Singapur im Würgegriff - James Gordon Farrell - E-Book

Singapur im Würgegriff E-Book

James Gordon Farrell

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Beschreibung

Singapur 1937. Walter Blackett, Direktor eines britischen Kautschukunternehmens, weiß sich von der bewährten Ordnung britischer Kolonialherrschaft getragen, als er die Feierlichkeiten zum hundertjährigen Jubiläum seiner Firma ausrichtet. Noch ist die Welt, zumindest für die Engländer, in Ordnung, haben die Da Dousa Sisters ihre Gesangsauftritte, ist der zerzauste Hund La Condition humaine nur halbtot und gibt es standesgemäße Paraden und Feste. Und doch scheint am Vorabend des Zweiten Weltkriegs im Inselstaat einiges in Schieflage geraten zu sein : Kaum ist ein Streik der Einheimischen niedergeschlagen, flammt er an anderem Ort wieder auf, Walter Blacketts Sohn engagiert zur Abendunterhaltung ausgerechnet einen Fakir, seine Tochter Joan tändelt mit den falschen Verehrern, während der junge Matthew, Oxfordstudent und rechtmäßiger Erbe der Firma, sich als naiver Weltverbesserer erweist. Das Geschäft mit dem Kautschuk boomt, nicht zuletzt wegen des Weltkriegs und der Marktmanipulation durch Blackett selbst, doch als japanische Flieger das völlig unvorbereitete Singapur bombardieren, kann der Schock größer nicht sein. Während Matthew herauszufinden versucht, was es mit dem ›Würgegriff von Singapur‹ auf sich hat, ist der Mythos von der Uneinnehmbarkeit Singapurs bereits brutal zerschlagen.

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James Gordon Farrell

Singapur im Würgegriff

Roman

Aus dem Englischen von

Manfred Allié

Mit einem Nachwort von

Derek Mahon

Inhalt

ERSTERTEIL

ZWEITERTEIL

DRITTERTEIL

VIERTERTEIL

FÜNFTERTEIL

SECHSTERTEIL

Für Bob und Kathie Parrish

Vorbemerkung des Verfassers

Es mag auf den ersten Blick kurios erscheinen, einem Roman eine Bibliografie beizufügen, doch dieses Buch verdankt den Arbeiten anderer viel, ebenso den Aufzeichnungen – Meinungen, Erfahrungen – derjenigen, die im Zweiten Weltkrieg oder der Zeit davor den Fernen Osten bereist, dort gearbeitet oder dort gekämpft haben. Trotzdem will das Singapur meines Buches nichts anderes als fiktiv sein: auch wenn viele seiner Ziegelsteine echt sind, ist doch das Bauwerk pure Fantasie.

J. G. F.

ERSTER TEIL

1

Die Stadt Singapur entstand nicht, wie Städte sonst meist, allmählich durch natürliche Ablagerungen des Geschäftslebens an den Ufern eines Flusses oder am Schnittpunkt alter Handelsstraßen. Sie wurde schlicht und einfach erfunden, eines Morgens im frühen neunzehnten Jahrhundert, von einem Mann, der auf eine Landkarte blickte. »Hier«, sagte er sich, »brauchen wir eine Stadt, auf halbem Wege zwischen Indien und China. Das wird der große Haltepunkt auf der Route in den Fernen Osten. Wohlgemerkt, den Holländern wird es nicht gefallen und Penang wird sich nicht freuen, gar nicht zu reden von Malakka.« Der Name dieses Mannes war Sir Thomas Stamford Raffles; vor dem Krieg stand seine Bronzestatue am Empress Place, in einem Alkoven, der etwas von einer Jakobsmuschel hatte (heute steht er in Stein an einer schattigen Stelle am Fluss). Er war ganz und gar nicht der entschlossen dreinblickende Mann, den man sich vorgestellt hätte – eigentlich sah er sogar eher langweilig aus, im Gehrock.

Früher hatten einmal Menschen dort gelebt, doch bei seiner Ankunft war die Insel Singapur so gut wie verlassen, bis auf Ratten und Tausendfüßler, die es in rauen Mengen gab. Raffles vermerkte auch mit einem gewissen Unbehagen die vielen menschlichen Totenschädel und Skelette, Hinterlassenschaften der Piraten dieser Gegend. Trotzdem verlor er keine Zeit, mit einem erschrockenen Einheimischen in Verhandlungen um die Insel zu treten, und stellte anschließend, lesen wir bei seinem Biografen, einen sechsunddreißig Fuß hohen Fahnenmast auf. »Uns geht es«, schrieb er an einen Freund, »nicht um Land, sondern um Handel: einen großen Umschlagplatz, einen Dreh- und Angelpunkt, von dem aus wir auch politischen Einfluss ausüben können, sollten die Verhältnisse dies zu einem späteren Zeitpunkt erfordern.« Als er dort an dem einsamen Ufer stand und zur Flagge hinaufschaute, und die Ratten und Tausendfüßler wimmelten um seine Füße, sah Raffles da den Wohlstand, den die Zukunft Singapur bringen sollte, voraus? Mit Sicherheit tat er das.

Man darf sich, wenn man an die Stadt denkt, wie sie vor vierzig Jahren war, keine unzivilisierte Grenzstadt am Rande des Dschungels vorstellen. Man hätte nur ein einziges Mal durch das Stadtzentrum schlendern müssen, mit seinen breiten Prachtstraßen und Parks, hätte nur die gewaltigen Regierungsgebäude sehen müssen, die luxuriösen Läden, die marmorne Würde der Bankhäuser, dann hätte man gewusst, dass Singapur das Werk einer bedeutenden und kultivierten Nation war. Zugegeben, es gab auch andere Stadtteile, die Viertel der Einheimischen und der Zuwanderer, in denen die Tamilen, Malaien und vor allem die Chinesen wohnten, und die waren nicht ganz so eindrucksvoll. Dort, in den bodenlosen Tiefen, begingen chinesische Geheimgesellschaften zweifellos entsetzliche Verbrechen, entführten ihre eigenen angesehenen Bürger, kämpften gnadenlos um Bezirke, betäubten sich mit Drogen und so weiter. Wären Sie vor dem Krieg einfach nur als Besucher, sagen wir als Seemann hierher gekommen, dann wäre Ihnen Singapur mit Sicherheit nicht weniger großartig, nicht weniger aufregend als jede andere große Hafenstadt Ostindiens vorgekommen. Sie hätten in einer der Vergnügungsstätten getrunken und getanzt, vielleicht sogar im Great World selbst, dessen hallender Tanzsaal mit seinen schier unglaublichen Ausmaßen schon seit vielen Jahren einsamen Seeleuten wie Ihnen Unterhaltung geboten hatte. Hier konnte man für fünfundzwanzig Cent mit den schönsten Taxigirls des Ostens tanzen, konnte die lautesten Kapellen hören und an den Wänden die prachtvollsten gemalten Drachen bewundern. In der guten alten Zeit vor dem Krieg, bevor all die Soldaten kamen, konnte dieser Saal eine ganze Schiffsbesatzung schlucken und wäre einem Besucher immer noch leer vorgekommen, leer bis auf ihn und die zwei oder drei chinesischen Mädchen mit den aufgemalten Puppengesichtern, die mit ihm am Tisch saßen, bereit, ihn mit kleinen, doch kräftigen Händen zu stützen, wenn er, schwer vom Tiger-Bier, zu Boden zu gehen drohte.

Und wäre er dann nach draußen gewankt, hätte ihn jener unvergleichliche Duft umweht, der Geruch von Weihrauch, warmer Haut, Fleisch, das in Kokosnussöl brutzelte, von Geld und Jasminblüten, von Haaröl und Sex und Sandelholz und Gott weiß was sonst noch, ein Aroma wie der Atem des Lebens selbst. Und vom Dach des Seemannsheims oder von einem anderen, weniger respektablen Dach aus hätte er das riesige purpurrote Schild gesehen, das für Tigerbalsam Reklame machte, und daneben, wenn es erst einmal ganz dunkel geworden war, dessen Protagonisten, den großen Tiger mit Reißzähnen wie Dolchen, dessen Streifen orangerot glommen, wenn er sich zu seinem nächtlichen Rundgang über die schlafenden Dächer von Singapur aufmachte. Aber es war nicht zu leugnen, manche Teile der Stadt waren schäbig, andere elend, und es wurde, je weiter diese Vorkriegszeit fortschritt, schlimmer: Schon um 1940 begannen durch die Wände der billigen Hotels und Pensionen, die bis dahin nur dann und wann ein Stöhnen oder einen Seufzer durchgelassen hatten, Radiomusik, Gitarrenklimpern und die Stimmen von Nachrichtensprechern zu dringen. Jede Großstadt hat ihre hässliche Seite. Und so wollen wir uns lieber den schöneren Stadtvierteln zuwenden, der eleganten europäischen Vorstadt Tanglin zum Beispiel, wo Walter Blackett, Präsident des angesehenen Handels- und Maklerhauses Blackett & Webb, mit seiner Familie lebte.

Auf den ersten Blick sah Tanglin nicht anders aus als jede andere europäische Vorstadt, mit seinen geschwungenen baumgesäumten Straßen und den hübschen Bungalows. Es gab einen Golfplatz mit durchaus respektablem Rasen; vielfach sah man Tennisplätze jenseits süß duftender Hecken, sogar einen Swimmingpool oder zwei. Das Leben, das die Menschen hier lebten, war, alles in allem, friedlich und gemächlich. Aber wenn man genau hinsah, sah man, dass diese Vorstadt zum Bersten erfüllt war von einer beängstigend tropischen Energie. Blattwerk wucherte an allen Enden mit einer Entschlossenheit, die unsere schlaffe europäische Vegetation nicht kennt. Dunkles, schimmerndes Grün war über alles wie mit dem Malspachtel gestrichen, und im Halbdunkel (der Dschungel hat eine Tendenz zum Halbdunkel) steckte etwas Sinistres, das eben noch Laut gegeben hatte und nun den Atem anhielt.

Überließ man sein Haus ein paar Monate, während man zum Beispiel Urlaub in der Heimat machte, sich selbst, würde man mit einiger Sicherheit feststellen, dass Ranken um jeden vorstehenden Teil ihr grünes Lasso geschlungen hatten und es zu Boden zerrten, dass kräftige Farne die Fugen zwischen Backsteinen sprengten und dass gefräßige häuservertilgende Insekten, im Grunde nichts weiter als kräftige Kiefer auf Beinen, die hölzernen Partien verspeist hatten. Hinzu kam, dass die Moskitos dieser speziellen Vorstadt nur entfernte Verwandte jener harmlosen Gesellen waren, die uns an einem englischen Sommerabend lästig werden: In Tanglin hatte man es mit der gefürchteten Anophelesmücke zu tun, jede einzelne davon eine kleine fliegende Giftspritze, gefüllt mit einer tödlichen Dosis Malaria. Und wenn man durch einen glücklichen Zufall der Malaria entging, saß immer noch die zweite Moskitoart in den Startlöchern, die mit den gestreiften Fußballsocken, immer auf dem Sprung, einem das Denguefieber einzuimpfen. Wenn ein Kind sich beim Spiel im Garten das Knie aufschürfte, dann passte man besser auf, dass keine Fliege sich auf die Wunde setzte, denn sonst musste man am nächsten oder übernächsten Tag winzige weiße Maden mit der Pinzette herausholen. Zu jener Zeit, als manche Bereiche der Vorstadt noch direkt an den Dschungel grenzten, war es keineswegs ungewöhnlich, dass man im Garten von Affen, Schlangen oder dergleichen Besuch bekam, denen der Sinn nach Obst oder Mäusen stand (oder auch nach einem kleinen Hund, wenn man einen appetitlichen Welpen hatte). Aber lassen wir es genug sein mit dem Hinweis, dass es neben den üblichen Annehmlichkeiten des Vorstadtlebens auch die eine oder andere unvorteilhafte Seite gab.

Nicht weit vom Haus der Blacketts führte die Orchard Road sanft bergabwärts (es war eher ein gefühltes als ein reales Gefälle) und verlief fast schnurgerade über etwa eine Meile, bis sie sich in den Ausläufern von Chinatown und dem Geschäftsbezirk verlor, in dem Walter am Collyer Quay seinen Firmensitz hatte und die Woche über seine Schlachten schlug. Dort in der Innenstadt, wo einst Ratten und Tausendfüßler zu Hause gewesen waren, wimmelte nun das Geschäftsleben; Unternehmen gediehen und gingen nieder, verschlangen einander, kopulierten, schlugen sich gegenseitig die Zähne in die Flanken, schluckten die Bissen, rissen sich los, verschlangen die nächste Firma oder bestiegen einander, um neue zu zeugen, ganz wie sie es auch in anderen großen kapitalistischen Städten taten. Doch hier oben in Tanglin gingen die Leute still und ordentlich ihren täglichen Beschäftigungen nach, schienen weit entfernt von derart grässlichen Begegnungen, weit vor allem von dem dichten Gedränge der Einheimischen dort drunten in der Stadt. Aber sie bewegten sich, könnte man sagen, wie die Zeiger einer Uhr sich bewegen. Stellen Sie sich eine Uhr in einem gläsernen Gehäuse vor: Die Zeiger gehen wie selbstverständlich ihres Weges, aber zugleich können wir auch sehen, wie Federn und Wellen und Zahnräder ihre Arbeit tun. Und in der gleichen Art war das geordnete Leben in Tanglin auf die Stadt zu ihren Füßen angewiesen, auf das Festland jenseits der Dammstraße, dessen Handelshäuser, Bergwerke und Plantagen gleichsam die Wellen und Zahnräder waren, und die stumme, gigantische Masse der Arbeiter war die Feder, die dafür sorgte, dass unaufhörlich Spannung von einem Bestandteil dieses Organismus an einen anderen weitergegeben wurde … und natürlich nicht nur zu jenem Zeitpunkt und nicht nur in Tanglin, sondern viel weiter ausgreifend in Raum und Zeit: bis hin zu Ihnen, Tausende von Meilen weit entfernt, bei Ihrer Lektüre im Bett oder in einem Liegestuhl auf dem Rasen, oder zu mir, der ich am Tisch sitze und dies schreibe.

2

Alles in allem hatten die Blacketts, 1937 in Singapur, guten Grund, mit ihrem ruhigen und immer wohlhabenderen Leben zufrieden zu sein. Nur ein- oder zweimal in den beiden Jahrzehnten seit dem Weltkrieg waren Dinge vorgefallen, die an ihrem Seelenfrieden gerüttelt hatten, und auch da hätte man nicht sagen können, dass es wirklich von Bedeutung war. Sicher, ihre ältere Tochter Joan hatte Anstalten gemacht, sich mit unpassenden jungen Männern einzulassen … aber das sind die Dinge, auf die jede Familie mit heranwachsenden Kindern gefasst sein muss.

Seine Frau, Sylvia, war in heller Aufregung gewesen, doch Walter selbst neigte eher dazu, erst einmal in aller Ruhe abzuwarten. Joan war erst kurz zuvor von einer Schule für höhere Töchter aus der Schweiz zurückgekehrt, und es war ihr nicht leichtgefallen, sich in Singapur wieder einzuleben, fernab von den Freunden, die sie in Europa gefunden hatte. Sie war aufsässig, sie verachtete die provinzielle Art der Kolonie – was, nahm Walter an, nur natürlich war, wenn man von einer solchen Schule kam (die Schule, nebenbei gesagt, war die Idee ihrer Mutter gewesen). Mit ein wenig Zeit würde sie schon darüber hinwegkommen.

Das erste Mal, dass Joan sich mit einem solchen jungen Mann eingelassen hatte, einem mittellosen Hauptmann der Luftwaffe, den sie wer weiß wo aufgegabelt hatte, war es gewiss ein Akt der Rebellion gewesen. Sogar Joan hatte kaum versucht zu leugnen, dass er ein unmöglicher Mensch war. Außerdem wusste sie gut genug, was ihre Eltern, die keine hohe Meinung vom Militär hatten, selbst noch von den Generälen und Generalmajoren hielten, die der Dienst nach Singapur gerufen hatte, von Hauptleuten gar nicht zu reden. Walter hatte den fraglichen jungen Mann nie zu Gesicht bekommen, denn Joan war klug genug gewesen und hatte gar nicht erst versucht, ihn mit nach Hause zu bringen. Er hatte in aller Ruhe abgewartet, bis sie zur Vernunft kam, und hatte, zuletzt schon mit einer Spur Ärger, seiner Frau erklärt, dass sie mit ihren Tränen und ihren Sorgen Kräfte vergeude, die sie nützlicher für anderes anwenden könne, denn Joan werde binnen Kurzem wieder vernünftig sein, mit den Tränen ihrer Mutter oder auch ohne. Am Ende hatte es ein wenig länger gedauert als erwartet, aber schließlich wurde Walter darin bestätigt, dass sein Vertrauen berechtigt gewesen war. Der Hauptmann der Luftwaffe war aus Joans Leben genauso unauffällig wieder verschwunden wie er aufgetaucht war. Ruhe war wieder ins Haus der Blacketts eingekehrt, eine Zeit lang zumindest.

Jetzt aber war Mrs. Blackett, als sie den Stoff von einem von Joans Baumwollkleidern mit Finger und Daumen befühlte, unerwartet auf ein knisterndes Stück Papier gestoßen. Ah, was war denn das? Etwas, das die Wäscherei dort hineingesteckt hatte? Zufällig hatte Mrs. Blackett das dünne Gewebe des töchterlichen Kleides gerade an der Stelle zu fassen bekommen, an der sich eine Tasche befand. Joan, die in besagtem Kleid steckte, errötete und versicherte, es sei nur ein Stück Papier, nichts von Bedeutung. »In dem Falle«, erwiderte Mrs. Blackett, »sollten wir es am besten gleich fortwerfen, denn wir wollen ja nicht unsere Kleider hässlich ausbeulen, nur weil wir unnötige Sachen in unseren Taschen spazieren tragen.« Schnell wie der Blitz schossen ihre Finger zu der Tasche und ergatterten das anstoßerregende Stück Papier (genau wie sie sich gedacht hatte! Ein Liebesbrief!), bevor Joan Zeit hatte, zurückzuweichen. Die darauf folgende Szene, die Schreie, die hysterischen Anfälle, das Füßestampfen, drangen sogar bis zu Walter hinauf, der im oberen Stock in seinem Ankleidezimmer saß und über Geschäftliches nachdachte. Er gab dem Sturm ein wenig Zeit zum Abflauen, doch als dieser keinerlei Neigung dazu zeigte, musste er doch hinuntergehen, damit nicht eine von beiden in ihrer Aufregung noch der Schlag traf. Sein Eintreten ließ Mutter und Tochter sofort verstummen: sie starrten ihn mit glasigen Augen an, tränenüberströmt, ihre Busen wogten noch. Als Erstes schickte er Joan auf ihr Zimmer, und als sie fort war, erinnerte er seine Frau daran, dass sie Order hatte, diese Dinge mit Ruhe aufzunehmen.

»Es ist einfach eine Tatsache, meine Liebe, dass du mit solchen Streitereien nichts bewirkst. Ganz im Gegenteil. Mich würde interessieren, wie viel du mit all deinem Gezeter und Geschrei über den jungen Mann herausgefunden hast. Ich wette … überhaupt nichts.«

Das stimmte. Mrs. Blackett ließ den Kopf hängen. Joan hatte erklärt, dass sie lieber tot sein als etwas über ihn verraten wolle, darüber, wo sie ihn kennengelernt habe, wo er arbeite, ja sogar wie er heiße. »Anscheinend heißt er Barry«, seufzte Walter nach einem Blick auf den Brief, »und ich kann dir auch sagen, wo er arbeitet, denn er schreibt auf dem Briefpapier seiner Firma. Wo sie ihn kennengelernt hat, braucht uns nicht zu interessieren. Du hast nichts weiter bewirkt als dass Joan jetzt störrisch ist. Ich möchte dich bitten, dich in Zukunft zuerst mit mir zu beraten, bevor du mit Joan über ihre Verehrer sprichst. Ich gehe jetzt nach oben und unterhalte mich mit der jungen Dame.«

Nachdenklich stieg Walter die Treppe hinauf. Die Heirat seiner Töchter war ein Thema, mit dem er sich bisher noch nicht viel beschäftigt hatte. Und doch war es ja unzweifelhaft eine gewichtige Sache, von Bedeutung nicht nur für Joan und, wenn die Zeit kam, für die kleine Kate, seine jüngere Tochter, sondern durchaus auch für die Firma. Schließlich konnte man als wohlhabender Mann seine Tochter nicht dem erstbesten Mitgiftjäger geben. Wer eine solche Ehe zuließ, öffnete der Katastrophe Tür und Tor. Ohne jede Frage war es nicht nur für Joan selbst, sondern auch für Blackett & Webb besser, wenn sie jemanden zum Mann nahm, dessen gesellschaftliche Stellung in der Kolonie ihrer eigenen entsprach.

In der Tat gab es zwei oder drei junge Männer in Singapur, mit denen eine in dieser Hinsicht befriedigende Allianz sich schließen ließe und die, wenn man bedachte, wie attraktiv Joan war, auch ganz bestimmt nichts dagegen hatten. Doch als sie ihr nach ihrer Rückkehr aus dem Mädchenpensionat eine solche Verbindung nahegelegt hatten, war Joan entrüstet gewesen. Sie fand die Vorstellung abgeschmackt und altmodisch. Sie werde den heiraten, der ihr gefalle. Das hatte natürlich wiederum die älteren Blacketts entrüstet. Walter wollte wissen, wieso er für so eine Schule gutes Geld ausgegeben habe, wenn sie dort nicht wenigstens ein klein wenig Sinn für die Realitäten des Lebens beigebracht bekommen habe. Aber Joan blieb stur, und Walter war bald zu dem Schluss gekommen, dass Geduld die beste Taktik war. Sie würden abwarten, was sich ergab, und in der Zwischenzeit würden sie zusehen, dass sie die weniger wünschenswerten jungen Männer dezent abservierten. Trotz der Szene, die sich gerade ereignet hatte, vertraute Walter weiter fest darauf, dass Joan ein zu vernünftiges Mädchen war, um sich auf Dauer an jemanden zu binden, den ihre Eltern unpassend für sie fanden.

Auf der Treppe hatte Walter überlegt, ob er seine Tochter tadeln und ihr befehlen sollte, keine Briefe mehr mit dem jungen Mann zu wechseln. Stattdessen beschloss er, sich weiterhin auf ihren klugen Kopf zu verlassen, und sagte nur: »Joan, Liebes, ich habe nichts dagegen, dass du mit jungen Männern flirtest, solange du vernünftig bleibst und nichts tust, was du später vielleicht bereust. Aber ich habe etwas dagegen, dass du deine Mutter aufregst. In Zukunft sei bitte diskreter und verstecke deine Briefe irgendwo, wo sie sie nicht findet.« Joan, die weiteren Streit erwartet hatte, sah ihn verblüfft an, als er ihr den Brief, der all diese Aufregung verursacht hatte, zurückreichte.

Ging Walter, was die Zukunft seiner Tochter anbetraf, ein großes Risiko ein, als er so milde verfuhr? Mrs. Blackett fand, das tat er. Doch Walter beschwichtigte sie. Er war gut mit dem Vorstandsvorsitzenden der Firma bekannt, auf deren Briefpapier der junge Mann seine Liebesbriefe schrieb, und begegnete ihm häufig im Club. Da würde ganz bestimmt, wenn es zum Schlimmsten kam und Joan ein ernsthaftes Interesse entwickelte, ein kleiner Hinweis und ein Schulterklopfen genügen, um den Burschen von Singapur an einen angemessen entfernten Ort (sogar zurück nach England, falls notwendig) versetzen zu lassen. Aber es stellte sich heraus, dass eine solche Intervention überflüssig war: In einem gewissen Alter erstickt nichts schwärmerische Gefühle so zuverlässig wie die Erlaubnis oder das Einverständnis der Eltern. Barry (wer immer er gewesen sein mochte) durfte in Singapur bleiben, wenn auch mit gebrochenem Herzen.

Nun beschloss Mrs. Blackett, die beste Art, ihre Tochter vor dem Umgang mit unpassenden Männern zu bewahren, sei, sie mit passenden zu umgeben. Sicher, davon gab es in Singapur erschreckend wenige, aber sie würde eine Liste aufstellen und sehen, was sich machen ließ … Alle lag nur daran, dass Joan nie mit jemandem von der richtigen Sorte zusammenkam. Dem würde Mrs. Blackett jetzt abhelfen und jede Woche ein oder zwei junge Männer ihrer eigenen Wahl zum Tee einladen. Joan werde als Gastgeberin fungieren, und Walter sollte auch dabei sein und ein Auge auf alles haben. Wie finde Walter das? Sei das nicht eine gute Idee?

Walter hatte seine Zweifel. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Joan Gefallen an einem jungen Mann finden würde, wenn ihre Mutter ihn empfahl. Und noch skeptischer wurde er, als er die Liste sah, die sie zusammengestellt hatte. Aber er erklärte sich doch für einverstanden, zum einen weil seine Frau auch einmal ihren Willen bekommen sollte; zum anderen steckte aber auch eine eigene heimliche Schwäche dahinter. Diese Schwäche, so harmlos und so gutmütig, dass man sie beinahe schon eine Tugend nennen konnte, bestand darin, dass er als Mann mit Erfahrung im Leben den Jüngeren, die eben erst ihre ersten Schritte machten, gern ermunternde Worte mit auf den Weg gab. Und so kam es, dass, als diese wöchentlichen Teegesellschaften erst einmal in Gang gekommen waren und während Joan wortlos und widerspenstig dabeisaß, ihre grünen Augen kalt wie Stein, Walter sehr gesprächig wurde und sich prächtig amüsierte. Mrs. Blacketts Blick wanderte beständig von Ehemann zu Tochter zu jungem Gast, um abzuschätzen, welchen Eindruck jeder jeweils auf den anderen machte. Genau genommen saß der junge Mann meist mit einer etwas besorgten Miene da, wenn Walter ihm seine Erweckungspredigten hielt: schließlich handelte es sich hier um Blackett von Blackett & Webb, einen wichtigen Mann in der Gegend, und seine Eltern hatten ihm eingeschärft, sich nicht zu blamieren und sich einmal im Leben anständig zu betragen.

Schon seit Jahren war es eine liebe Angewohnheit von Walter, seine Besucher beim Arm zu fassen und ihnen auf einem Rundgang die Bilder in seinem Wohnzimmer zu erläutern. So kam es, dass der für Joan bestimmte junge Mann, auch wenn er lieber sitzengeblieben wäre, weil dann die Gefahr geringer war, etwas umzustoßen, sich widerstrebend aus seinem Sessel ziehen ließ, und Joan blieb meuterisch neben ihrer Teekanne sitzen und tat, als höre sie die geflüsterten Ermahnungen ihrer Mutter, auch einmal etwas zu ihrem Gast zu sagen oder gar den beiden Männern bei ihrem Spaziergang Gesellschaft zu leisten, nicht.

Etliche der Bilder, die Walter dem jungen Mann erläuterte, waren im naiven Stil gehalten, von einem einheimischen Künstler vielleicht oder einem begabten Schiffsoffizier in seiner Freizeit gemalt; hier hatten wir einen Dreimaster, der eben mit Gewürzen oder Zucker beladen wurde, und eine Reihe einheimischer Träger marschierte mit Bündeln auf dem Kopf aus dubioser Perspektive über einen armseligen Kai, dahinter der Dschungel. Auf dem nächsten Bild, von gebildeterer Hand, war das Schiff in Liverpool angelangt und wurde wieder entladen; es folgten drei oder vier Ansichten des Hafens von Rangun, und jedes Mal rief Walter: »Sehen Sie! Hier wird Reis geladen. Natürlich noch alles Segelschiffe, und Rangun ist nichts als ein verschlafenes kleines Nest. Aber warten Sie nur!«

In den alten Zeiten, erklärte er dann, und der Knabe neben ihm sah ihn beklommen an, hätte weißer Reis die lange Reise ums Kap nicht überstanden, und so wurde er als »Cargoreis« verschifft, bestehend zu einem Fünftel aus ungeschältem Paddy und zu vier Fünfteln aus in Handmühlen grob von den Spelzen befreiten Körnern. Ging er an Adressen im Osten, hauptsächlich nach Indien, wurde er meist als Paddy – Rohreis – verkauft (»Die Habenichtse haben ihn selber geschält«). Jetzt führte Walter, der die Geschichte in flottem Tempo herunterspulte, seinen Gast (oder besser gesagt Joans Gast) zu einer späteren Ansicht von Rangun. »Hier sehen Sie, wie die Stadt seither gewachsen ist. Und beachten Sie, hier im Hafen, wie Dampfschiffe die Segler verdrängt haben (manche haben natürlich noch beides). Und die großen Gebäude hier mit den Schloten, wissen Sie, was das ist? Dampfbetriebene Reismühlen!«

Denn inzwischen, mit Öffnung des Suezkanals im Jahr 1870, war es möglich geworden, polierten Reis nach Europa zu verschiffen und damit die Betriebe in London, die zuvor den Cargoreis weiterverarbeitet hatten, auszustechen.

»Die waren ruiniert«, pflegte Walter an dieser Stelle mit gerunzelter Stirn zu sagen. »Haben sich nicht schnell genug angepasst. Als Geschäftsmann muss man immer auf der Hut sein.« Und wenn der junge Mann, was ja das Wahrscheinlichste war, gerade selbst seine Karriere im Geschäftsleben begann, schob Walter vielleicht noch einen kleinen Vortrag darüber ein, wie wichtig es war, immer mit der Zeit zu gehen, und niemals durfte man etwas für selbstverständlich nehmen.

»Geh hin, stell dich zu ihnen!«, zischte Mrs. Blackett ihre Tochter in durchdringendem Ton an. »Du bist unhöflich zu deinem Gast.«

»Aber Mutter, ich habe dir doch schon tausendmal gesagt …« Und das stimmte … das hatte sie.

Das letzte Bild von Rangun, gemalt nach der Jahrhundertwende, zeigte, wie der florierende Reishandel dafür gesorgt hatte, dass eine mächtige moderne Stadt entstanden war, unter den ostindischen Häfen nun nur noch von Kalkutta und Bombay übertroffen. Walter zog seinen verzagten Gefangenen näher zu sich heran, und nach einer kurzen Studie des Menschengewimmels an den Kais des Rangunflusses pflegte er dann den Finger auf ein prächtiges Lagerhaus zu legen und zu sagen: »Unser erstes! Das erste, das Blackett & Webb gehörte … oder besser gesagt Webb & Company, denn so hieß die Firma damals noch. Bis heute haben wir ein exakt nach dem gleichen Plan errichtetes hier in Singapur am Fluss. Sehen Sie jetzt, was ein klein wenig Handel für einen Ort ausmacht?« Und mit zufriedener Miene führte er den passenden jungen Mann zu immer weiteren Bildern von Kalkutta, Penang, Malakka und von Singapur selbst, alle in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung.

»Da sehen Sie, was wir binnen weniger Jahre aus diesen Dörfern gemacht haben. Das haben ein wenig Zinn, ein wenig Kautschuk für Singapur bewirkt!«

Ein allerletztes Bild blieb noch zu sehen, und zwar das bedeutendste von allen, doch inzwischen war Mrs. Blackett ungeduldig geworden und rief Walter und seinen Zuhörer zu einer weiteren Tasse Tee zurück. Diese Teegesellschaften, hatte sie allmählich den Eindruck, zeigten nicht die erhoffte Wirkung. Ein beunruhigender Gedanke kam ihr, und sie beobachtete ihre Tochter misstrauisch. Hatte Joan womöglich deswegen so wenig Interesse an ihrem Gast, weil sie sich insgeheim schon wieder mit einem weiteren unpassenden jungen Mann abgab?

3

Einmal blieb Walter nach einer solchen Veranstaltung nachdenklich allein im Wohnzimmer zurück; Joan, vor Erleichterung doch noch umgänglich geworden, begleitete ihren Gast zum Wagen und schloss sich dann ihrer kleinen Schwester Kate an, die auf dem Rasen mit einem krummen Tennisschläger auf eine versprochene Partie French Cricket wartete. Joan hatte immer noch gerade genug von einem Schulmädchen, um an einem solchen Spiel ihren Spaß zu haben. Als die Limousine des jungen Mannes in Richtung Tor rollte, steckte er sein blasses Gesicht noch einmal zum Fenster hinaus und winkte, doch keiner nahm von seinem Aufbruch Kenntnis. Immerhin erhaschte er noch einen Blick auf Joan, die übermütig einem Tennisball hinterherrannte, während Kate ungeschickt immer wieder den Schläger rund um ihren drallen kleinen Leib kreisen ließ, und er dachte nicht ohne Schmerz: »Ein tolles Mädchen!« Und auch ziemlich wohlhabend. Dies eine Mal waren er und seine Eltern ganz einer Meinung. Ein Jammer, dass der alte Blackett so ein komischer Kauz war!

Währenddessen hatte Mrs. Blackett die Gelegenheit genutzt, unbemerkt nach oben in Joans Zimmer zu gehen und sich mit einem raschen Blick ins Tagebuch ihrer Tochter über ihre Befürchtungen Gewissheit zu verschaffen. Sie griff zu dem kleinen Band und blätterte die Seiten durch. So weit, so gut. Anscheinend stand nichts Belastendes darin. Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, während die Wochen unter ihren Fingern dahinflogen. Doch dann, als sie schon fast bei der laufenden Woche angekommen war, wartete auf sie ein schwerer Schock, denn mit einem Mal wechselte das Tagebuch von normalem Englisch zu einem unverständlichen Durcheinander von Buchstaben. Was hatte sie davon zu halten? Es konnte ja nur heißen, dass Joan dazu übergegangen war, ihr Tagebuch in Geheimschrift zu verfassen! Und das wiederum bedeutete doch wohl, dass sie etwas zu verbergen hatte! Immer und immer wieder, nun in heller Aufregung, versuchte Mrs. Blackett aus diesem Buchstabengewimmel etwas herauszulesen, doch vergebens. Das Einzige, was ihr noch auffiel, war, dass immer wieder derselbe Name auftauchte (sie ging davon aus, dass es ein Name war, denn er begann mit einem Großbuchstaben): Solrac!

»Du meine Güte«, dachte Mrs. Blackett und legte die Hand an die Stirn, »diesmal muss es ein Ungar sein.«

Unten fand sie Walter immer noch im Wohnzimmer, in Gedanken versunken vor dem wichtigsten Gemälde seiner Sammlung, dem, das er Joans jungem Gast nicht mehr hatte zeigen können. Ihre Nachricht von dem verschlüsselten Tagebuch nahm er lediglich mit einem Schulterzucken auf und riet ihr, Ruhe zu wahren … jede Familie mit heranwachsenden Töchtern müsse dann und wann mit dieser Art von Schwierigkeiten rechnen. Das sei eben so. Mrs. Blackett zog sich zurück, alles andere als beruhigt.

Das Gemälde, das in Walters weitläufigem Salon den prominentesten Platz einnahm und vor dem er nun stand, war kein weiteres Bild von einer aufstrebenden jungen Stadt, sondern es zeigte einen Mann. Es war ein Porträt des alten Mr. Webb höchstpersönlich, eines bärtigen Herrn mit scharf geschnittenen Zügen, das Bild eines Mannes von großer Würde. Immer wenn er die Gelegenheit dazu bekam, pflegte Walter seine Gäste zu diesem Porträt zu führen, und dann sprach er mit Respekt und Wärme von seinem alten Partner, von dem Mann, ohne den er selbst »nicht das Geringste wäre«. Denn Mr. Webb war es gewesen, der dem jungen Walter Blackett die Chance gegeben hatte, es mit den großen Firmen des Fernen Ostens aufzunehmen, den Guthries, den Jardines und Sime Darby, und zwar indem er sein eigenes, schlagkräftiges Unternehmen mit Walters gerade erst gegründetem vereinte. Und sie waren gut miteinander ausgekommen, sodass sich binnen kurzer Zeit eine echte Partnerschaft entwickelt hatte. Zudem war Mr. Webb inzwischen nicht mehr der Jüngste und hatte die Energie eines jüngeren Teilhabers gebraucht. So war über die Jahre die Firma Blackett & Webb entstanden.

Ein schwächerer Mann hätte, wenn ihm die Kräfte schwanden, grimmig die Zügel in der Hand behalten, und die Folge wäre gewesen, dass binnen Kurzem das Kautschukgeschäft wie auch das Handelshaus über ihm zusammengebrochen wären. Der alte Mr. Webb hingegen war nie vor unerfreulichen Realitäten zurückgeschreckt und hatte begriffen, dass die bevorstehenden Jahre zu anstrengend für ihn würden. Vielleicht hatte er auch schon unbestimmt manche von den Gefahren des kommenden Jahrzehnts vorausgesehen, vor allem die zunehmende Rivalität mit Japan um die Märkte des Fernen Ostens. Nur weniges im Leben ist für einen Menschen so schwierig wie der Rückzug aus einem Geschäft, das er selbst gegründet und aufgebaut hat. Aber diese gewaltige Anstrengung war Mr. Webb alles in allem bemerkenswert gut gelungen, als Walter die Leitung im Jahr 1930 ganz übernahm. Und das feste Band beiderseitigen Respekts hatte auch weiterhin bestanden.

Nach seinem Rückzug aus dem Geschäft hatte Mr. Webbs Interesse vor allem einer kleinen Kautschukplantage gegolten, der Mayfair Rubber Company, die er, wie er gern sagte, als Spielzeug seiner alten Tage behalten hatte. Er war Präsident dieser Firma, doch viel zu tun hatte er auf dem Posten nicht: Die Mayfair gehörte zu einer ganzen Reihe unabhängiger Firmen, deren Tagesgeschäfte gemeinschaftlich von Blackett & Webb geführt wurden, und das tüchtiger, als jede für sich allein es gekonnt hätte. Nein, wenn man ehrlich war, musste man sagen, dass er dieses Unternehmen als angenehmes Altersheim für sich behalten hatte. Unter diesem Aspekt sprach durchaus einiges für die Mayfair, so gering der Ertrag ihrer Plantage in Dschohor auch war.

Ein vornehmer Herr, der sich zur Ruhe setzt, braucht ein angemessenes Haus dafür: Die Mayfair hatte ihren Stammsitz in Singapur schon seit vielen Jahren nicht im Geschäftsbezirk, wie man erwartet hätte, sondern in einer weitläufigen, palastartigen Villa in Tanglin, gleich neben Walters eigenem prachtvollem Heim, sodass man auf einem angenehmen Spaziergang über die benachbarten Grundstücke von einem zum anderen gelangte. Ebenso braucht ein Gentleman im Ruhestand den Respekt und die Unterstützung der Menschen, die ihn umgeben … und wer bekommt mehr Respekt und Unterstützung als der Präsident seiner eigenen Firma? Er braucht etwas, um sein Interesse am Leben wachzuhalten, damit er nicht dahindämmert, wie alte Leute so oft … was besser als eine eigene Kautschukplantage? Andererseits will er auch seine Ruhe haben, die anderen sollen ihm nicht zur Last fallen, denn zusehends verwirren sie ihn … und wessen Seelenruhe ist sorgsamer gehütet als die eines Vorstandsvorsitzenden? Auf diesen letzten Punkt hatte der alte Mr. Webb ganz besonderen Wert gelegt.

Er hatte sein Leben lang allein gelebt und hatte nicht vor, jetzt seine Gewohnheiten zu ändern, nur weil er in die Jahre kam. Er war, so überraschend das klang, verheiratet gewesen. Aber seine Frau war in England geblieben und auch nie anderswohin gereist. Er hatte sie spät im Leben geheiratet und niemals ermuntert, nach Ostindien herauszukommen. Vielleicht hatte er befürchtet, die Leute würden über ihn lachen, denn sie war ungefähr dreißig Jahre jünger als er (inzwischen war sie allerdings tot: Er hatte sie überlebt, trotz dieser dreißig Jahre). Wahrscheinlicher war, dass er einfach gern für sich gewesen war, und seiner Frau hatte es anscheinend nichts ausgemacht, jedenfalls nicht, soweit jemand wusste. Er hatte sie in England besucht, wenn geschäftliche Gründe ihn dorthin führten. Bei einem dieser Besuche hatte er sie sogar geschwängert, was auf eine herzliche Beziehung schließen lässt. Das Ergebnis war ein Sohn namens Matthew, der genau wie seine Mutter ebenfalls nie nach Singapur gekommen war.

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Mr. Webb sich vorgestellt, dass der junge Matthew und Joan ein Paar würden. Ja, der alte Bursche hatte, als sie ein kleines Mädchen war, ein wohlwollendes Auge auf sie geworfen, hatte sie mit silbernen Löffeln, Serviettenringen und Perlenketten überhäuft. Zweifellos hatte Mr. Webb, an seine eigenen, ein wenig despotischen Familienverhältnisse gewohnt, keinen Grund gesehen, warum man Autorität nicht ebenso zum Zusammenschluss von Familien einsetzen sollte wie zu dem von Firmen. Walter lächelte. Das hätte ihnen all den Ärger mit unpassenden jungen Männern erspart! Doch jetzt, Mitte der Dreißiger, war von einer solchen Verbindung nicht mehr die Rede und war es auch schon seit Jahren nicht mehr gewesen.

Matthew und Joan … man hätte denken sollen, sie seien füreinander gemacht. Was für ein Jammer! Aber so, wie die Dinge sich entwickelt hatten, hatten weder Walter noch der Rest seiner Familie, mit Ausnahme seiner jüngeren Tochter Kate, Matthew je zu Gesicht bekommen, obwohl auch sie alle dann und wann in England gewesen waren. Matthew und Walters Sohn Monty waren ungefähr gleich alt, und Monty war in England zur Schule gegangen, aber nicht zusammen mit Matthew … der war auf einer Schule in der Schweiz oder in Schweden oder sonst irgendwo. Denn, ging es Walter durch den Kopf, und er betrachtete dabei kummervoll das Porträt seines alten Partners, in dem glatten und ansonsten makellosen Gebäude, das Mr. Webb um sich her für ein Alter in Würde und Bequemlichkeit errichtet hatte, hatte sich ein einziger, doch hässlicher Riss aufgetan.

Der alte Mr. Webb, auch wenn seine geistigen Fähigkeiten in den meisten Bereichen nicht im Mindesten nachgelassen hatten, war in Fragen der Ernährung und Erziehung bestimmten progressiven Vorstellungen erlegen, und in deren Sinne war Matthew erzogen worden. Das war mit Sicherheit eine Tragödie, die eines … wie hieß er gleich … dieser Franzose … eines Balzac würdig war. Die fortschrittlichste unter den fortschrittlichen Schulen, auf denen Matthew gewesen war, hatte – so hatte Walter sich sagen lassen – die Koedukation zum Äußersten getrieben und keinerlei Unterschied zwischen den Geschlechtern geduldet. Kinder wurden allesamt als »Bürger« und dann mit dem Nachnamen angeredet. Jungen und Mädchen trugen die gleichen Pluderhosen und Boleros. Sie schwammen gemeinsam nackt im Schwimmbecken, bekamen beide das Haar auf die gleiche Länge gestutzt, spielten dieselben wettkampffreien Spiele und durften ihre Matte in jedem Schlafsaal ihrer Wahl ausrollen, solange es nicht zwei Nächte hintereinander der gleiche war. Dies war zweifellos die extremste einer ganzen Reihe von Privatschulen, die Matthew besucht hatte. Die anderen waren wohl auf nichts Schlimmeres als auf Vegetariertum oder die eine oder andere Form von antiautoritärer Erziehung spezialisiert gewesen. Aber der Gedanke an diese Schulen verfolgte Walter bis auf den heutigen Tag. Natürlich hatte er sein Bestes getan zu protestieren, aber der alte Mann blieb stur und hatte sogar Anstalten gemacht, es ihm übelzunehmen. Er war gezwungen gewesen, das Thema fallenzulassen. Aber was all diese Schulen aus dem jungen Matthew gemacht hatten, das malte Walter sich in den schrecklichsten Farben aus. Es schien ihm tragisch in einem Maße, dass ihm die Worte dazu fehlten, dass dieser alte Mann, dessen eigenes Leben ein solches Muster an Anständigkeit, an harter Arbeit und Selbstdisziplin gewesen war, einem solchem Wust an abstrusen, gefährlichen Ideologien zum Opfer gefallen war, dem genauen Gegenteil all dessen, wofür er selbst gestanden hatte.

Walter wäre nur zu glücklich gewesen, hätten die Ereignisse bewiesen, dass er Unrecht hatte – hätte das Stigma des Vegetariertums nicht zu der Tragödie geführt, die für seine Begriffe unausweichlich war. Aber es sollte nicht sein. Auf einem seiner Englandbesuche war Mr. Webb in den Generalstreik von 1926 geraten. Matthew weilte zu jener Zeit als Student in Oxford. Die anderen Undergraduates waren fröhlich aus ihren Colleges geströmt, um den Streikbrechern zu Hilfe zu eilen, doch Matthew hatte finster auf seinem Zimmer gesessen. Durch die verschlossene Tür hatte Mr. Webb auf seinen Sohn eingeredet. Höchstwahrscheinlich fiel das Wort Vaterlandsliebe dabei.

Walter hatte über diese Begegnung nichts aus erster Hand erfahren, aber irgendwie stellte er sich Mr. Webb vor, wie er auf dem Rasen vor Brasenose College gestanden und die Fäuste mit ausgerissenem weißem Haar dem eisigen Wind, der im Innenhof heulte, entgegengereckt hatte, und gespenstische Gelehrte hatten von ihren Büchern aufgeschaut und dies Sinnbild der leidenden Menschheit durch bleiverglaste Fenster mit abschätzigen Blicken betrachtet. Er hatte gehört, dass der alte Bursche, nachdem er einen Tag lang oder zwei umhergeirrt war, seine Dienste als Straßenbahnschaffner angeboten hatte. Natürlich war er abgelehnt worden. So willens er auch gewesen war, für das ernsthafte Geschäft des Fahrgeldeinnehmens und um Unruhestifter vom Trittbrett zu stoßen, war er viel zu gebrechlich. Danach war er nach Singapur zurückgekehrt, hatte aber noch mit ansehen können, wie der Streik auch ohne die Hilfe seines Sohnes zusammengebrochen war.

Eine Zeit lang waren sie sich einig gewesen, dass Matthew eines Tages Mr. Webbs Platz in der Firma übernehmen würde. Doch nach 1926 war davon nie wieder die Rede. Matthews Mutter war 1930 überraschend gestorben, und danach wurde Matthews Name nur noch selten genannt. Es war bekannt, dass er in Genf lebte, wo er irgendeiner Arbeit beim Völkerbund nachging. Und etwas in dieser Art, dachte Walter, war ja auch zu erwarten gewesen, wenn man sich die Erziehung des armen Jungen ansah! Der alte Mr. Webb war, nebenbei gesagt, noch am Leben, und bei manchen gesellschaftlichen Anlässen sah man ihn nach wie vor in Walters Garten oder Salon, nicht minder kerzengerade und würdig als der alter Herr auf dem Porträt, das Walter gerade betrachtet hatte. »Matthew und Joan … wirklich eine Schande. Das wäre genau das Richtige für die Firma gewesen.« Und mit einem Seufzer machte Walter sich auf die Suche nach seiner Frau, die sich mit Bleistift und Papier auf ihr Zimmer zurückgezogen hatte, fest entschlossen, den Code von Joans Tagebuch zu knacken.

Nie in ihrem Leben hatte Mrs. Blackett ihren Verstand dermaßen angestrengt wie in den folgenden Tagen bei ihrem Versuch, hinter das Geheimnis dieser durcheinandergewürfelten Buchstaben zu kommen. Sie versuchte alles, was ihr in den Sinn kam, sie marterte ihren Verstand mit Theorien, eine nach der anderen, sie bedeckte den Boden ihres Zimmers mit zerknüllten Blättern, sie wurde dünn und verhärmt, doch immer noch ohne Ergebnis. Schließlich aber, als sie ermattet an ihrer Frisierkommode saß und in ihr hohläugiges Spiegelbild starrte, während ihre Finger noch immer eine Zeile von Joans teuflischen Zeichen umklammerten, da erbarmte der Zufall sich ihrer: Sie senkte den Blick zum Spiegelbild der Schrift und merkte, dass sie es ohne Weiteres lesen konnte! Es war die simpelste aller Verschlüsselungsarten, mit denen Kinder spielten: Spiegelschrift. Fieberhaft suchte sie nach den anderen Zeilen, die sie aus Joans Tagebuch abgeschrieben hatte, hielt sie vor den Spiegel, die Lippen sprachen lautlos mit … Es klopfte an der Tür, und Walter trat ein, mit ernster Miene.

»Er ist gar kein Ungar!«, rief Mrs. Blackett. »Er ist …«

»Brasilianer, ich weiß. Noch schlimmer.«

»Walter, woher weißt du das?«

»Ich habe Joan gerade gefragt. Und mir scheint, diesmal ist es ernster.«

Walter fand zwar nach wie vor, dass man in einer Familie mit heranwachsenden Töchtern mit Schwierigkeiten solcher Art zwangsläufig zu rechnen hatte, aber er fand auch, dass ein Brasilianer doch ein winziges Bisschen zu weit ging. Als er genug von den Bemühungen seiner Frau zur Entzifferung des Codes hatte, hatte er beschlossen, seine Tochter geradeheraus zu fragen. Joan hatte ohne zu zögern geantwortet, dass das Objekt ihrer Zuneigung Sekretär an der brasilianischen Gesandtschaft in Peking sei; er sei zu einem längeren Urlaub in Singapur. Wahrscheinlich würden sie in ein oder zwei Jahren in Rio de Janeiro heiraten, je nachdem wie viel Zeit sie brauche, um katholisch zu werden. Die Familie habe nicht viel Geld (genau genommen seien sie sogar ziemlich klamm), aber sie seien direkte Nachfahren von König Alfonso von Spanien oder so jemandem, oder war es Portugal? Sie sei froh, dass Walter darauf zu sprechen komme, denn sie habe sowieso fragen wollen, ob sie Carlos zum Tee einladen dürfe. Oh, und wenn es Walter nichts ausmache, dann sei es vielleicht besser, ihm nicht gleich alle Bilder von Rangun zu zeigen, sondern erst später, wenn sie sich alle besser kennten.

Das war ernst, zweifellos. Aber Walter verlor nicht die Nerven. Er wusste, dass Joan etwas Aufsässiges in ihrem Charakter hatte, und hatte sogleich beschlossen, dass er, auch wenn es nicht ungefährlich war, am besten weitermachte wie bisher und sich auf ihre Vernunft verließ. Wenn man ihr Zeit ließ, würde sie schon einsehen, dass ein verarmter Brasilianer nicht infrage kam. Aber dass sie jetzt schon von Heirat redete, war beunruhigend. Er antwortete zurückhaltend, er sehe keinen Grund, warum Carlos nicht zum Tee kommen solle. Daraufhin bekam er von Joan einen Kuss.

Carlos, stellte sich heraus, trug ein Monokel und wäre gern ein britischer Gentleman gewesen. Beim Tee (diesmal war Mrs. Blackett an der Reihe, still und mürrisch dabeizusitzen) erklärte Carlos, an Walter gerichtet, dass in der brasilianischen Gesandtschaft in Peking nicht das Geringste zu tun sei … niemand dort rühre einen Finger, kein Schlag werde getan, kein Fitzelchen! Und er stieß ein hohes, blökendes Lachen aus, ebenfalls nach dem Vorbild eines britischen Gentlemans. Dass in Peking niemand arbeitete, lag nicht zuletzt daran, dass die chinesische Regierung nicht da war, nicht einmal in der Nähe! Der ganze Laden war meilenweit entfernt, in Nanking! Na, so oder so, die chinesische und die brasilianische Regierung hatten sich ohnehin nichts zu sagen, kein Sterbenswörtchen! Seit Jahrhunderten war kein Brasilianer auch nur in die Nähe von China gekommen! Was sollte man da machen?, fragte er und merkte gar nicht, welch ungünstigen Eindruck er auf Walter machte. Was könne ein junger Mann denn da anderes tun, als den Tag in Reit- oder Tennisdress zu verbringen und den Abend beim Tanz auf dem Dach des Grand Hôtel de Pékin? »Schon armselig«, fügte er mit Bedauern hinzu, worüber Walter sich nach der Vorrede doch beinahe wunderte. Nach einer langen Pause ließ er sein Monokel bekümmert ins Taschentuch fallen und machte sich daran, es zu putzen. Walter konnte ihm zu seiner letzten Bemerkung nur beipflichten. Er warf Joan einen kurzen Blick zu, doch ihr Ausdruck war teilnahmslos, und er konnte nicht sagen, was ihr durch den Kopf ging.

Carlos räusperte sich. Manchmal, wenn sie es in Peking nicht mehr aushielten, nähmen sie Urlaub und führen nach Schanghai. Bei dem Gedanken besserte sich seine Stimmung wieder ein wenig. Ob Walter wisse, dass in den Nachtclubs von Schanghai der Lambeth Walk jetzt der letzte Schrei sei?

Nun, wo er Carlos kannte, machte Walter sich keine Sorgen mehr. Joan, ein vernünftiges Mädchen, das wusste, wie wichtig die Wahl ihres Ehemanns für sie selbst und auch für das Geschäft ihres Vaters war, würde in jedem Fall einsehen, wie durch und durch unmöglich er war. Walter wunderte sich ja, dass sie es überhaupt einen Tag mit ihm ausgehalten hatte, von einer Woche gar nicht zu reden. Aber irgendwie gelang es ihr, und aus der einen Woche wurden mehrere. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr schwand Walters Zuversicht. Er war schon beinahe entschlossen, mit einem väterlichen Machtwort der Beziehung ein Ende zu setzen, als er zufällig gegenüber einem französischen Freund auf die Sache zu sprechen kam, einem gewissen François Dupigny, der damals gerade auf Durchreise in Singapur war. Dupigny, an den er sich in der Hoffnung gewandt hatte, er könne vielleicht etwas Despektierliches über den Hintergrund des jungen Mannes erfahren, bekleidete als Vertreter des französischen Kolonialministeriums einen wichtigen Posten bei der Regierung von Indochina; er hatte überall seine Verbindungen und ein gutes Ohr für das, was die Leute redeten.

Zwar stellte sich heraus, dass Dupigny nicht das Geringste über Carlos wusste, aber er reckte entsetzt die Hände in die Höhe, als Walter von seinem Plan sprach, zu verhindern, dass die beiden jungen Leute sich sahen. Im Gegenteil, rief er, nichts könne für Walters Sache schädlicher sein! Den Liebenden solle es nicht nur erlaubt sein, man solle sie geradezu dazu zwingen, so viel Zeit miteinander zu verbringen, wie Anstand und Keuschheit erlaubten. Unter solchen Umständen werde nichts besser den Gefühlen des einen oder der anderen Abkühlung bescheren als eine möglichst große Vertrautheit miteinander!

Walter schreckte vor einer so zynischen Einstellung zurück, aber es steckte ein Körnchen Wahrheit darin, das musste er zugeben. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte er aber im Umgang mit seinen Sorgen zu keinen derart unkonventionellen Mitteln gegriffen, hätte Joan ihn nicht gerade in dem Augenblick um Erlaubnis zu einer Urlaubsreise nach Schanghai gefragt, zusammen mit Carlos … und natürlich ihrer Mutter, die sie überreden müssten, als Anstandsdame mitzukommen. Joan rechnete natürlich mit einem Rüffel, und als sie sah, wie er zögerte, zeigte sie erste Zeichen von Ärger und Aufbegehren. Aber Walters Zögern hatte weniger mit Carlos zu tun als mit den politischen Verhältnissen in Schanghai und in China insgesamt. Er erinnerte sich noch an die Unruhen im Jahr 1932, die ihm der Manager der dortigen Filiale von Blackett & Webb sehr anschaulich beschrieben hatte. Es war eine kuriose Szene, die man ihm schilderte, und irgendwie war sie Walter im Gedächtnis geblieben: eine kühle Januarnacht, die dröhnenden Schläge der Uhr am Zollhaus, die über der verregneten Stadt zu Stille erstarben, dann plötzlich Gewehr- und Maschinengewehrfeuer.

Wie stets bei »Zwischenfällen« in China waren die Verhältnisse so undurchschaubar, dass sich nicht sagen ließ, wer schuldig und wer unschuldig war. Fest stand nur, dass kurz nach elf Uhr abends ein bewaffnetes Kontingent japanischer Marinelandungstruppen, angeführt von Männern mit brennenden Fackeln, über die Grenze des internationalen Distrikts ins Chapei-Viertel eingedrungen war. Die radikal antijapanische, ausländerfeindliche, prorevolutionäre 19. Einheit der chinesischen Nationalarmee hatte sie mit einem Kugelhagel empfangen – binnen Kurzem lagen überall in den Straßen rund um den Nordbahnhof tote japanische Marinesoldaten. Die Japaner waren nicht auf die Idee gekommen, die Straßenlaternen auszuschalten, und mit dem hell erleuchteten internationalen Viertel im Rücken hatten sie den Chinesen im Dunkel von Chapei ein leichtes Ziel geboten. Und da im Norden die Nordsezuan-Straße zwischen Postamt und Nordhonan-Straße beleuchtet geblieben war und die Schüsse im ganzen Ausländerbezirk zu hören waren, dauerte es nicht lange, bis Taxis und Privatwagen vorfuhren, voll mit Europäern und Amerikanern in Abendgarderobe, die auf dem Rückweg von Theater, Restaurant oder Dinnerparty vorbeischauten, um sich den Spaß anzusehen. Binnen Minuten war eine fröhlich schwatzende Menge zusammengekommen, Champagner wurde geschlürft, Cafébesitzer wurden aus ihren Betten geholt, damit sie Kaffee und Sandwiches machten. Das fröhliche, theaterselige Publikum war sich einig, dass die guten alten Japse den Engländern, Franzosen und Amerikanern die Arbeit ersparten, den Chinesen eine Lektion zu erteilen. Denn es stand ja fest, dass die Chinesen mit ihrer immer stärkeren nationalistischen, ausländerfeindlichen Stimmung den Bogen längst überspannt hatten. Wenn man sie in dieser Richtung weitermachen ließ, war es mit den schönen Sonderrechten und Wirtschaftsvorteilen der Großmächte in China bald vorbei.

Walter, immer noch unentschlossen, überlegte, dass die fremdenfeindliche Stimmung in China nicht besser geworden war und nach wie vor zu Schwierigkeiten führen konnte. Andererseits beschränkte sie sich jetzt hauptsächlich auf die Japaner, die damit für Europäer und Amerikaner zum Blitzableiter wurden. Dieses Jahr (1937) war es im Frühjahr recht ruhig gewesen, abgesehen von Berichten über zunehmende japanische Truppenbewegungen in der Mandschurei. Die Garnisonen der ausländischen Territorien hatte man schwer verstärkt, und die Chinesen waren so damit beschäftigt, sich gegenseitig umzubringen, dass die Gefahr für Schanghai nicht groß sein konnte.

»Ich wüsste nicht, warum du nicht fahren solltest«, sagte Walter besonnen – »natürlich nur, wenn du keine Dummheiten machst.« Und dabei, wenn auch nicht ohne Skrupel, beließ er es und wartete ab, wie die Dinge sich entwickeln würden. Allmählich sah er ein, dass die Verheiratung einer Tochter mit der richtigen Art von jungem Mann doch eine Sache war, die ein beträchtliches Maß an Aufmerksamkeit brauchte, ob einem das nun gefiel oder nicht.

4

»Aber lieber Papa, verstehst du denn nicht«, sagte Joan, die in Unterwäsche auf ihrem Bett lag und den Luftzug des Ventilators direkt über ihr genoss, »dass es schon ein Schock für ein wohlerzogenes Mädchen wie mich war, das nie etwas anderes als sein Zuhause und die Schulen gesehen hatte. Ich meine – es war wirklich schockierend, und Mama war genauso erschrocken wie ich; jedenfalls war sie weiß wie die Wand und ich dachte, sie wird jeden Moment ohnmächtig. Sie hatte so einen seltsamen Blick, und sogar Carlos in seinem albernen englischen Aufzug sah ein wenig mitgenommen aus. Aber wir konnten von Glück sagen, dass Carlos dabei war; ich glaube zwar nicht, dass er schon viel von der schlimmeren Seite des Lebens gesehen hatte, aber dass er da war, hatte doch etwas Beruhigendes. Schließlich war er ein Mann, auch wenn du ihn ja ein bisschen lächerlich findest, das weiß ich – und sein Anzug, Tweed, glaube ich, war ungeheuer vertrauenerweckend. Also ohne ihn und seinen Tweed und sein Monokel wäre Mama bestimmt in Ohnmacht gefallen, und stell dir doch nur vor, was für Schwierigkeiten das gegeben hätte, da mitten in … Hongkou war es, glaube ich, und Mama hatte sich ohnehin schon beklagt, dass sie erschöpft war, weil wir fast den ganzen Nachmittag durch den japanischen Teil der Stadt gezogen waren, auf der Suche nach so einem elenden Seidenladen, und die haben uns immer wieder von einer Ecke zur anderen geschickt und es wurde ja auch schon dunkel und sie wollte zurück in die Straße der Sprudelnden Quelle, weil sie sich da sicherer fühlte, und man hatte ja auch guten Grund, nervös zu werden, gerade wo die Rikschakulis von einem Moment auf den anderen alle verschwunden waren, als sie sahen, dass es Ärger geben würde, weil doch die japanischen Soldaten kamen, und Carlos, wieder mal typisch, hatte seinem Chauffeur gesagt, er solle uns nicht da abholen, sondern zwei oder drei Straßen weiter. Habe ich dir eigentlich gezeigt, was für Blasen ich hatte? Man kann die Stellen immer noch sehen.

Nein, Daddy, passiert ist nichts, da hast du recht … In Wirklichkeit hat uns ja keiner belästigt, aber es hätte gut sein können. Es war eher so ein Gefühl, dass man – ja, verletzlich war. Im einen Augenblick gingen wir noch friedlich die Straße entlang, und im nächsten überall Autos und Lastwagen, und kleine japanische Soldaten sprangen heraus … Na also gut, ich gebe zu, es war nur ein Auto und keine Lastwagen, und es sprangen auch nur drei oder vier Soldaten heraus, aus dem Auto, meine ich, aber es hat uns schon einen Schrecken eingejagt, als sie anfingen, uns alle mit ihren Gewehrkolben auf die Seite des Bürgersteigs zu treiben, und es war ein Offizier dabei, der aussah wie ein Schimpanse, mit einem Säbel, der ein paarmal so groß war wie er und über den er dauernd gestolpert ist, wirklich zum Piepen. Bis dahin sah es immerhin einigermaßen amüsant aus, obwohl Mama Bedenken bekam und Carlos hilflos dabeistand und etwas wie ›Was für ein Aufstand!‹ sagte, was ja wirklich nicht gerade hilfreich war, denn das hätten Mama und ich auch selbst denken können. Also, wir wollten weitergehen, aber sie haben uns nicht durchgelassen, und plötzlich sagte Carlos nicht mehr ›Also wirklich‹, sondern schnatterte etwas auf Portugiesisch und wurde ganz rot im Gesicht, denn er hatte gemerkt, dass sie das Straßenende abgesperrt hatten, und er fürchtete, dass er da in irgendwas reingezogen würde, einen diplomatischen Vorfall womöglich.

Natürlich gab es keinen Grund besorgt zu sein, das sage ich ja gar nicht! Aber es ging einem doch durch den Kopf, dass diese Japaner ungemütlich werden könnten, und ihre Bajonette sahen sehr scharf aus, auch wenn es ja nur drei oder vier waren, und plötzlich war alles voller Leute, die sich um die Tür des Hauses drängten, in das die Soldaten gegangen waren, und manche waren anscheinend wegen irgendwas ziemlich aufgeregt, ganz untypisch für Chinesen, die sich doch sonst immer so brav benehmen und sich um ihre eigenen Sachen kümmern (jedenfalls hier in Singapur, das stimmt doch, oder?), und mir war noch nie aufgegangen, wie viel kleiner als wir sie sind, denn unsere drei Köpfe ragten aus dieser Menschenmenge heraus und man fühlte sich ein bisschen wie in Gullivers Reisen, so ungefähr.

Ja und dann kamen zwei von den Japsen wieder zur Tür heraus und trugen jemanden. Anfangs konnte ich nur den vorderen sehen, und der hatte mit jeder Hand einen blitzblank geputzten Lederstiefel gepackt … den Rest von dem Mann habe ich nie richtig gesehen, und da bin ich froh; nur eine Hand, die über den Bürgersteig schleifte; Jacke und Hose waren offen, und in der Mitte irgendso eine grässliche rote Masse. Er war gekrümmt, so trugen sie ihn, und er hatte auch ein Schwert, das blechern über den Boden schrappte und dem hinteren Mann, der ihn in den Achselhöhlen hielt, immer zwischen die Beine kam. Aber was mich am meisten schockiert hat, war das chinesische Mädchen, das sie zur Tür herauszerrten und gegen die Wand stießen … jedenfalls habe ich da noch gedacht, dass sie Chinesin ist, so war sie angezogen, mit einer Steppjacke und schwarzer Seidenhose, und ich hatte noch nie eine Mischlingsfrau gesehen, die etwas anderes anhatte als europäische Kleider, aber es war etwas an ihren Haaren, ein tiefes Dunkelrot, ich dachte natürlich, sie hätte sie einfach gefärbt, und das wäre noch gar nichts gewesen im Vergleich zu den schrillen Gestalten in manchen von den Nachtclubs; am Abend vorher hatte Carlos uns nämlich überredet, in sowas zu gehen. Aber was ich sagen will, sie sah aus, als wäre sie ungefähr genauso alt wie ich, vielleicht sogar noch jünger, und dann hat sie mich in der Menge bemerkt, das war mir wirklich unangenehm.

Na, es ist ja nicht meine Schuld, dass ich so ein behütetes Leben geführt habe, nicht wahr? Plötzlich ging mir durch den Kopf: Wäre ich keine Engländerin, dann hätte ich es sein können, die da an die Wand gestellt wird. Der kleine Offizier brüllte sie an und schlug sie. Sie war ganz grau im Gesicht geworden, ich meine wortwörtlich, grau wie Porridge. Wenn man mit ansehen muss, was für eine Angst jemand hat, das schockiert einen selbst. Hinterher ging mir das nicht mehr aus dem Sinn. Immer wieder musste ich daran denken, dass sie, wäre sie Engländerin gewesen, gerade erst aus der Schule gekommen wäre, genau wie ich.

Ich weiß auch nicht, wo die alle herkamen, aber inzwischen war die ganze Straße voll mit Menschen, dicht an dicht in einem Halbkreis um den japanischen Offizier und das Mädchen – und die anderen beiden Männer, die den Toten aus dem Haus getragen hatten, mussten sich durch die Menge kämpfen, damit sie überhaupt wieder dorthin kamen. Und plötzlich … er war so beschäftigt damit, das Mädchen anzubrüllen und zu ohrfeigen, dass er die vielen Leute hinter sich gar nicht bemerkt hatte … plötzlich drängten alle noch ein Stück vor, und der Offizier und das Mädchen verschwanden in der Menge. Es wurde gerangelt und getreten, ich glaube, er wollte sein Schwert ziehen, aber er war so zwischen allen anderen festgezwängt, da konnte er natürlich nichts tun. Im gleichen Moment sagte Carlos: ›Das ist unsere Chance. Wir machen uns aus dem Staub‹, denn die japanischen Soldaten, die die Straße abgeriegelt hatten, damit niemand fortkonnte, kamen jetzt gelaufen, um ihrem Offizier zu helfen, und gemeinsam schleiften Carlos und ich Mama um die nächste Ecke, von da ging es zu der Stelle, wo das Auto wartete, und im Nu saßen wir im Park Hotel und tranken Tee, wohlbehalten wieder zurück in der Straße der Sprudelnden Quelle.

Tja, das war das, und sogar Mama ging schließlich auf, dass sie gerade ein kleines Abenteuer erlebt hatte, und sie war ziemlich zufrieden mit sich, gerade als Carlos auch noch eine Zeitung auftrieb, in der stand, dass der andere Offizier von einem Mädchen in das Haus gelockt worden war, und da hatten die Kommunisten ihn ermordet. Was aus dem Mädchen geworden ist, stand nicht drin. Wie gesagt, das war das, und danach gingen die Ferien weiter wie vorher, Besichtigungen, Einkaufen und so weiter, und wir waren im Nachtclub Moscowa, der war voll mit unbeschreiblich schönen russischen Mädchen, alles Aristokratinnen, erklärte uns Carlos, ich war so neidisch auf sie, und … danke, lieber Daddy, ich weiß, dass das nicht stimmt, obwohl ich wünschte, es wäre so, das muss schön sein … und so weiter, und dann, ja dann war es Zeit, dass wir wieder an Bord gingen und ins liebe alte Singapur zurückkehrten, und Mama musste ein großes Geschrei machen, weil ihre Zofe nicht richtig packte, sie rollte einfach alles zusammen und stopfte es in die Koffer, und du weißt ja, Mama muss ein Schiff nur ansehen, dann wird sie schon seekrank, da war es ein Glück, dass Carlos dabei war, auch wenn er uns beiden allmählich ein bisschen auf die Nerven ging – unter uns nannten wir ihn ›den brasilianischen Butler‹, weil er immer so höflich und umständlich war –, denn sonst hätte ich mich ganz allein langweilen müssen, wenn Mama stöhnend in ihrer Kabine lag und Tabletten schluckte und na du weißt schon.

Nun, es gab die schönsten Tanzvergnügen, jede Menge, wir spielten Spiele auf Deck, es gab Unmengen zu essen, und einmal waren wir am Abend mit ein paar anderen jungen Leuten, die wir kennengelernt hatten, zusammen und waren alle ein bisschen beschwipst und wollten noch etwas Aufregendes erleben und beschlossen, dass wir uns in der Kabinenklasse und der dritten Klasse des Bootes umsehen wollten, wo wir eigentlich nichts zu suchen hatten. Also zogen wir los, eine ganze Horde, die Männer im Frack mit Zigarre, wir Mädchen in unseren schönsten Abendkleidern, kicherten vom Champagner und über alberne Witze, und manche von den Männern hatten sogar komische Hüte auf. Gleich zu Anfang ging es nicht weiter. Eine verschlossene Tür. Der Steward wollte uns nicht durchlassen. ›Hör mal, Carlos‹, sagte einer von den Männern, ›warum bestichst du nicht diesen gefährlichen kleinen Gesellen? Wir schauen so lange weg‹, und alle juchzten und schoben Carlos vor, und als Brasilianer weiß er natürlich genau, wie man Leute besticht, und binnen Kurzem kamen wir alle durch diese Tür in die anderen Klassen.

Genau genommen war das der Punkt, an dem wir begriffen, dass es wahrscheinlich eine ziemlich blödsinnige Idee war, in den anderen Klassen herumzuschnüffeln … da gab es ja nicht viel, was man machen konnte! Und einer von uns, der beim diplomatischen Korps war … er hatte mir gesagt, er heiße Sinclair Sinclair (er stotterte und sprach den Namen jedes Mal zweimal, und ich habe nie herausgefunden, ob er wirklich so hieß oder ob er eine Hälfte zweimal sagte, und wenn ja, ob es der Vor- oder der Nachname war) und sei in Harrow auf der Schule gewesen; ein großer Sportsmann, und er war der millionste Untersekretär oder so etwas in Bangkok oder was weiß ich wo … der sagte: ›Hört mal, ich weiß ja nicht, w-w-wie ihr das seht, aber ich finde, die anderen Kl-Kl-Kl … die anderen Teile des Schiffes sind doch ein klein wenig enttäuschend, w-w-wenn ihr wisst, was ich meine‹, und da sagte er nur genau das, was allen gerade durch den Kopf ging. Und jemand anderes meinte: ›Also ich finde, das ist alles irgendwie so armselig, was natürlich nicht heißen soll, dass es nicht auf seine Art ein Riesenspaß ist und so weiter.‹

Und schon bald war uns allen eher mulmig zumute, und das war grässlich, wo wir doch noch ein paar Minuten zuvor so gut gelaunt gewesen waren. Wir kamen an eine weitere verschlossene Tür und hatten schon so gut wie entschieden, dass wir zurückgehen, doch Carlos, genannt der brasilianische Butler, hatte bereits jemanden bestochen, automatisch sozusagen, der Mann schloss uns die Tür auf, und da gingen wir eben da auch noch hindurch. Und das war ein Fehler, denn auf der anderen Seite dieser Tür, da sah es wirklich ziemlich schlimm aus, und wir stapften durch so eine Art grässlichen Schlafsaal, mit Pritschen, die furchtbar muffig rochen, er war voll mit schnarchenden halbnackten Menschen, Sinclair Sinclair sagte: ›Wir müssen in einen der Laderäume geraten sein‹, und einem Mädchen wurde schwarz vor Augen, aber der Mann hatte die Tür hinter uns wieder abgeschlossen, und es war niemand da, der sie uns wieder hätte öffnen können, und wir fürchteten, das Mädchen würde ohnmächtig werden oder einen hysterischen Anfall bekommen oder so etwas. Jemand sagte, es müsse einen Weg nach oben zum Deck geben … dass es ein Seefahrtsgesetz oder sowas gebe, das vorschrieb, dass es sogar für Passagiere der dritten Klasse eine Möglichkeit geben muss, aufs Deck zu kommen, und so beschlossen wir, oben auf Deck in der frischen Luft zu warten, und von da würden wir Carlos losschicken und jemanden bestechen lassen, der uns wieder in die erste Klasse brachte. Übrigens, als ich Sinclair von dem Mann erzählte, den ich in Schanghai gesehen hatte, dem, dem die Erdbeermarmelade aus dem Bauch quoll, hat es ihn überhaupt nicht beeindruckt und er meinte, so etwas habe er schon massenhaft gesehen, die Asiaten brächten sich dauernd gegenseitig um. Anscheinend macht das denen nichts aus. Das ist wissenschaftlich bewiesen, sagt Sinclair jedenfalls.