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Sommersplitter Vol. 7 – Flucht nach Formentera Yannik strebt eine Karriere als Fotograf an. Weil man ohne Vitamin B in der Kunstszene nicht weiterkommt, geht er ein Verhältnis mit Benedikt, Inhaber eines Großhandels für Friseurbedarf, ein. Geld öffnet ja bekanntlich Türen. Als er mit Benedikt nach Ibiza fliegt, sieht er sich mit einer unappetitlichen Forderung konfrontiert und sucht sein Heil in der Flucht. Fast ohne finanzielle Mittel setzt er auf die kleine Nachbarinsel Formentera über. Dort kommt es zu einer Begegnung mit dem gastfreundlichsten Hippie der Welt und anderen interessanten Menschen. Sommersplitter Vol. 7,5 Benedikt macht mit seinem Loverboy Urlaub auf Ibiza. Das ist zumindest der Plan, doch Yannik verschwindet in einer Nacht- und Nebelaktion. Zurück in Hamburg wird Benedikt von Mathis, seinem besten Freund, gründlich der Kopf gewaschen. Er sieht ein, dass er ziemlichen Mist gebaut hat. Das hindert ihn nicht daran, erneut ins Fettnäpfchen zu treten. Er kann eben nicht aus seiner Haut.
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Inhaltsverzeichnis
Sommersplitter Vol. 7 – Flucht nach Formentera
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Epilog – zwei Jahre später
Sommersplitter Vol. 7,5
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Sommersplitter Vol. 7
Flucht nach Formentera
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.
Copyright Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos
Fotos: Cover shutterstock_111905381, Depositphotos_38359793_XL
Cover-Design: Lars Rogmann
Korrektur: Aschure, dankeschön!
Kontakt:https://www.sissikaipurgay.de/
Sissi Kaiserlos/Kaipurgay
c/o Autorenservice Karin Rogmann
Kohlmeisenstieg 19
22399 Hamburg
Yannik strebt eine Karriere als Fotograf an. Weil man ohne Vitamin B in der Kunstszene nicht weiterkommt, geht er ein Verhältnis mit Benedikt, Inhaber eines Großhandels für Friseurbedarf, ein. Geld öffnet ja bekanntlich Türen. Als er mit Benedikt nach Ibiza fliegt, sieht er sich mit einer unappetitlichen Forderung konfrontiert und sucht sein Heil in der Flucht. Fast ohne finanzielle Mittel setzt er auf die kleine Nachbarinsel Formentera über. Dort kommt es zu einer Begegnung mit dem gastfreundlichsten Hippie der Welt und anderen interessanten Menschen.
Schnaufend ließ sich Benedikt auf den Rücken fallen. Yannik tat es ihm gleich, allerdings vorsichtiger. Sein Hintern war von der groben Nummer ziemlich mitgenommen.
„Jetzt hätte ich Bock auf einen Latte“, verkündete Benedikt, griff nach der Box mit den Feuchttüchern, die auf dem Nachtschrank stand und zog ein Tuch heraus.
Übersetzt bedeutete das: Beweg deinen Arsch und hol mir einen. So lautete der unausgesprochene Deal. Dafür, dass Yannik im Luxus lebte, musste er nicht nur die Beine breit machen, sondern Benedikt auch noch bedienen. Warum er das mit sich machen ließ? Ganz einfach: Er hoffte, dass ihm Benedikt bei der angestrebten Karriere als Fotograf behilflich war.
Frauen gingen solche Beziehungen ein. Wieso sollte er nicht auch die Chance ergreifen, unter Einsatz seines Körpers seine Startbedingungen zu verbessern? Damit war man ja noch lange kein Prostituierter.
„Und wasch dir vorher die Hände“, brummelte Benedikt, der mit dem Tüchlein das Kondom abzog und es darin einwickelte.
Sein Sugardaddy – wie er Benedikt insgeheim nannte – hatte einen Hygienefimmel.
Übertrieben ächzend, um auf seinen desolaten Zustand hinzuweisen, - völlig überflüssig, denn Benedikt war ein Egoist – erhob er sich und trottete in die Küche.
Sie residierten in Ibiza Stadt in einem Luxus-Apartment. Für Benedikt war das Beste gerade gut genug. Als Eigner eines Großhandels für Friseurbedarf besaß er dafür ausreichend Mittel. Wie Yannik auf die Idee gekommen war, dass so jemand nützlich sein könnte? Ganz einfach: Sie hatten sich auf einer Vernissage kennengelernt. Benedikt verkehrte in den Kreisen der Reichen und Schönen, wobei letzteres überwiegend auf die Damen zutraf. Kontakte, auch Vitamin B genannt, waren als Künstler immens wichtig
Im Vergleich zu den hässlichen Friedhofsverweigerern, die sich einige Frauen an Land zogen, hatte er ziemliches Glück. Benedikt war gepflegt, muskulös, attraktiv und erst Anfang vierzig. Im Ganzen war er auch recht umgänglich, sofern alles nach seinen Vorstellungen lief.
„Schlaf nicht ein!“, rief Benedikt.
Wie gesagt: Man musste springen, wenn der Herr es befahl.
Yannik stellte einen Becher in den Kaffeeautomaten, betätigte die entsprechende Taste und lehnte sich gegen den Kühlschrank. Das Metall war angenehm kühl an seiner Haut, wobei die Wohnung selbstverständlich über eine Klimaanlage verfügte.
Nachdem die Maschine ihre Arbeit erledigt hatte, wusch er sich die Hände am Spülbecken und transportierte das Getränk ins Schlafzimmer. Benedikt, der mit seinem Smartphone beschäftigt war, würdigte ihn keines Blickes.
Im Bad genoss Yannik eine ausgiebige Dusche, rasierte sich und putzte seine Zähne. Anschließend kehrte er zu Benedikt, der weiterhin mit dem Handy rumspielte, zurück und kramte aus seinem Koffer frische Klamotten hervor.
Das Gepäckstück, ein schicker Hartschalenkoffer, beherbergte seinen kostbarsten Besitz: Seine Fotoapparate nebst Zubehör. Er hoffte, auf Ibiza lohnenswerte Motive zu finden.
Nachdem er sich angezogen hatte, trat er auf den Balkon. Der Ausblick war klasse. Man guckte auf den Hafen, in dem reihenweise schicke Yachten lagen. Dahinter erstreckte sich das Meer. Gerade rauschte eine Fähre ins Hafenbecken. Es gab Verbindungen zum Festland, nach Mallorca und Formentera. Er hatte sich vor ihrer Abreise ein bisschen schlau gemacht, um zumindest grundlegende Kenntnisse über die Insel zu haben.
Seine Eltern waren mit der Entscheidung, sein WG-Zimmer zu kündigen und zu Benedikt zu ziehen, nicht sonderlich glücklich. Sie hatten ihm angeboten, erstmal wieder bei ihnen zu wohnen, aber das würde er nur im äußersten Notfall tun. Kein Mensch wollte mit Mitte zwanzig wieder bei seinen Alten hausen.
Vor ungefähr einem Jahr hatte er sein Studium abgeschlossen. Seitdem jobbte er und suchte nebenher nach einer passenden Stelle. Kein leichtes Unterfangen, denn diese Posten waren heißbegehrt. Er wollte sich ohnehin selbständig machen, daher hatte er das Ganze nur halbherzig betrieben.
Die Idee, auf Vernissagen nach einem Mäzen Ausschau zu halten, stammte von seinem ehemaligen Mitbewohner Clever. Normalerweise hörte er nicht auf den Blödmann, der dachte, genau wie der Name vermuten ließ, clever zu sein. Im Rückblick war der Einfall gar nicht so dumm gewesen. Allerdings wäre es super, wenn sich sehr bald eine Chance, ein berühmter Künstler zu werden, ergab. Benedikt fiel ihm nämlich mit jedem vergehenden Tag mehr auf den Sender. Seit drei Monaten hielt er schon den Arsch hin und spielte das Dienstmädchen. Passiert war in dieser Zeit wenig, jedenfalls nichts in die angestrebte Richtung. Benedikt hatte unglaublich viel gearbeitet, beziehungsweise durch Abwesenheit geglänzt, was ihm zumindest den Freiraum verschaffte, seiner Passion – Fotografieren und Bildbearbeitung - nachzugehen.
Im Schlafzimmer bewegte sich etwas. Er spähte in den Raum. Das Bett war verwaist, also befand sich Benedikt im Bad. Rasch schüttelte er die Kissen auf, legte die Decken glatt hin und entsorgte das benutzte Kondom. Jenes hatte Benedikt auf dem Nachtschrank liegenlassen.
Danach betrachtete er seinen Koffer und überlegte, ob er die Sachen in einen der Schränke sortieren sollte. Sie waren erst vor wenigen Stunden angekommen, daher war dazu noch keine Muße gewesen. Seine kostbare Ausrüstung wollte er lieber in dem sicheren Behältnis lassen und der Rest lohnte nicht, um dafür Aufwand zu betreiben.
Erneut ging er auf den Balkon. Den Anblick der Riesenyachten fand er zwar schön, fragte sich aber, wieso jemand Geld für solchen Scheiß ausgab. Bestimmt lagen die meisten dieser Schiffe mehr an der Mole, als dass sie auf See unterwegs waren. Es wäre doch viel günstiger, bei Bedarf eines zu chartern.
Wenn er jemals zu Vermögen käme, würde er es möglichst lukrativ anlegen, um irgendwann nicht mehr arbeiten zu müssen. Es war doch Unsinn, sich den Arsch abzurackern, nur um die Knete für eine Luxusyacht aus dem Fenster zu werfen. Oder für sonst welchen Luxus, wie Privatjets und ähnlichen Kram. Und so lange es Menschen, die hungerten, gab, würde er immer ein schlechtes Gewissen haben, wenn er mit den Moneten derart nachlässig umging.
Rumoren im Schlafzimmer deuteten darauf hin, dass sich Benedikt ankleidete. Essen gehen, anschließend durch die Clubs ziehen, stand auf der Agenda. Viel lieber würde sich Yannik auf Motivsuche begeben, aber seine Bedürfnisse mussten hintenanstehen. Schließlich lebte er auf Benedikts Kosten.
Sie wanderten am Hafenbecken entlang in Richtung Altstadt. Die ganze Zeit hatte Benedikt das Handy am Ohr und quatschte mit jemandem auf Spanisch. Da Yannik der Sprache nicht mächtig war, schaltete er auf Durchzug.
Ehrlich gesagt wäre seine Wahl niemals auf Ibiza Stadt gefallen. Stark frequentierte Urlaubsorte waren nicht sein Ding. Viel schöner fand er Gegenden, in denen man auf urtümliche Gebäude und Menschen traf. Davon gab es ja leider nicht mehr viele, denn die Touristen fielen wie Heuschreckenschwärme über die Welt her.
Das Lokal, in das Benedikt ihn führte, wirkte nobel. Die Speisekarte enthielt keine Fotos und war ausschließlich in Spanisch. Egal. Benedikt bestellte sowieso immer für ihn mit.
Gerade hatte der Ober ihre Getränkewünsche aufgenommen, da tauchten zwei Männer auf und setzten sich zu ihnen. Das erklärte, wieso der Tisch für vier gedeckt war.
Die beiden unterhielten sich mit Benedikt auf Spanisch und nahmen kaum Notiz von ihm. Yannik war das gewohnt, nur verstand er sonst wenigstens die Sprache. Weil er sich langweilte, trank er mehr von dem Rotwein, als er es normalerweise getan hätte.
Nach dem Restaurantbesuch, der sich endlos hinzog, ging’s weiter in einen Club. Die Musik war ätzend. Wieder schaute er tiefer ins Glas als gewöhnlich. Scheiß drauf! Schließlich waren sie im Urlaub. Da durfte man sich mal besaufen.
Mit dem richtigen Pegel war die Mucke einigermaßen erträglich. Er tanzte sogar einmal mit Benedikt und einmal mit einem der beiden Typen, Diego, wenn er das richtig mitbekommen hatte.
Nach dem x-ten Caipirinha brachen sie auf. Ob Diego und Dingsbums in die gleiche Richtung mussten oder die Party in ihrem Appartement weitergehen sollte, wusste er nicht. Jedenfalls torkelten sie zu viert die Mole entlang. Oder nur er torkelte und bekam dadurch den Eindruck, dass die anderen drei ebenfalls unsicher auf den Beinen waren.
Es lief wohl auf die Fortsetzung der Party hinaus, denn Diego und Dingsbums folgten Benedikt und ihm in die Wohnung. Obwohl er stinkbesoffen war, breitete sich ein ungutes Gefühl in ihm aus. Das konnte daran liegen, dass er auf dem Rückweg wiederholt Hände an seinem Arsch gespürt hatte, wovon mindestens eine nicht zu Benedikt gehörte.
Sein Instinkt riet ihm zur Flucht. Der Mittelpunkt eines Gangbangs zu werden, befand sich nicht auf seiner Wunschliste. Andererseits sah er vielleicht bloß Gespenster. Mit Benedikts übertriebenen Hygienebedürfnissen ließe sich ein Vierer außerdem nicht vereinbaren.
Diego verzog sich aufs Gäste-WC. Auch Yannik musste pissen und ging ins Schlafzimmer, von dem aus man ins Bad gelangte. Misstrauen veranlasste ihn, hinter der Tür innezuhalten und zu lauschen.
„Damit das klar ist“, hörte er Benedikt sagen. „Nur mit Gummi. Auch beim Blasen. Der Bursche soll keimfrei bleiben.“
Einen Moment war er wie erstarrt, weil es das eine war, etwas zu argwöhnen, das andere, Gewissheit zu erlangen. Dann schnappte er sich seinen Koffer, brachte ihn auf den Balkon, hievte ihn über die Brüstung und ließ ihn in das darunter liegende Gebüsch fallen. Glücklicherweise handelte es sich lediglich um ungefähr zwei Meter bis zum Boden. Andernfalls hätte er ein echtes Problem.
Nachdem er ebenfalls in die Tiefe gesprungen war, griff er nach dem Trolley und schlich davon; dabei mied er anfangs den befestigten Weg, damit die Räder kein Geräusch verursachten. Erst als er sicher war, dass er sich außer Hörweite befand, wagte er, den Bürgersteig zu benutzen.
Die Straße mündete in einen großen Parkplatz, an den ein Areal mit dichtem Buschwerk grenzte. Yannik kämpfte sich durchs Dickicht, bis er meinte, vor Blicken ausreichend geschützt zu sein. Mit einem abgrundtiefen Seufzer ließ er sich im Schneidersitz nieder. Nun, wo sein Adrenalinpegel sank, spürte er wieder die Wirkung des Alkohols. Übelkeit wallte so schnell hoch, dass er fast auf den Koffer gekotzt hätte. Im letzten Augenblick schaffte er es, sich vorher umzudrehen.
Danach drehte sich die Welt weniger schnell. Eine klare Verbesserung, wenn nicht stechender Durst ihn plagen würde. Dazu, nach einem Kiosk zu suchen, um Wasser zu kaufen, fehlte ihm die Kraft. Er kramte seine Jeansjacke aus dem Trolley und machte es sich damit so gut es ging auf dem sandigen Untergrund gemütlich.
In den frühen Morgenstunden wachte er auf. Seine Kopfschmerzen waren erträglich, wahrscheinlich dank der Kotzattacke. Dafür war das Verlangen nach Flüssigkeit nicht länger zu ignorieren.
Er pinkelte neben die Stelle, an der er seinen Magen geleert hatte, stopfte die Jacke zurück in den Koffer und schlängelte sich durchs Buschwerk bis zur Straße. Fortuna meinte es gut mit ihm. Schon bald fand er einen Supermarkt, in dem er sich mit zwei Flaschen Wasser und ein paar Müsliriegeln ausstattete.
In einer schattigen Häuserlücke setzte er sich auf den Trolley, verspeiste zwei Riegel und leerte eine Wasserflasche zur Hälfte. Option eins war, zum Flughafen zu latschen und zu versuchen, einen günstigen Rückflug zu ergattern. Sein Ticket befand sich leider in Benedikts Gewahrsam. Es war aber gut möglich, dass dort jemand nach ihm Ausschau hielt. Wie schon erwähnt, wurde Benedikt sehr zornig, wenn etwas anders als gewünscht lief. Yannik traute ihm sogar zu, die Polizei unter irgendeinem Vorwand auf seine Fährte zu setzen.
Option zwei war, mit einer der Fähren zu flüchten. Das sollte er besser schleunigst tun. Noch bestand die Möglichkeit, dass Benedikt zu verkatert war, um nach ihm zu fahnden.
Wieder war Fortuna ihm hold: An der Mole lag ein Schiff, für das er einen Fahrschein löste und das gleich, als er an Bord gegangen war, ablegte. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Ermordet hätte Benedikt ihn zwar nicht, aber bestimmt gründlich bestraft. Über die näheren Details dieser Strafe dachte er lieber nicht nach.
Während der Überfahrt putzte sich Yannik im Toilettenraum die Zähne, vernichtete den Inhalt der angebrochenen Flasche und aß einen weiteren Müsliriegel. Außerdem grübelte er, ob er vielleicht überreagiert hatte. Im Grunde war Benedikt kein schlechter Mensch. Also, kein allzu schlechter. Es gab schon erhebliche Charaktermängel, aber im Großen und Ganzen konnte man Benedikt als erträglich bezeichnen. Hätte er Yannik wirklich den beiden Typen überlassen oder hatte er das eventuell falsch verstanden? Im Brausebrand bildete man sich manches ja nur ein.
Wie auch immer: Wenn Benedikt wirklich einen Vierer– oder einen Dreier, bei dem er lediglich zuschaute - im Sinn gehabt hatte, wäre die Chance, sich dagegen zu wehren, gleich Null gewesen. Ein Twink zu sein besaß den Vorteil, bei Twink-Liebhabern gut anzukommen. Ein Nachteil war, dass man sich gegen größere Männer, insbesondere in der Überzahl, nicht behaupten konnte.
Der erste Eindruck, als Formentera in Sichtweite geriet, war schon mal klasse. Eine langgestreckte Landzunge, die nur aus Felsen und Sand zu bestehen schien. Zahlreiche Boote ankerten vor dem Ufer.
Je näher sie dem Hafen kamen, desto breiter und grüner wurde die Fläche. Nur vereinzelt entdeckte Yannik Gebäude.
Als die Fähre angelegt hatte und er von Bord gegangen war, stieß er nach einigen Schritten auf ein Schild, gemäß dem Camping auf der Insel verboten war. Diese Info kannte er bereits aus dem Internet. Beim zweiten Frühstück hatte er mit seinem Smartphone Formentera gegoogelt.
Er wanderte an der Mole entlang. In einem Gebäude mit Arkaden befanden sich Geschäfte, Restaurants und Cafés. Yannik beschloss, ein wenig von seinem schmalen Budget in Koffein zu investieren. Sein Konto wies genug Guthaben für ein Rückflugticket auf. Darüber hinaus war der Spielraum gering.
Ein Kellner, bestimmt nicht wesentlich älter als er, nahm seine Bestellung auf. Er nutzte die Wartezeit, um seine Eltern über den Stand der Dinge zu informieren. Seine Mutter verkniff sich den Spruch ‚warum hast du auch nicht auf uns gehört?‘, wofür er ihr sehr dankbar war.
„Brauchst du Geld?“, erkundigte sie sich.
„Ich komm schon klar. Wenn es eng wird, sage ich Bescheid.“ Er war unendlich froh, derart verständnisvolle Eltern zu haben.
„Ich erwarte, dass du dich alle zwei Tage meldest“, verlangte sie.
„Reicht eine SMS?“
Sie seufzte. „Klar. Hauptsache, du gibst ein Lebenszeichen.“
„Du bist die Beste. Grüß Papa von mir.“
„Pass auf dich auf, mein Schatz“, verabschiedete sie sich.
Als er auflegte, wurde ihm bewusst, dass der Kellner, der seinen Café con leche gebracht hatte, in der Nähe stand und wahrscheinlich alles mitbekommen hatte. Der neugierige Ausdruck in den dunklen Augen war ein klares Indiz dafür.
Er ließ ein paar Münzen in das Glas, in dem die Quittung steckte, fallen und nippte an seinem Getränk. Obwohl seine Flucht gelungen war, fühlte er sich immer noch angespannt. Das würde sich wohl erst legen, wenn er eine Unterkunft gefunden hatte.
„Du suchen Hotel?“, sprach ihn der Kellner an.
Der Typ wollte ihn bestimmt an jemanden vermitteln und dafür Provision kassieren. Er schüttelte den Kopf.
Der Kellner beäugte seinen Trolley, dem man ansah, dass er ein paar Millionen gekostet hatte. Okay, keine Millionen, aber mehr, als er jemals für sowas ausgeben würde.
„Das ist ein Geschenk von meinem Ex-Lover“, erklärte Yannik. „Ich bin arm wie eine Kirchenmaus.“
Abgesehen von seiner Kameraausrüstung stimmte das ja auch. Im Nachhinein war er froh, sie mitgenommen zu haben. In Benedikts Haus lagen nun nur noch ein paar Klamotten, auf die er verzichten konnte. Er hegte keinen Zweifel, dass sein Ex sie kurzerhand entsorgen würde. Den größten Teil seiner Habe hatte er bei seinen Eltern untergestellt und lobte sich im Geiste selbst für diese Weitsicht.
„Ah! Estar sin blanca“, erwiderte der Kellner.
Blanca klang wie blank, also nickte er.
„Miércoles y domingo hippie mercado en El Pilar de la Mola”, erzählte der Typ. „Du fragen da.“
Mithilfe seines Smartphones fand Yannik heraus, dass miércoles y domingo mittwochs und sonntags bedeutete. Der Ort El Pilar de la Mola lag am anderen Ende der Insel. „Wie komme ich da hin?“
„Bus.“ Der Mann zeigte in die Richtung, aus der er gekommen war. „Fahren an Puerto.“
„Dankeschön.“ Er schenkte dem Typ ein dankbares Lächeln und warf einige zusätzliche Münzen in das Glas mit der Quittung.
„De nada.“ Der Kellner deutete eine Verbeugung an, schnappte sich das Gläschen und huschte davon.
Yannik trank einen Schluck Kaffee und konsultierte erneut sein Handy. Der Hippie Markt wurde in den höchsten Tönen gelobt. Neben dem in El Pilar gab es noch welche in Sant Francesc und Es Pujols. Letzterer schien das Touristenzentrum der Insel zu sein. Ein guter Grund, den Ort zu meiden. In Sant Francesc, der Hauptstadt Formenteras, würde er sich als erstes umgucken. Dort sollte es ein günstiges Hostal geben. Er sehnte sich nach einer Dusche, weil er aus jeder Pore nach Sprit stank, und einem weichen Bett. Die Nacht auf dem harten Boden steckte ihm in den Knochen.
Nachdem er die Tasse geleert hatte, begab er sich zum Anleger und fand auf Anhieb die Bushaltestelle. Daran war er vorhin, ohne sie zu sehen, vorbeigelaufen. Der Bus fuhr jede Stunde. Der nächste kam in zwölf Minuten.
Die Route führte durch ein Industriegebiet. Ansonsten gab es Felder links und rechts von der Straße. Schön waren die Mauern aus locker übereinandergeschichteten Steinen in unterschiedlichen Terrakottafarben, die sich endlos an der Strecke entlang zogen. Von denen mussten unbedingt welche auf ein Foto.
Sant Francesc entpuppte sich als ebenso kleiner Ort wie La Savina. Den Trolley im Schlepptau wanderte er durch die Straßen, bis er das im Internet angepriesene Hostal entdeckte. Ein Einzelzimmer kostete dreiunddreißig Euro pro Nacht, inklusive Frühstück. Das konnte er sich durchaus leisten. Zusätzlicher Bonus: Ein Kaffeeautomat in der Lobby, der für einen Euro schwarze Brühe ausspuckte. Milch und Zucker gab’s gratis dazu.
In dem sauberen, spartanisch eingerichteten Zimmer ließ sich Yannik auf dem Bett nieder und öffnete seinen Koffer. Seine kostbare Fotoausrüstung hatte er von beiden Seiten mit Klamotten abgepolstert. Sie waren unversehrt. Er stöpselte die Stromzuleitung seines Notebooks in eine der beiden vorhandenen Steckdosen. Für das Ladegerät des Smartphones musste er die Nachttischleuchte ausstöpseln.
Nach einer Dusche fühlte er sich wie neugeboren. Mit seiner Nikon, die er gebraucht für tausendsechshundert erstanden hatte, begab er sich auf Fotosafari.
Die Kamera kam nur ein paarmal zum Einsatz. Es schien, als ob man das Städtchen im Laufe der Jahre vollständig saniert hatte. Verwunschene Gässchen, schöne Fassaden: Fehlanzeige. Kaum charmante Winkel oder Ecken.
Im Supermarkt besorgte er zwei weitere Flaschen Wasser, Oliven, Käse und Baguette, bevor er ins Hostal zurückkehrte. In seinem Zimmer verspeiste er ein spätes Mittag- oder frühes Abendessen, ja nach Betrachtungsweise. Danach kramte er seine Badehose sowie ein Handtuch aus dem Trolley und begab sich in den Innenhof.
Rund um den Pool standen Liegen. Er wählte eine, über die ein Sonnenschirm Schatten warf. Außer ihm befanden sich nur zwei Leute in dem Areal. Ein Pärchen, vermutlich ein paar Jahre älter als er.