Sommerrot - Leah M - E-Book

Sommerrot E-Book

Leah M

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Beschreibung

Gefühlvoller Liebesroman mit einem Touch Erotik

 

Lena kann nicht verstehen, weshalb ihr neuer Chef plötzlich so hasserfüllt auf sie reagiert, wo doch das erste Zusammentreffen mit ihm ganz anders verlief …

 

... Weiter kam ich nicht, denn plötzlich flackerte das Licht, es ruckelte und der Fahrstuhl hielt an. Ich hielt mich an den Querstangen fest, als die Kabine noch leicht auf und ab wippte. Mir blieb das Herz fast stehen. Wir standen jetzt in vollkommener Dunkelheit.

»Alles in Ordnung?«, fragte der Mann in der Finsternis.

»Ja …«, flüsterte ich.

»Wohl ein Stromausfall.«

Im Gegensatz zu meiner, klang seine Stimme angenehm ruhig. Ich umfasste den Anhänger um meinen Hals, wie ich es immer tat, um mich zu beruhigen. Eine Weile standen wir schweigend einfach nur da. Von draußen drangen gedämpfte Geräusche herein, aber ansonsten blieb alles ruhig.

»Wir sollten um Hilfe rufen, oder an die Tür klopfen«, schlug ich vor.

Keine Antwort. Stattdessen merkte ich, wie er sich näherte. Ein betörender Duft benebelte meine Sinne. Ich klammerte mich fester an die Stange in meinem Rücken, um dem Pudding in meinen Knien nicht nachzugeben.

»Ich habe eine bessere Idee«, flüsterte der Mann geheimnisvoll in die Dunkelheit, so nah, dass ich den Luftzug seines Atems auf meiner Wange fühlte.

Und dann spürte ich plötzlich, wie eine Hand meine Taille berührte...

 

 

Der Roman enthält mehrere detailliert geschilderte erotische Szenen

FSK ab 18

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Leah M

Sommerrot

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

SOMMERROT

 

SOMMERROT

 

 

Leah

 

 

Gefühlvoll-erotischer Liebesroman – so nah können Liebe, Hass und Leidenschaft beieinander liegen …

 

Inhalt

Lena kann nicht verstehen, weshalb ihr neuer Chef plötzlich so hasserfüllt auf sie reagiert, obwohl das erste Zusammentreffen mit ihm doch äußerst vielversprechend verlaufen war …

 

!!ACHTUNG!!

Der Roman enthält mehrere detailliert geschilderte erotische Szenen

FSK ab 18

 

Wutausbruch

Obwohl ich früh dran bin, fahre ich schnell, trete viel heftiger in die Pedale meines Rades als notwendig. Durch das kräftige Strampeln entlädt sich mein innerer Zorn. Wie Blitze schnellen die Szenen des Vortags durch mein Hirn, doch ich dränge sie mit aller Gewalt beiseite. Ich will nicht mehr daran denken, muss weiter durchhalten. Die halbe Nacht lang habe ich in die Finsternis gestarrt, unfähig, der Gedankenmühle in meinem Kopf Einhalt zu gebieten. So bin ich dann schließlich frustriert aufgestanden, um mich auf mein Fahrrad zu schwingen – noch viel zu früh am Morgen.

Wuttränen quellen aus meinen Augen hervor und laufen mir übers Gesicht, sodass ich kaum auf den Verkehr achte. Plötzlich braust ein Auto hupend aus der Seitenstraße auf mich zu. Für mich kommt jede Reaktion zu spät und ich rolle starr vor Schreck einfach weiter. Der Fahrer des Kleinwagens bremst scharf ab, stellt sich mit quietschenden Reifen quer. In diesem Moment habe ich bereits die andere Straßenseite erreicht und radele gemächlich weiter, als wäre nichts geschehen. Aber das sieht nur so aus, denn mein Herz rast vor Schreck und pumpt das Blut fast hörbar durch meine Adern.

Der Fahrer des Wagens öffnet die Tür und schreit laut fluchend hinter mir her. Aber ich bin zu sehr in meinen Gefühlen der nun in den Hintergrund getretenen Wut und des Schreckens gefangen, um darauf zu reagieren.

So geht es nicht weiter! Wenn ich nicht besser auf mich aufpasse, bringe ich mich noch um.

Zitternd bewege ich mein Fahrrad langsam vorwärts, um es dann vorsichtig nach links in den Park hinein zu lenken. Ein Auto braust laut hupend hinter mir vorüber. Ich zucke erschrocken zusammen und blicke zur Hauptstraße zurück. Der Wagen, der mich beinahe überrollt hätte, rauscht vorbei. In den Fensterscheiben spiegelt sich der blaue Himmel, sodass ich den Fahrer nicht erkennen kann. Meine Knie zittern noch immer von dem Schreck. Sicherheitshalber steige ich vom Rad und schiebe es zur Uferpromenade an der Donau.

Ich steuere eine verlassene Bank zwischen alten Kastanienbäumen und Pappeln an. Das Rad lehne ich gegen einen Baumstamm und lasse mich erschöpft nieder. Die leichte Brise kräuselt das Donauwasser zu kleinen Wellen und lässt mich frösteln, sodass ich meine Arme fest um mich schlinge. Ich starre aufs Wasser hinaus, auf die Entenpärchen, die pfeifend darüber hinwegfliegen, und noch im Fluge ihre Füße durchs Wasser ziehen, bevor sie landen. Ein Radfahrer saust für diese beschauliche Szene viel zu schnell vorüber. Dann nähert sich eine zerknitterte Frau mit weißen Haaren. In einer Hand trägt sie eine durchsichtige Plastiktüte, angefüllt mit Brotresten. In hohem Bogen wirft sie ein paar Krumen ins Wasser und sofort stürzen sich dutzende Enten gierig auf das nasse Brot, das mit der Strömung davon treibt.

Langsam setzt sich meine Gedankenmühle wieder in Gang. Noch wäre es nicht zu spät, um noch rechtzeitig auf der Arbeit zu erscheinen.

Weshalb tue ich mir das überhaupt an? Na ja, eigentlich weiß ich genau, weshalb …

Dabei hatte alles vor gut einem Jahr noch ganz anders ausgesehen … Marcus und ich waren noch so verliebt, voller Pläne und Tatendrang. Im Überschwang der Gefühle hatten wir das viel zu große Haus erworben, weil wir uns eine ganze Pfeifenorgel an Kindern wünschten. Aber im Nachhinein denke ich, dass es viel mehr nur mein Wunsch gewesen war, obwohl er mir immer wieder bestätigte, dass auch er gerne eine große Familie gründen wollte. Damals war er noch ein anderer Mensch, so warmherzig und liebevoll.

Habe ich mich so in ihm getäuscht, oder war es der schnöde Alltag, der alles veränderte?

»Lena, mein Engel«, säuselte er mir des Öfteren zuckersüß ins Ohr, »weißt du, dass du das Wertvollste bist, das ich je in meinem Leben besessen habe?«

»Ja, das weiß ich. Es vergeht kaum ein Tag, an dem du mir das nicht zeigst und sagst«, erwiderte ich glücklich.

Dann zog er mich in seine Arme und küsste mich zärtlich. Wahrscheinlich war es ziemlich naiv von mir gewesen, zu glauben, dass sich daran nie wieder etwas ändern würde und sich das Glück für immer festhalten ließ bis in alle Ewigkeit. Ich kann mich nicht an den Zeitpunkt erinnern, wann das alles zu kippen begann, dafür wandelte es sich viel zu schleichend.

Aber ich glaube, es gab nicht die eine Ursache, wahrscheinlich hing es mit mehreren Faktoren zusammen. Es kommt mir vor, als wären seither Urzeiten vergangen, derweil ist gerade mal ein Jahr verstrichen. Wir hatten uns dieses gemeinsame Haus am Stadtrand von Ulm gekauft, eine Stadt, die wir beide bisher nicht kannten. Unsere Freunde wohnten weit entfernt und die neue Arbeit füllte einen großen Teil unserer Zeit aus, sodass wir uns am Abend meistens zu müde fühlten, um etwas zu unternehmen und neue Freundschaften zu knüpfen. So hatten wir fast nur uns selbst und unseren arbeitsreichen Alltag, denn die Raten für das große Haus mussten ja irgendwie abbezahlt werden. Und dann war da noch die Sache mit dem Schwangerschaftstest:

Trotz Antibabypille ließ meine sonst überpünktliche Periode einige Tage auf sich warten. Deshalb besorgte ich mir diesen Test. Da das Ergebnis negativ ausfiel, warf ich ihn in den Mülleimer. Als Marcus ihn dort zufällig entdeckte, rastete er regelrecht aus und es kam zum Streit.

»Wie kannst du jetzt an Kinder denken«, fuhr er mich aus heiterem Himmel an.

»Was? Wie kommst du denn darauf?«

Ich riss erschrocken die Augen auf, bei seiner Reaktion.

»Und was ist das? Das ist doch ein Schwangerschaftstest, oder nicht?«

Er hielt mir den Test fast drohend vor die Augen und schimpfte weiter, ohne meine Antwort abzuwarten. »In unserer Situation können wir unmöglich noch ein Kind durchfüttern, das ist dir doch wohl klar, oder?«

Der erste Schock über Marcus Reaktion ebbte ab und langsam begann die Wut in mir hochzubrodeln. Wie konnte er mich so anschreien? Wir hatten uns doch immer viele Kinder gewünscht.

»Was willst du? Der Test ist sowieso negativ«, entgegnete ich mit zusammengekniffenen Augen.

Marcus holte erneut tief Luft, um mit seiner Standpauke fortzufahren, hielt dann jedoch inne.

»Negativ?«, fragte er leise.

»Ja, negativ. Das bedeutet, ich bin nicht schwanger!«, rief ich wütend und verschränkte demonstrativ die Arme.

Marcus atmete zwei Mal tief durch, dann zog er die Stirn in Falten.

»Aber du hast es darauf angelegt, richtig?«

»Nein, hab ich nicht. Ich nehme noch immer die Pille, aber ich war ein paar Tage drüber und ich wollte einfach nur sichergehen, man kann ja nie wissen …«

Seine Muskeln entspannten sich und die Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

»Okay. Dann ist ja gut.«

Damit drehte er sich um, als wäre nichts gewesen, aber für mich war die Sache noch längst nicht ausgestanden.

»Wäre das denn so schlimm? Wir hatten uns doch eigentlich Kinder gewünscht«, fragte ich bedrückt und verwirrt gleichermaßen.

Wie vom Blitz getroffen fuhr er herum und funkelte mich wütend an.

»Du weißt doch selbst, dass wir beide Gehälter benötigen, um die Raten für das Haus abzubezahlen. Da kann nicht einer wegen Schwangerschaft einfach ausfallen. So ist das nun mal. Die Kinder müssen da eben warten.«

»Ja, das weiß ich selbst. Aber es schockiert mich, wie wütend du darauf reagierst.«

Das zornige Leuchten in seinen Augen legte sich etwas und dann fügte er beschwichtigend hinzu: »Lena, es ist halt alles schwierig im Moment. Die hohen Raten, die neue Stadt, unsere Freunde sind weit weg und wir unternehmen kaum noch was gemeinsam.«

Damit hatte er natürlich Recht. Das alles belastete unser Miteinander so sehr, dass wir fast nur noch nebeneinander her lebten. Seit einer gefühlten Ewigkeit hatten wir nicht mehr miteinander gelacht oder uns zu spontaner Zärtlichkeit hinreißen lassen. Und dennoch beschlich mich das seltsame Gefühl, dass Marcus meine Traurigkeit über diese Situation nicht wirklich teilte.

»Ja, du hast ja Recht, aber wir sollten uns davon nicht runterziehen lassen«, versuchte ich, die Stimmung ins Positive zu lenken. »Lass uns wieder ein bisschen frischen Wind in unsere Beziehung bringen, zum Beispiel bei einem romantischen Candle Light Dinner. Was hältst du davon?«

»Nimm es mir nicht übel, Lena.« Er zuckte müde mit den Schultern. »Aber die Arbeit und unser Streit haben mich heute so gestresst, dass ich einfach nur noch schlafen will.«

Mit diesen Worten verschwand er im Schlafzimmer. Die Tür knallte hinter ihm ins Schloss und an diesem Tage nahm ich zum ersten Mal bewusst zur Kenntnis, wie kaputt unser Verhältnis bereits war.

Bei der Erinnerung daran fröstele ich auf meiner Bank. Ich ziehe mein Smartphone aus der Tasche und sehe nach der Uhrzeit. Jetzt müsste ich eigentlich im Büro erscheinen, aber ich kann nicht. Wie versteinert bleibe ich einfach hocken und starre auf den schmalen Schilfgürtel, der sich sanft im Wind wiegt. Meine Gedanken wandern abermals zu Marcus.

Seit der Sache mit dem Schwangerschaftstest hat sich immer mehr das Gefühl eingeschlichen, nur noch neben ihm herzuleben. Der Alltag fraß uns auf und wir entfernten uns mehr und mehr voneinander. Immer öfter fragte ich mich, wohin sie alle verschwunden waren, diese wundervoll überschwänglichen Emotionen unserer Anfangszeit. Und immer, wenn ich mal einen Vorstoß wagte, um der Beziehung wieder Lebendigkeit zu verleihen, wich mir Marcus aus, bis ich schließlich frustriert jeden Annäherungsversuch aufgab.

Sowohl der Austausch von Zärtlichkeiten als auch der Sex erlangten einen ungeahnten Tiefpunkt, indem auf diesem Gebiet einfach überhaupt nichts mehr lief. Eigentlich waren die Vorzeichen deutlich, aber vielleicht wollte ich sie einfach nicht an mich heranlassen. Deshalb traf es mich auch gänzlich unvorbereitet, als er dann eines Abends nicht nach Hause kam. Es war in der letzten Zeit oft später bei ihm geworden, was er mit Stress auf der Arbeit begründete. Aber als ich seinen Teil des Bettes eines Morgens leer vorfand, erwischte mich das wie ein eiskalter Schauer. Der nächste Schock ereilte mich beim Öffnen seiner Schränke, aus denen mir die gähnende Leere schier entgegensprang. Auch sonst hatte er nichts von sich im Haus zurückgelassen. Die Leitung seines Handys war einem Scheintot erlegen, woran sich bis zum Abend nichts änderte. Ich war kurz davor durchzudrehen, weil es einfach nicht in mein Hirn hineinwollte, was das alles zu bedeuten hatte. Es war ein Samstag, daher fiel mir in meiner Verzweiflung nichts Besseres ein, als seinen Chef zu Hause anzurufen.

»Herr Melina befindet sich im Urlaub auf den Bahamas«, blökte dieser missmutig ins Telefon. »Als Ehefrau müssten Sie das doch am besten wissen.«

Fassungslos ließ ich den Apparat sinken.

Auf den Bahamas? Wir sparen jeden Cent für diese verdammten Raten für dieses verdammte Haus weg und er fliegt ohne eine verdammte Erklärung und ohne Abschied auf die verdammten Bahamas?

Ich ließ mich aufs Sofa fallen und starrte vor mich hin, stundenlang, bis ich irgendwann erschöpft in den Schlaf sank. Ich konnte nicht einmal weinen. Die Welt um mich herum wirkte einsam, unwirklich und düster. Als ich mich am nächsten Tag aufraffte, das Haus zu saugen, entdeckte ich dann den Abschiedsbrief unterm Bett. Genau genommen handelte es sich um einen gelben Post-it-Aufkleber mit der eilig hingekritzelten Aufschrift:

 

Sorry Schatzi,

hab mich in eine andere verliebt. Du kommst sicher alleine klar.

Viel Glück und alles Gute

Marcus

 

Okay, er hat sich also verliebt. Kann ja passieren, dachte ich, aber die Wut schäumte in mir.

Was denkt er sich eigentlich, mich hier alleine sitzen zu lassen? Einfach ohne ein Wort zu verschwinden. Er vergnügt sich auf den Bahamas mit einer Anderen und ich hänge auf den Raten für das Haus? Ich werde es wohl verkaufen müssen. Dieser elende Mistkerl!

Ich verteilte wütende Boxhiebe gegen das Kissen, bis die Nähte auseinanderplatzten, Schaumgummiflöckchen herausquollen und sich auf dem Sofa verteilten. Ich malte seinen Namen mit Lippenstift auf den Spiegel und strich ihn wütend immer wieder durch, bis nichts als rote Schmiere davon übrigblieb. Die nächsten Tage verbrachte ich wie in Trance. Mechanisch führte ich alle täglichen Notwendigkeiten durch.

Es war nun schon ein halbes Jahr vergangen und ich hatte mich inzwischen mit der neuen Lage arrangiert. Das Auto musste ich verkaufen, um die Raten fürs Haus weiter bezahlen zu können. Seither radelte ich täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit und versuchte, mir die Situation damit schön zu reden, dass dies ja auch besser für meine Gesundheit wäre und ich durch den Sport vielleicht endlich mal die Orangenhaut an meinen Oberschenkeln loswürde. Wie ich bereits erwartet hatte, blieb jegliche finanzielle Unterstützung seitens meines Ex-Partners aus.

Weil ich die Raten aber auf Dauer unmöglich alleine stemmen konnte, stellte ich das Haus zum Verkauf. Doch bisher hatte sich nicht einmal ein potentieller Interessent dafür gemeldet und die monatlichen Kosten wuchsen mir langsam aber sicher über den Kopf. Ich kam auf die Idee, mich nach einem Untermieter umzusehen, aber außer einer Studentin, der die Zimmermiete von 200 EUR dann doch zu hoch war und einem übelriechenden Mann mit braunen Zähnen, hatte sich niemand auf meine Anzeige gemeldet.

 

Mein Smartphone reißt mich aus den Gedanken. Ich ziehe es hervor und mustere das Display. Dort blinkt die Nummer meines Vorgesetzten.

Was bildet der sich eigentlich ein? Erwartet er tatsächlich, dass ich mich noch einmal in seine Nähe begebe?

Wütend drücke ich auf Anruf abweisen und versenke das Smartphone wieder in meiner Tasche. Eine Weile herrscht Stille. Mechanisch greife ich nach dem Bergkristall, der an meiner filigranen Halskette hängt. Der tropfenförmige Stein breitet Ruhe in mir aus, sobald ich ihn berühre. Er bedeutet mir sehr viel und ich lege ihn selten ab, denn meine geliebte Großmutter hat ihn mir kurz vor ihrem Tod geschenkt. Mein Großvater war Goldschmied gewesen, als er noch lebte, und hatte die Kette eigenhändig für meine Oma angefertigt. Wenn ich an die beiden denke, blutet mein Herz. Wie gerne hätte auch ich eine so innige und liebevolle Partnerschaft geführt wie meine Großeltern. Aber das Leben hat offensichtlich andere Pläne mit mir. Ich seufze tief, fühle mich elend und einsam.

Die Sonne blinzelt zwischen den sommergrünen Blättern hindurch und wirft ein wandelndes Licht- und Schattenspiel auf mich herab. Ich ignoriere das leise Grummeln meines Magens. Das Frühstück war viel zu dürftig ausgefallen. Ich sollte wirklich mehr auf mich achten, aber meine innere Verfassung lässt das einfach nicht zu. Stunde um Stunde vergeht, ohne dass ich mich vom Fleck bewege. Die Sommersonne breitet zunehmend ihre Wärme über mir aus, sodass ich schließlich meine Jacke ausziehe und die hellen Strahlen auf meinem Gesicht in mich einsauge.

Das Smartphone habe ich inzwischen ausgeschaltet, damit es mich nicht permanent am Dösen stört. Die Pause tut mir gut. Ich habe endlich das Hamsterrad verlassen, in dem ich mich Tag und Nacht abstrampelte und komme wieder zu Atem. Ich schließe die Augen und mustere das orange Leuchten, das durch meine Lider hindurch dringt. Plötzlich fällt ein kalter Schatten auf mein Gesicht. Ein normaler Fußgänger wäre einfach vorübergegangen, aber der Schatten verweilt auf meinen Augen und ich öffne sie verärgert. Vor mir steht mein Chef Tino Angelus und starrt mich an.

»Frau Sommer, was machen Sie hier im Park? Weshalb sind Sie nicht auf der Arbeit?«, wettert er in gewohnt strengem Ton drauf los.

»Was glauben Sie wohl, weshalb?«, blaffe ich ihn an und kneife mit gerunzelter Stirn die Augen zusammen. Er starrt zurück und beinahe eine Minute lang herrscht Schweigen. Die Luft zwischen unseren Blicken beginnt förmlich zu brennen.

»Bei unentschuldigtem Fernbleiben von der Arbeit kann der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung aussprechen«, versucht er mir zu drohen.

»Nur zu!« Ich halte seinem Blick noch immer stand, auch wenn es sich ungünstig anfühlt, dass ich zu ihm aufschauen muss.

»Bei einer fristlosen Kündigung werden Ihnen vom Arbeitsamt die Leistungen gesperrt. Können Sie sich das denn leisten, Frau Sommer?«

Meine Wut hat beinahe den oberen Kesselrand erreicht. Ich befinde mich kurz vor der totalen Explosion.

»Selbst auf der Straße würde es mir besser gehen, als in Ihrem Unternehmen«, schleudere ich ihm zornig entgegen.

Wuttränen kündigen sich bereits an, aber ich dränge sie mit aller Gewalt zurück. Vor ihm möchte ich auf gar keinen Fall losheulen, auch nicht aus Wut. Noch immer treffen unsere Blicke wie Blitze aufeinander. Da senkt Herr Angelus plötzlich seinen Blick.

»Es ist so, Frau Sommer, die Firma braucht Sie.«

Aha, die Firma braucht mich also. Wohlgemerkt, die FIRMA, nicht ER braucht mich. Da er mit seinen Drohungen nicht weiterkommt, ändert er jetzt seine Strategie, indem er an mein Verantwortungsgefühl appelliert. Das ist so was von erbärmlich!

Ich springe auf, gehe einen Schritt auf ihn zu und brülle ihm ins Gesicht: »Sparen Sie sich das! Keine Macht der Welt wird mich nochmals dazu bringen, mich derart schikanieren zu lassen. Die Hölle erscheint mir im Vergleich dazu wie der Garten Eden. Und jetzt verschwinden Sie und wenn Sie mich in diesem Leben nochmals belästigen, werde ich vor Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen, die Ihnen verbietet, sich mir bis auf zehn Kilometer zu nähern.«

So!

Jetzt ist es raus und an seinem kreidebleichen Gesicht kann ich deutlich erkennen, dass ihn mein Wutausbruch direkt ins Herz getroffen hat. Er tritt zurück, dreht sich wortlos um und eilt mit raschen Schritten davon. Auch wenn ich jetzt mit Sicherheit meinen Job los bin, fühle ich mich um eine zentnerschwere Last erleichtert. Ich steige auf mein Fahrrad und radle zur nächsten Bäckerei. Dort lasse ich mir eine ganze Tüte mit frisch duftenden Backwaren füllen. Danach kehre ich nach Hause zurück, um sie mit großem Appetit zu verzehren. Dabei muss ich jedoch wieder an Tino denken. Vielleicht war ich doch zu hart zu ihm. Schließlich hat er Schlimmes durchgemacht. Aber dennoch ist das kein Grund, derart mit mir umzuspringen. Es war richtig, sich das nicht länger bietenzulassen. Dabei sah unsere allererste Begegnung ganz anders aus. Es war gerade mal zwei Wochen her, seit Marcus mich verlassen hatte, als ich Tino zufällig traf.

Fahrstuhl

Ich stand im Aufzug des mehrstöckigen Bürogebäudes, in dem ich arbeitete. Fünf Firmen hatten sich hier angesiedelt und ich wusste nicht, wer er war, als sich die Aufzugstür öffnete und der damals fremde Mann eintrat. Noch nie zuvor hatte ich erlebt, dass mein ganzer Körper förmlich brannte, als sich unsere Blicke trafen. Ein strahlendes Lächeln breitete sich wie die aufgehende Sonne über seinem Gesicht aus, was mein ganzes Sein mit einem warmen Schauer flutete. Die überschwängliche Antwort meines intensiven Blickes hätte Außenstehende sicherlich zum Schmunzeln gebracht, aber zum Glück blieben wir alleine, als sich die Aufzugtür hinter dem Fremden schloss.

Seine pechschwarzen Haare und die großen, dunklen Augen passten zu dem italienischen Einschlag in seinem Gesicht, bei dessen Ausdruck selbst Enrique Iglesias vor Neid erblassen würde. An den Konturen seines Hemdes ließ sich der muskulöse Oberkörper darunter erahnen. Tiefer wanderten meine Augen nicht, da sie in dem warmen Blick verhaftet blieben.

Es wird langsam Zeit etwas zu sagen, dachte ich bei mir, als der stumme Blickkontakt langsam peinlich zu werden begann und das warme Blut mein Gesicht bereits zum Glühen brachte. So schweiften meine Augen beschämt zu den leuchtenden Ziffern über der Aufzugtür.

»In welchen Stock fahren Sie?«, stammelte ich.

»Ganz nach oben, und Sie?«, erkundigte er sich, ohne mich aus den Augen zu verlieren, wie ich bei einem hastigen Herüberschielen feststellte.

»Auch.«

Er wollte also zu Terratec. Als Chefsekretärin hätte ich davon gewusst, wenn heute Kunden oder Bewerber erwartet wurden.

»Was …?«

Weiter kam ich nicht, denn plötzlich flackerte das Licht, es ruckelte und der Fahrstuhl hielt an. Ich hielt mich an den Querstangen fest, als die Kabine noch leicht auf und ab wippte. Mir blieb das Herz fast stehen. Wir standen jetzt in vollkommener Dunkelheit.

»Alles in Ordnung?«, fragte der Mann in der Finsternis.

»Ja …«, flüsterte ich.

»Wohl ein Stromausfall.«

Im Gegensatz zu meiner, klang seine Stimme angenehm ruhig. Ich umfasste den Anhänger um meinen Hals, wie ich es immer tat, um mich zu beruhigen. Eine Weile standen wir schweigend einfach nur da. Von draußen drangen gedämpfte Geräusche herein, aber ansonsten blieb alles ruhig.

»Wir sollten um Hilfe rufen, oder an die Tür klopfen«, schlug ich vor.

Keine Antwort. Stattdessen merkte ich, wie er sich näherte. Ein betörender Duft benebelte meine Sinne. Ich klammerte mich fester an die Stange in meinem Rücken, um dem Pudding in meinen Knien nicht nachzugeben.

»Ich habe eine bessere Idee«, flüsterte der Mann geheimnisvoll in die Dunkelheit, so nah, dass ich den Luftzug seines Atems auf meiner Wange fühlte.

Und dann spürte ich plötzlich, wie eine Hand meine Taille berührte und mich sanft an seinen Körper heranzog. Ich hielt die Luft an und eine Ozeanwelle der Erregung ergriff meinen Leib, diesen unbeschreiblich schönen Fremden so nah zu spüren.

Seine Wärme breitete sich über meinem ganzen Körper aus und sammelte sich in der Hitze meiner Körpermitte. Finger berührten meinen Handrücken und streiften elektrisierend meinen nackten Arm entlang, tasteten sich über meinen Hals, das Kinn, bis zu den Lippen, die nun ein einzelner Finger kaum spürbar umrandete. Unwillkürlich begann ich, wieder zu atmen und mit dem Luftstrom sog ich seinen Duft in mich hinein, was mich dazu verlockte, jetzt hörbar durchzuatmen.

Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, als der sanfte Luftzug seines Atems meine Wange streifte. Der männliche Duft, zu dem mir nur Worte wie Testosteron, Sonne und Frische in den Sinn kamen, benebelte alle meine Sinne. Die Aktentasche in meiner Hand purzelte zu Boden. Mein Körper vibrierte von Kopf bis Fuß. Jetzt berührten seine Lippen die meinen, ganz zart und vorsichtig … abwartend.

Meine Atmung und mein Puls beschleunigten sich und mir wurde schwindelig, als meine Knie nachzugeben drohten, aber der Fremde hielt mich fest umschlungen. Unfähig, gegen die aufkeimende Erregung anzukämpfen, erwiderte ich seinen Kuss. Ich schmiegte mich an ihn und umschlang ihn mit beiden Armen. Seine Atmung beschleunigte sich sofort und seine Küsse nahmen an Intensität zu. Immer wieder öffneten und schlossen sich seine Lippen über meinen. Unsere Zungenspitzen berührten sich und ich kostete die feuchte Wärme seines Mundes.

Marco hatte nie so gut geschmeckt, schoss es mir durch den Kopf, aber ich verbannte die Erinnerung an ihn sofort wieder. Dies hier war etwas vollkommen anderes, etwas Neues, Aufregendes.

Warme Schauer wogten durch meinen Körper und ich spürte die harte Schwellung in seiner Hose. Durch unsere Kleidung konnte ich sie beinahe zwischen meinen Beinen spüren, was mich schier verrückt werden ließ. Unsere keuchenden Küsse ließen unsere Münder miteinander verschmelzen. Seine Hand vergrub sich in meinen Haaren über dem Nacken, während die andere mich noch immer dicht gegen seinen Leib presste. Meine Finger strichen über seinen Rücken, den Nacken hinauf, durch seine Haare.