Sinnliche Nächte in Manhattan - Karen Booth - E-Book

Sinnliche Nächte in Manhattan E-Book

Karen Booth

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Beschreibung

Sawyer richtete den Blick seiner dunkelbraunen Augen auf Kendall, während er ihr lächelnd die Hand entgegenstreckte. Sofort fühlte sie sich in die Vergangenheit zurückversetzt, spürte seine Küsse … Kendall traut ihren Augen nicht: Der Kunde ihres neuesten PR-Projekts ist ausgerechnet Sawyer Locke! Ein paar Wochen zuvor hatte sie den heißesten One-Night-Stand ihres Lebens mit ihm. Nun soll sie eine Kampagne für sein neues Hotel entwickeln. Kendall will Karriere machen und weiß: Ihre Beziehung zu dem sexy Milliardär muss rein geschäftlich bleiben, sonst ist sie ihren Job los. Doch es knistert gewaltig zwischen ihr und Sawyer, und schon bald liegt sie erneut in seinen Armen.Die leidenschaftlichen Nächte bleiben nicht ohne Folgen …

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Seitenzahl: 209

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2017 by Karen Booth Originaltitel: „Pregnant by the Billionaire“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2048 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Roswitha Enright

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733724023

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt betrat Sawyer Locke mit schnellen Schritten sein Büro in Manhattan. „Mehr haben Sie dazu nicht zu sagen? Sie wissen nicht, wie die Story in dem Blatt gelandet ist?“ Er knallte die Zeitung auf seinen Schreibtisch. Schlagzeile: Renovierung des Grand Legacy Hotel gefährdet! „Sie sind schließlich mein PR-Agent. Ich bezahle Sie dafür, dass so etwas nicht passiert. Und die Reporterin hat sich nicht mit Ihnen in Verbindung gesetzt? Mit mir nämlich auch nicht!“

„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, Mr. Locke“, stotterte der Mann am anderen Ende. „Der Artikel hat mich total überrascht.“

Mich nicht. Sawyer hatte einen ganz bestimmten Verdacht, woher diese Geschichte kam. Er legte seinen Laptop auf den Schreibtisch und trat ans Fenster. Vor fünf Jahren hatte er seine Firma für Bau- und Landschaftsentwicklung gegründet und war in dieses frisch renovierte vierstöckige Gebäude gezogen. Hochhäuser waren nichts für ihn. Da war er seinem Vater sehr ähnlich.

Unten hatten sich die Blätter der Straßenbäume leuchtend rot gefärbt. Seit drei Tagen betrachtete er sie immer wieder, weil sie ihn an das Haar einer Frau erinnerten, die er einfach nicht vergessen konnte. Dabei hatte er bisher nie Probleme gehabt, die Frauen ganz schnell aus seinem Gedächtnis zu streichen, mit denen er eine Nacht verbracht hatte.

Aber mit Kendall war das irgendwie anders.

Die Herbstfärbung machte außerdem deutlich, dass der Winter vor der Tür stand. Und das bedeutete, dass die Renovierung des Hotels dringend vorangetrieben werden musste. Silvester sollte das Grand Legacy in neuem Glanz erstrahlen und mit einer großen Gala eröffnet werden. Der Termin stand seit Monaten fest und konnte nicht verschoben werden.

„Ich will wissen, was Sie gegen die Zeitung zu tun gedenken. Das können wir nicht so stehen lassen.“

„Ich weiß nicht so recht, Mr. Locke. In Ihrem Fall halte ich es für das Beste, Geduld zu haben und die ganze Sache zu ignorieren. Dann lässt das Interesse schnell nach.“

Seit einem knappen Jahr fühlte sich Sawyer zunehmend genervt. Die Renovierung ging einfach zu schleppend voran. Zu viel Geld stand auf dem Spiel, und zu viele Menschen warteten nur darauf, dass er mit dem Projekt scheiterte. Wie sollte er da Geduld aufbringen? „Das kommt überhaupt nicht infrage. Ich denke nicht daran, mich mit negativer Publicity abzufinden.“

Stillhalten und abwarten, das lag nicht in Sawyers Natur.

„Vielleicht sollten wir dann lieber unseren Vertrag lösen, Mr. Locke. Sieht nicht so aus, als wären wir die richtige Agentur für Sie.“

Verdammt. Dieser zögernde, ja ängstliche Tonfall war Sawyer nur zu vertraut. Sollte sein Vater hier wieder seine Hand im Spiel haben und den Mann unter Druck gesetzt oder bestochen haben? Das war schon häufiger der Fall gewesen. „Wie Sie wollen. Sie sind gefeuert.“

„Mr. Locke …“

„Bis März sind Sie bezahlt. Schicken Sie mir eine Rechnung über den Rest. Das wär’s.“ Kurz dachte er noch daran, seinem Vater Grüße bestellen zu lassen, legte dann aber doch auf. „Lily!“, rief er, als die Assistentin seines Bruders an seiner Bürotür vorbeikam. „Ist Noah schon da?“

Sie blieb stehen. „Er ist gerade angekommen. War im Verkehr stecken geblieben.“

„Hat er die Zeitung schon gesehen?“

„Das weiß ich nicht.“

„Ich muss ihn unbedingt sprechen. Sofort.“

„Ich sag’s ihm.“

Sawyer trat wieder an seinen Schreibtisch und nahm sich den Artikel noch einmal vor.

Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfuhren, haben Sawyer und Noah Locke ihr Budget um Millionen überzogen und können ihren Zeitplan nicht einhalten.

„Zuverlässige Quelle? Ich kenne die verdammte Quelle“, stieß Sawyer wütend zwischen den Zähnen hervor. „Das ist alles gelogen.“

Die meisten Mitglieder der Familie Locke sind von dem Projekt alles andere als begeistert. Sawyer und Noah Locke wollen, wie man hört, das Hotel gegen den Willen ihres Vaters wieder herrichten lassen.

Sawyer lachte kurz auf. Was er auch tat, sein Vater war nie damit einverstanden. Und er konnte nichts dagegen machen. Sie waren so unterschiedlich, wie zwei Menschen nur sein konnten. Je mehr er versuchte, sich von seinem Vater abzunabeln, desto mehr mischte der alte Locke sich ein. Genau aus diesem Grund war es sehr wahrscheinlich, dass sein Vater hinter der Falschmeldung steckte.

Ihr Vater hatte Sawyer und Noah jeden erdenklichen Stein in den Weg gelegt. Er wollte, dass das Grand Legacy abgerissen wurde. Denn zu lange schon sei es der Schandfleck des Familienunternehmens, das sich ganz auf luxuriöse Hotels konzentrierte. Sawyer hatte sich energisch dagegen gewehrt. Da das alte Legacy ihm gehörte, konnte er damit machen, was er wollte.

Jahrelang hatte es darum Streit gegeben, bis Sawyer vor zwei Jahren, es war am Weihnachtsabend, klipp und klar gesagt hatte, dass er das Hotel behalten und renovieren lassen wolle. Seitdem hatte sein Vater das Thema nie wieder angesprochen, was Sawyer einerseits erleichterte. Andererseits wusste er, dass das Schweigen ein schlechtes Zeichen war. Denn sein Vater versuchte mit allen Mitteln, die Renovierung zu hintertreiben. Handwerker erschienen nicht. Pläne verschwanden. Strom und Wasser wurden abgestellt. Es war ein mühseliger Kampf und ein sehr kostenintensiver dazu.

Mit dem Kaffeebecher in der Hand betrat Noah Sawyers Büro.

„Was gibt’s denn?“, fragte Noah.

Trotz seines offensichtlich sehr teuren Anzugs wirkte der jüngere Locke-Bruder immer lässig und entspannt. Er war groß und schlank, fast immer gut gelaunt und ziemlich attraktiv mit seinem dunkelbraunen Haar. Er sah Sawyer ähnlich, nur dass sich bei dem älteren Bruder schon einzelne graue Strähnen zeigten.

Sawyer seufzte. Mit zweiunddreißig war er für graue Haare eigentlich noch zu jung. Aber der ganze Ärger mit seinem Vater und dem Hotel hatte ihm wohl zugesetzt.

Er schob seinem Bruder die Zeitung zu. „Tut mir leid, dir die Laune zu verderben.“

Noah setzte den Becher ab und nahm die Zeitung zur Hand. Er las, stutzte und sah Sawyer ungläubig an. „Das darf doch wohl nicht wahr sein! Die Fotos sind unmöglich und vermitteln einen total falschen Eindruck. Sicher, die Lobby sieht noch furchtbar aus, aber sie kommt ja auch ganz zuletzt dran.“

„Da kann doch nur Dad dahinterstecken. Er hat die Informationen an die Zeitung gegeben. Meinst du nicht auch?“ Wahrscheinlich langweilte ihr Vater sich schon wieder mit seiner vierten Ehefrau und suchte Ablenkung, indem er sich in Angelegenheiten mischte, die ihn nichts angingen. Zwar wünschte Sawyer seinem Vater nicht, dass auch diese Ehe in die Brüche ging. Aber vielleicht wäre er mit einer fünften Ehefrau anderweitig abgelenkt.

„Wir müssen etwas tun“, erklärte er Noah. „Wir können den Eindruck nicht stehen lassen, dass das Hotel nie fertig wird. Allerdings haben wir keine PR-Agentur mehr. Ich habe den Mann rausgeworfen.“

Noah setzte sich und strich sich seufzend das Haar zurück. „Aber jemand muss sich um unsere Pressearbeit kümmern, Sawyer. Schon wegen der geplanten Gala zur Eröffnung. Die Medien müssen informiert werden. Willst du das tun? Ich nicht.“

„Verstehe.“

„Wir müssen jemanden dafür finden. Wenn Dad hinter der Sache steckt, ist es wichtig, gegenzusteuern.“

Sawyer ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen. Sein Bruder hatte recht. Ihr Vater würde nicht aufgeben, denn er hatte immer noch nicht verwunden, dass sein Großvater das Hotel direkt an seinen Urenkel Sawyer vererbt und damit ihn übersprungen hatte. Dennoch war es erstaunlich, dass der alte Locke darüber derartig wütend war. Deshalb war Sawyer sicher, dass es noch einen anderen Grund gab. Er hatte aber in den letzten fünfzehn Jahren nicht herausfinden können, welcher das sein könnte.

Er richtete sich wieder auf. „Keine Sorge, das lass ich dem Alten nicht durchgehen.“

„Ich würde mich auch um eine PR-Firma kümmern“, meinte Noah. „Aber du willst ja immer alles selbst machen.“

„Klar. Ist doch auch mein Hotel.“

„Das weiß ich nur zu genau. Wenn das nicht der Fall wäre, hätten wir all diese Probleme nicht.“ Noah stand auf. „Kennst du irgendwelche guten Profis?“

„Ich denke an Sloan PR. Die hatten wir damals doch auch auf der Liste.“

„Okay, dann versuch du bei ihnen dein Glück.“

Kaum hatte Noah den Raum verlassen, klappte Sawyer seinen Laptop auf und rief die Website von Sloan PR auf. Da er sich nicht mehr erinnern konnte, mit wem er damals gesprochen hatte, klickte er „Unser Team“ an. Oben auf der Seite erschien ein Gruppenbild mit fünf oder sechs Personen darauf. Eine Frau fiel ihm sofort auf. Dieses tiefrote Haar …

Er beugte sich vor. Sollte das Kendall sein? Das wäre ja ein wahnsinniger Zufall. Er klickte ihr Porträt an und erhielt ausführliche Informationen. Tatsächlich, es war Kendall Ross, Prokuristin, Public Relations.

Er lehnte sich zurück und betrachtete ihr schönes Gesicht. Diese vollen Lippen, der helle sanfte Teint und vor allem die großen blauen Augen … Sie war ihm auf der Hochzeit seines Freundes Matt gleich aufgefallen. Das war jetzt sechs Wochen her, aber er erinnerte sich noch genau, als er sie das erste Mal auf der Tanzfläche gesehen hatte. Als sich ihre Blicke getroffen hatten …

Sie hatten die Nacht zusammen verbracht, und jetzt ärgerte er sich, dass er sie nicht angerufen hatte, als er wieder in New York war. Zwar hatte er es sich zur Regel gemacht, sich nicht weiter auf die Frauen einzulassen, mit denen er eine kurze Affäre einging. Aber vielleicht hätte er hier eine Ausnahme machen sollen?

Allerdings hatte sie sich auch nicht bei ihm gemeldet, und das war er eigentlich nicht gewöhnt. Ob sie die Nacht nicht genossen hatte? Das konnte er sich nicht vorstellen. Der Sex war fantastisch gewesen, und sie hatten einander in jeder Weise verwöhnt, wie es zwischen Mann und Frau nur möglich war. Außerdem hatte sie ihn am Morgen zum Abschied geküsst, langsam und leidenschaftlich, sodass er noch Stunden später ihre Lippen auf seinen zu spüren meinte.

Also gut. Er griff zum Telefon und wählte die Nummer der Agentur. Hoffentlich würde seine kurze Affäre mit Kendall Ross die Situation nicht unnötig verkomplizieren.

Kendall Ross überflog die Titelseite der Morgenzeitung auf ihrem Smartphone. „Klar ist dieser Sawyer Locke wieder auf der ersten Seite. Der Mann taucht wirklich überall auf“, schimpfte sie vor sich hin.

Sie legte das Telefon auf die Kommode und las den Artikel, während sie in ihr Kleid stieg und den Reißverschluss zuzog. Da war auch ein Foto von Sawyer, wie er die Straße vor seinem Hotel überquerte. Mit der teuren Sonnenbrille und dem eleganten Anzug sah er aus wie der König von Manhattan. Und unglaublich sexy. Das war irgendwie unfair.

Sie ließ sich auf die Bettkante nieder und angelte nach ihren High Heels, die sie gestern nach einem langen Arbeitstag erschöpft von den Füßen geschleudert hatte. Dass das Foto sie so sehr beschäftigte, ärgerte sie, auch, dass sie in den letzten sechs Wochen immer wieder an Sawyer hatte denken müssen.

Zum Teil war ein Mann daran schuld, der jeden Morgen an ihrer Haltestelle mit in die Bahn einstieg und in die Stadt fuhr. Sie kannte ihn zwar nicht, aber er benutzte offenbar das gleiche Eau de Cologne wie Sawyer. Und dann war da der Schlosser, der neulich seinen Wagen mit der Aufschrift Locke and Key vor ihrem Apartmenthaus geparkt hatte. Außerdem wurde in ihrer Straße ein neues Gebäude hochgezogen, und an dem Bauzaun hing ein großes Schild von Locke and Locke. Und an diesem Zaun kam sie leider zweimal am Tag vorbei.

Ein kurzer Blick auf den Wecker und sie erschrak. Nur noch fünf Minuten oder sie versäumte ihren Zug! Sie musste sich endlich von den Gedanken an diesen Sawyer Locke befreien, aber das war leichter gesagt als getan. Die ganze Sache war ein Riesenfehler gewesen.

Sie ging zu ihrem Kleiderschrank und holte einen verstaubten Schuhkarton vom obersten Bord. Vorsichtig hob sie den Deckel ab und zog unter einem Stapel alter Fotos ein kleines Kästchen hervor. Glückstrahlend hatte ihre Mutter ihr den kostbaren Ring gezeigt, den sie von einem ihrer Verehrer bekommen hatte. Auf einen Heiratsantrag hatte sie allerdings vergebens gewartet, und die tiefe Enttäuschung ihrer Mutter hatte die kleine Kendall nie vergessen.

Sie hatte sich nach einem Daddy gesehnt, und bei jedem neuen Freund der Mutter hoffte sie auf ein Wunder. Als Teenager war ihr klar geworden, dass es nie dazu kommen würde. Ihre Mutter hatte viele reiche Liebhaber, aber keiner dachte daran, sie zu heiraten. So konnte zwar die Miete immer bezahlt werden, und es gab auch genug zu essen, aber im Übrigen war ihre Mutter nicht mehr als die hübsche Geliebte dieser Männer.

Kendall hatte sich geschworen, nie in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten. Männern gegenüber gab sie sich meist unnahbar, und deshalb machte es ihr auch so zu schaffen, dass sie bei Sawyer Locke schwach geworden war. Ihm hatte sie einfach nicht widerstehen können. Sie hatte seine Komplimente aufgesaugt, obwohl sie ihm die Schmeicheleien nicht wirklich geglaubt hatte, und war mit ihm ins Bett gegangen. Schon nach dem ersten Tanz war ihr klar gewesen, dass es dazu kommen würde, auch wenn One-Night-Stands sonst überhaupt nicht ihr Ding waren. Aber er hatte diese Ausstrahlung eines mächtigen Mannes, war charmant und sexy, und da war es geschehen.

Vielleicht hatte sie auch zu viel Champagner getrunken. Nach dem ersten Glas hatte sie angefangen, mit ihm zu flirten. Nach dem zweiten hatte sie sich von ihm auf die Tanzfläche führen lassen. Sie wusste, dass er aus einer der reichsten Familien New Yorks stammte, kannte seinen Ruf als Playboy und ging trotzdem mit ihm. Und das, obgleich ihr klar war, dass genau diese Typen mehr als einmal ihrer Mutter das Herz gebrochen hatten.

In den Wochen nach der Feier zeigte sich, dass Sawyer seinem Ruf mehr als gerecht wurde. Er hatte zwar nach ihrer Telefonnummer gefragt und so getan, als wolle er sie anrufen. Aber auf den Anruf hatte sie vergebens gewartet, und das hatte sie sehr gekränkt. Doch wahrscheinlich war es besser so.

Wieder ein kurzer Blick auf die Uhr. Hastig sprang sie auf und steckte sich den Ring auf den Ringfinger der linken Hand. „Männer, haltet euch zurück!“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich bin verlobt!“

Sie griff nach Mantel, Handtasche und Laptop, stürzte aus der Tür und schloss ab. Dann rannte sie die Straße hinunter und erwischte ihre U-Bahn gerade noch, bevor die Türen sich schlossen. Aufatmend ließ sie sich auf einen freien Platz fallen. Erst jetzt wurde ihr wieder bewusst, dass sie den auffälligen Ring trug. Aber warum nicht, sie wollte ja, dass man sie für verlobt hielt. Sie hatte genug von Männern. Sie brauchte keinen, sondern war ganz allein für ihre Zukunft verantwortlich.

Kendall war daran gewöhnt, dass Männer sich für sie interessierten, weil sie eine verlockende Figur hatte, nicht aber, weil sie intelligent war und eine interessante Persönlichkeit besaß. Da war Sawyer sicher keine Ausnahme gewesen. Warum war sie bloß zu dieser Hochzeit einer alten Studienfreundin gegangen? Denn an diesem Wochenende in Maine war ihr wieder mehr als deutlich geworden, dass sie als Single auffiel. Normalerweise machte ihr das nichts aus, aber in dieser Situation schon. Fast alle ihre ehemaligen Studienkolleginnen waren verheiratet oder zumindest in einer festen Beziehung. Eine hatte bereits ihren zweiten Mann. Alle waren sie in ihrem Leben vorangekommen.

Das war Kendall natürlich auch, wenn auch auf andere Art und Weise. Sie hatte das geschafft, was ihre Mom nie fertiggebracht hatte: Sie hatte sich eine berufliche Karriere aufgebaut. Und darauf sollte sie sich jetzt auch konzentrieren. Sich um Männer Gedanken zu machen war der absolut falsche Weg.

Der Zug hielt, sie stieg aus und ging schnell zu dem Gebäude, in dem Sloan Public Relations seinen Sitz hatte. Seit fast zwei Jahren arbeitete sie für die Firma und war inzwischen schon gut angesehen. Zumindest schien ihre Chefin Jillian Sloan eine Menge von ihr zu halten.

Als sie das Büro betrat, fiel ihr gleich auf, dass eine merkwürdige Stille herrschte. Ihre Kollegen sprachen mit gedämpfter Stimme und sahen kaum von ihren Schreibtischen hoch. Maureen, die am Empfang saß, starrte Kendall mit ernster Miene an.

„Was ist denn los?“ Kendall runzelte die Stirn. „Ist jemand gestorben?“

„Wanda wurde gefeuert.“

„Wieso das denn?“ Ausgerechnet Wanda, die gerade befördert werden sollte. „Wann?“

„Vor zehn Minuten.“ Maureen beugte sich vor und sah Kendall vielsagend an. „Wahrscheinlich hatte sie etwas mit einem unserer Kunden. Du weißt ja, wie Jillian ist.“

Oh ja, das wusste Kendall nur zu genau. Jillian achtete sehr auf den makellosen Ruf von Sloan PR.

„Wenn du pünktlich hier gewesen wärst“, fuhr Maureen fort, „hättest du das Drama miterleben können. Wanda packt gerade ihre Sachen zusammen. Ach so, ja, Jillian will dich sofort sprechen.“

„Sofort?“

„Ja. Nun mach schon.“

Schnell ging Kendall den Flur hinunter, legte, ohne stehen zu bleiben, ihre Sachen auf ihren Schreibtisch und hielt vor der Tür des Chefbüros inne. Hier am Ende des Ganges gab es zwei große Eckbüros, durch einen Konferenzraum getrennt. In dem einen saß Jillian, in das andere hätte eigentlich, wie alle glaubten, Wanda als ihre Stellvertreterin einziehen sollen. Die letzte war vor drei Monaten gegangen, um ihre eigene Agentur aufzumachen, seitdem stand der Raum leer.

Die Tür zu Wandas Büro war geschlossen. Kendall hörte Wanda leise fluchen. Ganz offensichtlich war sie sauer über die Kündigung. Aber sie hätte wissen müssen, dass Jillian private Kontakte mit einem Kunden nicht tolerieren würde.

Jillians Assistentin legte den Telefonhörer schnell wieder auf, als sie Kendall sah. „Gut, dass Sie kommen, Ms. Ross. Ms. Sloan wartet auf Sie.“

Kendall trat ein und blieb an der Tür stehen. Jillian tippte noch etwas in ihren Computer. „Morgen, Kendall“, sagte sie, ohne den Kopf zu heben. „Sie haben sicher schon davon gehört. Ich musste Wanda gehen lassen.“

Jetzt schaute sie auf und sah Kendall an. Ihr glänzendes kastanienbraunes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, wahrscheinlich, damit jeder ihre großen Diamantstecker bewundern konnte. Jillian hatte sich hochgearbeitet und keine Scheu, ihren Erfolg zu zeigen.

„Ich habe es nicht gern getan, aber es musste sein.“ Sie lächelte kurz. „Dadurch ergibt sich für Sie eine einmalige Gelegenheit. Sie arbeiten hart, haben gute Ideen und stellen sich ganz auf unsere Kunden ein. Sie könnten etwas pünktlicher sein, das schon, aber das ist jetzt nicht unser Thema.“

Kendall räusperte sich, bemüht, vor Freude nicht allzu breit zu lächeln. „Danke.“

„Da Wanda nun nicht mehr hier ist, ist der Posten wieder offen. Und ich denke, das wäre etwas für Sie.“

„Das freut mich sehr. Danke.“

„Ich habe mich aber noch nicht genau festgelegt. Wes wäre wahrscheinlich auch geeignet.“ Wieder lächelte Jillian kühl. „Er kommt gleich nach Ihnen in der Hackordnung.“

Wes! Ausgerechnet! Nur mit Mühe behielt Kendall ihren freundlichen Gesichtsausdruck bei. Wes war ihr nervigster Kollege. Ein widerlicher Speichellecker, der sich an die Chefin ranschmiss und Kendall Steine in den Weg legte, wo er nur konnte.

„Zeigen Sie mir, dass Sie die Richtige für den Job sind. Das können Sie mir übrigens gleich beweisen. Im Konferenzraum wartet ein sehr wichtiger potenzieller Kunde. Verhandeln Sie mit ihm. Versuchen Sie, dass er uns seinen PR-Etat überträgt. Ich bin dabei, überlasse die Gesprächsführung aber Ihnen. Er will kein Herumgerede, sondern genau wissen, was Sache ist, und nur mit demjenigen sprechen, der später auch sein Projekt betreut. Er stellt hohe Ansprüche.“

„Und was ist mit Wes?“

„Dies ist Ihre Bewährungsprobe.“ Jillian stand auf, kam um den Schreibtisch herum und legte Kendall kurz die Hand auf die Schulter. „Die Chance haben Sie sich verdient. Enttäuschen Sie mich nicht.“

„Danke für Ihr Vertrauen. Ich werde Sie nicht enttäuschen.“

Jetzt erst schien Jillian Kendalls auffälligen Ring zu bemerken. „Haben Sie sich verlobt? Den Ring habe ich noch nie gesehen.“

„Nein. Der Ring gehörte meiner Mutter.“

„Und Sie tragen ihn auf dem linken Ringfinger?“

Kendall nickte lächelnd. „Werden Sie manchmal von Männern angemacht, mit denen Sie wirklich nichts zu tun haben wollen?“

„Dauernd. Macht mich wütend.“

„Eben. Wenn ein Mann sich nicht plump anstellt und mir gefällt, kann ich immer noch sagen, der Ring sei nur ein Erbstück. In allen anderen Fällen hält er die Männer auf Abstand, und ich kann mich ganz auf meinen Beruf konzentrieren.“

„Sehr gut.“ Jillian nickte befriedigt.

Kendall folgte Jillian in den Konferenzraum. Tausend Gedanken schossen ihr auf einmal durch den Kopf. Nervös drehte sie an ihrem Ring. Sollten sich ihre Hoffnungen wirklich erfüllen? Würde sie ihr ehrgeiziges Ziel erreichen, ganz oben mitzuspielen? Es musste einfach klappen.

Doch als sie die schwere Tür hinter sich schloss und den Blick hob, wäre sie fast in Ohnmacht gefallen. Am Ende des langen Konferenztisches saß der wohl attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Der Mann, den sie unbedingt vergessen wollte. Der Mann, dessentwegen sie den Ring ihrer Mutter trug.

Sawyer Locke.

2. KAPITEL

Normalerweise war Kendall auf Kundengespräche immer gut vorbereitet. In diesem Fall jedoch wusste sie etwas zu viel über Sawyer Locke. Den Kunden schon nackt gesehen zu haben wirkte auf sie doch eher verwirrend. Hatte er gewusst, dass sie hier arbeitete? Hatte er etwas vor? War er an ihr interessiert? Aber warum hatte er sich dann nicht telefonisch bei ihr gemeldet?

„Mr. Locke …“ Jillian reichte ihm die Hand. „Dies ist Kendall Ross, unsere Top-PR-Frau. Wenn wir für Sie arbeiten dürfen, wird sie Ihre Ansprechpartnerin sein.“

Sawyer richtete den Blick seiner dunkelbraunen Augen auf Kendall, während er ihr lächelnd die Hand entgegenstreckte. Sofort fühlte sie sich sechs Wochen in die Vergangenheit zurückversetzt, spürte förmlich seine leidenschaftlichen Küsse und sah ihn ohne seinen maßgeschneiderten Anzug vor sich. Und doch war er ein möglicher Kunde, und sie musste alles tun, ihn für die Agentur zu gewinnen. Aber wie?

„Was für eine Überraschung.“ Sawyer hielt ihre Hand viel zu lange fest. „Ms. Ross und ich sind uns bereits begegnet.“

Warum hatte er das gesagt? Was versprach er sich davon? Wenn er doch bloß meine Hand loslassen würde! „Äh … ja, wir kennen uns.“ Hastig entzog sie ihm die Hand. „Wir haben uns auf der Hochzeit von gemeinsamen Freunden getroffen.“

„Dabei haben wir uns sehr gut amüsiert. Ms. Ross hat mir viel gezeigt.“ Seine Mundwinkel hoben sich leicht. „Auf der Tanzfläche.“

Mistkerl. Er wollte sie absichtlich verunsichern. Dabei stand für sie so viel auf dem Spiel. Für ihn natürlich nicht, diesen unverschämt gut aussehenden Millionär.

„Bitte, nehmen Sie doch Platz, Mr. Locke.“ Kendall setzte ihr professionelles Lächeln auf, zog sich einen Stuhl heran und legte ihren Notizblock vor sich hin. „Was können wir für Sie tun?“

Als sie hochsah, begegnete sie seinem Blick, dann schaute Sawyer starr auf ihren funkelnden Ring. Sehr gut.

Jillian war stehen geblieben. „Ich lasse Sie jetzt allein, Mr. Locke. Ich weiß, Sie wollen mögliche Strategien besprechen. Und da ist Kendall die richtige Frau für Sie.“

„Tatsächlich?“ Sawyer lehnte sich zurück und trommelte leicht mit den Fingern auf die Tischplatte.

Die richtige Frau für Sie … Bei dem Gedanken wurde Kendall heiß. Nervös befeuchtete sie sich die Lippen. „Ja, ich bin gut in meinem Job. Darauf können Sie sich verlassen.“

Sawyer setzte ein selbstsicheres Lächeln auf. Es war klar, dass er nicht nur wusste, was er wollte. Er war es auch gewohnt, sein Ziel zu erreichen.

„Perfekt. Ich brauche eine neue PR-Agentur. Die letzte Firma war unfähig, das durchzusetzen, was ich wollte. Und ich habe zu viel zu tun, um mich um alles selbst zu kümmern.“

Na klar. Kendall schlug die Beine übereinander. Männer wie Sawyer Locke konnten es nicht ertragen, wenn jemand anderer Meinung war. „Erzählen Sie mir von dem Grand Legacy. Vermutlich geht es doch um das Hotel. Ich habe die Story in der Times gelesen.“

„So, dann wissen Sie Bescheid?“

„Ja, zumindest über das, was in dem Artikel stand. Das war nicht sehr schmeichelhaft.“ Auch wenn du auf dem Foto sehr sexy aussiehst.

„Sagen Sie mir, was Sie wirklich dabei empfunden haben“, drängte er.

Kendall zuckte mit den Schultern. „Ich habe den Text gelesen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“

Sawyer presste kurz die Lippen zusammen, dann räusperte er sich. „Okay. Ja, Sie haben recht. Es war alles andere als schmeichelhaft. Mein Bruder und ich sind nicht sehr glücklich, dass diese Fotos veröffentlicht wurden. Wir haben uns bemüht, dass die Einzelheiten unseres Projekts nicht an die Öffentlichkeit kommen. Und nun das.“

„Möglicherweise sind Sie nicht ganz unschuldig daran. So etwas kann man nicht geheim halten. Und wenn man es versucht, wird die Presse nur noch aufmerksamer.“