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Globales Unheil bahnt sich an. Die Welt, wie wir sie kennen, bricht auseinander. Die E-Book-Reihe zur Hörbuch-Serie von Bestsellerautor Andreas Brandhorst Immer mehr Menschen leiden nach der Einnahme des Medikaments Sleepless an Psychosen und mentalen Veränderungen. Wer Sleepless absetzt, wird zu einem "Schläfer" und bleibt nur noch ein oder zwei Stunden wach. Die Welt ist in Aufruhr und eine Lösung des globalen Problems nicht in Sicht. Carolin Alberts, die Gründerin des Start-ups, das Sleepless vertreibt, torpediert währenddessen mit ihrer neuen politischen Macht alle Versuche, Sleepless unter staatliche Kontrolle zu stellen ...
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Seitenzahl: 106
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Textnachweis:
»An den Schlaf«, aus: Otto Roquette, Gedichte. 2. Aufl., S. 114. © J. G. Cotta'scher Verlag, Stuttgart 1859.
© Piper Verlag GmbH, München 2021
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Cover & Impressum
6. Folge
Tiefe Fluchten
Was bisher geschah
1.
Alexander Rieker
2.
3.
Carolin Alberts
4.
Alexander Rieker
5.
Black Lily
6.
7.
Matthias Teubner
8.
9.
Noah Gunnason
10.
11.
Alexander Rieker
12.
13.
14.
Carolin Alberts
15.
Black Lily
16.
17.
18.
19.
Alexander Rieker
20.
21.
Alexander Rieker
22.
23.
Alexander Rieker
O Schlaf! warum mit vollen Händen
Nahst du dich holder Jugend nur?
Du folgst mit goldenem Verschwenden
Des eigenwilligen Glückes Spur.
Wem du geneigt, verkennt den Segen,
Wer dich ersehnt, gewinnt dich nicht.
Nur der Verlust ist das Gewicht
Des Lebens Schätze recht zu wägen.
Otto Roquette, An den Schlaf
Harmony, Entwickler und Produzent von Lifestyle-Medikamenten zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit, erzielt mit »Sleepless« einen Riesenerfolg und wird innerhalb weniger Wochen von einem kleinen Start-up in Hamburg zu einem marktführenden Unternehmen. Wer Sleepless nimmt, bleibt immer wach und frisch, ohne müde zu werden. Immer mehr Menschen greifen zu dem Mittel, die Nacht ist als aktive Lebenszeit gewonnen. Männer und Frauen arbeiten länger oder genießen die zusätzliche Freizeit – ein neuer wirtschaftlicher Boom hat begonnen und bringt große Veränderungen für die Gesellschaft mit sich.
Carolin Alberts, Inhaberin von Harmony, räumt alle Hindernisse aus dem Weg, die den Erfolg von Sleepless und ihres Unternehmens gefährden könnten. Dabei geht sie im Wortsinne über Leichen. Mithilfe von Ranazol, einer speziellen Substanz aus dem Laboratorium von Harmony, bringt sie Gilbert Fournier um, der im Auftrag des internationalen pharmazeutischen Konzerns Kruither & Voch die Übernahme von Harmony verhandeln sollte. Er fand heraus, das Sleepless sehr gefährliche Nebenwirkungen hat, und wollte Carolin mit Erpressung zwingen, das Angebot von Kruither & Voch anzunehmen. Carolin glaubt, dass sein Tod – scheinbar ein ganz normaler Herzinfarkt – alle Probleme löst, aber der Gerichtsmediziner Kroge stellt bei der Obduktion fest, dass Ranazol verwendet wurde und es sich um Mord handelt.
Kommissar Rieker von der Hamburger Mordkommission – nach angeblicher Beweismittelfälschung im Immobilienskandal um Innensenator Brois in ein Altbau-Büro in St. Pauli verbannt – ermittelt bereits gegen Harmony, wegen einiger Todesfälle, die offenbar mit Sleepless in Zusammenhang stehen. Seine Hacker-Freundin Black Lily hilft ihm dabei, unter anderem mit Nachforschungen im Cyberspace. Dabei sticht sie offenbar in ein Wespennest und wird entführt. Der Kidnapper erweist sich als Hacker wie sie, der in fremdem Auftrag handelt, doch er wird von Unbekannten erschossen, und Lily kann mit knapper Not entkommen. Kaum ist sie zurück in Hamburg, wird sie verhaftet, wegen angeblicher Komplizenschaft bei der Ermordung ihres Entführers, der sich Hannibal nannte.
Rieker gelangt immer mehr zu der Überzeugung, dass Carolin für Fourniers Tod verantwortlich ist. Er spricht mit Noah Gunnason darüber, Carolins idealistisch eingestelltem Partner und Kompagnon, der sich von Sleepless nicht in erster Linie viel Geld, sondern vor allem eine bessere, lebenswertere Welt erhoffte. Der findet bei Nachforschungen heraus, dass das Ranazol, mit dem Fourniers Herzinfarkt herbeigeführt wurde, tatsächlich aus Harmonys Laboratorium stammt.
Unterdessen trifft sich der ehemalige Hamburger Innensenator Brois mit einflussreichen Freunden und Unterstützern, die offenbar mit einer geheimnisvollen Organisation namens »Zeta« in Verbindung stehen. Auch Brois nimmt Sleepless und schmiedet zusammen mit seinen Freunden Pläne für die Zukunft. Er will mit der nächsten Wahl Erster Bürgermeister von Hamburg werden und in zwei Jahren als Oberhaupt einer neuen Bewegung namens »Bund für Deutschland« für das Amt des Bundeskanzlers kandidieren. Und er will sich an Rieker rächen, der ihn ins Gefängnis brachte.
Carolin fühlt sich von Kommissar Rieker immer mehr unter Druck gesetzt. Sie wendet sich an Brois, der gern bereit ist, ihr zu helfen: Er sorgt dafür, dass Rieker in Verdacht gerät, ihn anonym bedroht und die Bremsen seines Wagens manipuliert zu haben.
Rieker, vom Dienst suspendiert, versucht, den Bericht über die Gefährlichkeit von Sleepless und Gilbert Fourniers Ermordung zu vervollständigen, an dem er wochenlang mit Lily gearbeitet hat, als sich plötzlich Noah Gunnason meldet und genau die Informationen anbietet, die ihm noch fehlen. Rieker legt den Bericht Kowalski vor, seinem Vorgesetzten und Leiter der Mordkommission, doch der unternimmt … nichts und wirft Rieker aus seinem Büro.
Als Rieker in Lilys Wohnung zurückkehrt, um die Dateien des Berichts auf USB-Sticks und SD-Karten zu kopieren, erwartet ihn ein Unbekannter, der auf ihn schießt. Rieker wird schwer verletzt und schafft es gerade noch, seine Assistentin Charlotte zu verständigen.
Oskar Brois und sein »Bund für Deutschland« gewinnen wenige Tage später die Bürgerschaftswahl in Hamburg. Er und Carolin fühlen sich in jeder Hinsicht als Sieger und sind davon überzeugt, dass ihnen die Zukunft gehört.
Schmerz brannte heiß in Riekers Brust, und jede noch so kleine Bewegung verdoppelte und verdreifachte ihn. Das Atmen fiel ihm schwer.
»Ich krieg keine Luft«, krächzte er.
»Bewegen Sie sich nicht«, sagte jemand.
Rieker bewegte sich nicht, er wurde bewegt. Hände ergriffen ihn, hoben ihn an, und der Schmerz wurde so gewaltig, so kolossal, dass er fürchtete, jemand würde ihm bei lebendigem Leib die Brust aufschneiden. Dann lag er auf einer Bahre, und ein Gesicht erschien über ihm, voller Sommersprossen und von rotblondem Haar umgeben.
»Charlie?«, brachte er hervor.
»Es wird alles gut«, sagte Charlotte, seine Assistentin, die gar nicht mehr seine Assistentin war. Kowalski, Leiter der Mordkommission, hatte sie ins Polizeipräsidium zurückgeholt und sie Klaus-Peter Stobbe zugeteilt.
»Alles gut?«, wiederholte Rieker mühsam. »Bist du sicher?«
Die Bahre schwankte, als sie nach draußen getragen wurde, zu einem Krankenwagen, und erstaunlicherweise ließ der Schmerz mit dem Schwanken nach. Dafür verdichtete sich die Dunkelheit, die Riekers Blickfeld verengte.
»Nein«, antwortete Charlotte ehrlich. »Aber du bekommst jede nur erdenkliche Hilfe.«
»Wie schlimm ist es?«, ächzte Rieker.
»Sehr schlimm. Wenn du mich nicht angerufen hättest …«
Rieker sah die Sorge in Charlottes großen Augen. Und noch etwas mehr.
»Danke«, hauchte Rieker. Die Kraft verließ ihn, er sah nur noch Charlottes Gesicht, mehr nicht. »Danke, Charlie!«
Finsternis umfing ihn.
Worte drangen aus der Welt jenseits der Dunkelheit.
»Eine Kugel steckt in der Schulter, aber die ist kein Problem«, sagte jemand. »Die andere jedoch befindet sich in unmittelbarer Nähe des Herzens. Es grenzt an ein Wunder, dass er noch lebt.«
»Bleibt er am Leben? Können Sie ihn retten?«
Die Stimme einer Frau. Nicht die von Lily, stellte Rieker bedauernd fest. Aber eine vertraute Stimme, von jemandem, der ihm geholfen hatte, auf den er zählen konnte.
Er versuchte zu sprechen, doch der Mund ließ sich nicht öffnen.
»Wir geben uns alle Mühe«, versprach die erste Stimme.
Besonders zuversichtlich klang es nicht, fand Rieker.
Bilder stiegen aus dem Dunkel auf, vielleicht Szenen eines Traums. Er stand vor einer Tür, nicht allein, sondern mit einer Dark Lady an seiner Seite, eine Frau Ende dreißig, mit schwarzem Haar und dunklen Augen, die Fingernägel – und auch die Fußnägel, wie Rieker wusste – in Pearl Black lackiert. Sie trug ein oberschenkellanges schwarzes Kleid, schwarze Strümpfe und glänzende schwarze Schuhe mit hohen Absätzen. Die Lippen mit dem schwarzen Lippenstift formten ein verheißungsvolles Lächeln, das allein ihm galt. Eine dunkle Frau, ja, aber nicht mit schwarzer Seele, sondern mit einem hellen, strahlenden Licht in ihrem Innern, dessen Wärme Rieker spüren konnte.
Dies war ein besonderer Tag. Der Standesbeamte hatte seine Pflicht bereits erfüllt, aber es gab noch eine kleine private Zeremonie, die vollzogen werden musste.
Rieker nahm Lilys Hand. »Willst du, Viktoria Engel …«
»Nicht Viktoria Engel«, unterbrach sie ihn sanft. »Das ist ein anderes Leben.«
»Willst du, Black Lily, Queen des Darknets, mich, Alexander Rieker, zum Mann nehmen, und zwar für immer?«
Die schwarzen Lippen wiederholten das Lächeln. »O ja, und ob ich das will. Und bist du, Alexander Rieker, bereit, diese Dark Lady zu deiner Frau zu nehmen, bis zum Ende deines Lebens?«
Rieker nickte. »Bis zum Ende meines Lebens, das hoffentlich noch weit entfernt ist.« Er schlang die Arme um Lily und …
»Augenblick, Augenblick!« Ein kleiner Mann in einem stahlgrauen Anzug eilte herbei, hob seine Kamera und schüttelte bedauernd den Kopf. »Mit den Farbfotos wird’s diesmal schwierig.«
Rieker hörte das Klicken der Kamera, und als er Lily küsste, hörte er den Applaus.
Charlotte stand hinter dem Fotografen und klatschte. Billyboy »Krawallmacher« Luetken, ein Riese auf einem riesigen Boss-Hoss-Motorrad, trank Bier aus der Flasche und hielt den Daumen der anderen Hand hoch. Auf einem wackligen Campingstuhl neben ihm hockte jemand, den Rieker oft vom Fenster seines Büros in St. Pauli aus gesehen hatte: der namenlose Alte, der jeden Tag und bei jedem Wetter von neun bis zwölf auf der Bank neben der alten Buche saß, in Cordhose und verschlissenem Jackett, und vielleicht über die Welt und das Leben nachdachte. Harald Bargmann, von allen »Harry« genannt, leistete ihm Gesellschaft, ein Streifenpolizist, der längst über sechzig war und es irgendwie geschafft hatte, nie in ein Büro versetzt zu werden. Wenn man ihn fragte, wann er in Pension ging, antwortete er stets: »In ein paar Monaten.« Aber das sagte er schon seit Jahren.
Etwas weiter hinten standen Professor Dr. Dr. Konrad Kroge, Rechtsmediziner im UKE, im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Clemens Kowalski, Klaus-Peter Stobbe und die beiden forensischen Spezialisten Marianne Süder und Joris Goverts, die man aus irgendeinem Grund, den Rieker nie herausgefunden hatte, Maria und Josef nannte.
Sie alle applaudierten und freuten sich, selbst Kroge, Kowalski und Klaus-Peter Stobbe, ein junger Kommissar, der glaubte, alles besser zu machen als die »Alten«, womit er alle über vierzig meinte. Einige Passanten blieben stehen, klatschten ebenfalls und filmten mit ihren Handys.
Eine Limousine mit getönten Scheiben hielt am Straßenrand, die Türen zum Fond schwangen auf, und Carolin Alberts und Oskar Brois stiegen aus. Rieker staunte darüber, dass sie ebenfalls gekommen waren. Oskar Brois, dessen üblen Tricks er die Suspendierung vom Dienst verdankte, verharrte einige Schritte neben Billyboy Luetkens Maschine, aber Carolin kam näher, mit dem souveränen Lächeln einer Frau, die glaubte, alle Probleme gelöst zu haben.
»Ich gratuliere«, sagte sie freundlich, öffnete ihre Handtasche, holte eine Pistole hervor und schoss, nicht auf Rieker, sondern auf Lily.
Es war der lauteste Knall, den Rieker je gehört hatte, einem Weltuntergang angemessen, und für ihn ging tatsächlich die Welt unter.
Er sah die kleine Fontäne aus Blut auf Lilys Brust, er sah das Erschrecken in ihrem Gesicht. Er sah, wie sie einen traurigen Blick auf ihn richtete, sah, wie das Licht in ihrem Innern verblasste und erlosch. Sie kippte zur Seite, und er fing sie auf und sank mit ihr in den Armen auf die Knie.
Carolin Alberts lächelte noch immer und richtete die Pistole auf ihn.
Ja, bitte erschieß mich, ich will nicht mehr leben, dachte er mit der toten Lily in seinen Armen.
Einmal erwachte Rieker und sah, dass Charlotte schlief.
Er lag in einem Krankenhausbett, umgeben von weißen Wänden mit wenigen Bildern, die Kornfelder, Wälder und Seen zeigten. Sonnenschein fiel durch Fenster und Gardinen, schuf ein Fleckenmuster an der Wand neben dem Sessel, in dem Charlotte zur Seite gerutscht war, mit dem Kopf halb auf der Armlehne.
»Charlie …«, krächzte er.
Sie war sofort hellwach und beugte sich vor. »Alex!«, entfuhr es ihr erfreut. Und dann, etwas ruhiger: »Wie geht es dir?«
»Ich fühle mich wie durch die Mangel gedreht.« Das Sprechen fiel ihm noch immer schwer.
»Kein Wunder.« Ihre Finger strichen über seine Hand. »Es wird alles gut.«
Er erinnerte sich an die Worte. »Das hast du schon mal gesagt.« Er sprach behutsam, ein langsames Wort nach dem anderen, und schöpfte zwischendurch Atem. »Bist du dir dessen jetzt sicher?«
»Nein«, antwortete Charlotte ehrlich. »Du bist zweimal operiert und über den Berg, heißt es, aber an der Sicherheit müssen wir noch arbeiten. Deshalb bin ich hier. Damit der Unbekannte, der auf dich geschossen hat, keine zweite Chance erhält.«
»Was ist mit …?« Riekers Stimme versagte.
»Polizeischutz? Personalmangel, hat Kowalski gesagt.«