Silvesterpunsch / Der Ofen ist aus - Wolfgang Menge - E-Book

Silvesterpunsch / Der Ofen ist aus E-Book

Wolfgang Menge

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Beschreibung

Alfred Tetzlaff, ein kleinbürgerlicher Fiesling, haßt alles: die Regierung, Ausländer, Studenten, Sozis – vor allem die Toleranz. Das komische Großmaul steckt voller Vorurteile und Selbstgerechtigkeit, benimmt sich wie ein Rabauke und nennt seine Ehefrau eine «dusselige Kuh». Alfred ist trotzdem zu einer der populärsten Kunstfiguren des deutschen Fernsehens geworden. Millionen lachten über ihn. Vielleicht noch stärker als auf dem Bildschirm vermitteln Wolfgang Menges Texte die kritische Funktion dieser Satire auf den Alfred in uns selbst.

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Seitenzahl: 88

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Wolfgang Menge

Ein Herz und eine Seele: Silvesterpunsch. Der Ofen ist aus

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Alfred Tetzlaff, ein kleinbürgerlicher Fiesling, haßt alles: die Regierung, Ausländer, Studenten, Sozis – vor allem die Toleranz. Das komische Großmaul steckt voller Vorurteile und Selbstgerechtigkeit, benimmt sich wie ein Rabauke und nennt seine Ehefrau eine «dusselige Kuh». Alfred ist trotzdem zu einer der populärsten Kunstfiguren des deutschen Fernsehens geworden. Millionen lachten über ihn.

Vielleicht noch stärker als auf dem Bildschirm vermitteln Wolfgang Menges Texte die kritische Funktion dieser Satire auf den Alfred in uns selbst.

Über Wolfgang Menge

Wolfgang Menge, geboren 1924, arbeitete jahrelang als Zeitungskorrespondent, zuerst in England, dann in Hongkong und der Volksrepublik China. Dort lernte der Hobbykoch auch die originale chinesische Küche kennen und schrieb das praktische Kochbuch «Ganz einfach – chinesisch». Für den Hörfunk erfand der vielseitig-erfolgreiche Autor die berühmt gewordene satirische Sendereihe «Adrian und Alexander» und verfaßte in den ersten Jahren die Texte. Später lief die Serie unter dem Titel «Hallo Nachbar» weiter und wurde vorübergehend auch vom Fernsehen übernommen. Vor allem aber schrieb Menge Drehbücher für Kinofilme (wie «Polizeirevier Davidswache»), Fernseh-Kriminalserien («Stahlnetz», «Tatort») und Fernsehspiele, von denen mehrere mit Preisen ausgezeichnet wurden und Aufsehen erregten, so «Millionenspiel» und «Smog». Wolfgang Menge war mit einer Journalistin verheiratet und Vater von drei Kindern.

Inhaltsübersicht

AlfredSilvesterpunschKücheWohnzimmerKücheWohnzimmerKücheWohnzimmerDer Ofen ist ausVor der Haustür TetzlaffIm HausKücheFlurWohnzimmerTelefonzelle – außenKücheTelefonzelle – außenWohnzimmerKücheFlur

Alfred

«Über Alfred waren wir uns bereits vor seiner Geburt einig, über seine Wirkung haben wir erst im Laufe der Zeit etwas mehr erfahren und können sie heute vermutlich präziser einschätzen als am Anfang. (Wir, weil der beim WDR zuständige Redakteur Peter Märthesheimer an den Vorarbeiten und am Buch wirksam beteiligt ist.)

Alfred ist eine Kunstfigur. Wer nicht lange über ihn nachdenkt – und das wird von niemandem gefordert –, dürfte ihn für unglaublich simpel halten, fast für primitiv, sicher für einfältig und grob. Vor allem sozial scheint er schnell einzuordnen zu sein. Das ist alles falsch. Er gehört keiner Klasse an, und er ist kompliziert. Alfred ist schon deshalb kompliziert, weil ein fast vollständiges Spektrum menschlicher Eigenschaften, vor allem unangenehme, in ihn eingearbeitet worden sind. Das hat einen Vorteil, der sich zugleich als Nachteil erwiesen hat: Fast jeder Zuschauer entdeckt an Alfred irgend etwas, mit dem er sich identifizieren kann, oder doch entdeckt zumindest die zuschauende Ehefrau vieles an Alfred, das sie von ihrem Mann kennt. Das funktioniert übrigens auch umgekehrt: Auch viele Alfreds glauben an dem, was Else sagt und tut, ihre geliebte Ehefrau wieder zu erkennen. Dabei ist Else nicht annähernd so problematisch.

Überraschend war, wie bereits angedeutet, nur die Wirkung Alfreds. Vor der Sendung erschien es uns undenkbar, daß eine solche Figur etwas anderes auslösen könnte als Entsetzen oder Ekel. Da haben wir uns geirrt. Offenbar wird von vielen Betrachtern mehr verdrängt, als wir für möglich gehalten hatten. Das ist besonders auffällig bei Alfreds Äußerungen, die zum Sexual- und Analbereich gehören.

Wir haben im Laufe der Zeit unsere Bücher, soweit es möglich ist, dieser Erkenntnis angepaßt. Doch dieser gräßliche Spießbürger erzeugte weiter emphatische Sympathien. Immer wieder mußten wir erkennen, daß Überzeichnungen und Übertreibungen von abstrusen Dimensionen doch wieder auf reale Konturen trafen. Wo wir vermuteten, daß Hypertrophie diagnostiziert wird, erkannten Zuschauer lediglich eigene Wirklichkeit. Wahrscheinlich läßt sich das vorerst nicht ändern, es sei denn, die Zuschauer würden sich ändern.

Aber wie sollen sie sich ändern, wenn nicht Alfred und seine Familie ein bißchen nachhelfen. Daß über ihn gelacht wird, sollte diese Chance nicht ausschließen.»

Wolfgang Menge

Silvesterpunsch

Küche

Alfred ist dabei, den Silvesterpunsch vorzubereiten. Bekleidet ist er mit schwarzer Hose, aber oben Unterhemd, Hosenträger, an den Füßen Pantoffel. Also zum feinen Anzug vorbereitet.

Der Punsch wird mit folgendem Ritual vorbereitet: Auf dem Herd steht ein Topf. Alfred kostet mit dem Löffel aus dem Topf, schmeckt sorgsam ab. Denkt nach. Nimmt eine der vielen Flaschen, die neben dem Herd stehen, nimmt einen Schluck aus der Flasche, gießt aus der Flasche etwas in den Topf, schmeckt erneut ab.

Während er gerade eine Flasche nimmt, wird die Tür hastig aufgerissen. Alfred hat Mühe, die Flasche in Sicherheit zu bringen, weil die Tür fast dagegen stößt.

Michael erscheint.

ALFRED:

Paß auf, du Arschloch!

MICHAEL:

Entschuldige.

ALFRED beruhigter:

Fast wäre die Flasche runtergefallen.

MICHAEL:

Ich sag ja, es tut mir leid.

ALFRED:

Ist jemand hinter dir her?

MICHAEL:

Ich wollte dir nur Bescheid sagen, daß der Bundeskanzler gleich spricht.

ALFRED, der gerade einschenken wollte, erstarrt; er kann gar nicht fassen, was Michael sagt:

Du wolltest … was?

MICHAEL leicht irritiert:

Bescheid sagen, daß der Bundeskanzler …

ALFRED brüllt los:

Du reißt hier fast die Tür aus den Angeln, bloß um mir mitzuteilen, daß dein Bundeskanzler im Fernsehen mal wieder Propaganda macht. Alfred beruhigt sich. Der macht doch seit Jahren nichts anderes. Daß er quasseln kann, weiß ich auch so. Tun sollte er mal was – dann kannst du kommen und mir Bescheid sagen.

MICHAEL:

Entschuldige. Ich dachte, du wolltest dir das anhören.

ALFRED wieder lauter:

Wieso soll ich mir das auf einmal anhören wollen? Spinnst du?

MICHAEL:

Ich dachte, du hörst dir Neujahrsansprachen grundsätzlich an.

ALFRED:

Ich?

MICHAEL:

Deine Frau hat mir das eben gesagt.

ALFRED:

Else?

 

Alfred wartet keine Antwort ab. Er reißt jetzt ebenfalls die Tür auf, stößt da mit Else zusammen, die gerade in die Küche wollte. Da Alfred aber schon den Mund geöffnet hatte, schreit er los:

Else!

ELSE:

Was brüllst du denn so?

ALFRED:

Hast du behauptet, daß ich mir Neujahrsansprachen anhöre?

ELSE zu Alfred, aber nur halb konzentriert, hat Wichtigeres vor:

Wie? Gleich weiter zu Michael: Hast du nach den Kartoffeln geguckt?

MICHAEL:

Du hast doch eben gesagt, ich soll ihm Bescheid sagen, daß gleich der Bundeskanzler spricht.

ELSE:

Natürlich.

ALFRED:

Und warum?

ELSE:

Hast du dir das nicht immer angesehen?

ALFRED:

Früher. Allerdings.

ELSE:

Woher soll ich wissen, wenn du das auf einmal nicht mehr willst. Du brauchst ja auch nicht.

ALFRED:

Das fehlte noch, daß man dazu gezwungen wird. Gemeinschaftsempfang vielleicht. Und der Blockwart hakt ab, ob alle da sind. Wie in der Ostzone.

ELSE:

Reg dich doch nicht auf. Voriges Jahr hast du dir das ja noch angesehen.

ALFRED:

Voriges Jahr?

ELSE:

Dann vor zwei oder drei Jahren.

ALFRED:

Da besteht ja wohl ein kleiner Unterschied, ob ich mir die Ansprache von einem richtigen gelernten Staatsmann ansehe, wie das früher der Fall war, oder ob ich mir von diesem Laienprediger was vorschwindeln lasse, den die sich da jetzt als Bundeskanzler halten.

ELSE:

Daß die sich abwechseln beim Regieren, weiß ich selbst. Du kannst ja nicht verlangen, daß da immer derselbe an der Regierung ist, so lange du lebst.

ALFRED:

Tu ich auch nicht. Ich habe mir nur erlaubt, darauf hinzuweisen, daß es so ’ne und solche gibt. Daß es was anderes ist, ob der Bundeskanzler sich nun Willy Brandt nennt oder vielleicht Kiesinger heißt.

ELSE:

Also Kiesinger als Bundeskanzler, das wäre wirklich mal was. Der macht einen sehr tüchtigen Eindruck.

ALFRED:

Machte. Als er Bundeskanzler war.

ELSE:

Kiesinger? Bundeskanzler? Hier bei uns?

ALFRED:

Willst du das bestreiten?

ELSE:

Nein, nein, du kennst dich da ja besser aus. Aber merkwürdig ist es schon, findest du nicht?

ALFRED:

Ich finde ganz andere Leute merkwürdig, die sich da im Palais Schaumburg breitmachen.

ELSE:

Er ist ja auch sehr sympathisch. Aber daß die Deutschen einen als Bundeskanzler ranlassen, der Jude ist, also ich weiß nicht.

ALFRED:

Kiesinger Jude? Seit wann das denn?

ELSE:

Schon immer.

ALFRED:

Du hast ja nicht mehr alle auf’m Senkel. Der Kiesinger hat schon bei den Nazis Karriere gemacht.

ELSE:

Bei den Nazis? Als Jude?

ALFRED:

Eben. Was meinst du, was die mit dem gemacht hätten, wenn er Jude gewesen wäre. Der war nämlich genau das Gegenteil.

ELSE:

Ich geb ja zu, daß er was Strammes an sich hat. Und wenn er spricht, dann merkt man, daß er auch durchgreifen kann. Aber eben geworden wär er nichts. Bei der Nase, die er hat.

ALFRED:

Zum letztenmal: Kiesinger war kein Jude und ist kein Jude. Und mit dem Durchgreifen war das bei ihm übrigens auch nicht so doll.

ELSE:

Du drehst dir immer alles zurecht, wie es dir gerade in den Kram paßt. Dabei warst du der erste, der sich darüber aufgeregt hat, daß ihn die Amerikaner als Außenminister angestellt haben. Hast du da nicht selbst gesagt, das wäre ungerecht, den Arabern gegenüber, daß die Amerikaner jetzt einen jüdischen Außenminister haben?

 

Alfred dreht sich weg von Else und schlägt die Hände vors Gesicht.

MICHAEL versöhnlich:

Du verwechselst ja zwei Leute. Deutet auf Alfred: Er sprach von Kiesinger. Du meinst Kissinger. Kissinger mit ss. Kiesinger mit ie. Das ist ganz jemand anderes. Kiesinger war vor Willy Brandt Bundeskanzler.

ELSE:

Hier? Bei uns?

ALFRED:

Allerdings.

ELSE:

Ich dachte, das war Adenauer. Der ist dann gestorben, und dann kam Herr Willy Brandt.

ALFRED:

Quatsch. Nach Adenauer kam Erhard. Nach Erhard kam Kiesinger.

ELSE:

Wann sind die denn gestorben? Das habe ich gar nicht mitgekriegt.

MICHAEL:

Die leben ja auch noch.

ELSE:

Die leben noch! Kann mir mal jemand sagen, wofür wir so viele Bundeskanzler brauchen? Was das alles für Geld kostet. Eine Schande. – Ach Gott, die Kartoffeln.

 

Sie steht am Herd. Sie nimmt ein Küchenmesser und will gerade in Alfreds Topf reinpieksen.

Was ist denn das da?

ALFRED:

Das ist mein Topf.

ELSE:

Was machst du denn da?

ALFRED:

Elefantenknödel.

ELSE schnuppert:

Ist das etwa schon die Bowle?

ALFRED:

Nein.

ELSE:

Es riecht aber nach Bowle.

ALFRED:

Aber es ist keine. Das ist Punsch.

ELSE:

Das ist ja wohl nun dasselbe.

ALFRED:

Wenn es dasselbe wäre, würde man dazu ja nicht Punsch sagen, sondern Bowle, und zu einer Bowle Punsch.

 

Fängt wieder an, seinen Punsch zu bereiten, kostet, gießt usw.

ELSE:

Und warum kochst du das?

ALFRED:

Ich koch es nicht. Ich mach es heiß. Ein Punsch muß heiß sein. Eine Bowle kalt.

ELSE:

Sag bloß, es gibt keinen kalten Punsch?

ALFRED:

Es gibt keinen kalten Punsch.

ELSE:

Wirklich nicht?

ALFRED:

Mach du deine Kartoffeln, und ich mach meinen Punsch. Aber halt jetzt die Klappe.

MICHAEL: