Solange ich dich habe (Die Sullivans aus London 1) - Bella Andre - E-Book

Solange ich dich habe (Die Sullivans aus London 1) E-Book

Bella Andre

5,0

Beschreibung

Zwei geheime Träume hat Mari Everett, seit sie denken kann: einen Buchladen zu besitzen und ihren seit langer Zeit verschollenen Vater wiederzusehen. Als dieser ganz unerwartet stirbt und ihr sein Haus und sein Geschäft hinterlässt, bleibt ihr nur eine Möglichkeit, mehr darüber zu erfahren, was er für ein Mensch war und warum er sie damals verließ, als sie erst drei Jahre alt war: Sie muss aus Kalifornien wegziehen und seine Buchhandlung in London übernehmen. Owen Sullivan lebt und arbeitet auf Elderflower Island, einer Insel mitten in der Themse. In diesem Londoner Viertel, wo jeder jeden kennt, ist es eigentlich unmöglich, ein Geheimnis zu wahren. Charlie Forsythe jedoch hatte die Existenz seiner Tochter dort fast dreißig Jahre lang geheim halten können. Als Mari nach London kommt, verliebt sich Owen sofort in sie. Noch nie ist ihm eine so intelligente, entschlossene und ehrliche Frau begegnet. Ganz abgesehen davon, dass ihre Schönheit ihm den Atem raubt. Bald helfen alle Inselbewohner – auch Owens vier Geschwister, seine Eltern und sogar seine Großmutter – mit, um dem Buchladen einen Neuanfang zu ermöglichen. Werden Mari und Owen auch für sich gemeinsam einen neuen Anfang schaffen, als sich ihre unstillbare Leidenschaft in Liebe verwandelt? Oder werden die dunklen Schatten ihrer jeweiligen Vergangenheit ihrer beider Aussicht auf eine strahlende gemeinsame Zukunft in London bedrohen? "Die Sullivans"-Reihe *** Die Sullivans aus San Francisco *** Liebe in deinen Augen Ein verfänglicher Augenblick Begegnung mit der Liebe Nur du in meinem Leben Sag nicht nein zur Liebe Nur von dir hab ich geträumt Lass dich von der Liebe verzaubern Du gehst mir nicht mehr aus dem Sinn *** Die Sullivans aus Seattle *** Eine perfekte Nacht Nur du allein Deine Liebe muss es sein Dir nah zu sein Ich mag, wie du mich liebst Ohne dich kann ich nicht sein *** Die Sullivans aus New York *** Vier Herzen vor dem Traualtar Bilder von dir Weil es Liebe ist Die Süße der Liebe Das Beste kommt erst noch Liebe ist kein Marchen Wer Liebe sät Irgendwo auf der Welt Halt mich *** Die Sullivans aus Maine *** Mit Leib und Seele Herzbeben *** Die Sullivans aus London *** Solange ich dich habe

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Solange ich dich habe

Die Sullivans aus London

Bella Andre

Inhaltsverzeichnis

Bucheinband

Titelseite

Copyright

Über das Buch

Eine Anmerkung von Bella

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Auszug aus Verliebt bis über beide Ohren

Auszug aus Liebe in deinen Augen

Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache

Über die Autorin

Solange ich dich habe

© 2021 Bella Andre

Die Sullivans aus London

Übersetzung Christine L. Weiting – Language + Literary Translations, LLC

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Zwei geheime Träume hat Mari Everett, seit sie denken kann: einen Buchladen zu besitzen und ihren seit langer Zeit verschollenen Vater wiederzusehen. Als dieser ganz unerwartet stirbt und ihr sein Haus und sein Geschäft hinterlässt, bleibt ihr nur eine Möglichkeit, mehr darüber zu erfahren, was er für ein Mensch war und warum er sie damals verließ, als sie erst drei Jahre alt war: Sie muss aus Kalifornien wegziehen und seine Buchhandlung in London übernehmen.

Owen Sullivan lebt und arbeitet auf Elderflower Island, einer Insel mitten in der Themse. In diesem Londoner Viertel, wo jeder jeden kennt, ist es eigentlich unmöglich, ein Geheimnis zu wahren. Charlie Forsythe jedoch hatte die Existenz seiner Tochter dort fast dreißig Jahre lang geheim halten können. Als Mari nach London kommt, verliebt sich Owen sofort in sie. Noch nie ist ihm eine so intelligente, entschlossene und ehrliche Frau begegnet. Ganz abgesehen davon, dass ihre Schönheit ihm den Atem raubt.

Bald helfen alle Inselbewohner – auch Owens vier Geschwister, seine Eltern und sogar seine Großmutter – mit, um dem Buchladen einen Neuanfang zu ermöglichen. Werden Mari und Owen auch für sich gemeinsam einen neuen Anfang schaffen, als sich ihre unstillbare Leidenschaft in Liebe verwandelt? Oder werden die dunklen Schatten ihrer jeweiligen Vergangenheit ihrer beider Aussicht auf eine strahlende gemeinsame Zukunft in London bedrohen?

Eine Anmerkung von Bella

Ich liebe es zu reisen. Immer, wenn ich einen schönen Ort kennenlerne, ertappe ich mich dabei, wie ich Düfte, Erlebnisse und Bilder im Gedächtnis bewahre, um sie später mit meinen Lesern teilen zu können. Wenn ich über Orte schreibe, an denen ich schon einmal war – wie das Napa Valley in Kalifornien; der Pike Place Market in Seattle; Hart Island in New York; und Mount Desert Island in Maine –, dann wünsche ich mir stets, gleich in ein Auto oder Flugzeug zu steigen und ihre Schönheit noch einmal zu erleben zu dürfen.

In England war ich zum ersten Mal als Teenager. Mit meinen Eltern war ich nach Stratford-upon-Avon gefahren, um dort etwas über Shakespeare zu lernen, und außerdem fuhren wir nach London, um dort den Bruder und die Schwester meiner Mutter zu besuchen. Zum zweiten Mal besuchte ich die Stadt in meiner Studienzeit während eines Auslandssemesters in Paris. Danach bin ich so oft in England gewesen, dass ich den Überblick verloren habe. Ich weiß nur, dass ich mir immer wünsche, wieder dort hinfahren zu können. So bald wie möglich!

Ich liebe alles an Großbritannien – seine Landschaft, seine Geschichte, die Traditionen und die verschiedenen Akzente. Ich kann Stunden damit verbringen, Museen, Schlösser und gewundene Gassen mit Kopfsteinpflaster zu erkunden.

Solange ich dich habe (Die Sullivans aus London) ist mein Liebesbrief an London – und an den neuesten Zweig im Stammbaum der Sullivan-Familie. Ich hoffe, Sie verlieben sich in die Sullivans aus London auch so sehr, wie ich es bereits getan habe.

Ein glückliches Leseerlebnis wünscht Ihnen Ihre

Bella Andre

P.S. Die Themseninsel Elderflower Island entspringt zwar meiner eigenen Fantasie, aber ich habe mich dabei stark von Eel Pie Island im Südwesten Londons und von dem Londoner Stadtbezirk Richmond upon Thames inspirieren lassen. All denen, die sich in der Gegend gut auskennen, danke ich im Voraus für ihr Verständnis, wenn ich als amerikanische Schriftstellerin in meinen Büchern hier und da einige nicht unwesentliche Aspekte ein wenig ausgeschmückt habe.

P.P.S. Weitere Geschichten über die Sullivans aus London folgen in Kürze! Bitte melden Sie sich für meinen Newsletter (BellaAndre.com/Germany) an, damit Sie keine Neuerscheinung verpassen.

KAPITEL 1

Mari Everett hatte während ihrer Mittagspause keine Zeit, in den Buchladen zu gehen. Aber wie immer konnte sie sich einen Blick ins Schaufenster nicht verkneifen. Buchläden waren für sie wie eine Droge.

Ihr Bruder Carson – eigentlich ihr Stiefbruder – lachte, als sie an der Ladentür innehielt. „Geh schon rein, du weißt doch, dass du es willst.“

„Ich kann an einem anderen Tag reingehen. Schließlich weiß ich nie, wann ich das nächste Mal mit dir zu Mittag essen kann.“ Carson lebte in letzter Zeit praktisch im Flugzeug, da er mit dem Aufbau seines Technologieun­ternehmens beschäftigt war.

„Wir können doch fünf Minuten dafür opfern, dass du deine heutige Dosis Buchladen kriegst. Dann bleibt uns trotzdem noch genug Zeit, um vor deiner Budgetprüfung noch etwas zu essen.“ Bei dem Wort Budgetprüfung verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck. „Warum arbeitest du nochmal bei einer Rechnungsprü­fungsfirma, anstatt Inhaberin eines Ladens wie diesem hier zu sein?“

„Ich kann gut mit Zahlen umgehen, und ich helfe gern anderen Menschen dabei, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen“, rief Mari ihrem Bruder in Erinnerung.

„Es hat also nichts damit zu tun, dass Mom total ausflippen würde, wenn du eine Buchhandlung hättest?“

Mari versuchte gar nicht erst, ihm zu widersprechen. Schließlich kannte Carson sie – und ihre Mutter – besser als jeder andere. „Es wäre sicherlich nicht das, was sie sich für mich als Beruf wünschen würde.“

Es war für beide kein Geheimnis, dass Donna Everett zwar äußerlich sehr stark und belastbar wirkte, aber tief in sich eine Unsicherheit und Verwundbarkeit verbarg, die auf die Umstände ihrer ersten Ehe mit Maris leiblichem Vater zurückzuführen waren. Mari konnte sich noch gut daran erinnern, dass ihre Mutter damals oft lange geweint hatte. Selbst jetzt konnte es Donna immer noch aus dem Gleichgewicht bringen, wenn irgendetwas sie an früher erinnerte.

„Ich will damit nur sagen“, fügte Carson hinzu, „dass ich dich am Schreibtisch, wenn du über deinen Zahlenkolonnen sitzt, niemals so glücklich gesehen habe, wie wenn du in einem Buchladen bist.“ Er drückte die Tür für sie auf. „Bitte sehr!“

Da sie sich nicht auf eine weitere Debatte über ihre Lebensentscheidungen einlassen wollte, sagte Mari nur: „Aber du versprichst mir, dass du mich in fünf Minuten wieder hier herausholst.“

Kaum war sie drin, holte sie tief Luft. Ahhh.

Sie liebte den Geruch von Büchern, sowohl von alten als auch von neuen. Sie liebte den Anblick der Bücher in den Regalen, einige bunt und fröhlich, andere ernst und zurückhaltend. Sie liebte es, wie sie sich in ihren Händen anfühlten: alle, von den gebundenen Büchern mit Hochglanzumschlag bis hin zu den handlichen Taschenbüchern. Am meisten liebte sie das Gefühl, dank der Bücher alles lernen und absolut alles werden zu können.

Ein paar Straßen weiter gab es eine größere, neuere Buchhandlung, wo sie im Laufe der Jahre viele glückliche Stunden verbracht hatte. Aber dieser Laden mit seinen antiken Regalen, den alten Teppichen auf dem noch älteren Holzfußboden, den Samtsesseln und einer schnüffelnden Bulldogge, die neben der Kasse auf dem Boden lag – war ihr Lieblingsort in Santa Monica.

Offen gesagt war sie erstaunt, dass ein solcher Laden überhaupt florieren konnte, in einer südkalifornischen Stadt, in der sich die Menschen nur für etwas zu interessieren schienen, wenn es neu und auffällig war. Der Besitzer hieß Nils. Er war über sechzig, gebürtiger Norweger und ein lebendes Literaturlexikon. Mitten in Beach Town, USA, hatte er sich seine ureigene Nische geschaffen. Der gemütliche, ein bisschen zu sehr vollgestopfte Laden bot stets willkommene Erholung von der prallen Sonne.

Wenn Mari in Nils Laden war, konnte sie so tun, als lebte sie an einem Ort, an dem es mehr als eine Jahreszeit gab. In einer historischen Stadt, deren Vergangenheit – und deren Erzählungen – weiter zurückreichten als nur 250 Jahre.

Mit ein bisschen Fantasie gelang es ihr fast, sich so zu fühlen, als wäre sie in England … und als stünde, statt Nils, ihr Vater an der Ladenkasse.

Seit neunundzwanzig Jahren hatte sie ihren Vater nicht mehr gesehen.

„Mari, schön, dass du gekommen bist.“ Nils winkte sie zu sich an die Kasse. „Ich habe hier ein Buch, das dich bestimmt begeistern wird. Eigentlich wollte ich dich gerade anrufen.“ Er ging rasch die Bücher durch, die rechts neben ihm aufgestapelt lagen. „Hier ist es.“ Er zog ein Buch mitten aus dem Stapel. Wie durch ein Wunder fiel dieser nicht sofort um.

Maris Herz schlug schneller, als sie den Titel sah: Geschichte von Elderflower Island.

Am liebsten hätte sie sich gleich in den nächstbesten Sessel sinken lassen und die Informationen verschlungen, die die verblassten Seiten bereithielten. Aber sie würde bis heute Abend warten müssen, wenn sie zu Hause wäre und ihre heimliche Wissbegier nach dem einen Ort auf der Welt befriedigen könnte, der sie am meisten faszinierte.

Carson sah den Titel, als ihr Nils das Buch überreichte, aber abgesehen von einer hochgezogenen Braue unterließ er jeglichen Kommentar. Ihr Bruder war der Einzige in der Familie, der wusste, dass Mari Jahre damit verbracht hatte, alle Informationen über die Heimat ihres leiblichen Vaters aufzusaugen wie ein Schwamm. Glücklicherweise verurteilte Carson sie deswegen nicht. Ganz im Gegenteil, er hatte sie sogar immer dazu ermuntert. Nicht nur dazu, online und in Büchern nach Informationen zu suchen, sondern auch, tatsächlich nach London zu fliegen, um ihrem Vater in der Buchhandlung, die er auf Elderflower Island besaß, persönlich zu begegnen.

Aber sie war immer so beschäftigt gewesen, erst mit der Schule und dann beruflich, dass es nie der richtige Zeitpunkt für eine so weite Reise gewesen war. Lieber verbrachte sie mit ihren Freundinnen ein paar Tage am Strand und fuhr an langen Wochenenden mit der Familie zum Skifahren in die nahegelegenen Berge. Eines Tages, nahm sie sich vor, würde sie sich die Zeit für einen längeren Urlaub nehmen, um Europa zu erkunden. Vielleicht, wenn die Saison der Steuererklärungen vorbei war … obwohl ein Steuerbüro eigentlich das ganze Jahr lang Hochsaison hatte, wenn man bedachte, wie viele Privatpersonen und Firmen die Verlängerung ihrer Abgabefrist beantragten.

Erst jetzt wurde ihr bewusste, dass sie sich bei Nils gar nicht dafür bedankt hatte, dass er das Buch für sie aufgetrieben hatte. „Du bist unglaublich“, sagte sie, „du schaffst es immer wieder, das Unmögliche wahr zu machen.“ Sie holte ihr Portemonnaie heraus und gab ihm einen Zwanziger.

Während er ihr das Wechselgeld heraussuchte, sagte er: „Das hier war ein Glücksfall. Sieht aus, als hätte es in einem Buchladen auf der Insel einen Räumungsverkauf gegeben.“

Maris Instinkt schaltete sofort auf Alarmstufe Rot. „Was meinst du mit Räumungsverkauf? Gab es Probleme in der Buchhandlung?“ Es musste der Laden ihres Vaters sein. „Oder wollten sie einfach mal die Lagerbestände abbauen?“

„Um das genau in Erfahrung zu bringen, müsste ich dort anrufen. Wenn du willst, kann ich das machen, aber im Moment haben sie bestimmt bereits geschlossen, wegen der Zeitverschiebung.“

Carson schaute aus einem Buch über den Zweiten Weltkrieg auf, das er gerade durchblätterte. „Stimmt etwas nicht, Mari?“

Bevor sie antworten konnte, klingelte ihr Handy.

Sie war versucht, es einfach klingeln zu lassen, aber bei der Budgetbesprechung heute Nachmittag bei Everett Financial stand einiges auf dem Spiel. Maris Assistentin oder einer der anderen Mitarbeiter warteten wahrscheinlich schon darauf, dass sie aus der Mittagspause zurückkam, damit sie in letzter Minute noch anstehende Fragen beantworten konnte.

Sie holte das Handy aus der Tasche, aber die Nummer auf dem Display war ihr unbekannt. Sie enthielt auch nicht die örtliche Vorwahl, sondern begann mit +44 und danach kam eine lange Reihe Zahlen.

Die Vorwahl für England war +44.

Oh mein Gott … War es vielleicht … ihr Vater?

Als Mari drei Jahre alt war, hatte Charlie Forsythe sie und ihre Mutter verlassen und sich danach nie wieder bei ihnen gemeldet. Hatte ihn endlich etwas dazu bewogen, jetzt Kontakt mit ihr aufzunehmen? Hatte der Räumungsverkauf im Buchladen vielleicht etwas damit zu tun?

Ihre Hand zitterte leicht, als sie den Anruf annahm. „Hallo?“

„Hallo. Mein Name ist Clarence Wencel, und ich bin Rechtsanwalt bei Ford, Bixby und Wencel.“ Der Mann hatte einen unüberhörbar britischen Akzent. Außerdem hatte er für „Rechtsanwalt“ die Bezeichnung „Solicitor“ statt des in Amerika üblichen Begriffs „Lawyer“ verwendet. „Ich versuche, Marina Forsythe zu erreichen.“

Solange Mari sich erinnern konnte, hatte sie nie jemand Marina Forsythe genannt. Nachdem ihre Mutter, als Mari vier Jahre alt war, wieder geheiratet hatte, wurde Maris Familienname offiziell in Everett geändert. Der Namen Forsythe wurde nie wieder erwähnt.

„Ja, ich bin Mari.“ Krächzend kamen die Worte aus ihrer Kehle. Sie drehte sich von Carson weg, der beunruhigt zu ihr herüberschaute, und ging in eine einsame Ecke des Ladens. „Womit kann ich Ihnen behilflich sein?“ Die Frage kam ganz automatisch, so wie sie sie mehrmals täglich ihren Mitarbeitern und Kunden stellte.

„Es tut mir leid, Ihnen diese Nachricht telefonisch überbringen zu müssen, aber Ihr Vater, Charlie Forsythe, ist leider verstorben.“

Mari versagten die Knie. Hätte nicht direkt hinter ihr ein mit Samt bezogener Fußschemel gestanden, wäre sie zu Boden gegangen. Der Schock – und ein Gefühl tiefer Trauer – führte dazu, dass ihr das Handy aus der plötzlich eiskalten Hand glitt und klappernd auf den Fußboden fiel.

Carson eilte herbei und kniete sich vor ihr auf den Boden. „Mari? Was ist passiert?“

Sie brachte kein Wort heraus, sondern konnte nur den Kopf schütteln. Ihr Telefon klingelte erneut, vom Boden aus.

Schließlich fand sie ihre Stimme wieder. „Mein Vater.“ Das Wort Vater kam mit einem Schluchzen heraus. „Er ist tot.“

„Das tut mir sehr leid.“ Carson hatte seine Hände auf ihre gelegt, seine Berührung schien das Einzige zu sein, was ihr noch etwas Bodenhaftung verlieh. „Möchtest du, dass ich mit dem Anrufer spreche?“

Obwohl sie völlig unter Schock stand, schüttelte sie den Kopf. „Das muss ich selbst machen.“

Carson hob das Handy auf und reichte es ihr. Es hatte aufgehört zu klingeln, also suchte sie den letzten eingegangenen Anruf und drückte auf Wählen.

„Hier spricht Mari. Entschuldigen Sie, mir ist das Handy runtergefallen.“ Sie schluckte schwer und bemühte sich, ihre Tränen zurückzuhalten. „Bitte sagen Sie mir, wie er gestorben ist und alles, was ich sonst noch wissen sollte.“

Mehrere Minuten lang hörte sie ihm schweigend zu. „Danke, dass Sie es mir gesagt haben.“ In ihrem Kopf drehte sich alles, aber sie musste sich zusammenreißen, wenigstens so lange, bis der Anruf vorbei war. „Ich melde mich, sobald ich beschlossen habe, was ich tun werde.“

Ein taubes Gefühl erfüllte ihre Gliedmaßen, als sie das Handy ablegte und die Augen schloss. Wenn sie doch diesen Tag noch einmal ganz von vorn beginnen könnte! Oder am liebsten das ganze Jahr, dann hätte sie wenigstens in ein Flugzeug nach England steigen und den Kontakt mit ihrem Vater wiederaufnehmen können, solange dieser noch lebte. Das Treffen wäre vielleicht nicht gut verlaufen – aber was, wenn es doch gut verlaufen wäre? Was wäre, wenn es ihnen trotz all der Jahre der Trennung gelungen wäre, eine Beziehung zueinander aufzubauen?

Jetzt würde sie diese Chance nie bekommen.

Carson saß neben ihr, hielt den Arm um ihre Schultern gelegt und wartete geduldig darauf, dass sie ihm alles Weitere erzählte, was der Anwalt noch gesagt hatte.

„Er hatte Krebs.“ Ihre Stimme klang ganz fremd, viel zu tief und kratzig. „Er hat kein Testament hinterlassen, aber seine Anwälte konnten feststellen, dass ich seine nächste Verwandte bin. Er hatte keine weiteren Kinder und auch keine lebenden Geschwister oder Eltern.“ Sie sah ihrem Bruder in die Augen. „Das bedeutet offensichtlich, dass mir alle seine irdischen Güter zustehen.“

Carson hob die Brauen. „Und was hast du geerbt?“

Noch nie war sie über die beständige, unvoreingenommene Anwesenheit ihres Bruders so froh gewesen wie heute. Er wollte sie nicht verhätscheln, sondern verstand, dass sie jetzt erst einmal alles loswerden musste.

„Seinen Buchladen mit der darüberliegenden 2-Zimmer-Wohnung. Der Anwalt sagte, dass die gerichtliche Testamentsbestätigung und Ausstellung des Erbscheins etwa sechs Wochen dauern wird. Er geht davon aus, dass mir danach sowohl das Geschäft als auch die Wohnung gehören werden, sobald auch die Erbschaftssteuern bezahlt sind. Er glaubt, dass etwa fünftausend Pfund übrig bleiben werden, mit denen ich den Buchladen übernehmen kann, wenn ich das will.“

Carson ließ diese Informationen erst einmal einsinken. Sie wusste, dass er diese jetzt in seinem Gehirn von allen Seiten beleuchtete und analysierte. „Sobald du bereit bist, nach England zu fahren, um dir alles anzusehen, werde ich meinen Terminplan frei räumen und dich begleiten.“

Es wäre so einfach, alles ihn regeln zu lassen. Aber sie wusste instinktiv, dass dies nur zu noch mehr Reue führen würde. Außerdem würde sie es sich nie verzeihen, wenn Carsons Firma in dieser Wachstumsphase aus dem Ruder liefe, weil er alles liegen ließ, um sich um ihren Schlamassel zu kümmern.

„Danke für das Angebot“, sagte sie. „Aber ich muss mich selbst darum kümmern.“

„Ich dachte mir schon, dass du das sagen würdest. Du solltest aber wissen, dass ich jederzeit, wenn du das willst, einen Flieger nehmen kann.“ Er machte eine Pause und setzte dann hinzu: „Und was auch immer geschieht, lass dir die Englandreise nicht von Mom ausreden. Ich verstehe, dass alles, was deinen Vater betrifft, ihr sehr zusetzt. Aber du musst tun, was für dich das Richtige ist.“

Ihr ganzes Leben lang hatte Mari sich bemüht, ihre Mutter vor weiteren emotionalen Umbrüchen zu schützen. Aber jetzt, wo sich mit einem kurzen Telefonat in einem Augenblick alles geändert hatte? Obwohl Mari vermutete, dass Donna am Boden zerstört wäre, wenn sie von Maris neuen Plänen erfuhr, war selbst das nicht mehr genug, um sie davon abzuhalten.

„Ich will den Laden sehen.“ Nein, ihre Gefühle waren stärker als das. „Ich muss seinen Laden, seine Wohnung und seine Insel sehen.“ Weiter konnte sie im Moment noch nicht denken. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es wäre, seinen Laden tatsächlich zu übernehmen und zu betreiben oder in der darüberliegenden Wohnung zu wohnen.

„Sag mir einfach, wann dein Flug geht, und ich benutze meine Vielfliegermeilen, um dir einen Liegeplatz zu reservieren.“ Carson hatte sie jahrelang ermuntert zu reisen, aber sie hatte Südkalifornien nie verlassen. „Und ich denke, du solltest das heikle Thema so schnell und schonungslos wie möglich mit Mom ansprechen und ihr dann etwas Zeit geben, ihre erste impulsive Reaktion zu überwinden.“ Eine Reaktion, von der beide wussten, dass sie heftig sein würde.

Obwohl sie wusste, dass ihr Bruder Recht hatte, zuckte sie allein bei dem Gedanken daran zusammen. „Zuerst muss ich zurück ins Büro und die Budgetbesprechung leiten.“

„Du hast gerade erfahren, dass dein leiblicher Vater gestorben ist. Dad wird es verstehen, wenn du Besprechung nicht leiten kannst.“

„Ich weiß.“ Sie liebte ihren Stiefvater. Er hatte sie von Anfang an so behandelt, als sei sie seine eigene Tochter. „Aber ich kann ihn nicht im Stich lassen.“ Gary Everett hatte ihr nicht nur Liebe geschenkt, er hatte ihr auch in Schule und Studium und schließlich beim Aufbau ihrer Laufbahn in seiner Steuerberatungsfirma jede nur erdenkliche Möglichkeit geboten. „Er soll nicht denken müssen, dass ich den Vater, der mich verlassen hat, demjenigen vorziehe, der mich aufgenommen hat und dageblieben ist.“

„Das wird er nicht denken.“

Mari war sich dessen nicht so sicher. Im Moment wusste sie nur, dass sie unbedingt ein paar Stunden Normalität brauchte, bevor sie sich mit ihren Eltern zusammensetzte, um ihnen die Nachricht zu eröffnen.

„Komm schon“, sagte sie und zwang sich, aufzustehen. „Gehen wir uns ein Sandwich holen, bevor wir beide wieder zur Arbeit müssen.“ Sie hatte nicht mehr den geringsten Hunger, aber sie würde sich zwingen, etwas zu essen, und sei es nur, damit ihr Bruder nicht noch eine Sorge mehr hatte.

Sie waren schon halb aus der Tür, als Nils herüber gestürmt kam. „Du hast dein Buch vergessen.“

Sie schob es in ihre Tasche. Jetzt, mehr denn je, war es für sie wichtig, die Geschichte von Elderflower Island zu kennen.

KAPITEL 2

Irgendwie brachte Mari die Budgetbesprechung hinter sich. Ihre Wangen schmerzten von dem vielen aufgesetzten Lächeln und sie hatte Magenschmerzen, weil sie den ganzen Nachmittag in Anspannung verbracht hatte.

Mari machte nie früher Feierabend, aber heute nahm sie sofort nach der Besprechung ihre Sachen und verließ ihr Büro. Für die bevorstehende Diskussion mit ihren Eltern musste sie in Höchstform sein – oder zumindest so nahe daran wie möglich. Das hieß, nach Hause zu gehen, sich unter der Dusche den kalten Schweiß abzuwaschen, der sie bei der Nachricht von Charlies Tod überlaufen hatte, ein wenig Make-up aufzutragen, um ihren Wangen etwas Farbe zu geben, und sich dann zum Essen zu zwingen, weil sie die Energiezufuhr dringend nötig hatte.

Um sieben Uhr abends fuhr sie aus der Stadt hinaus in die grünen Vororte hinter der Montana Avenue, wo ihre Eltern wohnten. Das im spanischen Stil erbaute, mit weißem Stuck verzierte Haus mit seinem 2000 Quadratmeter großen, blühenden, gepflegten Garten, war fast ihr ganzes Leben lang Maris Zuhause gewesen. Bis zu ihrem dritten Lebensjahr hatte sie mit ihrer Mutter und Charlie in einer Eigentumswohnung in Santa Monica gelebt, über einem Brauhaus in der Third Street, im Herzen der Innenstadt. Aber sie war damals noch zu jung gewesen, um sich jetzt groß an die Zeit damals erinnern zu können.

Von der Einfahrt aus sah sie ihre Mutter und ihren Stiefvater zusammen in der Küche stehen. Sie schauten durchs Fenster nach draußen und lächelten beide, als sie ihr Auto sahen.

Zu wissen, dass das, was sie ihnen sagen musste, ihr Lächeln sofort erstarren lassen würde, tat Mari in der Seele weh.

Ihre Mutter wartete an der offenen Haustür, als Mari den Steinpfad hinaufkam. „Du kommst genau zur richtigen Zeit, wenn du mit uns zu Abend essen möchtest, Liebes. Wir haben mehr als genug für drei.“

„Danke, ich habe schon gegessen.“ Sie küsste ihre Mutter auf die Wange. „Eigentlich bin ich gekommen, weil ich mit dir und Dad über etwas reden muss.“

Als ihr das Wort Dad über die Lippen ging, wäre sie beinahe selbst zusammengezuckt.

Den ganzen Tag hatte sie um einen Vater getrauert, den sie nie wirklich gekannt hatte. Egal, was Carson gesagt hatte: Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass es ein Verrat an dem Mann war, der sich in den letzten neunundzwanzig Jahren fürsorglich und liebevoll um sie gekümmert hatte.

Ihre Mutter sah sie prüfend an. „Das klingt ernst. Ist alles in Ordnung? Fühlst du dich krank? Gary hat gar nicht erwähnt, dass es dir im Büro nicht gut ging.“

„Nein, ich bin nicht krank.“ Aber es war definitiv nicht alles in Ordnung. „Wir sollten uns setzen, und dann werde ich euch alles erklären.“

In solchen Momenten wünschte sich Mari, sie könnte ihrer Mutter und ihrem Stiefvater den Vorschlag machen, gemeinsam ein Gläschen zu trinken. Doch Donna weigerte sich nicht nur, Alkohol zu trinken. Sie ließ auch Gary nicht einen einzigen Schluck irgendeines alkoholischen Getränks trinken. Außerdem hatte die Mutter Mari, solange sie sich erinnern konnte, immer wieder eingetrichtert, mit ihren Genen sei sie zur Alkoholikerin geradezu prädestiniert.

In den Stunden seit dem Anruf des Anwalts hatte sie sich immer wieder den Kopf zermartert, wie sie ihren Eltern ihr Vorhaben schmackhaft machen konnte, nach England zu reisen und Charlies Wohnung und den Buchladen in Augenschein zu nehmen. Leider hatte sie noch keine akzeptable Vorgehensweise finden können.

„Mein leiblicher Vater …“ Der entsetzte und wütende Ausdruck, der sofort im Gesicht ihrer Mutter erschien, ließ sie mitten im Satz innehalten.

Mari erkannte zu spät, dass ihr erster Fehler darin bestanden hatte, das Wort Vater in Bezug auf ihn überhaupt in den Mund zu nehmen.

Sie räusperte sich und begann noch einmal. „Heute Nachmittag habe ich einen Anruf bekommen. Charlie …“

Ihre Mutter fiel ihr gleich ins Wort. „Hat er sich bei dir gemeldet?“ Donna drehte sich zu Gary um. „Was habe ich dir gesagt? Ich wusste, eines Tages würde er uns nicht mehr in Frieden lassen.“ Mit finsterem Blick fragte Donna Mari: „Was hat er gesagt?“

Erst einmal konnte Mari nur den Kopf schütteln, während sie sich bemühte, ihren Kummer hinunter zu schlucken. „Nichts. Er ist tot.“

Ihre Mutter keuchte, ihr Gesicht wurde blass und sie ergriff die Hand ihres Mannes, weil sie Halt brauchte. „Wie hast du es erfahren?“

„Ein Anwalt hat angerufen.“

Sie bemerkte die Sorge im Blick ihres Stiefvaters, als er sagte: „Es tut mir leid, Mari.“

„Aber mir nicht.“ Sichtlich erregt stand Donna auf. „Der Mann war ein Nichtsnutz, ein Trinker und eine Gefahr für dich. Es ist nicht schade um ihn.“

Obwohl Mari nur vage Erinnerungen an ihren Vater hatte, waren es überraschend schöne Erinnerungen. Sie hatten zusammen Spiele gespielt: das Leiterspiel – er hatte es „Schlangen und Leitern“ genannt –, „Drei gewinnt“, das bei ihm „Kreise und Kreuze“ hieß, und dann ihr Lieblingsspiel, das Kastanienspiel „Conkers“.

Sie hatte großen Spaß daran gehabt, den Stadtpark auf der Suche nach Rosskastanien zu erkunden und dann deren glänzenden Früchte zu sammeln, um die besten Kastanien für den Wettkampf mit ihm zu finden. Er hatte Löcher in die Kastanien gebohrt, so dass man durch jede eine Schnur ziehen konnte. Dann ließ Charlie seine Kastanie an der Schnur baumeln, während Mari mit aller Kraft versuchte, sie mit ihrer zu treffen. Jedes Mal, wenn sie eine seiner Kastanien von der Schnur schlug, umarmte er sie und sagte ihr, was sie für ein kluges kleines Mädchen sei.

Sie erinnerte sich auch an seinen englischen Akzent. Es spielte keine große Rolle, was er sagte – es war nett und beruhigend gewesen, ihm einfach nur zuzuhören, wenn er erzählte oder ihr aus einem der vielen Kinderbücher vorlas, die er ihr gekauft hatte.

Der Gedanke an diese schönen Erinnerungen weckte in Mari das Bedürfnis, Charlie ihrer Mutter gegenüber in Schutz zu nehmen, so unklug dies auch sein mochte.

Bevor sie es jedoch tun konnte, fragte ihr Stiefvater: „Hat der Anwalt noch etwas gesagt?“

„Ja. Da ich seine nächste Angehörige bin, gehen seine Buchhandlung, seine Wohnung und seine Ersparnisse an mich.“

„Nein!“ Donna wirbelte herum. „Unter keinen Umständen solltest du etwas übernehmen, das ihm gehört hat. Es muss doch eine Möglichkeit für dich geben, seinen Nachlass abzulehnen.“

Mari verstand, warum ihre das Mutter wollte. Aber sie konnte sich nicht dazu durchringen, einfach so das Vermächtnis ihres Vaters zu verleugnen.

Donnas Gesichtsausdruck wurde noch bestürzter, als sie Maris Schweigen entnahm, dass diese nicht einverstanden war. „Du denkst doch nicht etwa daran, seinen Laden zu behalten, oder? Muss ich dich erst daran erinnern, was für ein Mann er war – und was er getan hat?“

Natürlich bedurfte es keiner Erinnerung, schließlich kannte Mari die Geschichte in- und auswendig. Charlie Forsythe war aus London nach Kalifornien gekommen, brachte Donna mit seinem Charme dazu, ihn zu heiraten, und schwängerte sie dann, bevor sie merkte, wie sehr sein Alkoholkonsum tatsächlich außer Kontrolle war. Er war ein Bohemien, der zeichnete und schrieb, aber von seinem Teilzeitjob in einem Buchladen kaum Geld nach Hause brachte. Sie lebten von dem Geld, das Donna als Sekretärin in einer Buchhaltungsfirma verdiente. Bis er eines Tages, als Mari drei Jahre alt war, ohnmächtig wurde, während er eigentlich auf sie aufpassen sollte. Die kleine Mari hatte die Wohnung verlassen und war die belebte Third Street hinuntergewatschelt, als der Besitzer des Brauhauses im Erdgeschoss sie durchs Fenster sah. Gerade noch rechtzeitig rannte der Mann hinaus und bewahrte sie davor, direkt vor einem Lieferwagen auf die Straße zu laufen.

Maris Mutter warf Charlie noch am selben Abend hinaus und sagte ihm, er solle nie mehr wiederkommen.

Und daran hatte er sich gehalten.

„Ich weiß, dass er Fehler gemacht hat“, sagte Mari, „aber ich kann nichts entscheiden, ohne vorher nach England zu fahren.“

„Das kannst du dir wirklich sparen“, sagte ihre Mutter. „Sowohl in seinem Laden als auch in seiner Wohnung herrscht garantiert dasselbe Chaos wie bei ihm auch früher. Aber egal, warum solltest du ausgerechnet in England einer Buchhandlung besitzen wollen, wo du einen tollen Job hier zu Hause hast, bei einer Familie, die dich liebt?“

Wenn Mari nicht bereits ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, dann hätte sie es sicherlich jetzt bekommen. Es wäre so einfach, sich dem Willen ihrer Mutter zu beugen, ihr beizupflichten, dass England mit allem, was dazugehörte – insbesondere ihr leiblicher Vater – ganz schrecklich sei, und Charlies unerwartete Hinterlassenschaft abzulehnen. Aber insgeheim war Mari schon immer von allem fasziniert gewesen, das irgendwie britisch war. Vor allem von dem Flecken im Südwesten Londons, wo ihr Vater lebte. Sie war sogar mit Google Streetwalk auf ihrem Computer durch die Straßen dort gewandert und hatte versucht, sich vorzustellen, wie er fünftausend Meilen entfernt von hier wohl lebte. Und dabei fragte sie sich unweigerlich, wie es wohl gewesen wäre, auf Elderflower Island statt in Santa Monica aufzuwachsen.

„Ich muss es mit eigenen Augen sehen.“ Maris Worte klangen entschlossen, obwohl die Reaktion ihrer Mutter noch schlimmer war, als sie es sich vorgestellt hatte. Niemals würde sie Donna verletzen wollen, aber ihre eigenen Bedürfnisse konnte sie auch nicht länger verdrängen.

Ihre Mutter saß einfach da und sah wackliger aus denn je. „Wie lange wirst du weg sein?“

„Ich habe ziemlich viel Urlaub angesammelt.“ An Gary gewandt, sagte Mari: „Ich werde mir die nächsten Wochen nehmen, um meine laufenden Projekte abzuschließen oder sie vor meiner Abreise an fähige Mitarbeiter zu übergeben.“ Nach Angaben des Anwalts hatte sie sechs Wochen Zeit, bis die Testamentsbestätigung abgeschlossen war. In diesen sechs Wochen würde sie sich darauf vorbereiten können, endlich die Welt ihres Vaters zu betreten.

„Egal, was du tun musst, meinen Segen hast du, Mari.“

Donna blickte ihren Mann finster an und war sichtlich verärgert darüber, dass er bereit war, ihre Tochter zu allem zu ermuntern, was mit Charlie Forsythe zu tun hatte. Sie wandte sich Mari zu. „Du hast uns immer noch nicht gesagt, wie lange du wegbleiben wirst.“

„Das weiß ich noch nicht.“ Weil Mari wusste, dass nichts, was sie heute Abend sagte, ihre Mutter beruhigen würde, stand sie auf. „Bitte entschuldigt, dass ich euch beim Abendessen gestört habe. Ich gehe jetzt, dann könnt ihr anfangen.“

Ihre Mutter blickte finster. „Der Appetit ist mir vergangen.“

Obwohl Mari sich wünschte, sie könnte irgendetwas tun, um wieder ein Lächeln in das Gesicht ihrer Mutter zu zaubern, küsste sie sie einfach auf die Wange, umarmte ihren Stiefvater und ging aus dem Haus.

Überraschenderweise stellte sie auf dem Weg zu ihrem Auto fest, dass sie sich jetzt besser fühlte als den ganzen Tag über. Einer ihrer größten Träume stand kurz davor, in Erfüllung zu gehen. Sie würde endlich die Heimat ihres Vaters besuchen. Obwohl Charlie nicht da sein würde, um sie in seinem Zuhause willkommen zu heißen, würde sie in seiner Wohnung und in seinem Laden hoffentlich trotzdem genügend Hinweise darauf finden, was er für ein Mensch gewesen war.

Und unwillkürlich musste sie sich auch fragen, ob sie dort nicht auch über sich selbst einiges an Neuem erfahren würde.

KAPITEL 3

Auf dem elfstündigen Flug von Los Angeles nach London war es herrlich, den Schlafplatz in der Businessklasse zu haben, den ihr Carson mit seinen Vielfliegermeilen spendiert hatte. Mari hatte sich auf ihrem riesigen Liegesitz gemütlich ausbreiten können und sich etwas von der Gourmet-Speisekarte zu essen bestellt. Sie hatte sogar einen Pyjama bekommen, den sie anzog, bevor sie unter ihre Decke schlüpfte. Trotzdem schlief sie nicht, sondern starrte während des restlichen Fluges die ganze Zeit an die Kabinendecke, während die Gedanken mit Lichtgeschwindigkeit durch ihren Kopf rasten.

Ja, sie war aufgeregt und neugierig und konnte es kaum erwarten, die Buchhandlung ihres Vaters und Elderflower Island zu sehen. Gleichzeitig war sie aber auch nervös.

Was wäre, wenn sie es ganz schrecklich fände und sofort nach Kalifornien zurückkehren wollte? Und wenn sie es ganz toll fände und niemals wieder wegwollte? Was wäre, wenn sie auf England, die Insel in der Themse, den Buchladen und die Wohnung ihres Vaters nur einen Blick zu werfen brauchte, um sofort zu wissen, dass sie endlich ihre wahre Heimat gefunden hatte? Keine Frage, das würde ihr ihre Mutter niemals verzeihen.

Die Zollbeamte am Flughafen hätte nicht freundlicher sein können. Er lächelte über das ganze Gesicht, als er sie fragte, ob sie geschäftlich oder als Touristin unterwegs war. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Beides? Oder keines von beiden? Schließlich entschied sie sich für: „Mein Vater ist gestorben, und ich bin gekommen, um seine Angelegenheiten zu regeln.“

„Das tut mir sehr leid.“ Er stempelte ihren Reisepass ab. „Ich hoffe, es wird nicht allzu schwer für Sie.“

Seine Freundlichkeit verursachte ihr einen Kloß im Hals, der immer noch da war, als sie ihr Gepäck vom Band holte und sich dann draußen in die Taxischlange einreihte. Die Luft war ein bisschen feucht, so als ob es jeden Moment zu nieseln anfangen könnte. Es war genauso, wie sie sich England immer vorgestellt hatte.

Der Anwalt hatte ihr angeboten, sie abzuholen und zum Laden und zur Wohnung zu begleiten, aber sie wollte allein sein, wenn sie alles zum ersten Mal sah. Schließlich wusste sie nicht, wie sie reagieren würde. Würde sie weinen oder lachen wie eine Irre? Im Moment schien ihr beides möglich.

Nach dem langen, schlaflosen Flug spürte sie Sand in den Augen und Watte im Kopf, ihre Gliedmaßen fühlten sich seltsam gummiartig an. Und doch war sie, sobald das Taxi den Flughafen London Heathrow verlassen hatte, fasziniert.

Die Hügel in Südkalifornien waren fast das ganze Jahr über goldbraun. Aber hier war die Landschaft, selbst direkt neben der Autobahn, herrlich grün. Unendlich viele Grüntöne, von den Feldern bis zum Wald, bildeten einen Kontrast zu den aufgebauschten Wolken und dem blauen Himmel, der dazwischen hervorlugte.

Es herrschte nur wenig Verkehr, und schon bald kam die Ausfahrt nach Kew und Richmond. Beim Anblick der jahrhundertealten Stein- und Ziegelgebäude, der Pubs und der Brücke über die Themse bekam Mari richtig Herzflattern. Es war genauso, wie sie es sich vorgestellt hatte – noch besser als das, was sie auf Google gesehen hatte.

Der Taxifahrer lächelte ihr im Rückspiegel zu. „Erst letztes Wochenende haben meine Frau und mit unseren Enkelkindern einen Ausflug ins Petersham-Gartenzentrum gemacht. Einen schöneren Ort finden Sie nirgends.“

„Ich war noch nie dort.“ Aber bei ihren Recherchen hatte sie im Laufe der Jahre viel über dieses noble Gartenzentrum mit eigenem Restaurant und Café gelesen.

„Sind Sie Amerikanerin?“ Als sie nickte, sagte er: „Dann werden Sie hier Ihren Spaß haben.“ Er nannte ihr einige Sehenswürdigkeiten: Kew Gardens, den Stadtteil Richmond, wo angeblich mehrere Rockstars und Schauspieler lebten, und dann das, was er als seinen Lieblingsort bezeichnete: Elderflower Island. „In dem Pub dort habe ich viele schöne Stunden verbracht, während meine Frau durch die Geschäfte zog. Einschließlich der besten Buchhandlung Londons natürlich.“

Zwanzig Minuten lange hatte die Umgebung hier sie träumen lassen. Jetzt beförderte die letzte Bemerkung des Fahrers sie mit einem Schlag wieder auf die Erde zurück.

„Können Sie mich bitte genau dort absetzen?“ Plötzlich fiel ihr das Luftholen schwer. Die unmittelbare Nähe ihres Ziels hatte sie getroffen wie ein Schlag in den Solar Plexus. „An der Buchhandlung auf der Insel?“

„Wohnen Sie in einem der Zimmer über dem Pub?“

„Nein.“ In Los Angeles hätte sie es nicht riskiert, jemandem so persönliche Informationen zu geben, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass dieser freundliche Taxifahrer, der gerade von seinen Enkeln erzählt hatte, ihr Schwierigkeiten bereiten würde. „Ich wohne in der Wohnung über dem Laden.“

„Ah, ich dachte schon, dass Sie mir bekannt vorkommen. Der Besitzer, Charlie, ist ein feiner Kerl. Sind Sie zufällig mit ihm verwandt?“

Zu hören, dass sie ihrem Vater ähnlichsah, ließ ihr erst recht den Atem stocken. „Er war mein Vater.“ Bevor der Fahrer fragen konnte, warum sie in der Vergangenheit sprach, erklärte sie: „Er ist letzten Monat gestorben.“

„Das tut mir sehr leid. Mein herzliches Beileid.“

Sie schluckte schwer. „Danke.“

Als sie über die Brücke auf die Insel fuhren, musste sie nach Luft ringen. Elderflower Island hatte für sie im Laufe der Jahre eine fast mythische Bedeutung bekommen.

Erstaunlicherweise war der erste Eindruck keine Enttäuschung.

Mitten auf der Insel thronte ein leicht verwittertes großes Herrenhaus, wie im Märchen, mit schmiedeeisernen Toren zu einer langen Auffahrt, in deren Mitte sich ein Springbrunnen befand.

Gegenüber dem Herrenhaus stand ein weiteres beeindruckendes Gebäude – die Konzerthalle der Insel. Aus ihren Nachforschungen wusste sie, dass diese über mehrere Jahrzehnte hinweg ein angesehener Veranstaltungsort gewesen war, von dem aus viele britische Top-Bands ihre Karrieren starteten. Leider schien das Gebäude nicht mehr in Betrieb zu sein.

Rechts von der Konzerthalle befand sich eine Reihe malerischer Läden – ein Lebensmittelgeschäft an der Ecke, eine Bäckerei, ein Teeladen, ein chinesischer Imbiss und mehrere Boutiquen. Jeder Eingang war in einer anderen Farbe gestrichen und alles sah wesentlich ansprechender aus als in den monotonen Einkaufszentren in Santa Monica.

An einem Pub ragte das Schild mit der Aufschrift Fox & Hound auf die Straße. Vor den weiß getünchten Wänden des Lokals standen Sitzgelegenheiten. Viele Leute saßen im Freien bei einem Drink.

Hinter einer Kurve sah sie ein großes Bootshaus, das dem Ruder- und Segelclub der Insel gehörte.

Und direkt am Fluss, zwischen dem Pub und dem Bootshaus, befand sich der Buchladen ihres Vaters.

Fast blieb Mari das Herz in der Brust stehen, als sie ihn erblickte. Über der Tür hing ein verblasstes handgemaltes Schild mit der Aufschrift – Elderflower Island Books. Auch das Gebäude aus dem Jahr 1883 wirkte ziemlich ausgeblichen.

Sie hatte gar nicht bemerkt, dass der Fahrer ihre Taschen bereits auf dem Bürgersteig abgestellt hatte. Jetzt stieg sie aus dem Taxi und kramte das Geld aus ihrer Handtasche. „Vielen Dank. Das war sehr nett von Ihnen.“

Als er weggefahren war, ging sie nicht sofort in den Laden, sondern blieb erst neben ihrem Gepäck stehen und starrte durch die Fenster hinein. Das war also der Buchladen ihres Vaters.

Und jetzt ihrer.

Zu guter Letzt griff sie noch einmal in ihre Handtasche und zog den Schlüssel hervor, den ihr der Anwalt geschickt hatte. Es war ein historischer Skelettschlüssel aus schwerem Schmiedeeisen. Mitten auf der hölzernen Eingangstür prangte eine Schnitzerei: ein aufgeblättertes Buch, bei dem eine Seite in die Luft ragte. Faszinierend, selbst unter der Staubschicht.

Hier und jetzt. Das war die Stunde der Wahrheit.

Mari atmete tief durch und drehte den Schlüssel im Schloss um. Dann drückte sie die Tür auf.

Oh. Mein. Gott.

Es war völlig versifft.

Über all lagen Bücher herum. Nicht nur auf den Regalen, sondern auch auf dem Boden, auf den verschiedenen Stühlen und Sofas, auf den Fensterbänken, sogar auf der Treppe, die wohl in die Wohnung im zweiten Stock führte.

Obwohl ihr Vater erst vor sechs Wochen gestorben war, sah es so aus, als sei seit Monaten niemand mehr hier gewesen. Auf jeden Fall keine Reinigungskraft oder so etwas wie ein Kunde. Aufgrund ihrer Online-Recherche war sie davon ausgegangen, dass der Laden florierte. Wie lange war ihr Vater krank gewesen? Hatte er niemanden gehabt, der ihm half?

Mari hatte an ihren Vater nie in Verbindung mit anderen Menschen gedacht, außer mit ihrer Mutter und ihr selbst. Aber jetzt, da sie endlich auf der Insel war, sah sie, wie nahe die kleinen Wohnhäuser, die Läden und Lokale und das Herrenhaus beieinander lagen. War es denn überhaupt möglich, dass der Niedergang des Buchladens unbemerkt geblieben war?

Hoffentlich war die Wohnung nicht in so einem schlimmen Zustand wie der Laden. Aber auch wenn dies der Fall sein sollte, wäre sie ja durchaus in der Lage, Putzmittel zu kaufen und sowohl den Laden als auch die Wohnung gründlich zu reinigen, selbst wenn sie dazu einige Tage brauchen würde.

Schließlich nahm sie ihr Gepäck und trug es hinein. Ihre Mutter war entsetzt gewesen, als sie gesehen hatte, wie viel Gepäck Mari nach England mitnahm. „Das sieht ja so aus, als wolltest du für immer dorthin ziehen!“

Mari hatte erklärt, dass sie unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts auf das unbeständige Londoner Wetter vorbereitet sein müsse. Sie würde also sowohl Jeans, eine wasserfeste Jacke und Stiefel als auch leichtere Kleidung und Turnschuhe brauchen. Ihre Erklärung hatte ihre Mutter jedoch nicht besänftigt. Jetzt wünschte Mari, sie hätte weniger eingepackt, um nicht so viel Zeug die enge, steile Treppe hinaufschleppen zu müssen.

So als hätte Donna geahnt, dass Mari gerade an sie dachte, machte sich auf ihrem Handy summend eine SMS bemerkbar.

Bist du angekommen? Wie war der Flug? Ist alles in Ordnung?

In Kalifornien war es jetzt vier Uhr morgens. Mari hatte den Verdacht, dass ihre Mutter noch gar nicht eingeschlafen war und stattdessen auf eine Nachricht von ihr gewartet hatte. Ich bin angekommen. Der Flug war ok. Mach dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung.

Sofort kam die Antwort ihrer Mutter. Dein Vater und ich möchten dir beide sagen, wie lieb wir dich haben. Wenn du irgendetwas brauchst, können wir in den nächsten Flieger steigen … oder dir das Ticket für den Rückflug kaufen.

Mari wusste, dass ihre Mutter es nur gut meinte, aber in den Textnachrichten war immer noch die schwere Last ihrer Gefühle zu spüren. Vor allem, dass Donnas dein Vater geschrieben hatte, klang so, als wolle sie Mari daran erinnern, wer ihr wirklicher Vater war. Es geht mir wirklich gut, versprochen. Bitte schlaf jetzt, ich rufe an, sobald ich richtig hier bin.

Ohne auf eine weitere Antwort zu warten, schaltete sie den Klingelton aus und steckte das Handy wieder in die Handtasche.

Während sie die Koffer in Richtung Treppe rollte, stieß sie mehrere Bücherstapel auf dem Boden um. Im Moment litt sie jedoch zu sehr unter Schlafentzug, um sich darum zu kümmern. Nach vielem Ächzen, Schnaufen und einem gestoßenen Zeh hatte sie schließlich ihr gesamtes Gepäck bis auf den Treppenabsatz vor der Wohnungstür hinaufgeschleppt.

Nach dem Moment der Ernüchterung vorhin im Laden fackelte sie jetzt nicht lange, sondern schloss die Wohnungstür gleich mit einem weiteren schweren Schlüssel auf.

Nun, auch hier gab es keine Überraschungen. Die Wohnung war ebenso verdreckt wie der Laden.

Anstatt sich lange zu wundern, trug sie einfach ihre Sachen hinein. Die Wohnküche war ziemlich geräumig, auf jeden Fall war dort Platz genug, um ihre Koffer abzustellen, bis sie einen sauberen Platz gefunden hätte, um sie auspacken zu können. Durch einen schmalen Flur gelangte sie zu den beiden Schlafzimmern und zum Bad. In jedem Zimmer war ein Riesendurcheinander.

Offensichtlich hatten der Anwalt und sie völlig verschiedene Auffassungen davon, was perfekt bewohnbar bedeutete.

Natürlich war sie begeistert, eine ganze Buchhandlung zur Verfügung zu haben. Wer wäre das nicht? Doch bevor sie in diese Schatzkammer voller Bücher eintauchen konnte, musste sie die Wohnung säubern, um dort kochen, essen, baden und schlafen zu können.

Trotzdem spürte sie in sich immer noch diese unbändige Freude, endlich an dem Ort zu sein, von dem sie so lange geträumt hatte. Um ihr diese Freude zu nehmen, müsste schon mehr dazwischenkommen als etwas Staub und Unordnung.

Jetzt kam erst einmal eins nach dem anderen. Für die Matratze im zweiten Schlafzimmer brauchte sie saubere Bettwäsche. In das Schlafzimmer ihres Vaters hatte sie nur kurz hineingespäht. Sie musste mit zu vielem auf einmal fertig werden und würde dort vorerst keinesfalls schlafen können.

Eine Viertelstunde später hatte sie einen Stapel zerknitterter Papiere, alte Scheckhefte, noch mehr Bücher und Keramikschüsseln in allen möglichen Formen und Größen gefunden. Allerdings weder Laken noch saubere Handtücher.