Silver Swan - Elite Kings Club - Amo Jones - E-Book + Hörbuch

Silver Swan - Elite Kings Club Hörbuch

Amo Jones

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Beschreibung

Was weißt du über den Elite Kings Club?

Als Madison Montgomery nach einem schrecklichen Schicksalsschlag in die Hamptons zieht, will sie nur eins: unsichtbar bleiben und keine Aufmerksamkeit erregen. Doch bereits am ersten Tag gerät sie ins Visier des Elite Kings Clubs - einer Gruppe gefährlicher Bad Boys. Bishop Vincent Hayes, der Anführer, zieht sie wie magisch in seinen Bann aus verbotenen Gefühlen, Macht und Geheimnissen. Geheimnisse, die Madisons Welt für immer aus den Angeln heben werden ...


"Ich kann nicht beschreiben, wie großartig dieses Buch ist. Unglaublich intensiv und spannend!" NightWolf Book Blog

Band 1 der Elite-Kings-Club-Reihe von Amo Jones


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Zeit:9 Std. 6 min

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Inhalt

LeserwarnungTitelZu diesem BuchWidmung1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. KapitelDanksagungDie Geschichte von Madison und Bishop geht weiter!Die AutorinWeitere Romane der Autorin bei LYXImpressum

Leserwarnung

Dieses Buch enthält explizite Szenen, derbe Wortwahl, Gewalt und die Schilderung von sexuellen Übergriffen. Leser*innen, die derart heftige Darstellungen nicht lesen möchten oder durch sie an ein Trauma erinnert werden könnten, wird hiermit geraten, diesen Roman nicht zu lesen.

AMO JONES

Silver Swan

Elite Kings Club

Roman

Ins Deutsche übertragen von Barbara Slawig

Zu diesem Buch

Seit dem Tod ihrer Mutter ranken sich wilde Gerüchte um die junge Madison Montgomery. Ihr Ruf ist beschädigt, ihre Freunde ziehen sich von ihr zurück, und ihre Mitschüler halten sie auf Abstand. Als Maddie mit ihrem Vater in die Hamptons ans andere Ende des Landes zieht, hofft sie daher auf einen unbelasteten Neuanfang. Sie will nur eins: unsichtbar bleiben und keine Aufmerksamkeit erregen. Doch bereits am ersten Tag an der Riverside Prep Academy, ihrer neuen Highschool, gerät sie ins Visier des Elite Kings Clubs – einer Gruppe gefährlicher Bad Boys. Sie regieren die Schule, niemand weiß, wer zu ihnen gehört oder was bei ihren geheimnisvollen Treffen geschieht. Alle raten Maddie, sich von ihnen fernzuhalten, doch Bishop Vincent Hayes, der Anführer, zieht sie wie magisch in seinen Bann. Und Maddie betritt seine Welt aus verbotenen Gefühlen, Macht und Geheimnissen. Geheimnisse, die auch ihr eigenes Leben für immer auf den Kopf stellen!

Für alle Geschichten, die einen derart umhauen, dass man hinterher tief Luft holen muss.

Dies ist so eine Geschichte.

1. KAPITEL

Heute ist mein erster Schultag an der Riverside Preparatory Academy, und die Gänge fühlen sich immer enger an, je weiter ich gehe. Ringsum ist Gekicher und das Zuschlagen von Spinden zu hören. Im Augenblick wünsche ich mir nur eins: das Grab meiner Mutter zu besuchen. Mein Vater ist mit mir ans andere Ende des Landes gezogen, weil er hier die Eine gefunden hat. Allmählich glaube ich, er kann nicht zählen. Es ist schon die dritte Eine seit dem Tod meiner Mutter.

Ich komme zu meinem Spind, öffne ihn und lege meine brandneuen Schulbücher hinein. Dann hole ich den Stundenplan hervor. Mathematik. Na toll. Ich schließe den Spind, wobei meine Leder-Metall-Armbänder klimpern, und mache mich auf den Weg. Es ist September. Wenigstens fange ich hier am Beginn des neuen Schuljahrs an.

Auf der Schwelle zum Klassenzimmer bleibe ich stehen, sehe auf dem Stundenplan in meiner Hand die Zimmernummer nach und schaue dann auf die Nummer über der Tür. Die zehn Augenpaare, die mich anstarren, ignoriere ich. Es gelingt mir zu fragen: »Ist das hier 1DY, Mathe?«

Der Lehrer – vermute ich mal – kommt auf mich zu, schwarze Hornbrille, müde Augen und graue Haare, die verraten, wie alt er ist. »Ja. Madison Montgomery?«

Ich schlucke und nicke. »Ja, das bin ich.«

»Willkommen an der Riverside Prep. Ich bin Mr Warner. Setzen Sie sich doch.«

Ich lächle ihn an, umklammere meine Bücher und gehe auf die sitzenden Schüler zu. Im selben Moment beginnt das Getuschel.

»Madison Montgomery? Hieß so nicht das Mädchen, dessen Mutter die Freundin ihres Ehemanns ermordet und sich danach selbst umgebracht hat?«

»Meinst du?«, fragt das andere Mädchen und mustert mich skeptisch. »Auf den Zeitungsfotos sah sie viel hübscher aus.«

»Nein, das ist sie, ganz sicher. Ihr Vater ist echt reich. Eine alte, wohlhabende Familie. Die Mutter war so eine gelangweilte Hausfrau, und irgendwann hat sie ihren Mann mit einer anderen erwischt, da hat sie die Frau erstochen und sich selbst in den Kopf geschossen. Mit Madisons Gewehr.« Inzwischen bin ich an meinem Platz angelangt. Die Luft fühlt sich zum Schneiden dick an.

»Ihrem Gewehr? Sie hat ein Gewehr? Puh. Von der hält man wohl besser Abstand. Vielleicht ist sie ja genauso verrückt wie ihre Mutter.«

Sie lachen. Dann schnippt Mr Warner mit den Fingern, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Ich schließe kurz die Augen und verabschiede mich von jeder Hoffnung auf einen unbelasteten Neuanfang an dieser Schule. So etwas gibt es für mich nicht. Da hatte ich mir wohl etwas vorgemacht.

In der ersten Pause gehe ich durch den Hauptausgang der Schule hinaus ins Freie und setze mich auf eine der Stufen davor. An der Riverside Prep kann man die Pausen nicht nur in der Cafeteria verbringen, sondern auch auf der Vortreppe. Im Atrium ist es voll, darum sitze ich lieber hier draußen, wo die Sonne scheint und es nicht so … voll ist.

»Hi!«, ruft jemand betont munter. Ich drehe mich um. Das Mädchen hinter mir ist klein wie ein Kobold, von oben bis unten in Designer-Klamotten gehüllt und hat weißblondes Haar, das alles Sonnenlicht reflektiert. Außerdem fällt mir auf, dass sie lauter silberne und goldene Armreifen trägt. Meine sind aus schwarzem Metall und Leder, daher weiß ich sofort, dass wir unmöglich Freundinnen werden können.

»Hi.« Ich streiche mir das braune Haar hinters Ohr.

Sie setzt sich neben mich und beißt in ihr Sandwich. »Ich heiße Tatum. Du bist neu, oder?«

Ich nicke und lecke den Saft auf, der aus meinem Apfel auf meinen Daumen getropft ist. »Stimmt. Tut mir leid, aber du lässt dich besser nicht mit mir blicken.«

Sie winkt ab. »Ich weiß Bescheid. Du bist Madison Montgomery, siebzehn Jahre alt, Tochter einer Mörderin, die sich anschließend selbst erschossen hat. Dein Dad schwimmt im Geld. Bevor ihr hierher in die Hamptons gezogen seid, habt ihr in Beverley Hills gewohnt. Hab ich was vergessen?«

Ich blinzle. Dann sehe ich sie scharf an. »Dass sie mein Gewehr benutzt hat. Das hast du ausgelassen.«

Sie lacht nervös. »Ich weiß. Ich hatte gehofft, der Teil wäre nicht wahr.«

»Sag ich doch. Du lässt dich lieber nicht mit mir blicken.«

Sie schüttelt den Kopf. »Nee. Wir zwei werden dicke Freundinnen.«

Nach der Pause habe ich wieder Unterricht, und früher als erwartet läutet es zur Mittagspause. Tatum besteht darauf, mir möglichst viel von der Schule zu zeigen: wo die unterschiedlichen Räume sind, und wo ich mich wofür anmelden kann. Zum Mittagessen kommen die Jungen aus ihrem Teil des Gebäudes herüber, und alles trifft sich in der Cafeteria, die zwischen dem Mädchen- und dem Jungenbereich liegt. Die Riverside Prep ist eine Schule für Superreiche, so etwa auf dem Level von Bill Gates, und ich frage mich ernsthaft, wie mein Vater es angestellt hat, mich hier unterzubringen. Klar, reich sind wir auch, aber diese Schule ist etwas Besonderes. Um hier aufgenommen zu werden, muss man aus einer richtig guten Familie stammen.

Auf dem Weg in die Cafeteria zeigt Tatum auf meinen Rock. »Du könntest deine Schuluniform ein bisschen aufpeppen. Wir dürfen zum Beispiel den Rock kürzer machen, wenn wir wollen.« Der karierte Schulrock reicht mir bis knapp übers Knie, und das ist mir ganz recht. Ich möchte nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregen.

»Danke«, sage ich daher nur trocken. Dann schaue ich zu den Türen hinüber, die in den Bereich der Jungen führen. Eben kommt eine Gruppe von Typen herein. Sie reden und lachen miteinander und beherrschen augenblicklich den Raum. Ihr Grinsen wirkt frech und selbstsicher.

»Wer ist das?« Ich deute mit einem Nicken auf die Gruppe.

»Das sind Leute, die Ärger machen«, murmelt Tatum und setzt sich an einen der Picknicktische. Ich behalte die Gruppe im Auge. Es sind lauter heiße Typen. Echt heiß. Tatum dreht sich um und schaut in dieselbe Richtung. »Und die Zicken da können auch lästig werden«, ergänzt sie leise und zeigt auf die Mädchen, die vorhin in Mathe geflüstert haben.

»Was meinst du mit Ärger?«, frage ich, ohne ihre Bemerkung über die Mädchen zu beachten. Zugleich wende ich den Blick von der Gruppe Jungen ab.

»Erstens sind es privilegierte Arschlöcher, denen diese Schule gehört – und zwar buchstäblich, zumindest was Nate angeht. Und außerdem? Diese Typen haben das Sagen. Die anderen an der Riverside Prep sind nichts als Schachfiguren in ihren kranken, verqueren Spielchen. Ihnen gehört diese Schule, Madison.«

»Du redest ja so, als wären sie eine Gang.« Ich ziehe den Deckel von meinem Joghurtbecher.

»Sind sie auch, fast«. Tatum öffnet ihren Saftkarton. »Wie es scheint, gehören sie einem supergeheimem Club an.« Sie beugt sich vor und lächelt. »Dem Elite Kings Club.«

2. KAPITEL

»Elite Kings Club?«, wiederhole ich fragend und beiße in mein Sandwich. Unser Koch Jimmy hat mir meine Lieblingssorte mitgegeben: Geflügelsalat mit einer Mayonnaise mit Tomatenwürfeln und gehackten Salatblättern. Jimmy ist als Koch so gut, dass mein Vater ihn jedes Mal, wenn wir umziehen, überredet, uns zu begleiten.

Tatum wedelt mit der Hand und verdreht die Augen. »Das ist so eine Art verdeckter, exklusiver Club. Was bei den Treffen vorgeht, weiß niemand, auch nicht, wer alles dazugehört, aber anscheinend spielen Familie und Blutsverwandtschaft eine große Rolle.«

Ich esse mein Sandwich auf. Als es läutet, weil auch diese Pause schon wieder vorbei ist, greife ich nach meinen Büchern.

»Was hast du jetzt?« Tatum steckt sich einen Apfel in den Mund, damit sie eine Hand für ihre Bücher frei hat. Ich lache leise. Sie nimmt den Apfel heraus und fragt: »Was ist?«

Ich schüttle den Kopf. »Gar nichts. Ich hab jetzt Sport.«

Sie zieht eine Grimasse. »Du weiß aber schon, dass du das abwählen kannst, oder?«

Ich nicke und helfe ihr, die Bücher einzusammeln, da es sonst zu lange dauert. »Ich mag Sport.«

Wir gehen auf den Mädchenbereich zu. An der Tür zwingt mich irgendetwas, mich umzudrehen.

Kennt ihr das Gefühl, wenn man spürt, dass man beobachtet wird? Genau so ging es mir eben. Siebenfach. Als ich innehalte, unterbricht Tatum ihr Geplapper über irgendeine Sportveranstaltung, die am Freitagabend stattfindet, und blickt über meine Schulter zurück. Dann wird sie blass und runzelt die Stirn. Ich drehe mich langsam um. Alle Jungs aus der Gruppe – es sind sieben – starren mich an. Ich sehe von einem zum andern, und bei dem mit dem unordentlichen dunkelbraunen Haar, der lässig zurückgelehnt auf einem Stuhl sitzt, bleibt mein Blick ein wenig zu lange hängen. Der Typ hat breite Schultern und ein kräftiges, eckiges Kinn. Er sieht mir unverwandt ins Gesicht, und plötzlich komme ich mir vor wie in Trance. Mir ist klar, dass ich mich schnell befreien muss, also schlucke ich, wende mich ab und gehe weiter.

»Wow! Warte!« Tatum kommt hinter mir hergerannt. »Was zum Teufel hatte das denn zu bedeuten?«

Ich zucke die Schultern und hole meinen Stundenplan hervor. »Wahrscheinlich haben sie das von meiner Mutter gehört.«

Tatum lacht spöttisch. »Das würde die doch nicht kratzen. Nein, da steckt was anderes dahinter. Aber hör mal …« Sie packt mich am Arm, sodass ich stehen bleiben muss. »… deren Aufmerksamkeit solltest du lieber nicht auf dich ziehen, Madison. Das sind keine netten Typen.«

»Na, dafür scheint es etwas zu spät zu sein.« Ich dränge mich an ihr vorbei und steuere die rückwärtige Tür an, durch die man die Sporthalle erreicht. Dort folge ich einem langen Gang. Als ich um die Ecke biege, hinter der sich die Umkleide der Mädchen befindet, pralle ich gegen eine steinharte Brust.

»Ach du Scheiße«, flüstere ich und nehme meine Hand von dem muskulösen Oberkörper. »Tut mir echt leid.« Ich hebe den Kopf und blicke in honigbraune Augen, die von dichten Wimpern eingerahmt sind. Hübscher Junge.

»He, kein Grund zur Panik.« Er hebt seine Sporttasche wieder auf, dann streckt er mir die Hand hin. »Carter. Und du musst Madison Montgomery sein.«

»Na toll«, sage ich halblaut. »Du hast also auch schon von mir gehört.« Ich schaue erneut auf seine Brust und muss daran denken, wie hart sie sich angefühlt hat.

Er lacht leise. »Gibt’s da denn was zu hören?«, fragt er neckend und zwinkert mir zu.

Sein Versuch, für gute Stimmung zu sorgen, bringt mich zum Lächeln. Ich schüttle den Kopf. »Ich dachte, das hier ist die Mädchenseite?«

»Die Sporthalle benutzen wir alle. Wie läuft es denn so an deinem ersten Tag?« Er lehnt sich an die Wand.

»Na ja …« Ich blicke im Gang umher. »… es ist ein bisschen anstrengend.«

»Carter! Kommen Sie sofort her!«, ruft ein älterer Mann mit Trillerpfeife und Baseballkappe vom anderen Ende des Gangs.

Carter schaut mich weiter an und grinst ein wenig. »Wir sehen uns, Madison.« Er löst sich von der Wand und schlendert an mir vorbei.

»Ja klar«, sage ich, nachdem er weg ist. »Wir sehen uns.« Ich schaue ihm über die Schulter nach und erwische ihn dabei, wie er sich zu mir umdreht, also winke ich ihm lässig zu und gehe weiter.

Damit habe ich gleich am ersten Tag zwei nette Leute kennengelernt. Und Carter hat nicht mit den Elite-sonst-was-Jungs herumgesessen, darum ist zu hoffen, dass er nicht mit ihnen befreundet ist.

Als ich vor dem Schultor auf unseren Chauffeur warte, kommt Tatum auf mich zugerannt. »Aha. Carter Mathers.« Sie hebt vielsagend die Augenbrauen.

Ich lege den Kopf schief. »Wieso weißt du davon? Seitdem ist doch noch keine Stunde vergangen.«

»Hier spricht sich eben alles schnell herum.« Ungerührt knibbelt sie an einem Fingernagel.

»Scheint mir auch so.«

»Na, jedenfalls …« Sie hakt sich bei mir unter. »… ich brauche noch deine Telefonnummer, damit wir uns fürs Wochenende verabreden können.« In diesem Moment hält unsere schwarze Limousine am Straßenrand, und auf der Fahrerseite steigt Harry aus, der Chauffeur meines Vaters. Tatum holt ihr Telefon hervor, und ich rattere meine Nummer herunter, während ich zugleich auf den Wagen zugehe. »Okay! Ich schreibe dir!«, ruft Tatum. Harry hält mir die Tür auf, und ich fasse nach dem Griff.

»Wirst du abgeholt?«, frage ich, einen Fuß schon im Wagen.

Sie schüttelt den Kopf. »Ich fahre selbst.«

Also winke ich ihr zum Abschied und setze mich auf die Rückbank. Das war nun echt ein interessanter Tag. Was ich von all den Vorfällen halten soll, weiß ich noch nicht, aber wenn es weiter so läuft, habe ich ein langes Schuljahr vor mir.

3. KAPITEL

Sobald ich die Doppelflügel der Eingangstür zu unserem Haus im Kolonialstil geöffnet habe, stelle ich meine Tasche im Foyer ab und gehe in die Küche. Dieses Haus ist genau das, was man von jemand wie meinem Vater erwarten würde. Wände in neutralem milchigem Weiß und eine strahlend weiße Treppe zum oberen Stockwerk. Ich nehme mir eine Dose Coke aus dem Kühlschrank, dann gehe ich nach oben. Am Montag kommen mein Dad und seine Braut nach Hause. Ich bin Elena erst ein- oder zweimal begegnet, aber sie scheint ganz nett zu sein. Jedenfalls netter als die letzte geldgierige Tussi, die er mit ins Haus gebracht hat. Während ich die Treppe hinaufgehe, vibriert das Telefon in meiner Rocktasche. Schnell fische ich es heraus und schiebe es auf. Es ist mein Dad.

»Hey.«

»Madi, Süße, tut mir echt leid, aber wir haben ganz vergessen, dir zu erzählen, dass Elenas Sohn auch zu uns zieht.«

Ich bleibe am Kopf der Treppe stehen und schaue den langen Flur entlang. »Oh-kay. Ich wusste gar nicht, dass sie einen Sohn hat.«

»Doch, hat sie. Er geht auf dieselbe Schule wie du. Halt ihn bitte auf Abstand.«

»Was meinst du damit?«

Er seufzt. »Das muss warten, bis wir zu Hause sind, Madi.«

»Dad, du sprichst in Rätseln. Wir sehen uns ja bei eurer Rückkehr. Bis dahin komme ich bestimmt bestens zurecht.«

Ich lege auf, bevor er mich weiter nerven kann – oder mir am Ende einen Vortrag über Jungs hält. Dann stecke ich das Telefon wieder ein und gehe zu meinem Zimmer. Als ich aus dem Nachbarzimmer Geräusche höre, halte ich inne. Ist Elenas Sohne etwa schon da? Ich bezwinge meine Neugier, öffne die Tür zu meinem Zimmer und seufze erleichtert auf. Endlich bin ich wieder in meiner sicheren Höhle. Mit dem Fuß stoße ich die Tür hinter mir zu und gehe zu der Balkontür im viktorianischen Stil. Von hier aus schaut man auf den Pool. Ich schiebe die weiße Gardine beiseite und öffne die Tür, um frische Luft hereinzulassen. Sanfter nachmittäglicher Wind weht mir entgegen, sodass mir die langen braunen Haare über die Schultern streichen.

Doch der Friede in meiner sicheren Höhle ist nur von kurzer Dauer. Auf einmal ertönt »What’s Your Fantasy« von Ludacris, und zwar so laut, dass die Vintage-Art-Poster an meinen Wänden im Takt der tiefen Bässe zittern. Kopfschüttelnd kehre ich in die Zimmermitte zurück. Überall stehen noch unausgepackte Umzugskartons. Ich öffne die Tür zu dem Bad, das zu meinem Zimmer gehört, schließe sie hinter mir und ziehe meine Schulkleidung aus. Das heiße Wasser der Dusche wirkt besänftigend. Ich wasche mich gründlich und lasse mir viel Zeit dabei. Schließlich drehe ich das Wasser ab und wickle mich in ein Handtuch.

Als ich aus der Dusche steige, sehe ich jemand am Rahmen der Tür lehnen, die vom Bad ins nächste Zimmer führt. Unwillkürlich schreie ich auf und raffe das Handtuch enger um mich. Verdammt, die Tür habe ich ganz vergessen. Inzwischen läuft »Pony« von Ginuvine, und vor mir steht ein großer schlanker Typ, die Arme vor der Brust verschränkt.

»Raus hier!« Ich zeige auf sein Zimmer.

Er lachte leise, legt den Kopf schief und betrachtet mich von oben bis unten. »Ach, sei doch noch nicht so schüchtern, Schwesterlein. Ich beiße nicht …« Er grinst. »Jedenfalls nicht sehr.«

Während ich das Handtuch noch etwas fester packe, wandert mein Blick unwillkürlich zu seiner nackten Brust. Straffes Sixpack, kräftige Arme. Links oben auf der Brust hat er ein großes Keltenkreuz-Tattoo, und rechts über den Rippen ist ein langer Schriftzug eintätowiert.

Als ich ihm wieder ins Gesicht sehe, hat er den Mund zu einem schiefen Grinsen verzogen. Auf einer Seite trägt er ein Lippen-Piercing. In seinen Augen blitzt es boshaft. »Hast du dich satt gesehen, Schwesterlein?«

»Ich bin nicht deine Schwester«, fahre ich ihn an. »Verschwinde. Ich muss mich umziehen.«

»Willst du denn gar nicht wissen, wie ich heiße?« Seine glatte sonnengebräunte Haut schimmert im Licht der Badezimmerlampen, seine blauen Augen funkeln. Er löst sich vom Türrahmen und kommt auf mich zu, mit einer lässigen Großspurigkeit, bei der selbst 50 Cent nicht mithalten könnte. Sein dunkelblondes Haar ist zerwühlt, und seine zerrissene Jeans hängt cool an den Hüften, gerade so tief, dass man das Firmenschild an seinen Phillip-Plein-Boxershorts erkennt. Erst als wir fast Brust an Brust kleben, bleibt er stehen.

Grinsend greift er nach der Zahnbürste. »Ich heiße Nate, Schwesterlein.« Er zwinkert mir zu und drückt Zahnpasta auf die Bürste. Immer noch grinsend schaut er in den Spiegel und nimmt die Zahnbürste in den Mund.

Ich wirble herum und stürme in mein Zimmer. Was zum Teufel sollte das denn? Mit dem Typ teile ich mir auf gar keinen Fall das Bad. Ich nehme das Telefon vom Bett und rufe meinen Vater an. Als sich die Mailbox meldet, knurre ich verärgert. »Dad, wir müssen über meine Wohnsituation reden. Sofort!«

Dann streife ich eine enge Jeans und ein kariertes Top über, bürste mir das Haar und binde es unordentlich zu einem Pferdeschwanz hoch. Ich schlüpfe in meine Converse-Sneakers und gehe zur Tür. Als ich sie öffne, kommt eben Nate aus seinem Zimmer, immer noch oben ohne, immer noch in der sündhaft tief sitzenden Jeans. Ich bin augenblicklich genervt. Nate trägt eine Baseballkappe, mit dem Schirm nach hinten, und grinst übers ganze Gesicht. »Wo willst du hin?«

»Geht dich nichts an.« Ich knalle die Tür zu meinem Zimmer zu und überlege, ob ich vielleicht Schlösser anbringen lassen sollte. Als ich auf die Treppe zumarschiere, kommt Nate hinter mir her.

»Klar geht mich das was an. Ich muss doch auf meine kleine Schwester aufpassen.«

Ich halte auf der vierten Stufe inne, wirble herum und funkele ihn wütend an. »Wir zwei …« Ich deute von ihm auf mich. »… sind nicht verwandt, Nate.« Daraufhin grinst er nur noch breiter. Er lehnt sich ans Treppengeländer, und dabei fällt mein Blick auf eine Stelle unter seinem Oberarm. Dort hat er eine Narbe. Als er merkt, wo ich hinschaue, verschränkt er die Arme vor der Brust. »Aber wenn du es unbedingt wissen willst …« Im Sprechen gehe ich weiter die Treppe hinab. Unten drehe ich mich um und lege den Kopf in den Nacken. »Ich gehe schießen.«

4. KAPITEL

Als ich später am Abend wieder heimkomme, bedanke ich mich in der Zufahrt bei Harry und gehe über den breiten, mit Kopfsteinen gepflasterten Weg auf die Haustür zu. Noch bevor ich dort ankomme, höre ich schon Musik, darum bin ich nicht sonderlich überrascht, als ich die Tür öffne und in eine Party platze. Ich knalle die Tür zu – mit einigem Nachdruck – und betrachte die betrunkenen Gäste. In unserer Küche mit den Arbeitsflächen aus Marmor spielen Teenager Bier-Pong, und im Hintergrund wird getanzt und gefummelt.

Bei einem Blick ins Wohnzimmer – durch dessen Glastüren man den Pool im Freien und das überdachte Schwimmbecken erreicht – entdecke ich weitere Tänzer. Stroboskoplicht flackert, und wo einmal das Sofa stand, befindet sich jetzt das DJ-Pult. Soeben läuft »Ain’t Saying Nothing« von Akon. Draußen brennt die Partybeleuchtung, und halb nackte Leute springen mit dem Hintern voran in den Pool. Ein paar knutschen auch in unserem Jacuzzi.

Dieser Wichser!

Als ich die Augen zusammenkneife, glaube ich hinter dem Pool noch mehr Menschen zu erkennen, auf der Grasfläche, hinter der der Strand beginnt. Oh, Mann, dem werd ich so was von in den Arsch treten. Schließlich entdecke ich eine schwarze Baseballkappe, unter der kurzes blondes Haar hervorschaut, und seine schlanke, sonnengebräunte Gestalt, immer noch ohne Hemd. Nate. Ich gehe zu dem Sofa, wo er mit ein paar anderen Jungs herumlungert, im Takt von »Nightmare on My Street« von DJ Jazzy Jeff mit dem Kopf nickt und eine Bong mit Gras befüllt.

Diese Leute habe ich alle schon in der Schule gesehen: Es sind die Typen, die Tatum als Elite Kings Club bezeichnet hat. Nate muss derjenige sein, dessen Ururgroßeltern die Riverside Prep gegründet haben. Ob es sich dabei um die Familie seiner Mutter oder seines Vaters handelt, weiß ich nicht. Wahrscheinlich die seiner Mutter, denn Elena ist nicht nur wunderschön, sondern auch genauso reich wie mein Vater. Vermutlich gefällt sie mir darum besser als alle anderen Frauen, die er mir je vorgestellt hat. Bei ihr bin ich mir sicher, dass sie nicht hinter seinem Geld her ist. Für einen alten Mann sieht mein Vater aber auch noch ganz gut aus. Das heißt, so alt ist er gar nicht, erst siebenundvierzig. Es gibt bestimmt einige in meinem Alter, deren Väter älter sind. Außerdem trainiert er täglich und ernährt sich gesund. Elena auch. Für ihr Alter ist sie bestens in Form, und sie achtet auf sich. Bisher bin ich ihr erst zwei Mal begegnet – einmal, als wir vor ein paar Tagen hier eingezogen sind, und dann noch einmal, bevor die zwei zu einer geschäftlichen Besprechung nach Dubai geflogen sind. Aber sie war jedes Mal nett zu mir. Wie sie zu so einer Arschgeige von Sohn kommt, ist mir unbegreiflich.

»Nate!« Ich umrunde das Sofa und baue mich vor ihm auf. Er hat die Arme auf der Rückenlehne ausgebreitet und die gespreizten Beine von sich gestreckt, formt mit den Lippen soeben ein O und stößt langsam eine Rauchwolke aus. Sein Blick geht einfach durch mich hindurch. »Mach den Laden dicht. Sofort.« Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr, achte aber nicht darauf.

Er grinst. »Schwesterlein, vielleicht stellst du erst mal die Knarre in den Schrank, bevor hier noch eine Panik ausbricht.«

Ich packe den Gurt meiner Schrotflinte Kaliber 12. »Die Party ist zu Ende, Nate. Ich meine es ernst.«

Er springt mit einem roten Plastikbecher in der Hand auf. »Warte! Komm mal her.« Er zieht mich seitlich an sich, beugt sich zu meinem Ohr herab und zeigt auf den Typen, der auf dem Sofa neben ihm gesessen hat. »Das ist Saint. Ace, Hunter, Cash, Jase, Eli, Abel, Chase und Bishop.« Ich schaue desinteressiert von einem zum andern. Einige von ihnen habe ich schon in der Schule gesehen, aber es sind auch zwei dabei, die älter wirken, und die ich noch nicht kenne.

»Hi«, sage ich, ziemlich unbeholfen, wie ich zugeben muss. Dann wende ich mich wieder an Nate. »Im Ernst. Du bringst uns beide noch in Schwierigkeiten. Mach Schluss.« Ich gehe davon, doch als ich die Tür erreiche, drehe ich mich noch einmal um. Sie beobachten mich. Nate lächelt hinter seinem Becher hervor; die Mienen der anderen verraten sehr unterschiedliche Gefühle. Als ich zu dem komme, den Nate Bishop genannt hat, fangen meine Wangen an zu glühen. Es ist derselbe Typ, mit dem ich mir heute in der Schule ein Blickduell geliefert habe. Jetzt sitzt er auf einem Küchenstuhl, die gespreizten Beine ausgestreckt, und sein Blick bohrt sich mir förmlich in den Kopf. Ich habe noch nie jemand erlebt, der so abweisend wirkt, auch wenn er völlig gelassen scheint.

Mir läuft es kalt den Rücken hinunter, und ich weiß nicht einmal warum. Vielleicht weil er so … unnahbar scheint. In Gedanken schnaube ich verächtlich. Das sind doch typische Privatschuljungs. Ich überlasse es Nate, die Party zu beenden, und steige die Treppe hinauf. In meinem Zimmer lege ich die Flinte oben in den begehbaren Schrank und nehme bei der Gelegenheit frische Kleidung heraus. Im Bad checke ich zunächst einmal beide Türschlösser, dann drehe ich die Dusche heiß und stelle mich unter den Strahl. Das Prasseln des Wassers übertönt das Dröhnen der Bässe. Ich dusche, bis meine Haut in der Hitze schrumpelig wird.

Anschließend trockne ich mich rasch ab, ziehe eine kurze Pyjamahose aus Seide und ein Tanktop an, rubbel mir die Haare trocken und hänge das Handtuch auf. Ich entriegle die Tür zu Nates Zimmer und kehre in mein eigenes kühles Zimmer zurück. Die Musik ist verstummt. Man hört gedämpftes Rufen, das sich allmählich nach draußen entfernt. Mädchen kreischen, Autos fahren an. Ich öffne die Tür zu meinem kleinen Balkon und ziehe beide Flügel weit auf. Als die Geräusche im Haus so weit verebbt sind, dass man sich wieder aus dem Zimmer wagen kann, öffne ich die Tür zum Flur und gehe langsam die Treppe hinunter. Erst als ich schon fast in der Küche bin, bemerke ich Nate und seine Freunde. Sie sitzen noch an derselben Stelle im Wohnzimmer. Ich bleibe stehen, und im gleichen Moment unterbrechen sie ihre Gespräche.

»Lasst euch nicht stören«, sage ich halblaut und gehe weiter in Richtung Küche. Nach dem Schießen bin ich immer hungrig, und von ein paar Elite-Jungs im Haus werde ich mich nicht aus dem Tritt bringen lassen. Heute Morgen beim Aufwachen war ich noch ein Einzelkind. Wie bin ich in so kurzer Zeit nur zu einem Stiefbruder gekommen, noch dazu einem wie Nate?

Ich öffne den Kühlschrank, nehme Eier, Milch und Butter heraus und hole Mehl und Zucker aus der Speisekammer. Als ich gerade alle Zutaten auf der Arbeitsfläche abgestellt habe, kommt Nate herein und lehnt sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen. Ich bücke mich und nehme eine Schüssel und einen Holzlöffel aus den Fächern unter der Frühstückstheke.

Dann zeige ich auf Nate. »Hast du manchmal auch was an?«

Er lacht schnaubend. »Den Mädchen gefällt es so.« Er zwinkert mir zu und kommt näher. Hinter ihm tauchen Cash, Jase, Eli, Saint und Hunter auf. Sie mustern mich skeptisch.

»Was machst du da?«, fragt Nate, der mich nicht aus den Augen gelassen hat.

»Waffeln.« Ich sehe von einem Jungen zum andern. Sie haben sich über die ganze Küche verteilt. Es liegt Spannung in der Luft.

Ich räuspere mich und wende mich wieder Nate zu. »Wie kommt es eigentlich, dass ich vorher nie von dir gehört habe? Mein Dad hat nie erwähnt, dass Elena einen Sohn hat.« Beim Sprechen gebe ich die Zutaten in die Schüssel. Nate holt unterdessen das Waffeleisen aus einem der Schränke und schließt es an.

Dann lehnt er sich gegen die Arbeitsfläche und zuckt die Achseln. »Keine Ahnung. Vielleicht weil ich so ein rebellischer Junge bin.« Er grinst.

»Stimmt das, was man sich von dir erzählt?«, fragt Hunter und sieht mich finster an.

»Was genau meinst du denn? Es sind einige Geschichten im Umlauf.« Ich gehe zum Waffeleisen. Nate nimmt mir die Schüssel ab und gießt Teig in die Form.

»Das mit deiner Mutter.« Ziemlich unverblümt, aber das bin ich gewöhnt.

»Dass sie sich umgebracht hat oder dass sie vorher die Liebste meines Vaters ermordet hat?«

Hunter hat ein Gesicht, dessen Züge man nur als grob bezeichnen kann. Mir ist nicht ganz klar, wo ich ihn ethnisch einordnen soll: Er hat dunkle Augen, olivbraune Haut und einen nachlässigen, aber sauberen Stoppelbart.

Jetzt lehnte er sich noch etwas weiter auf dem Stuhl zurück und sieht mich scharf an. »Beides.«

»Zweimal ja«, antworte ich knapp. »Und ja, sie hat es mit meinem Gewehr gemacht.«

Als ich mich umdrehe, merke ich, dass Nate Hunter verärgert anstarrt. »Mach mal Platz«, befehle ich und deute auf das Waffeleisen. Er weicht einen Schritt zur Seite und lässt mich vorbei. Dabei streife ich ihn mit dem Arm, halte kurz inne und sehe ihn an. Er lächelt boshaft. Bevor ich ihm sagen kann, dass er sich das dumme Grinsen sparen soll, kommt Eli herüber und stellt sich neben mich.

»Ich heiße Eli, und ich bin der in unserer Gruppe, der alles sieht und hört. Außerdem bin ich der jüngere Bruder von Ace.« Er deutet über die Schulter auf einen Jungen, der genauso aussieht wie er, nur etwas älter und stämmiger.

Ich lächele Ace höflich zu, doch er lächelt nicht zurück. Na, wie er will.

»Der in eurem Club, meinst du wohl?« Ohne Eli anzusehen, gieße ich frischen Teig in die Waffelform. Erst dann merke ich, wie still es geworden ist.

»Tss, tss. Wie es scheint, hast du gleich am ersten Tag alle möglichen Gerüchte gehört. Wer hat dir das mit dem Club denn erzählt?«, fragt Nate.

Ich mache einen Schritt von ihm weg, lege die fertige Waffel auf einen Teller und beschließe, die Küche zu verlassen. Hier liegt mir zu viel Testosteron in der Luft.

»Tatum.« Ich spritze Ahornsirup auf meine Waffel. »Dann geh ich mal wieder.« Ich nehme meinen Teller und steuere auf die Treppe zu. Im Vorbeigehen bemerke ich, dass Bishop und Brantley noch an der gleichen Stelle im Wohnzimmer sitzen und sich unterhalten.

Ich bleibe stehen, eine Hand auf dem Treppengeländer, und schaue zu ihnen hinüber. Bishop sieht einfach durch mich hindurch. Keine Ahnung, was diese Jungs für ein Problem haben, aber mir ist das alles ein bisschen zu spannungsgeladen. Bishop hat ein kantiges Gesicht mit hohen Backenknochen und eine Kinnlinie wie ein griechischer Gott. Sein lockeres dunkles Haar weckt in mir den Wunsch, mit den Fingern hindurchzufahren. Seine Augen sind dunkelgrün und durchdringend. Dichte dunkle Wimpern beschatten die makellose Haut seiner Wangen. Er hat schmale Schultern, doch seine Haltung drückt Zuversicht aus, und seine beherrschende Ausstrahlung ist unverkennbar. Dann wird mir bewusst, dass ich ihn anstarre, ich reiße entsetzt die Augen auf und stürme die Treppe hinauf.

Nachdem ich die Zimmertür hinter mir geschlossen habe, stelle ich den Teller auf dem Schreibtisch neben der Balkontür ab und seufze. Im Moment bekomme ich garantiert keinen Bissen hinunter. Ich lege mich ins Bett, unter die frisch bezogene Decke, schalte den Fernseher ein, der dem Bett gegenüber an der Wand hängt, und starte die nächste Folge von Banshee. Dann lasse ich mich in die Kissen sinken und entspanne mich zum ersten Mal an diesem schrecklich langen Tag.

5. KAPITEL

Als ich am nächsten Morgen die Treppe hinuntergehe, die Schulbücher unterm Arm und einen angebissenen Apfel im Mund, pralle ich gegen Nate. Ich nehme den Apfel aus dem Mund. »Scheiße, tut mir leid, aber ich bin so was von spät dran.«

»Ich weiß. Wie viele Folgen Banshee hast du dir gestern Abend denn noch reingezogen?« Er nimmt seine Schlüssel vom Küchentisch.

»Keine Ahnung. Ich hab nicht mit … Moment mal!« Ich hebe die freie Hand. »Vorher weiß du, dass ich Banshee geguckt habe?« Zugleich hüpfe ich auf einem Fuß herum und versuche den anderen in meinen Sneaker zu stecken.

»Ich habe gesehen, dass bei dir noch Licht durch den Türspalt kam, da habe ich kurz nachgeschaut, ob alles in Ordnung ist. Du warst völlig weggetreten. Nette Fernsehserie übrigens. Fährt dich Harry zur Schule?« Er hält mich am Arm fest, sodass ich mich bei ihm abstützen kann, bis ich endlich den Fuß in dem verdammten Schuh habe.

Ich lasse Nate meine Bücher halten, bücke mich und binde mir die Schnürsenkel. »Ja, er fährt mich jeden Tag.«

Als ich mich wieder aufrichte, reicht er mir die Bücher, und wir gehen gemeinsam zur Haustür. »Du kannst bei mir mitfahren. Alles andere ist doch Blödsinn. Wir gehen schließlich auf dieselbe Schule.«

Ich schaue die Zufahrt entlang. Kein Harry. Scheiße. Nervös nage ich an meinen Lippen. Dann nicke ich. »Okay.«

Nate grinst so breit, dass sich auf beiden Wangen Grübchen bilden, und fasst mich an der Hand. Wir gehen zu seinem Porsche 918 Spyder. Er entriegelt die Türen, und ich steige auf der Beifahrerseite ein und schnalle mich an.

Nate lässt den Motor an und lächelt. »Weißt du was … Du hast die Jungs gestern Abend durchaus ein bisschen beeindruckt.«

»Wie bitte?«, frage ich entsetzt. »Es war mit der peinlichste Moment meines Lebens, und das will was heißen. Mein Leben ist eine einzige Serie von peinlichen Momenten.«

Während er lacht, strecke ich die Hand nach der Stereoanlage aus. Sobald ich sie einschalte, donnert »Forgot about Dre« von Dr. Dre los, dass der Wagen erzittert. Schnell drehe ich leiser. »Himmel!«

Nate lacht in sich hinein, wobei er mich genau beobachtet. »Was ist? Magst du etwa keinen Old School Hip-Hop, Schwesterlein?«

»Gegen Hip-Hop habe ich nichts, aber so laut zerschießt er einem ja das Trommelfell. Du solltest dir mal die Ohren untersuchen lassen, vielleicht haben sie schon Schaden genommen.«

»Wenn ich schwerhörig wäre …« Grinsend schaltet er herunter und gibt Gas, dass mein Schädel gegen die Kopfstütze knallt. »… dann nicht von der lauten Musik. Sondern weil der kleine Nate es den Frauen so gut besorgt, dass sie schreien, als würden sie abgeschlachtet.«

Ungläubig zucke ich zurück. »Der kleine Nate?«

Sein Lächeln erstirbt. »Wieso soll ich ihn nicht den kleinen Nate nennen?« Als ich lache, scheint er fast beleidigt, sodass es mir ein bisschen leid tut. Nate hat den düsteren Charme eines Rebellen – von der dreisten Art –, und jetzt greift er außerdem zu unfairen Tricks, denn wenn er schmollt, sieht er einfach süß aus.

»Äh … Ich war nur überrascht, dass du ihm wirklich einen Namen gegeben hast. Ich meine, wozu brauchst du einen Namen für …« Ich deute auf seinen Schritt. Als ich Nate wieder ins Gesicht sehe, entdecke ich dort ein freches Jungs-Grinsen. Er lässt eine Hand nach unten wandern und umfasst seine Kronjuwelen. Oh Gott. »D-deinen …« Ich gerate ins Stottern.

»Schwanz?«, fragt er neckend. »Ständer? Zauberstab? Schwert der Macht? Frauentod? Joghurt …«

Kopfschüttelnd falle ich ihm ins Wort. »Elena ist echt eine liebe Frau. Wie zum Teufel kommt sie zu so einem Sohn?«

Wir erreichen Nates Stellplatz in der Tiefgarage unter der Schule. Ich steige aus und schlage die Tür zu.

»Was hast du als Letztes?« Nate kommt um den Wagen herum und legt mir einen Arm um die Taille. Ich befreie mich. In den letzten vierundzwanzig Stunden ist mir zwar klar geworden, dass man gut mit ihm auskommen kann, aber umarmen darf er mich deswegen noch lange nicht. An meinen bisherigen Schulen hatte ich nie viele Freunde. Seit meine Mutter durchgedreht ist, sind Nate und Tatum die Ersten, die meine Vorgeschichte nicht sonderlich zu kümmern scheint.

»Äh, Sport, glaube ich.«

Er nickt, und wir gehen zu dem Fahrstuhl, mit dem man das Erdgeschoss der Schule erreicht. »Ich hole dich da ab. Was hast du jetzt?«

»Mathe.« Bei dem Gedanken zucke ich innerlich zusammen. Ally Parker und Lauren Bentley werden auch da sein.

»Ich bringe dich hin.« Er deutet mit einem Nicken auf den entsprechenden Gang.

Ich lächle. Vielleicht habe ich ihn wirklich etwas zu früh abgeschrieben. Er bemüht sich echt, nett zu sein. Jedenfalls netter als die meisten anderen hier. »Das musst du nicht, Nate. Ich komme schon klar.«

Er schlingt mir einen Arm um den Nacken und zieht mich an sich. »Na, ich muss mich doch um dich kümmern. Wir sind schließlich Geschwister.«

»Mensch, Nate«, stoße ich entnervt hervor, während wir den Gang hinuntergehen, über den man den Raum für die Mathestunde erreicht. Die Wände sind ganz klassisch in Weiß und neutralen Farben gestrichen, und die Klassenzimmer sind in ähnlichen Tönen gehalten. Am Ende des Korridors, gleich beim Notausgang, geht es in die Sporthalle. Im Jungsteil der Schule sieht es vermutlich ganz ähnlich aus, auch wenn ich bisher noch nicht dort war. »Das ist echt nicht nötig. Ich komme gut klar.«

»Ich will einfach meine neue Schwester besser kennenlernen. Weiter nichts.« Er blinzelt mir zu. Wir sind an der Tür zum Unterrichtsraum angekommen.

»Na schön.« Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Aber nur so zur Warnung: Ich kann nicht gut mit Menschen umgehen. Ich bin mehr die Einzelgängerin.«

Er legt den Kopf schräg und sieht mich aufmerksam an. »Einzelgängerinnen liegen mir.« Dann zwinkert er mir noch einmal zu, wendet sich ab und steuert den Bereich für die Jungen an.

Warum? Warum muss mein Stiefbruder eine solche Nervensäge sein?

6. KAPITEL

Das Läuten der Schulglocke durchbricht die konzentrierte Stille im Unterrichtsraum. Alle greifen nach ihren Büchern. Tatum stößt mich mit der Hüfte an und wirft das lange blonde Haar zurück. »Mittagspause! Die Stunde eben hat mich völlig fertiggemacht.«

Lächelnd sammle ich meine Stifte ein und lege sie auf die Bücher. »Das sagst du doch nach jeder Stunde.« Gemeinsam verlassen wir den Raum.

Sie schnaubt. »Stimmt. Also, was hast du nach der Schule vor?«, fragt sie, während wir in Richtung Cafeteria gehen. »Dieses Wochenende gibt Nate Riverside eine Party, und eigentlich gehe ich ja nicht auf solche Partys, und vermutlich werden wir sowieso rausgeschmissen, weil wir nicht dazugehören, aber ich hätte Lust, einfach uneingeladen aufzutauchen. Bist du dabei?«

Ich verdrehe die Augen. Wir schieben uns gerade durch die Tür zur Cafeteria. »Das findet dann wohl bei mir zu Hause statt.«

Tatum hält inne und packt mich mit ihrer kleinen Hand am Arm. »Das müssen Sie uns schon genauer erklären, Montgomery. Was wollten Sie uns da eben mitteilen?«

»Nate«, antworte ich knapp. »Seine Mutter und mein Vater haben geheiratet. Wir wohnen im selben Haus – und bevor du mir ins Gesicht springst: Das habe ich auch erst gestern erfahren.« Dabei fühlt es sich an, als wären seitdem hundert Jahre vergangen. Vermutlich weil Nate so unbefangen mit mir umgeht.

Tatum fällt das Kinn herunter. »Im Ernst?«

»Wieso?« Ich steuere auf die Selbstbedienungstheke zu und ziehe sie mit. Mir knurrt der Magen: Gestern Abend habe ich das Essen ausfallen lassen, und heute Morgen habe ich nur den einen Apfel verschlungen.

»Ach du Scheiße«, flüstert Tatum verstört. Dann sieht sie mir fest in die Augen. »Das ist ja unglaublich! Wir platzen da rein!«

»Äh, Tatum? Das Ganze findet bei mir zu Hause statt, da kann von Reinplatzen keine Rede sein. Nate hat die Party bestimmt absichtlich so gelegt, weil unsere Eltern erst am Montag wiederkommen.« Beim Reden füllen wir uns die Teller mit den Gerichten, die hier angeboten werden. Sushi? Exotische Früchte? Sind wir hier in einer Schule oder in einem Fünfsternerestaurant?

»Oh, Scheiße. Du verstehst das nicht, Madison. Diese Jungs würden nie …«

Jemand hält mir die Augen zu, sodass ich nichts mehr sehe. Tatum atmet scharf ein. Ich spüre Lippen an meiner Ohrmuschel und höre ein tiefes, leises Murmeln: »Wie wär’s denn mit ein bisschen Geschwisterliebe, Schwesterlein?« Dann lacht er, nimmt die Hände von meinen Augen und weicht taumelnd einen Schritt zurück. Tatum wird sich noch den Kiefer ausrenken, wenn sie nicht aufpasst. Ich wirble herum und will Nate gerade böse anfunkeln, da merke ich, wie still es in der Cafeteria geworden ist. Alle beobachten uns.

Die anderen an der Riverside Prep sind nichts als Schachfiguren in ihren kranken, verqueren Spielchen. Ihnen gehört diese Schule, Madison.

»Nate!«, fahre ich ihn halblaut an. Auch wenn ich noch nicht dazu gekommen bin, es ihm zu erklären: Eigentlich würde ich hier gern möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen.

Sein Lächeln erstirbt. »Was ist denn?«, fragt er unschuldig, wie ein kleiner Junge, dem nicht klar war, dass er so kurz vor dem Abendessen keinen Keks mehr naschen durfte.

Mit einem Nicken deute ich auf all die Leute, die uns beobachten. Er zuckt die Achseln und hakt sich bei mir unter. »Komm, setz dich zu uns.« Er sieht Tatum an. »Du auch, Masters.« Er zieht mich auf den Platz neben sich.

Ich stelle mein Tablett ab und rücke weiter, sodass neben mir Raum für Tatum bleibt. Ihr Arm streift meinen; ihrer fühlt sich steif an. Ich kann spüren, wie unwohl sie sich fühlt, und wie viele Fragen sie hat, aber die Antworten müssen warten. Auf der anderen Tischseite, ganz links und damit Tatum gegenüber, sitzen Bishop und Brantley. Neben Brantley kommt Abel, dann Hunter, Eli und Cash.

Ich greife nach einer Sushi-Rolle auf meinem Teller und beiße hinein. Dabei gebe ich mir wirklich Mühe, nicht zu kleckern, aber es ist nun mal Sushi. Etwas Reis landet auf meinem Schoß. Unterdessen redet Nate über die Party an diesem Wochenende. Als ich wieder hochschaue, merke ich, dass Bishop mich anstarrt. Seine Miene ist ausdruckslos. Seine kräftige, kantige Kinnpartie wirkt angespannt, und der Blick seiner grünen Augen ist unverwandt auf mich gerichtet. Ich rutsche auf meinem Sitzplatz umher. Tatum sieht mich kurz von der Seite an, dann verschwindet ihre rechte Hand unter dem Tisch. Eine Sekunde später vibriert das Telefon in meiner Rocktasche. Ich hole es hervor. Im gleichen Moment dreht sich Nate zu mir um. »Was meinst du, Schwesterlein?«

»Hm?«, mache ich etwas verärgert, weil er mich davon abhält, Tatums Nachricht zu lesen.

»Welche Sorte Alkohol willst du am Wochenende trinken?« Er sieht mir in die Augen.

Verdammt, der Typ ist echt sexy.

Im Geist werfe ich mir selbst einen strengen Blick zu. Was ist denn da in mich gefahren? Du Null, das ist praktisch dein Bruder.

»Oh!«, sage ich lächelnd; meine Wangen glühen. »Eigentlich trinke ich nicht.« Dabei umklammere ich mein Telefon und versuche, nicht darauf zu achten, dass Bishop mich immer noch aus dunkelgrünen Augen beobachtet.

Nate schnaubt verächtlich, nimmt sich eine von meinen Sushi-Rollen und steckt sie sich ganz in den Mund. »Dieses Wochenende wird sich das ändern. Brantley hat Geburtstag. Normalerweise geben wir ja keine Partys …« Sein einer Mundwinkel zuckt, und in seinen Augen blitzt es frech. »… aber Geburtstage feiern wir schon.«

Mir sitzt inzwischen ein solcher Kloß im Hals, dass ich kaum schlucken kann. Unwillkürlich sehe ich rasch zu Bishop hinüber. Er schaut auf sein Telefon. Ich blicke nach unten, schiebe mein Telefon auf und lese Tatums Nachricht.

Tatum: Gibt’s nicht

Ich: Was denn?

Ich sehe Tatum an. Sie grinst selbstzufrieden. Dann schaut sie ebenfalls nach unten. Ungeduldig warte ich auf ihre Antwort. Als ich die Beine ausstrecke, stoße ich unter dem Tisch gegen jemand und ziehe meine rasch zurück. Scheiße. Mein Telefon vibriert. Ich sehe hin.

Tatum: Dich starrt einer an, nach dem sich jedes Mädchen an dieser Schule die Finger leckt. Das gibt’s nicht.

Ich: Wovon redest du eigentlich, Tatum?

»Hey!« Nate stößt mir spielerisch gegen den Arm. »Wem schreibst du?«

Brantley und Bishop fangen an, sich in gedämpftem Tonfall zu unterhalten. Meinem Eindruck nach gehören die zwei ohnehin eher zu den Stillen in dieser Truppe. Nate scheint mich zu mögen, aber bei den anderen bin ich mir nicht so sicher. Bis auf das kurze Gespräch gestern Abend in unserer Küche hatte ich zwar noch nicht viel Gelegenheit, mir einen Eindruck zu verschaffen, aber in ihrer Gegenwart ist mir einfach unbehaglich zumute.

Bittend sehe ich Nate an. »Können wir uns mal kurz unterhalten?«

Seine Miene wird ernst. »Klar, komm mit.« Er fasst mich an der Hand.

Ich lächle Tatum zu. »Bin gleich wieder da.« Dann sehe ich noch einmal Bishop an. Er starrt auf die Hand, mit der Nate meine Finger umfasst hält. Ohne zu wissen warum, ziehe ich meine Hand zurück. Nate stutzt nur kurz, aber Bishop sieht mich finster an.

Was geht hier eigentlich ab?

Nate und ich verlassen die Cafeteria und steuern auf den Schulausgang zu. Die Betonstufen davor bieten reichlich Sitzgelegenheit. Einige Schüler essen hier draußen, wenn auch nicht viele. Vermutlich würde ich mich unter ihnen deutlich weniger fehl am Platz fühlen als bei Nate und seinem verdammten Club.

»Was ist los?«, fragt er, sobald wir im Freien sind.

Ich seufze. »Eigentlich gar nichts, nur … Mir ist das alles ein bisschen zu viel«, antworte ich wahrheitsgemäß. »Was sind das eigentlich für Leute, mit denen du da befreundet bist?« Beim Reden steigen wir die Treppe hinunter. Nate steckt die Hände in die Hosentaschen.

»Was hast du denn so gehört?« Er blickt geradeaus.

Wann immer ich nicht auf meine Schritte achten muss, werfe ich ihm einen kurzen Blick zu. »Na ja, Tatum hat was von einem Elite Kings Club gesagt.«

Er legt den Kopf in den Nacken und lacht. »Das mit dem Club ist doch nur eine Legende, Madi. Erfunden von Mädchen, die gern die Drama Queen spielen.« Sein Lachen wirkt gezwungen, und seine Augen lachen nicht mit.

»Okay. Aber erzähl mir doch ein bisschen was über diese Legende.«

Er grinst und hält für einen Moment im Gehen inne. »Vielleicht ein andermal. Jetzt nicht.«

»Wieso das denn?« Ich lächle neckend. »Warum nicht jetzt?«

Er blickt rasch über meine Schulter, und seine Miene wird ernst. »Später. Ich erzähle es dir, wenn ich sicher bin, dass du die Geschichte auch verkraftest.«

Er zwinkert mir zu, dann macht er kehrt und geht an mir vorbei zur Eingangstür. Als ich mich umdrehe, um herauszufinden, wen er eben angeschaut hat, sehe ich gerade noch Bishop nach drinnen verschwinden. Seufzend schüttle ich den Kopf. Seit wann ist mein Leben eigentlich so voller seltsamer Zwischenfälle?

7. KAPITEL

Als ich mein Haar zu einem Pferdeschwanz binde, kommt Nate in mein Zimmer spaziert. Nach der Schule bin ich mit ihm nach Hause gefahren, und es war gar nicht so schlimm. Eine Weile haben wir uns wegen der Musik gestritten – bis Nate schließlich gesagt hat, wenn ich den Player noch ein Mal anfasse, könnte ich zu Fuß gehen. Seinem Grinsen war allerdings deutlich anzumerken, dass er es nicht wirklich ernst meinte.

»Hey!« Ich ziehe meine Lederjacke über das weiße Tanktop. Dazu trage ich eine hautenge Jeans und meine Chucks.

Nate lehnt sich an den Türrahmen, eine Tüte Chips in der Hand. Er trägt wieder mal kein Hemd, seine Jeans hängt tief auf den Hüften, der Mützenschirm zeigt nach hinten. »Wo willst du hin?«

»Hm?« Ich nehme das Telefon vom Bett. »In die Mall, mit Tatum.«

»Tatum, ja?«, fragt er spöttisch, während er sich Salz und Gewürze vom Finger leckt. »Ist sie eigentlich Single?« Er hört auf, an seinem Finger zu saugen, und zieht ihn ganz langsam aus dem Mund. »Nicht, dass mich ihr Beziehungsstatus je interessiert hätte.«

Ich bringe ihn zum Schweigen, indem ich ihm eine Hand auf die Brust lege. »Keine Ahnung. Ich glaube schon. Machst du jetzt vielleicht mal Platz?« Ich deute an ihm vorbei auf den Flur.

Er blickt selbstzufrieden auf mich herab. Da ertönt »Rockstar« vom Chamillionaire in seiner Hosentasche. Nate hört auf zu lächeln, geht schnell in sein Zimmer und macht die Tür hinter sich zu.

»An dieser Schule sind wohl alle irgendwie komisch«, murmle ich vor mich hin, während ich meine Zimmertür schließe. Dann mache ich einen Schritt nach vorn – und pralle gegen jemanden. Er fühlt sich fast so stabil an wie Nate. Nur noch etwas größer.

»Scheiße.« Ich fasse mir an die Stirn, schaue nach oben und sehe Brantley vor mir. »Nate ist in seinem Zimmer. Und tut mir leid«, ergänze ich, weil ich ihn schließlich angerempelt habe.

Er sieht mich finster an, verzieht böse den Mund und setzt zum Sprechen an …

»Brantley!«, fährt ihn jemand von hinten mit tiefer, rauer Stimme an. Sofort liegt Spannung in der Luft. Als ich an Brantley vorbeischaue, entdecke ich Bishop. Sein Blick ist fest auf Brantleys Hinterkopf gerichtet. »Geh in Nates Zimmer.« Brantley sieht mich noch einmal scharf an, dann marschiert er weiter den Flur entlang.

Sobald er die Tür zu Nates Zimmer hinter sich geschlossen hat, sage ich verärgert zu Bishop: »Wer hat dem denn sein Spielzeug geklaut?«

Bishop schaut weiter auf Nates Tür, als wäre ich gar nicht vorhanden.

Ich fluche leise. »Sorry. Hi. Ich bin Madison.«

Endlich sieht er mir ins Gesicht. Er hat wirklich unglaubliche Augen, nicht nur tiefjadegrün, sondern auch ungewöhnlich geformt. Und wenn er einen ansieht, scheint er tief in einen hineinzublicken. Als würde er von meiner Seele Rechenschaft fordern, bevor der Sensenmann kommt.