umgeben von Gestalten seiner Theaterstücke, saß, zum ersten Mal sah. Der glatzköpfige Dramatiker mit dem Spitzbart und seine Figuren. Lady Macbeth, die mit ihrem Mann den König ermordete, um selbst zu herrschen. Prinz Hal, der spätere Heinrich V., der vom jugendlichen Herumtreiber zum würdigen Herrscher seines Landes reifte, vereint mit Falstaff, seinem Saufkumpan aus frühen Jahren. Und der zögernde Dänenprinz Hamlet, dessen Freundin sich im Fluss ertränkte.
Lange stand die dunkle Gestalt vor dem Denkmal, angespannt, wie ein Panther vor dem tödlichen Sprung, dann enteilte sie in den Nebel.
„Professor! Ist Ihnen nicht gut?“, rief Jonathan Hall, als er seinen Chef auf dem Boden liegen sah, doch der Literaturwissenschaftler reagierte nicht.
„Ich muss Hilfe holen“, war sein nächster Gedanke, und er trat näher an den reglosen Körper von Professor Robin Wilcher heran.
Der Mann lag hinter seinem Schreibtisch. Sein Oberkörper war entblößt. Auf seinem Bauch stand etwas geschrieben, ein Shakespeare-Zitat. IHR SCHMIEDET EUERN TOD DURCH DIES BEGINNEN.
Es roch nach Grillfleisch. Der stellvertretende Leiter des Shakespeare Resource Trust erkannte, dass man dem Mann die Worte in das Fleisch gebrannt hatte, wie einem Stück Vieh, das man markiert.
Der Professor war tot. Vorsichtig, um keine Spuren zu verwischen, verließ Jonathan Hall das Zimmer, begab sich einige Türen weiter in sein eigenes Büro und verständigte die Polizei.
Fairmount Hotel, Sussex
Seit Tagen hatte der Junge das Hotel nicht verlassen. Elizabeth und Bertram Bromhams Sohn Rory war damit beschäftigt, Dominosteine aufzustellen. Er wollte diese als Höhepunkt seiner Geburtstagsfeier in einer Kettenreaktion zum Umstürzen bringen.
Wer hatte den Sohn der Betreiber des Fairmount Hotels in Sussex auf diese Idee gebracht?
Es war der fast zweiundsiebzigjährige, hoch gewachsene Mann mit der schmalen Adlernase, mit den stechenden, grauen Augen, deren Ausdruck jedoch mild und freundlich wurde, sobald der Junge auftauchte.
Sherlock Holmes, der Detektiv aus London, der sich vor vier Jahren als Dauermieter hierher nach Sussex, in das Hotel am Meer, zurückgezogen hatte, war ein lieber Wahlonkel für den Fünfjährigen. Die wichtigste Bezugsperson für Rory, neben seinen Eltern selbstverständlich. Aber während sich diese um das Hotel und seine Bewohner kümmerten, erzählte ihm Mr. Holmes von seinen großen Kriminalfällen. Er wanderte mit dem Jungen die Klippen entlang zum Meer und erklärte ihm die Tier- und Pflanzenwelt der South Downs. Er besuchte ihn in der Wohnung der Eltern, in den Mansarden des Hotels, um mit ihm Domino zu spielen. Für Schach war das Kind noch zu klein, aber die Regeln von Domino hatte er sofort begriffen. Um dem Jungen das Spiel schmackhaft zu machen, hatte Holmes eine neue Verwendungsweise für die weißen Steine gefunden. Er stellte sie auf der Schmalseite auf, in langen Reihen und komplizierter Anordnung, und brachte sie in einer Kettenreaktion zu Fall, was den blonden Jungen mit dem widerspenstigen Haar zu Begeisterungsschreien hinriss.
Nun plante Rory im März, an seinem sechsten Geburtstag, zu dem seine Freunde eingeladen waren, eine besondere Attraktion. Er wollte eine Anordnung von exakt tausend Dominosteinen umstürzen lassen.
Sein Zimmer war zu klein geworden, also platzierte er die Steine auch auf dem Flur. Er bat seine Mutter und seinen Vater inständig, vorsichtig zu sein, damit sie die Kettenreaktion nicht vorzeitig auslösten.
„Versprochen. Aber für Fritz kann ich die Tatze nicht ins Feuer legen“, warnte Bertram Bromham seinen Sohn.
„Die Katze darf nicht in die Mansarde“, sagte der Junge streng. Er malte einen Hund mit eindrucksvollem Gebiss auf den leeren Karton, in dem man das Radiogerät geliefert hatte, und stellte diesen vor die Treppe zum letzten Stockwerk.
Fritz, der rote Kater, schnupperte misstrauisch an dem merkwürdigen Ding und hielt sich tatsächlich fern von der Stiege. Der Junge konnte sich also ungestört seiner Aufgabe widmen.
Der Kater, der sich von seinem Herrn vernachlässigt fühlte, blieb die meiste Zeit im Freien. Er kam nur zu den Mahlzeiten ins Hotel, auch die Nächte verbrachte er auswärts.
Das denkwürdige Ereignis trug sich nächtens zu. Irgendetwas rumpelte die Treppe hoch. Dann hörte man die Dominosteine fallen, einen nach dem anderen. Es klang, als ob eine Kette gerissen sei, als ob minutenlang Hunderte Perlen zu Boden fielen.
„Eine Maus, eine Maus!“, schrie Rorys Mutter Elizabeth.
Der Junge schaute fassungslos auf die umgestürzten Dominosteine. Am Fuß der Treppe saß unschuldig der Kater.
„Die Maus hat sich vor Fritz heraufgeflüchtet und die Kettenreaktion ausgelöst“, sagte Mr. Bromham.
„Ich bring ihn um, den Kater!“, schrie Rory und wollte nach unten stürmen.
Bertram Bromham hielt ihn zurück. „Er kann nichts dafür. Es war die Maus in ihrer Todesangst. Ich helfe dir beim Wiederaufstellen der Steine.“
„Ich auch“, versprach seine Mutter.
„Wenn es mit den Steinen nicht klappt, will ich meinen Geburtstag nicht feiern“, sagte der Junge.
„Es wird klappen“, beruhigte ihn der Vater.
„Und was geschieht mit der Maus?“, fragte Elizabeth ihren Mann vorwurfsvoll.
„Ich hole Fritz herauf. Er soll ihr den Garaus machen.“
„Das kommt nicht infrage. Das arme Geschöpf.“
„Was schlägst du vor?“, versuchte es Mr. Bromham diplomatisch.
„Du fängst sie und bringst sie ins Freie.“
„Gut. Dafür hat man mich ja ausgebildet. Gib mir deinen Schlafmantel.“
Widerwillig reichte sie ihm das Kleidungsstück, und er warf es über das im Schlafzimmer panisch hin und her eilende Tier. Es wusste sich in seiner Angst nicht anders zu helfen, als in das nächstgelegene Loch zu huschen. Und dieses war das linke Hosenbein von Mrs. Bromhams Pyjamahose. Sie schrie gellend, während der Junge und sein Vater Tränen lachten.
„Sie ist auf meinem Bauch. Sie krabbelt. Ich werde verrückt. Lacht nicht so, ihr ... Idioten!“
Mit diesen deutlichen Worten warf Mrs. Bromham Top und Hose des Nachtgewandes von sich und tanzte wie wild nackt durch das Zimmer.
„Großartig machst du das“, lachte ihr Mann. „Mit dieser Vorführung könntest du auf den Piers von Brighton Geld verdienen.“
Das krabbelnde Tier hatte sich im Oberteil des Pyjamas verfangen. Mr. Bromham trug das Kleidungsstück samt Maus nach unten und ließ sie vor dem Hotel frei.
„Ich weiß nicht, ob ich mit euch länger unter einem Dach leben möchte“, sagte Mrs. Bromham vorwurfsvoll, als er zurückkam. „Jedenfalls schlüpfe ich nicht mehr in diesen Pyjama.“
„Umso besser“, meinte ihr Mann und sah sie liebevoll an. „Und du gehst jetzt schlafen“, sagte er zu seinem Sohn.
Sherlock Holmes nahm das Frühstück wie immer in seinem Apartment im ersten Stock des Fairmount Hotels ein. Er war froh, am Morgen, ungestört von den anderen Gästen, im Schlafrock speisen zu können, mit einem Blick auf die wechselnden Stimmungen des Meeres.
An diesem Morgen, Anfang Februar, herrschte Föhn. Das Meer lag als weite blaue Fläche unbewegt unter den Klippen, auf denen das Hotel stand.
Holmes, der in den letzten Jahren an Gewicht zugelegt hatte, was ihn gesund und jünger aussehen ließ, genoss das warme Frühstück.
„Komm nur herein, Rory!“, rief er, als es an der Tür klopfte. Er hatte die Schritte des Jungen erkannt und wunderte sich, warum dieser seine Anordnung missachtete, ihn in seiner Wohnung nicht zu stören.
Es musste sich also um einen Notfall handeln. Als er den verzweifelten Blick und die zerkratzte Hand des Kleinen sah, verstand er, was geschehen war, und er tröstete ihn. „Der dumme Kater kann nichts dafür.“
„Du weißt, was passiert ist?“, staunte der Junge.
„Natürlich. Ein Detektiv erkennt das. Ich komme nach dem Frühstück zu dir und helfe dir. Oder willst du lieber mit Mister Moriarty und mir fischen gehen?“, fragte Holmes den Jungen.
„Nimm mich mit zum Fischen! Das mit den Steinen schaffe ich allein“, bat der Junge.
Um Punkt zehn Uhr standen der Detektiv und Rory, in dicke Wolljacken gehüllt, am Fischerboot von Mr. Moriarty.
Stephen Moriarty, der Sohn von Holmes’ großem Widersacher Professor James Moriarty, wohnte im Hotel, seitdem er dem Detektiv geholfen hatte, den Fall um die Ripper-Morde zu klären.1 Einige Novellen und Romane, die er für einen Londoner Verlag verfasst hatte, brachten ihm zwar etwas literarisches Ansehen, aber kaum Geld. Seine Haupteinnahmequelle war der Fischfang.
„Lange haben wir darüber geredet. Fein, dass es heute klappt“, begrüßte der Zweiundvierzigjährige, der auch an diesem Morgen etwas unsicher auf den Beinen war, die beiden und ruderte zu seinen Reusen im Channel.
In einem der kegelförmigen Netzschläuche hatte sich ein Schwarm Makrelen gefangen, den Moriarty in einen Holzbehälter leerte. Er stach all die Fische mit einer Harpune an, was bewirkte, dass ihre wild zappelnden Bewegungen erlahmten.
„Ein beachtlicher Fang. Scheint ein guter Tag zu werden“, sagte der junge Moriarty und ruderte weiter.
Nach seinen Anweisungen halfen Holmes und sein junger Begleiter beim Ausbringen des Schleppnetzes.
Gemächlich ließ der Fischer das Netz hinter dem Schiff treiben, bis er es einholte.
Er nannte die Namen der Meerestiere, die sich verfangen hatten. Blaubarsche, Rochen und Brassen. Einige für ihn wertlose kleinere Fische und Krebse warf er zurück in das Wasser.
„Die Besten kommen frisch in einen Laden nach Brighton, den Rest liefere ich per Bahn nach London, für die Restaurants.“
„Wie gefällt es dir, Rory? Möchtest du auch Fischer werden?“, fragte Stephen Moriarty den Jungen, der sich etwas angewidert von Mr. Moriarty abwandte, weil dieser wieder so stark nach Alkohol roch.
„Eigentlich nicht. Ich dachte, das ist eine gemütlichere Angelegenheit. So viele tote Fische. Das ist nicht ganz meine Sache.“
„Es ist jetzt mein Beruf, Rory, ich lebe davon. Als Hobby kann das viel gemütlicher betrieben werden, mit Angelruten.“
„Das würde mir schon besser gefallen.“
„Du kannst auf dem Rückweg die Angel auswerfen.“
„Nein danke. Mir tun die Fische leid.“
Als sie sich dem Ufer näherten, sah Holmes einen Mann mit leuchtend weißem Haar den Strand entlanggehen.
Er bat den Fischer um den Feldstecher und erkannte in der Vergrößerung, dass es sich um jemanden handelte, den er in seinem letzten großen Fall kennengelernt hatte. Der Mann, der auf Holmes’ Rückkehr wartete, war Sir Alexander Sisley, der Leiter des Advisory Councils des Londoner Oberhauses. Es war die Aufgabe von Sir Alexander und seiner Behörde, im Auftrag der Lords das Land in Krisenzeiten diskret durch die Wogen der Zeit zu manövrieren.
Als Stephen Moriarty dem Detektiv zum Abschied einige Makrelen schenkte, bat der Junge noch um einen kleinen Fisch für seinen Kater.
„Ich war ungerecht zu Fritz. Ich möchte mich mit ihm wieder versöhnen. Und vielen Dank fürs Mitnehmen.“
„Gern. Schade, dass dich der Fischfang nicht so begeistert hat.“
„Da sind Sie ja, Holmes. Ich begrüße Sie, Mister Moriarty!“, rief Sir Alexander Sisley dem Detektiv und seinem Begleiter von der Mole her zu. „Ich muss mit Ihnen reden.“
„Sie bemühen sich persönlich in die South Downs, Sir Alexander? Ich vermute, Sie haben einen Fall für mich.“
„Und was für einen, Holmes! Und was für einen!“
Die drei Männer und der Junge erklommen den schmalen Serpentinenweg vom Meer zum Hotel.
Das zweistöckige Gebäude mit der Glasterrasse zum Channel thronte eindrucksvoll auf den Klippen. Kein Wunder, dass Holmes, als er es zum ersten Mal sah, spontan entschlossen war, seinen Ruhestand an diesem Ort zu verbringen und seinem bisherigen Zuhause in London untreu zu werden.
Mrs. Bromham hatte für Holmes, für Stephen Moriarty und für den Gast die Makrelen kross gebraten, so, dass sie nicht so fett waren, und dazu Kartoffelsalat serviert.
Stephen Moriarty hatte sich einen dreifachen Whisky kommen lassen, den er gierig trank.
Die drei Männer saßen am Panoramafenster zum Meer, durch das nun die Februarsonne angenehm warm in den Speisesaal schien. Um eine Blendung der Gäste zu vermeiden, schloss Mr. Bromham die Holzjalousien.
Als sich der Hotelbesitzer entfernt hatte, erkundigte sich Stephen Moriarty, ob auch er sich zurückziehen solle.
„Wenn Sir Alexander keine Einwände hat, würde ich Sie bitten, bei dem Gespräch anwesend zu sein.“
Stephen Moriarty lächelte stolz und etwas verlegen.
„Im Gegenteil, Mister Holmes. Mister Moriarty hat sich als verlässliche Unterstützung von Ihnen und Dr. Watson erwiesen, und er hat den Ripper-Fall hervorragend dokumentiert.“
Der Geheimdienstchef begann nun ohne weiteres Zögern, Holmes den Grund seines Besuches darzulegen. „Wir ermitteln in einem Fall mit besonderer Bedeutung und Tragweite. Eine Gruppe von Männern plant, unser Land zu destabilisieren, indem sie die Rechtmäßigkeit der Erbfolge unseres Königshauses und die Autorität der Kirche unseres Landes infrage stellt. Sobald sie dieses Ziel erreicht hat, will sie die Macht ergreifen.“
„Wenn ich Ihnen so zuhöre, Sir Alexander, erscheint mir die Wahrscheinlichkeit, dass diese Gruppe ihr Ziel erreichen könnte, doch verschwindend gering. Wie sollten die Legitimität der Krone und der Kirche infrage gestellt werden?“
„Durch historische Dokumente und Beweise, nach denen diese Leute suchen.“
„Das heißt, diese Gruppe hat Ihrer Ansicht nach im Grunde genommen recht“, stellte Holmes fest. „In groben Zügen kann ich Ihrer Argumentation durchaus folgen. Die Abspaltung der anglikanischen Kirche von derjenigen der Katholiken erfolgte durch Heinrich VIII. aus nicht sehr ehrenvollen Gründen.“
„So ist es, Mister Holmes. Und auch die Absetzung der Stuart-Könige, weil sie als Schotten der katholischen Kirche angehörten, verlief nicht ordnungsgemäß. Man kann also vielerlei Ansatzpunkte erkennen. Und wenn sich durch das Auffinden bisher unbekannter Dokumente neue Perspektiven eröffnen, wird das gefährlich für dieses Land. Dann kann England destabilisiert werden, wie das in Spanien, in Italien, in Deutschland ...“
„Sie haben gewiss Ihre eigenen Leute, die sich dieses Problems professionell annehmen. Warum sollte ich Ihnen in meinen späten Jahren dabei helfen können?“
„Sie sind einige Jahre älter als ich, Holmes, das stimmt. Wer Sie aber auf dem Meer beobachten konnte, beim Ausbringen des Fischernetzes, muss wissen, dass mit Ihnen noch lange zu rechnen ist.“
„Vielen Dank, Sir Alexander. Ihr Lob beantwortet aber nicht meine Frage, warum Sie nicht Ihre eigene Mannschaft ermitteln lassen.“
„Das ist ein heikler Punkt. Einer meiner besten Leute ist seit Tagen verschwunden. Er war einer wahrhaft großen Sache auf der Spur, in seinem Wohnort, in Stratford-on-Avon, und ist seither abgängig. Es ist zu befürchten, dass er sein Leben lassen musste, genauso wie ein Literaturprofessor, den man an seinem Arbeitsplatz im Shakespeare Resource Trust erstach und ihm ein Shakespeare-Zitat in die Haut brannte.“
„Shakespeare und Religion scheinen in diesem Fall eine besondere Rolle zu spielen“, fasste Holmes zusammen.
„Und Politik. Das Geschick unseres Landes. Es scheint so zu sein, dass eine anfangs unwichtige Entdeckung als winziger Schneeball schließlich eine gewaltige Lawine auslösen könnte.“
„Der Erste in einer ganzen Reihe von Dominosteinen“, sinnierte Holmes. „Sobald man ihn ins Wanken bringt, kommt es zu einer Kettenreaktion, die nicht mehr aufzuhalten ist, deren Auswirkungen nicht einschätzbar sind.“
„Diese Verwendung der Dominosteine erscheint mir doch außergewöhnlich“, bemerkte Alexander Sisley.
„Begleiten Sie mich auf einen Drink in meine Zimmer, meine Herren. Und wenn Sie Lust auf ein herkömmliches Spiel mit den weißen Steinen haben ...“
Die Mittagssonne erhellte und erwärmte auch die Zimmer des Detektivs. Holmes verließ kurz den Raum und kehrte mit einer Flasche Whisky und einer Schatulle, die mit schwarzem Samt bezogen war, zurück. Darin befanden sich einundneunzig weiße, rechteckige Steine mit je zwei Sets von schwarzen Punkten an den Enden.
Mehr als zwei Stunden waren vergangen, die Whiskyflasche war halb leer, bis sich Sir Alexander Sisley und Stephen Moriarty geschlagen gaben.
„Sie sind ausgezeichnete Spieler, meine Herren.“
„Die ganze Welt ist eine Bühne und alle Frauen und Männer bloß Spieler.“
„Shakespeare.“
Der Geheimdienstchef nickte bestätigend.
„Wie sieht es mit dem Honorar aus?“
„Wir werden Sie großzügig bezahlen.“
„Wo Geld vorangeht, sind alle Wege offen.“
„Wie meinen Sie das, Holmes?“
„Nicht ich, Sir Alexander. Wieder Shakespeare“, sagte der Detektiv und fuhr fort: „Um erste Schritte in den Ermittlungen zu setzen, benötige ich Informationen über Ihren verschwundenen Mitarbeiter.“
„Ronald Dumbarton war ... ist Agent unserer Behörde. Seine Familie lebt in Stratford-on-Avon. Mister Dumbarton benutzt auch eine Wohnung in London, in der Nähe unseres Hauptquartiers. Er ist zweiundfünfzig Jahre alt, 1,76 Meter groß, stämmig. Er hat kurzes, rötliches Haar. Ich werde Ihnen ein Foto von ihm zukommen lassen. Eine gute Gelegenheit, sich mit den Umständen des Falles vertraut zu machen, wäre die Hochzeit von Dumbartons Sohn in Stratford. Ich überreiche Ihnen hiermit ein Einladungsschreiben zur Hochzeit von Coleen Dumbarton mit Kitty Wolseley am Freitag.“
„Eine Hochzeit in Abwesenheit des Vaters des Bräutigams?“
„Der junge Dumbarton arbeitet im Shakespeare Resource Trust.“
„Dessen Leiter ums Leben gekommen ist. Umso ungewöhnlicher ist es, dass ein Hochzeitsfest gefeiert wird.“
„Sie haben recht, Holmes. Die jungen Leute bestehen darauf. Die Väter halten nichts von dieser Ehe.“
„Klingt ebenfalls nach Shakespeare“, bemerkte der Detektiv.
„Wie darf ich das verstehen?“
„Romeo und Julia.“
„Mit einem hoffentlich glücklichen Ende.“
„Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich neben Stephen Moriarty meinen Freund Watson in den Fall einbinde?“
„Im Gegenteil. Ich hoffte darauf.“
Nachdem Sir Alexander seinen schwarzen Talbot bestiegen hatte, meinte der junge Moriarty: „Sie sprachen davon, Dr. Watson in die Ermittlungen einzubinden. Das wäre doch eine Gelegenheit, mich am Abend nach Tunbridge Wells zu begleiten.“
„Ich habe mich schon dagegen entschieden, der Lesung beizuwohnen. So wichtig diese für Sie und Watson auch sein mag.“
„Angesichts der veränderten Situation ...“
„Sie haben recht, Moriarty. Warum sollte ich nicht ausnahmsweise meine Meinung ändern?“
1Siehe Sherlock Holmes 13 – Das Freimaurer-Komplott
„Wir könnten ein Taxi nehmen“, schlug Stephen Moriarty vor. Doch Sherlock Holmes, der Automobilen wenig abgewinnen konnte, zog die Reise vom Fairmount Hotel in den Kurort Tunbridge Wells in einem Pferdefuhrwerk vor.
Im Hansom dauerte die Fahrt zwar eine Stunde länger, dafür war der Transport bequemer und sicherer, fand der Detektiv. Unangenehm war nur der intensive Geruch nach Alkohol, der, wie meist, vom jungen Moriarty ausging.
In Tunbridge Wells in Kent lebte Dr. John Watson mit seiner Frau Elsa. An diesem Abend sollte der Doktor im Royal Victoria Hall Theatre aus seinen Aufzeichnungen der Fälle von Sherlock Holmes vorlesen. Das Schreiben hatte Watson mehr Ruhm und auch Geld eingebracht als seine ärztliche Tätigkeit. Und der Doktor hatte Stephen Moriarty eingeladen, an diesem Abend aus seinem ersten Holmes-Roman vorzulesen.
„Was für eine Freude, Sie wiederzusehen, Mister Holmes. John wird das als ganz große Ehre empfinden, an diesem einzigartigen Abend. Das Theater ist ausverkauft. Viele Leute sind extra aus London angereist. Natürlich nicht nur wegen John, auch Ihretwegen, Mister Moriarty. Ihre Erzählung ist Ihnen ja außerordentlich gut gelungen. Bitte folgen Sie mir zu einem bescheidenen Mahl“, zwitscherte Mrs. Watson drauflos, ohne nur ein einziges Mal Luft zu holen.
Holmes hatte den Zeitpunkt ihrer Ankunft so eingerichtet, dass man das Mittagessen bei Mrs. Watson einnehmen konnte. Er schätzte ihre Kochkunst über alle Maßen.
Nach dem reichhaltigen Mahl zogen sich die Herren in des Doktors Rauchzimmer zurück, wo Holmes und Watson dem Laster des Pfeifenrauchens frönten, während Stephen Moriarty unruhig vor sich hin hüstelte und sich schließlich entschuldigte, er wolle einen Spaziergang zu den Pantiles machen.
„Ich habe schon auf der Fahrt hierher dem jungen Moriarty mitgeteilt, dass ich der Veranstaltung inkognito beiwohnen werde. Ich möchte nicht, dass Sie auf mich verweisen, Watson. Der Abend gehört Ihnen. Ich will nur als stiller Gast dabei sein.“
„Schade. Es wäre gerade für die Zuhörer von beträchtlichem Interesse gewesen, den Helden all der Abenteuer, die ich beschrieben habe, von Angesicht zu Angesicht ...“
„Ist schon gut, Watson. Sie haben schon genug Altruismus bewiesen, indem Sie unseren jungen Freund an Ihrem Ruhm teilhaben lassen.“
„Er ist ja sehr begabt.“
„Er könnte noch etwas von Ihrer inneren Ruhe lernen. Sein Roman ist viel hektischer als all das, was Sie geschrieben haben, Watson.“
„Die Zeiten ändern sich. Und mit den Zeiten die Bücher.“
„In der Ruhe liegt die Kraft, mein lieber Watson. Das ändert sich nie.“
„Ich hoffe, Sie behalten auch in diesem Punkt recht. Es freut mich sehr, dass Sie gekommen sind, obwohl Sie schon abgesagt hatten. Steckt hinter diesem Sinneswandel mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist?“
„Die Katze will herein“, sagte der Detektiv.
Ein mächtiges, schwarz-weiß geflecktes Tier hatte mehrmals sanft mit der rechten Vorderpfote gegen die Glastür geklopft.
„Rebecca ist ihr Name, nicht wahr?“
„Ihr gutes Gedächtnis in allen Ehren, Holmes. Aber Sie lenken von meiner Frage ab.“
„Und die wäre?“
„Ihr Langzeitgedächtnis scheint besser zu funktionieren als das Kurzzeitgedächtnis.“