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Zwei dieser Storys sind bereits erschienen. Beide sind überarbeitet. Die dritte ist neu. Worum geht es? Nick verdient neben seinem Studium Geld als Stripper. Dabei lernt er einen Typen kennen, der sich als einer seiner Professoren entpuppt. Außerdem begreift er, dass Liebe noch weitaus andere Aspekte als den physischen besitzt. Oliver kann nämlich mit seiner Stimme Dinge, die er sonst nur gewissen Körperteilen zugeschrieben hat. Zudem klappt es ebenfalls auf anderen Ebenen, wenn auch gelegentlich mal ein Problem auftaucht. Eben eine ganz normale Beziehung. Warnhinweis: Unmengen an Kitsch, Klischees und ein bisschen Bettgymnastik. Für Allergiker nur bedingt geeignet. Inhalt: Nick und Oliver in love – Ihr Kennenlernen Advent bei Nick und Oliver – eine Krise, die enger zusammenschweißt Hochzeit im Hause Medler/Schumann – auch das geht natürlich nicht ohne Stolpersteine vonstatten
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Inhaltsverzeichnis
Nick und Oliver in love
Advent bei Nick und Oliver – einige Jahre später
Hochzeit im Hause Medler/Schumann
Gayles St. Georg Sonderausgabe
Sämtliche Personen, Orte und Begebenheiten sind frei erfunden, Ähnlichkeiten rein zufällig. Der Inhalt dieses Buches sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck oder eine andere Verwertung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin.
Texte: Sissi Kaipurgay/Kaiserlos
Cover, Foto: shutterstock_104217986, Depositphotos_5797970_l-2015
Design Sissi
Kontakt: https://www.sissikaipurgay.de/
Sissi Kaiserlos/Kaipurgay
c/o Autorenservice Karin Rogmann
Kohlmeisenstieg 19
22399 Hamburg
Ich bin Student und mein Name ist Nick. Eigentlich Nicholas, aber so nennt mich niemand. Um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren, strippe ich im ‚Pulverkasten’. Seit einigen Tagen sehe ich dort immer wieder den gleichen Mann im Publikum. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen meiner Professoren handelt.
Trotz meiner Bühnenerfahrung kostete es mich jedes Mal Überwindung, die Garderobe zu verlassen und vors Publikum zu treten. Wenn ich meinen Rhythmus gefunden hatte, lief aber alles wie von selbst. Mein Körper schaltete gewissermaßen auf Autopilot und mein Verstand setzte aus. Ich war dann praktisch jemand anders: Nick, der Stripper, anstelle von Nick, dem Studenten. Letzterer hätte es nicht über sich gebracht, vor so vielen Augen seine Kleidung, bis nur noch ein winziger String übrigblieb, abzulegen.
Zum Schluss warf ich mein Hemd einem der weiblichen Gäste, die direkt an der Bühne saßen, über den Kopf und riss an dem Band, das das kleine Stück Stoff auf meinen Hüften hielt. Einen Moment war die Dame mit meiner prallen Männlichkeit allein, bevor ich sie von dem provisorischen Zelt befreite und mich allen präsentierte. Mit genau abgezirkelten Schritten bewegte ich mich, während die Musik allmählich verklang, in Richtung Garderobe. Haargenau auf den Punkt, zum Schlussakkord, erreichte ich den Vorhang. Applaus brandete auf. Ich verneigte mich nach allen Seiten, bevor ich hinter den Stoff huschte.
Noch völlig im Adrenalinrausch, klopfte mein Herz wie verrückt. Ich atmete mehrmals tief durch und zog den Cockring von meinem Schwanz. Das gestaute Blut begann zu zirkulieren, was unangenehm kribbelte.
„Und? Wie ist das Publikum drauf?“, sprach mich mein Kollege Mark an, der nach der nächsten Gesangseinlage seinen Auftritt hatte.
Er war noch relativ neu, bisher erst einmal auf der Bühne gewesen. Dagegen kam ich mir wie ein alter Hase vor. Immerhin gab ich seit zwei Jahren viermal pro Woche den Almfuzzi, der sich die Lederhosen vom Leib riss.
„Wie immer: Die Weiber sabbern und die Männer gucken verschämt weg.“ Allerdings taten das bei weitem nicht alle. Besonders ein Typ war mir in den letzten Wochen aufgefallen. Sein Blick klebte förmlich an mir. Auch eben hatte ich ihn im Publikum entdeckt.
Ich stieg in meine Boxershorts und verstaute, zugegeben ein bisschen übertrieben ächzend, um Mark zu imponieren, meinen halbweichen Schwanz. Aus dem Zuschauerraum drang die Stimme von Doris, die Tulpen aus Amsterdam intonierte. Ihr Organ ließ meine Semierektion endgültig abschwellen. Ein Glück, dass ich vor ihr dran war. Mark schien ihr schräges Geträller kaum zu stören. Konzentriert verschaffte er sich einen Ständer und fixierte die Latte mit einem Cockring. Ungeniert guckte ich zu, aus rein professionellen Motiven. Schließlich waren Schwänze Mittelpunkt unserer Darstellung, da musste man doch informiert sein, was die Konkurrenz vorzuweisen hatte.
„Nettes Teil“, murmelte ich beifällig, griff nach meiner Jeans und streifte sie über.
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich Marks Erröten und dass er fahrig an seinem Stringtanga herumfummelte. Er tat mir leid. Ich wusste noch, wie schwierig es zu Anfang gewesen war. Es würde eine Weile dauern, bis es für ihn zur Routine wurde oder er hörte vorher auf. Das war auch schon mal passiert. Nicht jeder taugte zur Rampensau.
Ich schlüpfte in mein T-Shirt und in die Schuhe. Anschließend stopfte ich meine Arbeitskleidung in die Sporttasche, schulterte sie und wandte mich in Richtung Ausgang.
„Nick, warte!“ Mark griff nach meinem Arm und als ich mich umdrehte, sah ich sein angsterfülltes Gesicht. „Ich kann da nicht raus.“
Akuter Anfall von Lampenfieber. Ich ließ meine Tasche fallen, umfasste seine Schultern und sah ihm dabei fest in die Augen.
„Stell dir vor, die sind alle nackt. Stell dir vor, du bist als Einziger noch angezogen. Und, vor allem, atme.“
Gehorsam holte er tief Luft und zwang ein Lächeln auf seine Lippen. An seinem andächtigen Augenausdruck erkannte ich, dass er auf mich stand. Aus einem Impuls heraus beugte ich mich vor und küsste ihn sanft auf den Mund, dann gab ich ihm einen auffordernden Klaps auf den Hintern.
„Du schaffst das, Großer“, feuerte ich ihn an.
Mark begann zu strahlen, zwinkerte mir zu, schritt zum Vorhang und richtete sich kerzengerade auf. In dem Moment, in dem die ersten Takte seiner Strippermucke erklangen, warf er mir einen verliebten Schulterblick zu und trat nach draußen. Ich seufzte leise und hob meine Tasche wieder auf. Er war süß und ich mochte ihn, aber mehr leider nicht.
Durch die Küche lief ich zum Hinterausgang. Der Pulverkasten machte seinem Namen alle Ehre, war er doch kaum größer als ein Schuhkarton. Für die Darsteller gab es lediglich zwei winzige Garderoben. Manche mussten sich sogar auf dem Flur umziehen. Betriebsklima und Bezahlung stimmten jedoch, daher machte es trotz der Enge Spaß hier zu arbeiten.
Als ich durch die Tür nach draußen trat, empfing mich warme Hamburger Nachtluft. Der Club lag in St. Georg, dem wohl quirligsten Viertel der Stadt, mit den vielen Szeneläden, Sexshops, Hotels und der unmittelbaren Nähe zum Hauptbahnhof. Nur auf der Reeperbahn gab es noch mehr Auswahl an Vergnügungen.
Ich schlenderte die Nebenstraße in Richtung Steindamm hinunter. Nachtschwärmer waren um diese Zeit zuhauf unterwegs, überwiegend Mitbürger mit Migrationshintergrund. Typisch für diesen Stadtteil, in dem sich viele Geschäfte in türkischer Hand befanden und einige islamische Kulturzentren lagen.
Als Frau oder schmächtiger Mann hätte ich wahrscheinlich Unbehagen empfunden. Ich war aber größer als viele der Typen und fühlte mich außerdem fit genug, um es auch mit mehreren der Kerle aufnehmen zu können. Wenn ich nicht gerade lernte oder strippte, stählte ich meine Muskeln und machte Konditionstraining.
Apropos: Ich war mittlerweile sechsundzwanzig Jahre alt und studierte im zehnten Semester Germanistik, ohne ein Ende in Sicht. Ein paar Urlaubssemester und ein bisschen Schlendrian hatten das Ganze in die Länge gezogen. Ich wusste eh nicht so recht, was ich mit einem Abschluss anfangen, also, wozu ich mich beeilen sollte. So lange es Leute gab, die mich nackt sehen wollten, bekam ich auch so genug Geld zum Leben zusammen. Klar, ein eigenes Auto wäre schon schön, eine größere Wohnung ebenfalls, doch momentan war ich mit meiner Situation zufrieden.
Ich erreichte die U-Bahnstation, rannte die Stufen zum Bahnsteig hinunter und hatte Glück: Ein Zug fuhr gerade ein. Es war bereits kurz vor Mitternacht. Am nächsten Tag musste ich zeitig aufstehen und sehnte mich nach meinem Bett. Ich hatte nämlich vor, endlich mal wieder zu einer Vorlesung zu gehen.
Nachdem der große Blonde die Bühne verlassen hatte, blendete ich die nächste Darbietung halbwegs aus. Gott steh mir bei: Ich war total verschossen in einen Stripper. Das zehnte Mal hatte ich ihm heute dabei zugesehen, wie er sich auszog und ich könnte es mir bestimmt noch hundertmal angucken, ohne dessen müde zu werden. Mein Schwanz stimmte dieser Einschätzung zu. Während eine fette Transe von Rosen aus Athen trällerte, verfiel ich in Tagträume. Einmal mit meiner Zunge über diese definierte Brust lecken, an den süßen Knöpfchen knabbern und, über den Bauchnabel hinunter, dem Liebespfad aus goldenem Flaum folgen...
Meine eingeklemmte Erektion ermahnte mich dazu, meine Konzentration auf den Transvestiten zu richten, um eine ungewollte Kastration zu verhindern. Der schreckliche Song war ideal zum Runterkommen, genau wie ihre Stimme und das Kleid, in das sie jemand eingenäht haben musste. Am liebsten würde ich aufstehen und gehen. Bei meinem letzten Versuch diesbezüglich hatte mich die Platzanweiserin – ebenfalls eine Transe in hautengem Kostüm – mit einem dermaßen strafenden Blick bedacht, dass ich umgehend zurück auf meinen Sitz gesunken war. Ich taugte eben einfach nicht dazu, mich außerhalb des Hörsaals durchzusetzen.
Aus diesem Grund hatte mich auch mein letzter Freund verlassen. „Du bist eine Niete“, waren seine Worte, bevor er vor drei Jahren aus meinem Leben verschwand. Seitdem lag mein Sexualleben größtenteils brach. Okay, es war inexistent. Fürs Aufreißen in einschlägigen Clubs war ich zum einen ungeeignet, zum anderen wollte ich sowieso einen festen Partner, keinen One-Night-Stand. Insgeheim träumte ich von meinem Seelenverwandten, aber ich wäre, gemessen an meiner derzeitigen Situation, auch schon mit einem lieben Mann relativ zufrieden ... so lange er wie der blonde Stripper ausschaute.
„Reiß dich mal zusammen, Oliver“, ermahnte ich mich, nur für meine eigenen Ohren bestimmt.
Mein Sitznachbar guckte mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Anscheinend hatte ich mein Selbstgespräch lauter als beabsichtigt geführt. Ich warf ihm ein entschuldigendes Lächeln zu, was er mit einem gleichmütigen Schulterzucken abtat.
Mittlerweile war die dicke Transe von der Bühne verschwunden und ein neues Stück begann. Ein hübscher Braunhaariger erschien und begann, sich zu den Klängen zu entkleiden, vermochte mich aber nicht zu fesseln. Ich war eben total auf den Blonden fixiert. Dennoch sah ich ihm pflichtschuldig zu und applaudierte, als seine letzte Hülle fiel. Er war irgendwie süß, wie er so unsicher ins Publikum lächelte, trotzdem keine Konkurrenz für den Blonden.
Zwei mehr oder minder erträgliche Showacts später war ich erlöst. Die frische Nachtluft tat gut, nach dem stickigen Mief im Pulverkasten. Unglaublich, was ich mir antat, nur um ihn zu sehen. Ich löste mich aus der Traube, die nach draußen geströmt war und ging zu dem kostenpflichtigen Parkplatz am Ende der Straße, wo ich meinen Wagen abgestellt hatte.
Erleichtert atmete ich auf, als ich hinterm Lenkrad saß und die Zentralverriegelung einrastete. Mir war die Gegend ziemlich unheimlich. Es liefen für meinen Geschmack zu viele aggressiv wirkende Männer hier herum. Die unmittelbare Nachbarschaft eines Travestieclubs und einiger Moscheen bildete erhebliches Krisenpotential. Ein Wunder, dass bisher kaum etwas passiert war.
Während ich durch den nächtlichen Verkehr nach Hause fuhr, geisterte wieder der Blonde durch meinen Kopf. Der spielte in einer ganz andere Liga als ich. Sollte ich dennoch Kontakt zu ihm aufnehmen? Vermutlich würde er mich einfach übersehen, denn wer war ich schon? Na gut, Professor für Germanistik an der Uni Hamburg, aber ansonsten schmächtig, klein, unscheinbar. Eigentlich war ich mit mir ganz zufrieden, doch in diesem Fall wünschte ich, größer und muskulöser zu sein, um dem Blonden etwas zu bieten. Außerdem trug ich auch noch eine Brille. Es gab also äußerlich nichts, was den Mann interessieren könnte.
Nachdem ich endlich einen Parkplatz gefunden hatte, befand sich meine Stimmung auf ihrem tiefsten Punkt. Drei Runden musste ich drehen und verfluchte meinen Geiz, der mich davon abhielt einen Stellplatz zu mieten. Niedergeschlagen trottete ich über den menschenleeren Bürgersteig und stellte mich, in meiner Wohnung angekommen, meinem Spiegelbild an der Garderobe. Irgendwie war ich in Stimmung, mich richtig runterzumachen.
Der Typ, der mich anglotzte, sah erbärmlich aus: Klein, bebrillt und nichtssagend. Ich streckte dem Idioten die Zunge heraus und ging ins Bad. Zähne putzen, pinkeln, Hände waschen und ab ins Bett. Kaum lag ich, wanderten meine Gedanken wieder zu dem Blonden.