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Sie stand vor mir wie eine Königin - die es mit dem König, zu dem ich mich selbst erklärt hatte, aufnehmen konnte.
Um ihre Schulden zu begleichen und ihre Whiskey-Destillerie zu retten, hat sich Keira Kilgore auf das unmoralische Angebot von Lachlan Mount eingelassen. Er besitzt ihren Körper, aber ihren Willen wird er niemals brechen - auch wenn sie spürt, dass es vor allem ihr Herz ist, das sie vor ihm beschützen muss. Gemeinsam stürzen sie sich in einen Machtkampf aus Kontrolle und Verlangen, ohne zu ahnen, dass die größte Gefahr in Keiras Vergangenheit lauert ...
"Mit diesem Buch hat Meghan March ein neues Level in der Romance Hall of Fame eröffnet!" Bookalicious Babes Blog
Band 2 der sinnlich-verbotenen SINFUL-EMPIRE-Reihe von USA-TODAY-Bestseller-Reihe Meghan March
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Seitenzahl: 308
MEGHAN MARCH
Sinful Queen
Roman
Ins Deutsche übertragen von Anika Klüver
Um ihre Schulden abzubezahlen und die Whiskey-Destillerie ihrer Familie vor dem sicheren Untergang zu retten, musste sich Keira Kilgore auf das unmoralische Angebot von Lachlan Mount einlassen. Seitdem lebt sie auf dem luxuriösen Anwesen des gefürchtetsten Unternehmers von New Orleans und muss sich ihm hingeben, wann immer er nach ihr verlangt. Ihm mag zwar ihr Körper gehören, doch sie hat sich von Anfang an geschworen, dass er ihren Willen niemals brechen wird. Sie widersetzt sich seiner dominanten Unterwerfung, wann immer sich die Gelegenheit dazu bietet, und verliert sich mit ihm in einem gefährlichen Machtkampf aus Kontrolle und Verlangen – und merkt doch bei jeder Berührung, dass sie vor allem ihr Herz vor ihm beschützen muss. Was Keira nicht weiß: Mount geht es nicht um ihr Geld, ihre Firma oder ihren Besitz. Mount geht es nur um sie. Schon immer. Und jetzt wo ihm endlich gehört, wonach er sich so lange gesehnt hat, wird er Keira nie wieder gehen lassen. Auch nicht, als ihre Vergangenheit sie einzuholen droht …
Mount
Dreißig Jahre zuvor
Ein dunkles, unheimliches Gefühl, so als wäre ich über jemandes Grab gelaufen, kroch mir den Rücken hinunter, als das Mädchen in Begleitung der Sozialarbeiterin die kaputten Stufen der Veranda erklomm. Die dünne Blondine presste einen schwarzen Müllsack gegen ihre Brust und umklammerte ihn fest, während sie durch die zerrissene Fliegengittertür kamen. Ich musste kein Genie sein, um zu vermuten, dass sich in dem Sack alles befand, was sie besaß.
Ich und mein Müllsack waren in den letzten neun Jahren vierzehnmal umgezogen. Ich konnte mich nicht erinnern, wie oft ich davor herumgereicht worden war. Meine erste Erinnerung bestand darin, dass mein Magen vor Hunger geschmerzt hatte, also hatte ich meinen Pflegevater um mehr Abendessen gebeten, und er hatte mir ins Gesicht geschlagen. Damals war ich vier gewesen, zumindest teilte man mir das mit. Es war schwer, das eigene Alter im Blick zu behalten, wenn man niemals Kerzen auf einem Geburtstagskuchen sah, weil man noch nie einen Kuchen bekommen hatte.
Ich würde wetten, dass ich einen bekommen hätte, wenn Mrs Holiday noch am Leben gewesen wäre. Aber sie wurde ernsthaft krank, und man brachte mich nach sechs Monaten in ein neues Haus, als klar wurde, dass sie nicht mehr lange leben würde und sich nicht um uns kümmern konnte. Das war das erste Mal gewesen, dass ich mich von jemandem gewollt gefühlt hatte. Das erste Mal, dass mir jemand erlaubt hatte, meine Kleidung selbst in einem Geschäft auszusuchen. Das erste Mal, dass mich jemand gefragt hatte, was ich zum Abendessen haben wolle. Das erste Mal, dass ich je das Gefühl gehabt hatte, eine richtige Mutter zu haben. Das machte es jedoch nur schwerer, als sie fort war. Dadurch lernte ich, mich in diesem Leben nie zu sehr an etwas oder jemanden zu binden, denn die Zukunft hielt nie etwas Gutes bereit.
Jedes Haus, in dem ich vor und nach ihrem lebte, war eine andere Version des gleichen alten Elends. Ich war keins ihrer richtigen Kinder. Ich war der Gehaltsscheck, für den sie nicht arbeiten mussten. Sie gaben mir kaum genug zu essen. Man konnte von Glück reden, wenn man eine Zahnbürste bekam. Und Kleidung? Man musste anziehen, was auch immer die Kirche spendete oder vielleicht auch das, aus dem die richtigen Kinder herausgewachsen waren. Etwas Neues erhielt man nicht, das war verdammt sicher.
Das Unterhemd, das ich in diesem Augenblick trug, war mehr schmutzig als weiß. Und als ich damit ein paar Tage zuvor an einem Maschendrahtzaun hängen geblieben war, hatte ich ein Loch hineingerissen. Als Jerry das gesehen hatte, hatte er mich gegen die Hauswand gedrängt und seinen Gürtel ausgezogen, um mir damit eine Lektion zu erteilen. Das tat er gern mehrmals pro Woche, vor allem nachdem er gerade ein Sixpack leer getrunken und viel geraucht hatte.
Bösartige Säufer waren auch nichts Neues für mich. Mittlerweile konnte ich sie auf hundert Meter Entfernung erkennen.
Wenn Jerry nicht ein gutes Stück größer und um einiges schwerer als ich gewesen wäre, hätte ich zurückgeschlagen, als er das erste Mal seinen Gürtel auszog. Und es gab noch einen Grund, warum ich mich nicht wehrte. Ich wusste, dass es niemanden geben würde, der Destiny beschützen könnte, wenn man mich aus seinem Haus rauswerfen würde. Sie war erst sechs Jahre alt, aber ich konnte sehen, wie Jerry sie anschaute. Es war nicht richtig, also tat ich mein Bestes, um immer in ihrer Nähe zu bleiben.
Oft schlich ich mich nachts aus meinem Zimmer und schlief vor ihrer Tür, nur um dafür zu sorgen, dass er nichts versuchen würde. Ich traute diesem fetten Stück Scheiße nicht über den Weg.
»Wir freuen uns so sehr, dass wir endlich in der Lage sind, Destiny und ihre Schwester zusammenzubringen. Sagt alle mal Hallo zu Hope«, sagte die Sozialarbeiterin. In ihrer Stimme lag so viel Hoffnung wie im Namen des Mädchens. Sie verstand nicht, dass es in diesem Haus keine Hoffnung gab, nicht mal dann, wenn sie hier war.
In diesem ganzen verkorksten System gab es keine Hoffnung.
Destiny rannte auf ihren kurzen, dürren Beinchen quer durchs Zimmer und umschlang das andere Mädchen. Jerry, seine Frau Dixie und ihr Sohn Jerry Jr. beobachteten das Ganze aus ein paar Metern Entfernung. Er kam mir nicht mehr allzu nah. Vermutlich weil mich Jerry und Dixie nur einmal pro Woche duschen ließen. Sie wollten Wasser sparen, zumindest behaupteten sie das.
Als das neue Mädchen den Müllsack fallen ließ, um seine kleine Schwester zu umarmen, fuhr sich Jerry mit der Zunge über die Zähne und beäugte es, als wäre es eins dieser dicken Steaks, die er vom Metzger mit nach Hause brachte, um sie nur für sich allein zu braten.
Mein Magen verkrampfte sich, als mir klar wurde, dass Hope älter war, als ich aufgrund ihrer winzigen Erscheinung gedacht hatte. Sie war vermutlich älter als ich. Sie hatte bereits Brüste und trug definitiv keinen BH.
Jerry konnte den Blick nicht von ihren Brüsten losreißen und bemühte sich nicht mal, es zu verbergen.
Wenn die Art, wie er Destiny anschaute, nicht richtig war, dann war die Art, wie er Hope anschaute, regelrecht widerwärtig. Ich hatte seine Pornoheftchen in einer Kiste im Schuppen entdeckt. Er glaubte sicher, dass sie dort niemand finden würde. Er mochte sie jung und blond, und ich wollte die Sozialarbeiterin anschreien, dass sie beide Mädchen mitnehmen und sie so weit wie möglich von diesem Haus wegbringen sollte.
Aber ich wusste, was passieren würde, wenn ich den Mund aufmachen würde. Ich wäre derjenige, den man von hier wegbringen würde, und dann gäbe es niemanden mehr, der die beiden vor Jerry beschützen könnte.
»Du hast mir so gefehlt«, flüsterte Hope Destiny zu und ließ sich auf dem schmutzigen Linoleumboden auf die Knie sinken. Sie umarmten sich lange und fest. Dann schaute Hope auf, um den Rest von uns zu mustern.
Jerry trat natürlich als Erster vor. Sein weißes Trägerhemd spannte über seiner Wampe, als er die Arme ausstreckte. »Ich bin dein neuer Daddy, Hope. Willkommen zu Hause.«
Hope riss die Augen auf und schaute hinter ihn, bis sie mich entdeckte. Sie erkannte sofort, dass wir das gleiche Schicksal teilten. Sie wusste, dass ich keins der richtigen Kinder war. Ich schüttelte nur kaum merklich den Kopf, um sie zu warnen.
Ich musste Hope Anerkennung zollen – sie erkannte meine Signale schnell und deutete sie richtig. Das war ätzend, denn es bedeutete, dass sie diesen Mist, der mich zur Weißglut treiben würde, schon mal durchgemacht hatte.
Sie hielt Destiny weiterhin an sich gedrückt und schenkte Jerry eine dieser halbherzigen Umarmungen von der Seite. Doch dieser Mistkerl war hartnäckig. Er zwang beide Mädchen in eine feste Umarmung.
»Es fühlt sich an, als wäre unsere kleine Familie jetzt komplett.«
Dixie nickte ihr zu. Sie sagte nicht viel, vermutlich weil sie den Großteil des Tages damit verbrachte, aus einer Zweiliterflasche Sprite zu trinken. Nur dass die Flüssigkeit darin keine Kohlensäure enthielt. Als sie nach meinem Einzug das erste Mal auf der Couch einschlief, drehte ich den Deckel ab, um einen Schluck zu probieren.
Wodka.
Sollte ich mit dreizehn Jahren wissen, wie Wodka schmeckte? Vermutlich nicht, aber ich hatte nicht den Luxus einer Kindheit. Außerdem war sie ständig damit beschäftigt, die Blutergüsse zu überschminken, die Jerry in jenen Nächten auf ihrem Körper hinterließ, in denen er den Plattenspieler in ihrem Schlafzimmer sehr laut aufdrehte.
Vielleicht war es falsch von mir, aber da ich mir bereits ziemlich sicher war, dass ich ohnehin in die Hölle kommen würde, da mir meine letzte Pflegemutter den Spitznamen »Teufelsbrut« verpasst hatte, war ich froh über diese Nächte. Sie bedeuteten, dass er sich wahrscheinlich nicht an Destiny heranmachen würde.
Aber Hope? Verdammt, Hope bedeutete Ärger.
Jerry ließ die beiden nach einer unangenehm langen Umarmung los. Die Sozialarbeiterin strahlte immer noch, weil es ihr gelungen war, die Schwestern wieder zu vereinen.
»Tja, dann lasse ich Sie mal allein, damit sich alle besser kennenlernen können.« Sie schaute zu Dixie. »Sie wissen ja, wie das läuft. Es gibt nichts Neues.«
Jerry lachte, wodurch sich der untere Saum seines Trägerhemds ein wenig nach oben schob und sein Bauch hervorquoll, der ihm über die Hose hing. »Abgesehen davon, dass der Scheck, den wir jeden Monat erhalten, von nun an ein bisschen üppiger ausfällt, meinen Sie wohl.«
Das Lächeln der Sozialarbeiterin verblasste ein wenig, aber sie nickte. »Natürlich.« Sie schaute zu den zwei Mädchen, konzentrierte sich aber hauptsächlich auf den Neuzugang. »Du hast meine Nummer, falls es irgendetwas gibt, worüber du reden willst. Ich hoffe, dein neues Zuhause gefällt dir, und ich bin so froh, dass du und Destiny endlich wieder zusammen seid.«
»Sie wird es hier lieben«, sagte Jerry.
Sobald die Sozialarbeiterin davongefahren war, legte Jerry seine Wurstfinger um Hopes Unterarm. »Ich werde dir dein neues Zimmer zeigen. Es ist gleich neben dem von mir und Dixie.«
»Ich kann mir ein Zimmer mit Destiny teilen«, sagte Hope. »Das macht mir nichts aus. Ich brauche kein eigenes Zimmer.«
Jerry fuhr wieder mit der Zunge über seine Zähne. »Du bist zu alt, um dir ein Zimmer zu teilen. Wir haben genug Platz. Komm mit und keine Widerrede.«
Dieses dunkle, unheimliche Gefühl wuchs, als Jerry sie die Treppe hinaufzerrte, um sie in das Zimmer zu bringen, in dem ein anderes Pflegekind gewohnt hatte, bevor Destiny und ich innerhalb weniger Tage eingetroffen waren.
Jerry Jr. zufolge war das ebenfalls ein Mädchen gewesen. Er war erst sieben, also konnte er mir nicht sagen, warum sie weitergezogen war. Und ich war mir nicht sicher, ob ich es wissen wollte.
Hope richtete ihre blauen Augen, die genau wie Destinys aussahen, auf mich, während ihr Müllsack bei jedem Schritt gegen ihren Körper prallte. Ich sah ihre Angst. Sie wusste, dass sie geradewegs in ein Pulverfass spaziert war, und wartete nur auf den Funken, der es zur Explosion bringen würde.
Ich hielt ihrem Blick stand, bis sie am oberen Ende der Treppe um die Ecke bogen. Doch in diesem Moment schwor ich mir eins: Wenn dieser fette Scheißkerl sie anrühren würde … konnte ich für nichts garantieren.
Während der ersten Woche schlief Hope in Destinys Zimmer statt in ihrem eigenen, weil Destiny weinte, wann immer Hope nicht in ihrer Nähe war.
Doch nun hatte Jerry genug davon. An diesem Abend war er betrunken und wütend. Er schlug mit der Faust so fest auf die Küchentheke, dass das billige Geschirr klapperte.
»Sei nicht so eine kleine Heulsuse. Hope geht nirgendwohin. Und sie wird in ihrem eigenen verdammten Zimmer schlafen, ob es dir nun passt oder nicht.«
Ich hatte die ganze Woche über kaum geschlafen, weil ich ihm nicht traute. Der Schlafmangel machte sich mittlerweile bemerkbar, ich fühlte mich vollkommen benommen. Und meine schulischen Leistungen, um die ich mich ohnehin nicht besonders gut kümmerte, waren noch schlechter als sonst. Seit ich auf diese Schule ging, hatte ich mehr Zeit im Büro des Direktors als im Unterricht verbracht. Aber das erwarteten sie von mir und all den anderen Kindern im System. Es war, als wäre unser Versagen vorprogrammiert, warum also sollten wir es überhaupt versuchen?
Wir waren ohnehin nur Abschaum.
In meinem Fall entsprach das der Wahrheit. Zumindest sofern das, was man mir erzählt hatte, stimmte. Angeblich hatte mich meine Mutter auf den Stufen einer Kirche im Quarter zurückgelassen und eine Nonne hatte mich gefunden. Ich hatte in meinem eigenen Kot gelegen.
Das war ein ziemlich passender Anfang für den weiteren Weg, den mein Leben nehmen würde. Der Schandfleck dessen, was ich war, wer ich war, folgte mir, wo immer ich auch hinging.
Manchmal fragte ich mich, ob sich meine Mutter die Mühe gemacht hatte, mir einen Namen zu geben, bevor sie verschwand, aber das spielte keine Rolle. Der einzige Name, den ich hatte, war der, den mir die Nonne gegeben hatte – Michael. Er war genauso generisch wie der Rest der biblischen Namen, die man weggeworfenen Kindern gab.
»Nein! Ich will meine Schwester!«, jammerte Destiny.
Jerry packte ihren dünnen Arm und zerrte sie näher an sich heran, während er mit der anderen Hand nach seiner Gürtelschnalle griff. »Du willst heulen? Ich werde dir einen Grund zum Heulen geben.«
Hope ließ sich vor ihrer Schwester auf die Knie fallen, wodurch sie auf Augenhöhe mit Jerrys Leistengegend war. »Ist schon gut, Desi. Ich werde nur ein paar Zimmer entfernt sein. Ich werde immer noch hier sein, wenn du morgen früh aufwachst. Ich lasse nicht zu, dass sie uns wieder trennen. Versprochen.«
Dieses Versprechen verriet mir, dass Hope doch noch nicht so lange im System war, wie ich gedacht hatte. Wenn sie es gewesen wäre, hätte sie gewusst, dass man keine Versprechen geben sollte. Sie würden alle gebrochen werden.
Jerry hielt Destiny weiterhin fest und ließ die andere Hand an seiner Gürtelschnalle, aber seine Aufmerksamkeit wurde auf Hope gelenkt. Oder besser gesagt auf das, was sich unter Hopes Oberteil befand.
Jemand musste dem Mädchen einen BH kaufen, aber ich konnte garantieren, dass sie von Jerry keinen bekommen würde.
»Siehst du, deine Schwester weiß, wie man sich wie ein braves Mädchen benimmt.« Er fuhr sich hinter den Lippen mit der Zunge über die Zähne. »Ein wirklich braves Mädchen.«
Ich wusste, dass ich heute Nacht wieder nicht schlafen würde.
Jerry wartete, bis Destiny schlief und Dixie im Wohnzimmer betrunken eingeschlafen war, bevor er etwas unternahm. Meine Augenlider fühlten sich bleischwer an, doch sobald die alten Holzdielen knarrten, wusste ich, dass er unterwegs war.
Mein Blut rauschte heftiger und schneller durch meinen Körper, als ich mich aus meinem Zimmer schlich und dabei die knarrenden Dielen ausließ, die ich mir innerhalb weniger Tage nach meiner Ankunft bereits eingeprägt hatte. Sich lautlos fortzubewegen hatte seine Vorteile.
Die Türscharniere, die dringend mal wieder geölt werden mussten, quietschten, als er sie aufschob.
Er ging auf Hopes Bett zu, und da ich direkt hinter ihm war, konnte ich sehen, wie sie sich ruckartig aufsetzte und die Decke an die Brust presste, so wie sie es mit ihrem Müllsack gemacht hatte.
Jerry stürzte sich auf sie und drückte ihr eine Hand auf den Mund. »Wag es ja nicht zu schreien, sonst wird es für dich nur noch schlimmer werden, Kleines.«
Hope wehrte sich gegen ihn, aber er zerriss ihr dünnes Oberteil und befreite ihre winzigen Brüste. Er griff nach einer und drückte zu. Seine andere Hand verschwand aus meinem Sichtfeld.
»Mach dich bereit, deine Miete zu bezahlen, Kleines. Und auch die deiner Schwester. Es sei denn, du willst, dass ich sie mir von ihr hole. Ich wette, sie schreit genauso hübsch wie du.«
Wut kochte in meinem leeren Bauch hoch, und ich musste den Drang unterdrücken, mich angesichts seiner Worte zu übergeben. Er verdiente es nicht zu leben.
Mit dem Baseballschläger, den er Jerry Jr. für seine Kinderliga gekauft hatte, über meiner Schulter machte ich mich bereit. Ich würde jederzeit ein böses Leben beenden, um eine unschuldige Seele zu retten.
Jerry riss die Decke komplett zurück, als ich durch die Tür trat.
»Wag es nicht, sie anzurühren.«
Jerry wirbelte herum, um mich anzusehen, und Hopes ängstliches Wimmern erfüllte meine Ohren.
Sein Blick landete auf dem Baseballschläger auf meiner Schulter. »Was zum Teufel hast du damit vor, Junge? Soll ich ihn dir in den Hintern rammen, du kleiner Scheißer?«
Er bewegte sich schneller, als ich es für möglich gehalten hätte. Er hievte seinen massigen Körper vom Bett und stürmte auf mich zu wie ein wilder Stier. Sein Schwanz baumelte aus seiner schmutzigen Hose wie ein schlaffer Hotdog.
Dieser Scheißkerl.
Ich dachte nicht nach. Ich holte aus.
Doch Jerry duckte sich, und der Baseballschläger krachte gegen die Seite seines Halses. Er taumelte rückwärts, bis er gegen die Wand stieß, und hob die Hände an seine Kehle. Dann rutschte er zu Boden, während Hope lautlos in ihrem Bett weinte, vor Angst zitterte und nach der Bettdecke griff, um sich zu bedecken.
Jerry rang um Atem. Ich trat auf ihn zu. Mein Ekel wuchs, als ich daran dachte, was er getan hätte, wenn ich nicht hier gewesen wäre. Wenn er sich nicht geduckt hätte, hätte ich seinen Kopf vielleicht gleich mit dem ersten Schlag wie eine Melone zermatscht. Aber ich war froh, dass es nicht so gekommen war. Er verdiente es nicht, so leicht oder schnell zu sterben.
Ein erwachsener Mann, der versuchte, ein vierzehnjähriges Mädchen zu vergewaltigen, verdiente einen langsamen Tod, der so schmerzhaft wie möglich war.
Ich drückte das Ende des Schlägers gegen seine Hände, mit denen er die Stelle bedeckte, an der ich ihn mit meinem verpatzten Schlag verletzt hatte. Indem ich nach und nach immer mehr Druck ausübte, zwang ich ihn, sich selbst die Luft abzuschnüren.
»Du wirst nie wieder ein Mädchen in diesem verdammten Haus anrühren.«
Mit jeder Sekunde, die verging, traten Jerrys Augen ein wenig stärker aus seinem Kopf hervor. Seit ich meinen Fuß in dieses Höllenloch gesetzt hatte, sah ich nun endlich zum ersten Mal Angst in ihnen.
Der Anblick nährte meinen Blutrausch, und ich zögerte nicht, den Druck zu erhöhen. Er versuchte unterdessen, seine Hände zu befreien, doch es gelang ihm nicht.
Er würde schon bald das Bewusstsein verlieren, und ich wollte, dass ihn die Angst und der Schmerz in den Wahnsinn trieben, bevor das geschah. Denn falls ich mit meiner Vermutung richtiglag, hatte er zahlreichen anderen hilflosen Kindern ebenso viel Angst und Schmerz zugefügt.
»Nie wieder, Jerry. Hörst du mich?«
Mit so viel Kraft, wie ich aufbringen konnte, rammte ich den Baseballschläger gegen seine Hände. Ein scharfes Knirschen ertönte. Dann beobachtete ich, wie das Leben aus seinen Augen wich.
Ich stieß noch ein weiteres Mal hart zu, nur um sicherzugehen, dass er wirklich tot war. Als er zur Seite sackte, wurde Hopes Schluchzen lauter. Ich lehnte mich vor, um Jerrys Puls zu fühlen.
Nichts. Sein schwarzes Herz schlug kein einziges Mal mehr.
Ich hatte der Welt gerade einen Gefallen getan.
Als ich mich aufrichtete und ihr in die Augen schaute, während der Baseballschläger noch in meiner Hand lag, war die Angst nach wie vor da. Nur dass ich dieses Mal nicht sicher war, vor wem sie mehr Angst hatte. Aber ich konnte es vermutlich erraten.
Oder vielleicht lag ich falsch.
Hope sprang vom Bett auf, wickelte die Bettdecke um sich und warf sich gegen mich. Sie schlang die Arme um meine Taille. »Danke.«
Ich konnte das Wort aufgrund ihrer Schluchzer kaum verstehen. Ihre Tränen durchweichten mein schmutziges Hemd.
»Ich habe nur getan, was getan werden musste. Jetzt zieh dich an und such dein Zeug zusammen. Ich hole Destiny. Ihr beiden verschwindet jetzt aus diesem verdammten Haus. Ich bringe euch zu der Unterkunft der Kirche ein paar Blocks weiter. Die sollen deine Sozialarbeiterin anrufen. Erzähl der Frau, was Jerry tun wollte.«
Sie riss den Kopf herum, um zu der Leiche zu schauen.
»Was erzähle ich ihr … darüber?«
»Die Wahrheit.«
Hope hob ihre tränennassen blauen Augen und schaute mich mit neuer Angst darin an. »Aber sie werden dich suchen …«
»Sie werden mich niemals finden.«
Hope biss sich auf die Lippe und ließ mich los.
»Beeil dich. Wir müssen los.«
Sobald ich dieses Haus mit den beiden Mädchen im Schlepptau für immer verlassen hatte, wurde mir klar, dass meine letzte Pflegemutter unrecht gehabt hatte, als sie mich Teufelsbrut genannt hatte.
Ich war der Teufel persönlich.
Mount
Gegenwart
Keira bringt mich an meine Grenzen und sorgt dafür, dass ich die Kontrolle verliere, und das habe ich noch nie zugelassen.
Ich habe verdammt noch mal eine Tür hinter mir zugeknallt.
Ich raste nicht vor Wut aus. Nicht mehr. All meine Handlungen sind das Ergebnis kalter, präziser Berechung.
Aber diese Frau hat dafür gesorgt, dass ich eine verdammte Tür hinter mir zugeknallt habe.
Ich habe mir eingeredet, dass das kein Problem darstellen würde. Dass ich sie haben, festhalten und kontrollieren könnte – und dass sie für mich nie mehr als ein Besitz sein würde. Ich habe mir geschworen, dass ich leidenschaftslos und gleichgültig bleiben würde, weil die Alternative nie zu etwas Gutem führt. Das habe ich schon als Kind gelernt.
Geh davon aus, dass alles vorübergehend ist. Das entspricht immer der Wahrheit. Niemand von uns lebt ewig, warum also sollte man so tun, als wäre es anders?
Eine weitere Tatsache, von der ich immer geglaubt habe, dass sie der Wahrheit entspricht, ist die, dass ich die vollkommene Kontrolle über mich selbst und meine Reaktionen habe.
Falsch.
Keira Kilgore ist zu etwas geworden, das ich nie beabsichtigt hatte. Aber ich mache die Regeln in meiner Welt, also kann mich niemand aufhalten, wenn ich meine Pläne jetzt ändern will. Das ist das Beste daran, der König zu sein. Ich kann tun, was immer ich will.
Sie zu behalten, könnte sich als Fehler erweisen, aber ich lasse sie nicht gehen. Vor allem nicht jetzt, da ich sogar noch mehr gegen sie in der Hand habe, denn ich habe ihre Bankkredite abbezahlt und sie ihren Schulden hinzugefügt.
Ich habe noch nie zugelassen, dass ich ein solches Verlangen verspüre. Ich mag über ein Imperium herrschen, aber ich bin immer an der Spitze geblieben, weil ich nie Schwäche gezeigt habe.
Sie ist nur dann eine Schwäche, wenn ich es zulasse, und dieser Mist endet jetzt.
Ich will in ihre Räume zurückkehren und ihr genau beschreiben, wie ich Lloyd Bunt umgebracht habe. Wenn sie das wüsste, würde sie mir nie wieder nahe kommen wollen.
Genau das sollte ich tun. Aber was bringt es, über ein Imperium zu herrschen, wenn man nicht alles haben kann, was man will, selbst wenn man es nicht haben sollte?
Während dieser Gedanke durch mein Hirn wandert, wird mir klar, dass ich kurz davorstehe, eine ausnutzbare Schwäche zu erschaffen. Etwas, wogegen ich all diese Jahre angekämpft habe.
Aber ich bin Lachlan Mount, verdammt noch mal. Ich habe mich aus der Gosse dieser gnadenlosen Stadt gezogen, meine Identität geändert und gelernt zu tun, was immer nötig war, um nicht nur zu überleben, sondern Erfolg zu haben. Ich wurde zu dem Unkraut, das aus den Rissen im Bürgersteig wächst und sich weigert zu sterben. Ich habe mir in dieser Organisation den Weg nach oben erkämpft und den Thron mit Gewalt übernommen. Für die Außenwelt herrsche ich durch Angst, Einschüchterung und die absolute Bereitschaft, jede einzelne verdammte Drohung, die ich ausspreche, wahr zu machen.
Ich verfüge über jeden materiellen Besitz, den sich ein Mann nur wünschen kann. In diesem Augenblick laufe ich über weiß-goldene Perserteppiche und bewege mich zwischen Wänden, die von italienischen Meisterhandwerkern verputzt wurden. Der Raum wird von Wandleuchten erhellt, die mit vierzehnkarätigem Gold veredelt sind, und zusätzlich gibt es Kristallkronleuchter, die mehr gekostet haben, als sich die meisten Leute vorstellen können. Ich umgebe mich mit dem Besten vom Besten, und ich tue nicht eine Sekunde lang so, als läge das nicht daran, dass ich immer noch versuche zu vergessen, wie es war, in meinem eigenen Dreck zu leben.
Ich erreiche einen der ein Dutzend geheimen Eingänge, die in ein Netzwerk aus Gängen führen, das alle Anwesen, die ich in diesem Block besitze, miteinander verbindet. Als ich nach dem Öffnungsmechanismus greife, ist es mir gelungen, wieder gleichmäßig zu atmen.
Jede Begegnung mit Keira beeinflusst mich mehr als die letzte, und diese hier stellt keine Ausnahme dar. Ich darf nicht zulassen, dass das so weitergeht. Ich werde die Oberhand zurückgewinnen. Diesen Schwur leiste ich, als das vom Boden bis zur Decke reichende Gemälde zur Seite gleitet und mir den Weg in das Labyrinth öffnet.
Abgesehen von mir kennen nur drei andere Menschen jeden Zentimeter dieses Labyrinths. V, den Keira immer Narbengesicht nennt, J, meine rechte Hand, und G, mein Schneider. Sie alle drei haben mir immer und immer wieder ihre Loyalität bewiesen. Aber ich wäre naiv, wenn ich jemals jemandem vollkommen vertrauen würde.
Und ich bin noch nie naiv gewesen.
Ich nehme ein paar Abzweigungen und sehe kaum durch die Gucklöcher, die im inneren Flur angebracht sind, um mir Sicht auf das zu gewähren, was hinter den Wänden passiert.
Man kann sie unmöglich entdecken, es sei denn, man weiß, wo man hinschauen muss.
Andere Männer in meiner Position würden Wachen mit Schnellfeuerwaffen durchs Haus patrouillieren lassen, aber ich weigere mich, das zu tun. Erstens kann ich sehr gut auf mich selbst aufpassen, und zweitens: Warum sollte ich noch mehr potenzielle Schwachstellen in meiner Organisation erlauben? Eine untergeordnete Wachmannschaft zu bestechen ist viel zu leicht. Ich habe es selbst schon öfter getan, als ich zählen kann. Die Leute, die ich einstelle, kann man nicht bestechen, weil sie mir aus dem einen oder anderen Grund ihr Leben schulden.
Außerdem sind Kameras effektiver und meine Sicherheitsmaßnahmen lassen sich nicht hacken … zumindest so gut wie nicht.
Als ich die Gänge hinter mir lasse und die Treppe hochsteige, über die ich in mein innerstes Heiligtum gelange – den Raum, den J als mein Versteck bezeichnet –, erwarte ich, dass die verbliebenen aufsässigen Emotionen, die noch in mir toben, so effektiv niedergeschlagen werden wie eine Revolte.
Doch das passiert nicht, denn als sich der Kamin dreht und meine Bibliothek in Sicht kommt, weiß ich, dass ich einen großen Fehler gemacht habe, als ich dachte, dass mich dieser Zufluchtsort vor meinen Gefühlen schützen würde.
Ich kann nur sie sehen. Das Bild von ihr, als sie am ersten Abend in diesem Raum stand und diesen scheußlichen Trenchcoat auszog, um ihre wundervollen Kurven und dieses lächerliche Hennatattoo zu enthüllen, hat sich in mein Gehirn eingebrannt.
Sie stand da wie eine Königin. Wie eine Frau, die mit der Brutalität des Königs, zu dem ich mich selbst erklärt habe, umgehen könnte.
Keine Schwächen, rufe ich mir ins Gedächtnis.
Ich balle die Hände zu Fäusten und bin versucht, eine davon gegen die Wand zu rammen. Zum ersten Mal seit Langem – länger, als ich mich erinnern kann – nagt Zweifel an mir.
Behalte die Kontrolle. Genau das tue ich, und ich kann nicht zulassen, dass Keira Kilgore das ändert.
Ich wende mich dem Tisch zu, auf dem die Spirituosenkaraffen stehen, und greife nach meinem Lieblingsgetränk. Doch plötzlich halte ich mitten in der Bewegung inne.
Es ist ein Whiskey von Seven Sinners. Ich habe meine Mitarbeiter damit beauftragt, ihn aus einem außerhalb gelegenen Lagerhaus der Brennerei auf meinen Wunsch hin zu beschlagnahmen, weil er noch nicht für die Öffentlichkeit zum Verkauf steht. Man bekommt ihn nur in kleinen Mengen im Restaurant über der Seven Sinners Distillery, und ich bin kein Mann, der sich etwas verweigern lässt. Ich reiße meine Hand von dem Whiskey namens Spirit of New Orleans weg und greife nach dem Scotch. Immerhin stammt mein Name aus dem Schottischen. Lachlan Mount klingt wie ein Mann, der Macht verlangt, und ich war fünfzehn, als ich ihn auswählte.
In den zwei Jahren, in denen ich auf der Straße lebte, nachdem ich das Leben dieses elenden Mistkerls Jerry beendet hatte, hatte ich keinen Namen. Niemand interessierte sich für einen weiteren Ausreißer. In den seltenen Nächten, in denen ich in Obdachlosenunterkünften schlief, benutzte ich jedes Mal einen anderen falschen Namen. Ich log. Ich betrog. Ich stahl.
All das tue ich immer noch, und zwar ohne jegliche Reue.
Ich bin kein guter Mann. Meine Seele ist schwarz. Mein Herz ist aus Stein. Mein Ruf ist keine Legende und kein Mythos, sondern eine Ansammlung von Tatsachen.
Wenn es eine Waage gäbe, um die Reinheit eines Menschen zu bestimmen, würde ich die eine Seite davon mit dem Gewicht meiner Sünden krachend zu Boden gehen lassen. Und ich würde lachend dabei zusehen.
Ich komme in die Hölle. Das weiß ich mit vollkommener Sicherheit. Aber bevor ich an der Reihe bin, gibt es noch eine lange Liste von Leuten, die ich vor mir dorthin schicken werde.
Keira Kilgore ist das Gegenteil. Sie ist rein. Unschuldig. Verflucht naiv. Sie denkt immer noch, dass sich alle an die Regeln halten und ein gutes Urteilsvermögen letztendlich zum Erfolg führt. Sie liegt falsch, aber sie würde mir nie glauben. Ich hätte sie niemals in meine Welt holen sollen, aber ich bin so egoistisch, dass mir das egal ist. Ich bin egoistisch genug, um sie hier festzuhalten.
»Ich will das nicht. Ich habe nicht darum gebeten, und ich werde mich niemals aus freien Stücken unterwerfen. Das schwöre ich, bei allem, was mir heilig ist.«
Diese Worte sprach sie aus, als sie nackt vor mir stand und ihr Körper sie verriet. Ich habe sie zu einer Lügnerin gemacht, denn wann immer ich sie nahm, war sie mehr als willig. Sie wollte es ebenso sehr wie ich.
Ich schwöre, dass ich sie in diesem Zimmer riechen kann. Ihr Duft liegt über dem Geruch des Leders, der alten Bücher und des Zigarrenrauchs. Er sorgt dafür, dass ich zurück in ihr Zimmer marschieren, die Tür aufreißen und sie erneut zur Lügnerin machen will.
»Wag es ja nicht, mich jetzt anzurühren. Oder jemals wieder.«
Sie sollte wissen, dass man einem Mann wie mir nicht einfach einen Fehdehandschuh hinwerfen kann. Ich gewinne immer.
Ich beiße die Zähne zusammen und zwinge mich, auf eins der Bücherregale zuzugehen, als hätte ich auch nur die geringste Chance, eins der Bücher darin zu lesen.
Ein zischendes Geräusch verrät mir, dass sich der Kamin erneut gedreht hat, und ich wirble herum. Fast erwarte ich, eine wütende rothaarige Göttin zu sehen, die gekommen ist, um mich erneut zur Rede zu stellen. Was in meinen schmutzigen Gedanken damit enden würde, dass ich sie über eine Armlehne meines Sessels beuge, ihre Hände auf ihrem Rücken festhalte und sie vögle.
Aber sie ist es nicht. Es ist J, meine rechte Hand.
»Wir haben ein Problem, ein heikles. Ich würde mich selbst darum kümmern, aber ich weiß, dass du zweifellos deine Meinung dazu äußern willst.«
»Was?«, frage ich und bin dankbar für die Ablenkung.
»Der Leutnant eines Kartellchefs wurde bereits einmal gewarnt. Es geht darum, wie er sein Mädchen für den heutigen Abend im Spielsalon behandelt. Aber der dämliche Idiot kapiert es einfach nicht.«
Die vertraute Kälte legt sich über mich, und meine Konzentration kehrt zurück. Nun habe ich eine Aufgabe. In solchen Dingen übertreffe ich mich selbst. Das ist etwas, das ich leicht kontrollieren kann.
J hat recht. Meine Hilfe ist nicht nötig, um diese Situation zu klären, aber ich will meine Meinung dazu äußern. Und heute Abend … werde ich mich vielleicht sogar persönlich darum kümmern.
»Gehen wir.«
Ich folge J, und wir lassen meine Bibliothek und alle Erinnerungen an Keira hinter uns. Wir gehen durch das Labyrinth aus Gängen zurück, bis wir die Casinoebene erreichen. Einen ganzen Block des French Quarters zu besitzen hat seine Vorteile. Zum Beispiel konnte ich dadurch Innenwände herausreißen lassen und den mittleren Bereich des halben Blocks in eine geheime Glücksspieleinrichtung verwandeln, die in einer Nacht mehr Profit einbringt, als die meisten Männer in einem Jahr verdienen. Die Mitgliedschaft ist exklusiv, ausgewählt und wird nur selten gewährt. Nur sehr reiche, sehr mächtige und sehr gut vernetzte Leute dürfen beitreten. Und die ganze Zeit über schwebt eine unausgesprochene Drohung über ihren Köpfen: Wenn ihr redet, werdet ihr sterben.
Wenn ich sage, dass ich sie mit Einschüchterung und Angst beherrsche, ist das keine Übertreibung. Und wenn es nötig wird, handele ich, um meine Herrschaft zu unterstreichen.
Wir betreten den Club durch den Hintereingang, den ich immer benutze, und ich brauche nur ein paar Augenblicke, um das private Zimmer zu finden, in dem der Leutnant mit dem Todeswunsch gerade Black Jack mit hohen Einsätzen spielt.
Die Frauen, die in diesem Club arbeiten, stehen unter meinem Schutz. Ein Vergehen gegen sie ist ein Vergehen gegen mich. Mir ist egal, dass ihre Kleider kaum ihre Brüste, ihre Scham oder ihren Hintern bedecken oder dass ihr Make-up dicker ist als der Lack auf meinem Lieblingsauto. Mir ist egal, dass sie im ältesten Gewerbe der Welt arbeiten, um ihr Geld zu verdienen. In meinem Club fasst sie niemand grob an. Das ist Teil der Regeln, aber betrunkene Männer vergessen das manchmal. Und wenn sie es vergessen, habe ich kein Problem damit, dass meine Mitarbeiter sie an die Konsequenzen erinnern.
Die Frau, eine dürre Blondine mit dunklem Ansatz, versucht sich diskret aus seiner Umarmung zu winden und ist darum bemüht, eine Szene zu vermeiden. Der dämliche Idiot, wie J ihn genannt hat, lässt sie nicht los. Stattdessen packt er ihr Haar und zerrt sie mit solcher Wucht nach unten, dass sie auf die Knie fällt.
Mein Handy vibriert in meiner Tasche, aber ich ignoriere es, während Wut durch meine Adern rauscht. Diejenigen, die die Blondinen bedrängen, machen mich sogar noch wütender als alle anderen.
Der Leutnant, der mindestens fünfzehn Zentimeter kleiner und gut zwanzig Kilo leichter ist als ich, zwingt ihr Gesicht in seinen Schoß. »Lutsch meinen Schwanz, Miststück.«
»Er stirbt heute Nacht.« Ich sage es leise, aber J verlangt nicht, dass ich mich wiederhole. Es ist längst beschlossene Sache.
»Ich kümmere mich darum, Boss.«
Ich schüttle den Kopf, um meine Wut unter Kontrolle zu bringen, und werde eiskalt. »Nein. Ich werde mich persönlich darum kümmern.«
»Bist du sicher? Ich kann …«
Als ich mich herumdrehe, um J anzustarren, schnappt meine rechte Hand hörbar nach Luft.
»Natürlich bist du sicher. Vielleicht wird es ohnehin besser sein, wenn du das übernimmst.«
J geht davon aus, dass ich mich selbst darum kümmern will, weil das dem Kartellchef, für den der Leutnant arbeitet, eine deutliche Botschaft übermitteln wird. Aber das stimmt nur zum Teil. Heute Nacht brauche ich ein Ventil für die ganze Wut, die in mir brodelt. Und dieses Stück Scheiße hat sich den falschen Tag und den falschen Ort ausgesucht, um Ärger zu machen. Diesen Fehler wird er nicht noch mal begehen.
Ich marschiere in das Zimmer und ziehe die Aufmerksamkeit der drei anderen Spieler und des Kartengebers auf mich, sobald ich die Tür mit einem deutlichen Klicken hinter mir schließe.
Der Kartengeber wird über nichts, was er in diesem Zimmer sieht, sprechen, weil er mir sein Leben schuldet. Ich habe verhindert, dass er an einer Straßenecke von einem Crackdealer hingerichtet wurde, als er sechzehn war. Und er weiß, dass jedes Wort, das er hierüber verlieren würde, ein Verrat wäre und ihm das Schicksal einbringen würde, dem er damals entkommen ist. Außerdem verdient er hier gutes Geld und hat eine schwangere Freundin, die er nächsten Monat heiraten will, und er würde es nicht wagen, sie und das Baby in Gefahr zu bringen.
Die anderen Spieler sind ein korruptes Mitglied des Stadtrats, ein Megachurch-Prediger und ein Ölbaron, der Menschen skrupellos aus ihren Häusern vertrieben hat, um sein Territorium auszuweiten. Wenn man bedenkt, wie viel ich gegen sie alle in der Hand habe, werden sie es ebenfalls nicht wagen zu reden.
Ich sage nichts, während ich das Zimmer durchquere. Handlungen haben mehr Macht als Worte, und mit Macht kenne ich mich aus. Ich bleibe einen Schritt hinter dem Stuhl des Leutnants stehen und packe den Zopf an seinem Hinterkopf. Ich wickle ihn um meine Hand und zerre seinen Kopf mit einem Ruck zurück, bis sein Hals lang gestreckt ist. Sein Adamsapfel hüpft in seiner Kehle.
Als er das Haar der Frau loslässt, reiße ich ihn vom Stuhl und zerre ihn über die Lehne nach hinten. Ich benutze den Zopf wie ein Seil, ziehe ihn daran hoch, bis seine Füße den Boden verlassen, und beobachte, wie sie in der Luft baumeln, während sich Entsetzen auf seinem Gesicht ausbreitet.
Ich mag über vierzig sein, aber ich bringe mich beim Training jeden Tag bis an meine Grenzen. Ich habe viel zu jung am eigenen Leib erfahren, dass brutale Kraft manchmal alles ist, was zwischen einem selbst und seinem schlimmsten Albtraum steht.
Seine Kopfhaut dehnt sich, bis sich ein Stück seines Zopfes vom Kopf löst. Nun halte ich die Haare mit einem blutigen Fetzen Haut daran in der Hand. Seine Füße landen zuerst auf dem Boden, aber seine Beine geben nach und er fällt vor mir auf die Knie.
Genau da gehört er hin.