Soulcatchers of Blackland - Elke Wollinski - E-Book

Soulcatchers of Blackland E-Book

Elke Wollinski

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Beschreibung

Die Schülerin Becky steht kurz davor ihrem Leben ein Ende zu setzen, da sie mit den Demütigungen ihrer Mitmenschen gegen sie nicht mehr zurechtkommt. Sie entscheidet sich von einer Flussbrücke zu springen. Im letzten Moment jedoch erscheint der geheimnisvolle Alex. Er überredet sie ihr Vorhaben noch einmal zu überdenken und ihm stattdessen zu folgen. An einen Ort, der ihr Hilfe verspricht. Dieser Ort ist Blackland und befindet sich unterhalb der Erde, aber oberhalb der Hölle. Sie weiß nicht, dass Alex ein gefallener Engel ist und für den Höllenfürsten Mephisto Seelen sammelt, welche diesen am Leben erhalten. Auch Beckys Seele ist Mephisto längst versprochen. Da sie aber von dem äußerst attraktiven Ex Engel sofort fasziniert ist, folgt sie ihm in das dunkle Land. Als sie dort eintreffen merkt sie sehr schnell, dass dort das Böse regiert und alle Menschen, die dort leben ein Geheimnis haben. Auch die Truppe der anderen Seelensammler um Alex scheinen nicht ganz freiwillig hier zu sein. Sie alle sind Sklaven Mephistos und für alle Ewigkeit verdammt ihm zu dienen. Nach und nach kommt Becky hinter das Geheimnis des dunklen Landes und will fliehen. Sie freundet sich mit Ex Engel Alex an und bald wird mehr daraus. Als Mephisto Alex betrügt, schwört dieser Rache. Becky ist bereit ihm zu helfen zu fliehen und plant eine Revolte gegen den Höllenkönig.

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Bereits erschienen:

Magic World Series:

Come into my world come into my heart

Fire Hearts Die Seelenfänger von Blackland (Erstauflage)

Soulcatchers ( Neuauflage von Fire Hearts )

Love Adventures Series:

Wenn Träume lügen Gefunden

Wenn Träume lügen Verloren

Free 1 Die Welt gehört uns wenn du bei mir bist

Verschiedene junge Leute wollen aus Verzweiflung ihrem Leben ein Ende setzen. Eine von ihnen ist Becky, die seit einem Unfall schlimme Narben hat und deshalb gemieden wird.

Fest entschlossen, ihren Plan umzusetzen, stellt sie sich auf eine Flussbrücke. Bereit zum Sprung. In letzter Sekunde taucht der geheimnisvolle Alex auf und verhindert das Schlimmste. Er überzeugt Becky davon ihm zu folgen. An einen Ort, der das Leben wieder lebenswert macht. Blackland. Becky ahnt nicht, dass Alex ein gefallener Engel ist, der für den Höllenfürsten Mephisto Seelen sammelt, und ihre ihm schon längst versprochen ist. Doch Alex´ Wesen fasziniert Becky so sehr, dass sie mit ihm geht. Als sie tief unter der Erde Blackland erreichen, merkt sie sehr schnell, dass dort etwas Böses vor sich geht. Nicht zuletzt weil Mephisto ganz und gar nicht menschlich erscheint. Becky stellt Alex zur Rede und erfährt, dass auch er, genau wie seine drei Freunde, und viele andere, nicht freiwillig dort sind. Sie sind Diener und Sklaven Mephistos und werden von ihm kontrolliert, bis in alle Ewigkeit zu Seelenfängern verdammt. Als Mephisto Alex betrügt und dessen große Liebe tötet, schwört Alex Rache.

Dabei bekommt er Hilfe von Becky und ihren Freunden. Alex und Becky kommen sich näher und verlieben sich heftig ineinander. Klar dass sie ihm helfen will zu entkommen. Ein Kampf zwischen Himmel und Hölle ist unvermeidbar. Kann Becky Alex retten oder bleibt sie ebenfalls für immer eine Sklavin der Hölle?

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

1 Becky

Ich schaue in den Spiegel. Schon wieder. So wie jeden verdammten Tag. Doch noch immer bin ich hässlich. Es hat sich nichts geändert, seit jenem Tag des Unfalls. Noch immer sind meine Oberschenkel mit fetten Narben übersät. Ich werde für den Rest meines Lebens jeden Tag an diesen Unfall erinnert werden.

Draußen ist es warm. Sommer. Und ich möchte so gerne wieder einen Minirock tragen. So wie früher. Ich bin erst 17, und mein Leben wäre vor zwei Jahren schon fast vorbei gewesen. Der Tag als ich mit meinen Freunden zum Schwimmen fuhr. Terence saß am Steuer. Wir alle hielten ihn für vernünftig, weil er der Älteste von uns Fünf war. Doch das war wohl ein Irrtum. Wir alle wollten zum See. Die Stimmung war gut. Super. Es sollte so ein schöner Tag unter uns Freunden werden. Wir waren schon immer gemeinsam unterwegs gewesen. Unsere Clique: Claire, Aline, Troy, Terence und ich. Terence ist Troys Bruder. Das heißt, er war es. Außer mir hat keiner den grausamen Unfall überlebt. Terence hatte sich zu einem Rennen verleiten lassen. Er hatte es verloren.

Unser Wagen krachte gegen einen dicken Baum. Alle starben noch am Unfallort, außer mir. Aber meine Beine waren nur noch Matsch. Mühsam wurden sie wieder zusammen geflickt. Und jetzt sehe ich aus wie Frankenstein. Meine Beine sind zu hässlich, als dass ich sie jemandem zeigen würde. Die Narben sehen wie dicke Regenwürmer aus, die sich auf meinen Beinen entlang wuseln. Ich starre sie an. Immer. Aber ich kann es nicht ändern.

Tränen ringen meine Wangen hinab. Eigentlich bin ich nicht so übel. Mein Haar ist blond, glatt und reicht mir bis zum Po.

Dick bin ich nicht. Dumm auch nicht. Eigentlich könnte ich nicht klagen, wenn nur meine Beine noch immer so hübsch wären wie vorher. Als Cheerleaderin habe ich schon längst das Handtuch geworfen. Ich wäre eine Witzfigur für die ganze Truppe. Jeder würde mich anstarren. So wie im Sportunterricht.

„Sieh´ dir Frankensteins Braut an“, ist noch das Freundlichste, das ich fast täglich hören muss. Meine Freunde sind keine mehr, seit ich so aussehe. Ich sollte froh sein dass ich noch da bin, aber das bin ich nicht. Nichts ist mir geblieben. Außer meinen Eltern und dem Hund. Er mag mich noch immer. Ich bin ja auch noch immer der selbe Mensch. Nur in hässlich. Jeder Tag ist eine Qual für mich, wenn ich meine Beine zeigen muss. Sogar beim Arzt schäme ich mich in Grund und Boden dafür. Aber das bin jetzt Ich. Becky. Rebecka Turner aus Georgia.

„Becky, bist du fertig?“, höre ich meine Mutter rufen und reißt mich damit aus meinen Gedanken.

„Ich komme“, brülle ich und wende mich vom Spiegel ab. Es ist Zeit dem Übel wieder einmal ins Auge zu sehen. Die Schule wartet auf mich. Und mit ihr all meine Peiniger, die nur darauf warten mich zu beleidigen. So als sei ich eine Aussätzige mit einer ansteckenden Krankheit. Draußen sind fast 28 Grad und trotzdem zwänge ich meine Gruselbeine in eine lange Jeans. Die Uhr zeigt fast sieben und mir bleibt keine Zeit mehr zum Selbstmitleid. Es dauert ja nicht mehr lange. Dann ist die Schule für mich Geschichte. Nur noch vier Wochen. Dann ist alles vorbei Zumindest mein Leidensweg dort. Ich reiße mich vom Spiegel los. Jetzt sehe ich halbwegs akzeptabel aus. Ich renne zur Treppe hinab und steige zu meiner Mutter ins Auto. Einen Führerschein habe ich nicht, weil ich zu viel Angst seit dem Unfall habe selbst zu fahren. Oder zu wissen, es zu müssen, wenn ich einen hätte. Vielleicht kann ich meine Angst ja eines Tages besiegen.

„Alles klar Schatz?“, fragt meine Mutter und schaut mich an.

„Alles wie immer Mom. Ich will da nicht hin. Ich hasse sie alle....“

„Ach Becky. Freue dich doch dass du noch da bist. Das Leben ist doch trotzdem schön.“

„Jetzt nicht mehr“, ätze ich und glotze aus dem Fenster.

Nie wieder werde ich ein Schwimmbad betreten. Nie wieder werde ich mich jemandem nackt zeigen. Nie mehr. Also werde ich alleine sein. Welcher Junge will schon eine Freundin mit Beinen voller roter dicker Kratern drauf? Niemand. Das weiß ich.

Meine Mutter sagt nichts mehr und fährt los. Die Schule ist ca.

eine halbe Stunde von meinem Haus entfernt. Als wir dort anhalten sind sie schon alle dort. Alle, die meine Freunde waren.

Alle, die jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Ich frage mich warum ich überhaupt mit solchen Leuten zu tun gehabt habe.

„Du schaffst das Becky“, sagt meine Mutter und drückt zärtlich meine Hand. Ich weiß sie meint es nur gut. Aber trotzdem. Es ist die Hölle jeden verdammten Tag Beleidigungen und Hänseleien der anderen einzustecken.

„Ich weiß Mom. Bis später“, antworte ich und steige aus. Auf dem Hof stehen alle dicht zusammen. Sie reden miteinander.

Über ihre Abenteuer am Wochenende. Über Sex und Kosmetik.

So wie immer. So wie ich es früher auch getan habe. Doch jetzt verstummen sie als ich an ihnen vorbei gehe.

„Da ist ja Becky Frankenstein“, höre ich Lisas Stimme. Lisa führt unsere Cheerleader an und sie ist die Hübscheste der ganzen Schule. Früher gehörte ich dazu. Jetzt nicht mehr. Ich versuche stolz und gleichgültig auszusehen, als ich an ihnen vorbei laufe.

Ich spüre ihre Blicke in meinem Rücken und es tut so weh. Dabei habe ich mich nicht verändert. Aber Optik ist hier alles was zählt.

Das habe ich inzwischen begriffen.

Ich erreiche die Tür zur Mensa. Auch hier entgehen mir die Blicke nicht. Ich höre sie tuscheln hinter vorgehaltener Hand:

„Das ist doch die mit den hässlichen Beinen. Es war ein Unfall...“

Weit hinten in einer Ecke sehe ich Philip sitzen. Er starrt mich an.

Philip ist noch nicht so lange hier an der Schule. Er weiß nicht was mir passiert ist. Und ich möchte auch nicht dass er es erfährt.

Philip sitzt alleine dort. Ich schätze sie machen es ihm auch nicht leicht dazu zu gehören. Noch immer schaut er in meine Richtung.

Er ist gar nicht so übel, aber ich werde nicht zu ihm gehen. Mein Weg führt mich weiter zur Auslage der Mensa. Es ist noch Zeit für einen Kaffee. Den hole ich mir dann auch. Zielstrebig steuere ich auf einen freien Tisch zu. Niemand sitzt hier und ich bin froh darüber. Dann läutet es zur Stunde und ich raffe meine Sachen zusammen. Als ich die Klasse erreiche sind erst wenige hier.

Niemand nimmt Notiz von mir. Philip geht nicht in meine Klasse.

Besser so, denn sonst wüsste er längst was mit mir nicht stimmt.

Mrs.Swanson betritt den Raum. Hinter ihr der Rest der Höllenbrut. Neben mir sitzt niemand. Keiner redet mit mir. Aber da stehe ich drüber. Ich versuche es zumindest. Der Unterricht beginnt und ich versuche zu folgen. Dann verlangt die Lehrerin einen Aufsatz über unser schlimmstes Erlebnis und schon bin ich Thema der Stunde:

„Die Frankensteinbraut hat da sicher viel zu erzählen. Diese Geschichte reicht für uns alle“, brüllt Maggie und alle stimmen ihr zu. In meinem Hals bildet sich ein fetter Kloß und ich kann es nicht mehr aufhalten. Meine Augen beginnen zu brennen. So sehr ich mich auch bemühe, ich fange an zu heulen. Nicht dass ich das will aber ich komme nicht gegen den Hass an, der mir hier entgegen schlägt.

„Ruhe bitte“, versucht Mrs.Swanson die Situation zu entschärfen.

Aber für mich ist es hier vorbei. Ich kann und will das alles nicht mehr ertragen. Deshalb springe ich schwungvoll von meinem Stuhl auf und verlasse fluchtartig die Klasse. Genug ist genug.

Ich renne aus dem Gebäude. Weg von hier. Keine Ahnung wohin.

Ich laufe einfach. Ich drehe mich nicht um. Heute habe ich das alles hier zum letzten mal gesehen. Ich werde es beenden. Jetzt.

Sofort. Dieses Leben ist keines mehr. Niemand wird mich vermissen. Ich laufe Stadtauswärts zur Flussbrücke. Sie ist hoch und breit. Der Fluss schlängelt sich wild unter ihr hindurch. Sie ist hoch genug um bei einem Sprung hinab garantiert nicht zu überleben. Das Wasser wird meine Erlösung sein. Ich klettere über die Brüstung und starre den Fluss an. Mein ganzer Körper zittert. Noch immer heule ich wie irre. Bald ist es vorbei.

Ich denke an meine Eltern. Daran wie sehr ich sie liebe. Sie sollen nicht um mich weinen. Sie werden wieder glücklich sein.

Ich stelle meine Tasche ab und beuge meine geschundenen Beine.

Fertig zum Sprung. Da höre ich eine Stimme:

„Hey. Was hast du vor?“

Kurz verlässt mich mein gerade gefundener Mut und ich drehe mich zu der Stimme um. Sie gehört einem jungen hübschen Typen. Er ist groß, schlank. Sein Haar ist schwarz, wild und schulterlang, seine Augen ganz dunkel. Fast auch schwarz, würde ich sagen. Er sieht aus als stamme er aus einer Metallband der 80er. Solche Männer tauchen hier eigentlich nie auf. Er könnte echt einem Plattencover aus der Sammlung meines Vaters entsprungen sein. Er sieht verdammt heiß aus. Der Typ kommt näher. Er trägt einen langen schwarzen Ledermantel und eine enge Lederjeans. Seine Füße stecken in klobigen Boots mit Nieten an Fußspitzen und den Fersen. Der Mantel weht offen um ihn herum und ich sehe dass er ein weißes Shirt trägt, das seine Figur sehr vorteilhaft betont. Er kommt näher. Ich kann sein Aftershave schon riechen.

„Wer bist du?“, will ich wissen und halte mich am Geländer fest.

„Ich bin Alex. Und du?“

„Becky.“

Ich drehe mich wieder von ihm weg als er noch näher kommt.

„Was soll das werden Becky?“

„Das geht dich nichts an.“

„Doch schon. Es ist meine Pflicht Leben zu retten. Und du scheinst noch nicht so lange auf dieser Welt zu sein.“

„Du schon oder was?“

„Kann man so sagen.“

Er ist jetzt ganz nah bei mir. Noch einmal sehe ich ihn an. Sein Gesicht ist leicht gebräunt. Das Haar hängt ihm frech über seine Augen. Ja, sie sind tatsächlich schwarz. Noch nie zuvor habe ich eine solche Augenfarbe gesehen. Aber sie passt zu ihm.

„Was willst du?“, frage ich und starre wieder aufs Wasser.

„Nun, es ist ein schöner Tag. Und das Wasser ist kalt. Willst du diesen wundervollen Tag in eiskaltem Wasser verbringen und darin sterben?“

„Ja verdammt. Hau ab.“

Ich wundere mich selbst über mich, aber es ist jetzt eh egal. Ich hole Luft und beuge meine Knie erneut zum Sprung. Ich kneife meine Augen zusammen, sammele allen Mut, den ich finden kann. Jetzt ist der Moment. Ich lasse das Geländer los. Doch Alex greift nach meinem Handgelenk und hält mich fest:

„Das mache lieber nicht. Was kann so schlimm sein, dass du diese Welt verlassen willst.“

Ich sehe ihn an. Dieser Typ ist eine Sünde wert, aber ich will es nicht versuchen. Ich sterbe jetzt, hier und heute. Denn es ist alleine meine Entscheidung. Mein verdammtes, beschissenes Leben. Und da kann auch dieser heiße Typ nichts mehr daran ändern.

„Komm da runter Becky, bitte.“

Seine Stimme ist dunkel, rau, männlich, und etwas in ihr zwingt mich dazu zurück über das Geländer zu ihm zu klettern. Sein Blick schüchtert mich ein, denn diese schwarzen Augen sind einzigartig.

„Und was nun?“, frage ich als ich auf der anderen Geländerseite vor ihm stehe.

„Es gibt keinen Grund dafür, dass du in diese kalte Pfütze springen willst. Für alles gibt es eine Lösung.“

„Für mich nicht. Lass mich alleine. Das hier geht nur mich etwas an. Mach´s gut Alex. Lass mich los.“

„Nein.“

„Nein? Warum?“

„Ich habe dir doch schon gesagt, dass es meine Pflicht ist, Leben zu retten.“

„Dann nimm dir heute frei verdammt nochmal.“

„Nein.“

Sein Griff wird fester. Und er sieht mich beinahe flehend an.

Dieser Typ ist tatsächlich die pure Sünde, aber mein Entschluss steht fest. Dieser Fluss hier wird mich mit sich tragen. Bis in die Ewigkeit, wo ich meinen Frieden finde. Und davon wird auch Alex mich nicht abhalten.

„Ich sage es noch einmal. Es gibt für alles eine Lösung. Becky, bitte.“

Seine Stimme hat etwas Beruhigendes an sich und zwingt mich dazu einen Augenblick zu überlegen.

„Und was schlägst du vor?“, frage ich, als ich neben ihm stehe.

Er hat mein Handgelenk noch immer fest umklammert.

„Ich kann dir helfen. Erzähle mir von dir. Ich höre dir zu.“

„Du kennst mich doch gar nicht.“

„Das können wir ja ändern“, sagt er und zieht mich vom Geländer fort.

2 Zaine

„Steh´ auf man. Looser“, höre ich Bart sagen, als ich auf der Wiese liege. Das Spiel ist noch nicht vorbei. Sie haben mich überrannt. Football ist mein Leben. Aber etwas in mir will nicht weiter machen. Ich hechele ihn an. Meine Lunge ist so klein. Ich bekomme kaum noch Luft. Keine Ahnung was mit mir los ist.

Schon seit Wochen habe ich auf einmal Probleme. Ich habe das Gefühl zu ersticken. Einfach so kommt es über mich. So wie jetzt eben. Ich hatte den Ball. Und dann kippte ich einfach um. Die Mannschaft brüllte mich an. Ich habe es nicht mehr geschafft Bart anzuspielen. Jetzt kniet er neben mir. Seine Augen sagen nichts. Aber ich denke dass er sauer ist. Die Zuschauer johlen. Sie wollen dass es weitergeht. Ich kann nichts tun, ihm nicht antworten. Meine Luft reicht nicht aus etwas zu tun.

„Zaine verdammt. Was ist los mit dir?“

Ich ringe nach Luft und bekomme Panik. Es kann jeden Moment vorbei sein. Bart klopft mir auf die Schultern und setzt mich auf.

Meine Brust hebt und senkt sich. Noch immer schnürt sich alles zu.

„Was ist hier los?“, brüllt Mr. Cormick, der unser Trainer ist. Das Spiel wird unterbrochen. Alle Kameraden stehen um mich herum.

„Was hat er denn?“, höre ich Clayton, unseren Kapitän. Noch immer versagt alles an mir. Ich hechele wie ein Hund, aber sagen kann ich nichts. Denn ich weiß es ja auch nicht. Ich registriere wie der Trainer sein Handy zückt:

„Wir brauchen einen Arzt. Ein verdammter Arzt muss her.

Schnell.“

Ich liege auf der Wiese. Meine Kollegen befreien mich von meiner Ausrüstung. Schwer liegt sie auf meiner Brust. Meine Lunge pfeift wie bei einem Achtzigjährigen nach einem Marathonlauf. Ich schließe die Augen, versuche ruhig zu werden.

Es dauert ewig bis ich Getrampel höre, und eine Trage neben mir abgelassen wird.

„Wir nehmen ihn mit“, sagt einer der Ärzte und stülpt mir eine komische Maske über das Gesicht. Die Maske erleichtert es mir Luft zu bekommen. Dann werde ich in den Rettungswagen geschoben. Ich höre noch wie Cormick meine Eltern anruft.

Leider waren sie heute nicht hier beim Spiel, weil beide arbeiten mussten. Sonst sind sie immer da. Ich bin ein ganz passabler Spieler und habe gute Chancen in einen hochkarätigen Verein aufgenommen zu werden. Ich bin Zaine Blyd. Seit zwanzig Jahren wandele ich auf dieser Erde. Und seit der Hälfte meines Lebens spiele ich schon Football. Eines Tages werde ich damit mein Geld verdienen. So der Plan. Aber das heute war eine einzige Blamage. Wir erreichen das Krankenhaus. Sofort komme ich in die Notaufnahme. Noch immer hechele wie ein Sterbender in der Wüste. Ein Arzt betritt das Zimmer und setzt sich auf einen Stuhl neben meinem Bett. Kurz darauf treffen meine Eltern ein.

„Zaine. Um Himmels Willen. Was ist denn passiert?“, fragt meine Mutter und greift nach meiner Hand. Mein Vater baut sich auf der anderen Seite neben meinem Bett auf. Er sieht besorgt aus. Das kann ich an den tiefen Falten auf seiner Stirn erkennen. Noch immer fühle ich mich schwach. Ich kann nicht antworten.

Deshalb tut es der Arzt für mich:

„Ist das schon öfter vorgekommen?“, will er von meinen Eltern wissen.

„Nicht dass ich wüsste. Was ist mit ihm?“, fragt mein Vater.

Meine Mutter drückt meine Hand noch fester und ich sehe wie sie versucht nicht zu flennen. Klar kam es schon öfter vor in letzter Zeit. Aber nie so schlimm wie jetzt. Ich habe meinen Eltern und auch sonst niemandem davon erzählt. Wozu auch?

Wird sich schon wieder legen. Jeder wird einmal krank oder nicht?

„Ich schätze Ihr Sohn leidet unter einer sehr starken Form von Asthma.“

Was? Nein nein. Da irrt sich der Typ. Er MUSS sich irren.

Asthma, eine alte Leute Krankheit. Ich? Niemals.

„Und was bedeutet das jetzt?“, will meine Mutter wissen. Ihre Stimme beginnt zu zittern.

„Es bedeutet dass er in Zukunft von solchen halsbrecherischen Sportarten absieht und immer eine dieser kleinen Sprühflaschen hier bei sich trägt. Der Arzt holt eine kleine silberne Flasche aus der Kitteltasche und gibt sie meinem Vater. Ich kann noch immer nicht reden. Aber langsam kommt Leben in meinen Körper zurück.

„Er soll seinen Sport aufgeben richtig?“

Diese Frage kam von meinem Vater.

„Es wäre das Beste. Ihr Sohn kann leben wie alle anderen auch.

Aber solche Dinge strengen ihn zu sehr an. Asthma ist häufig verbreitet und man kann damit leben. Sie sollten nur darauf achten dass er immer eine dieser Flaschen dabei hat. Sie kann sein Leben retten.“

Fantastisch. Ich bin ein Krüppel. Aus der Traum von der großen Karriere als professioneller Footballspieler.

„Wir werden ihn noch ein paar Tage hier behalten. Nur zur Sicherheit. Machen sie sich keine Sorgen. Bald geht es ihm wieder besser.“

Damit erhebt sich der Arzt von seinem Stuhl und lässt uns alleine.

Endlich habe ich genug Luft um auch etwas dazu zu sagen.

„Was soll das heißen?“

„Du hast den Doktor gehört. Es ist zu gefährlich, weiter Football zu spielen. Du solltest dir vielleicht ein anderes Hobby suchen.“

„Mom. Niemals. Ich habe ein Stipendium.“

„Zaine. Bitte sei doch vernünftig.“

Ich lasse mich zurück ins Kissen fallen. Das ist der Schock meines kurzen Lebens. Football ist alles was ich brauche. Es gibt da sicher einen Weg.

„Wir lassen dich jetzt alleine. Ruh´ dich aus ja?“

„Klar.“

Meine Laune sinkt auf den Nullpunkt. Was soll ich denn jetzt machen? Ich kann und will nichts anderes tun. Das müssen die doch verstehen. Meine Eltern verlassen das Zimmer. Ich bin alleine.Aber nur kurz. Dann kommen Bart und einige der Jungs zu Besuch.

„Du machst ja einen Scheiß Mann“, sagt Bart und haut mir auf die Schultern.

„Ernste Sache wie mir scheint. Was Junge?“, will Cormick wissen.

„Asthma Leute. Ich kann meine Karriere an den Nagel hängen.“

„Was? Bist du irre? Du bist unser bester Spieler, neben Clayton.

Das kannst du nicht machen. Wo stehen wir ohne dich Zaine“, brüllt Bart. Was soll ich sagen? Mir passt das alles auch nicht.Überhaupt nicht.

„Nicht zu fassen. Unser bester Spieler fängt sich einen Rentnervirus ein. Du musst dich zusammenreißen, Zaine. Es ist mitten in der Saison.

„Ich kann es nicht ändern. Diese kleine Flasche hier entscheidet ab sofort ob ich weiter lebe oder nicht.“

Ich halte das Spray hoch und versuche nicht zu heulen wie ein verdammtes Mädchen.

„Wir werden absteigen, verdammte Scheiße.“

Bart ist kaum zu bremsen.

„Denkst du ich habe darum gebeten? Fakt ist, ich will noch nicht sterben. Wenn das jetzt mein Leben ist, dann...muss ich eben verdammt nochmal damit klarkommen. Und das solltet ihr auch.“

„Du bist raus. Was sollen wir mit einem halben Invaliden? Sag es mir!“

Noch ehe ich antworten kann rauscht Bart davon. Cormick folgt ihm sofort. Dann die Anderen aus meiner Mannschaft, von denen ich angenommen hatte sie wären meine Freunde. Keinen scheint mein Zustand zu interessieren. Ich sinke zurück in mein Bett.

Mein Leben ist bedeutungslos geworden. Mein Traum zerplatzt, und meine so genannten Freunde sind fort. Keiner ist geblieben.

Die nächsten drei Tage verbringe ich noch hier. Niemand kommt vorbei. Für sie bin ich wahrscheinlich schon tot. Am vierten Tag werde ich endlich entlassen. Bisher hatte ich keinen weiteren Anfall. Vielleicht kann ich ja doch weiter machen. Ich glaube es aber nicht. Meine Eltern holen mich ab. Ich bin froh wieder zuhause zu sein. Diese Einsamkeit war nichts für mich. Ich erreiche mein Zimmer. Überall liegen Footballsachen herum. Ich nehme meinen signierten Ball in die Hand. Ein spöttisches Lächeln huscht über mein Gesicht. Dann werde ich wütend. Ich werfe den Ball direkt aus dem Fenster in Nachbars Garten. Ich lebe auf dem Land. Mitten in Virginia. Hier gibt es nichts für mich zu tun. Sehnsüchtig wandert mein Blick Richtung Footballfeld, das nicht weit von unserem Haus entfernt ist. Alle sind dort und bereiten sich auf das nächste wichtige Spiel vor.

Alles hängt davon ab ob wir absteigen oder nicht. Und egal wie es kommt, ich werde nicht mehr Teil dieser Mannschaft sein.

Trotzdem beschließe ich hin zu gehen. Ich werde mich an den Rand stellen und ihnen zuschauen. Auch wenn es schmerzt, werde ich es machen. Also begebe ich mich auf den Weg dorthin.

Mein Spray in der Tasche. Es ist ein Witz was eine dämliche Krankheit aus jemandem machen kann. Meine Güte, ich bin gerade erst zwanzig geworden. Mein Leben hat doch noch nicht einmal richtig angefangen. Ich erreiche das Spielfeld. Keiner scheint mich zu bemerken. Sie sind noch immer gut. Aber ich spüre, dass meine Person im Team fehlt. Und das macht mich unglaublich stolz. Als ich eine Weile hier stehe kommt Steven auf mich zu. Er ist Cormicks Sohn und schon immer war er neidisch auf mich gewesen, weil ich besser war als er. Und jetzt ist seine Chance gekommen.

„Hey Looser. Wir schaffen das auch ohne dich. Hast du schon einen Platz im Altenheim gefunden?“

„Arschloch.“

Dieser Typ und sein dämliches Grinsen machen mich rasend. Ich klettere über den Zaun und hebe meine Faust in seine Richtung.

„Was willst du, Krüppel?“, lacht Steven und hüpft mit geballten Fäusten um mich herum.

„Dir deine überhebliche Fresse polieren, Cormick Junior.“

„Das lass mal. Dazu fehlt dir nicht nur die Luft, sondern auch der Mumm. Ich bin jetzt dran. Du bist raus. Penner.“

Meine Faust schnellt vor, trifft ihn aber nicht. Statt dessen droht ein neuer Anfall. Meine Lunge droht zu bersten. Ich greife mir an den Hals. In meiner Jacke ist das Spray. Doch die Jacke hängt über dem Zaun. Steven geht einfach weiter. Ich schnappe nach Luft. Röchele unverständliches Zeug. Doch ich erreiche meine Jacke nicht. Ich falle auf meine Knie. Ich kann den Zaun fassen und daran rappeln. Vielleicht fällt die Jacke herunter. Da dreht Steven sich um. Nicht dass er mir helfen würde. Oh nein. Er lacht sich fast schlapp, als ich mir noch immer an den Hals greife.

Meine Jacke purzelt auf den Boden. Ich robbe zu ihr rüber. Der Reißverschluss der Brusttasche klemmt und ich rechne meine letzten Sekunden aus, wenn ich das Spray nicht erreiche. In letzter Sekunde kann ich es raus holen. Das war knapp. Dieser Typ hätte mich echt hier verrecken lassen. Und so was spielt in meiner Mannschaft. Ich kann nicht glauben, dass ich diese Leute zu meinen Freunden gezählt habe. Betrübt verlasse ich das Trainingsgelände. Was soll ich noch hier? Steven hat recht. Ich bin wirklich ein verdammter Krüppel. Die ganze Sache geht mir auf den Zeiger. Die Anfälle häufen sich. Mein Leben ist so überflüssig wie eine goldene Toilette. Mein Tag wird von einer kleinen Sprayflasche bestimmt. Sie entscheidet was ist oder nicht.

Ohne dieses Ding kann ich das Haus nicht mehr verlassen. In jeder unpassenden Situation bekomme ich einen dieser blöden Anfälle. Im Unterricht, in der Wanne, im Kino und wer weiß wo noch sonst. Ich will den Scheiß hier nicht mehr. Meine Freunde kümmern sich einen Dreck um mich. Seit ich die Mannschaft verlassen musste ist der Kontakt komplett abgebrochen. Das ist nun schon sechs Wochen her. Noch immer versuche ich mich mit meinem neuem Leben zu arrangieren. Aber es klappt nicht.

Meine Laune ist ganz unten. Mein Leben im Arsch. Keine Ahnung wie das alles hier weitergehen soll. Am besten ich verschwinde einfach. Es ist jetzt fast Abend. Auf dem Footballfeld ist niemand mehr. Ich werde hin gehen. Mich von meinem Traum verabschieden. Von allem hier verabschieden. Ich warte einfach bis ich verrecke. Mein Taschenmesser wird mir dabei helfen. Nur ein kleiner Schnitt an die richtige Stelle. Den Rest erledigt meine Freundin Asthma. Ja so werde ich es machen.

Ich verlasse diese beschissene Welt als Krüppel mit aufgeschnittener Pulsader. Ich raffe meine Jacke und eine Flasche Wasser zusammen. Dann schleiche ich mich aus dem Haus.

Meinen Eltern sage ich nicht wohin ich gehe. Sie werden es noch früh genug erfahren. Ich erreiche das Footballfeld. Ruhig ist es hier. Herrlich. Niemand wird mich stören. Ich werde einfach hier einschlafen. Fertig. Ich hocke mich auf einen Sitz der oberen Ränge. Das Wasser ist kühl und rinnt erfrischend meine dürre Kehle hinab. Mein Messer habe ich dabei. Ich schiebe meine Jackenärmel hoch und sehe meinen Puls pumpen. Bald braucht er sich nicht mehr wegen mir anzustrengen. Ich werde frei sein.

Niemand muss den Krüppel mehr ertragen. Ich klappe das Messer auf, schließe meine Augen, hole ein letztes mal tief Luft.

So tief es meine beschissene Krankheit zulässt. Dann setze ich das Messer an. Tränen rinnen meine Wangen hinab. Eigentlich hatte ich noch so viel vor. Aber so ist es besser für alle. Ich spüre die kalte Klinge an meinem Handgelenk. Nur noch ein wenig Druck. Dann ist es bald vorbei. Noch immer heule ich leise vor mich hin. Mach schon feiger Krüppel, schreie ich mich innerlich selbst an. Dann vernehme ich Schritte. Sie sind ganz nah, aber ich will die Augen nicht öffnen. Ich will es einfach nur hinter mich bringen. Die Schritte kommen näher.

„Glaubst du das wäre die Lösung?“, fragt mich die Person, deren Schritte das wohl waren.

„Was?“

Ich reiße meine Augen doch auf und sehe eine wunderschöne junge Frau neben mir stehen. Sie ist schlank, lange Beine stecken in einer kurzen Ledershorts. Sie trägt ein schwarzes Top und lange, hochhackige Stiefel, die über ihre Knie reichen. Ihr Haar ist flammrot und wild gelockt. Es reicht ihr bis an die schlanken Hüften. Ich habe sie hier noch nie gesehen.

„Klapp´ das Messer ein“, sagt sie und tritt näher.

„Wer bist du und was suchst du hier?“, will ich wissen.

„Ich bin Lexa. Und du?“

„Zaine.“

Sie hockt sich vor mir hin. Ihr Duft ist betörend. Diese Frau ist perfekt. Wie eine aus einem Computerspiel. Ihre Lippen sind voll und rot. Aber ihre Augen.... sind schwarz.

„Also Zaine. Was ist so schlimm, dass du mit einem Messer hier herum spielst?“

„Schätze das ist wohl meine Sache.“

„Nicht wenn ich dabei zusehen soll.“

„Wie meinst du das?“

„So wie ich es sage. Ich kann nicht gestatten, dass sich jemand vor meinen Augen umbringt. Also. Was ist passiert? Du kannst es mir erzählen. Es gibt für alles eine Lösung, denkst du nicht?“

„Nein. Eigentlich ist für mich alles klar. Besser du gehst deiner Wege. Du musst nicht zusehen und dich deshalb schlecht fühlen.“

„Nein.“

„Was? Doch. Geh einfach.“

„Ich sagte Nein. Du verstehst dieses Wort doch oder?“

„Verarsche mich nicht. Ich kann mit meinem scheiß Leben machen was ich will. Also geh bitte Lexa.“

Sie setzt sich neben mich und ehe ich etwas machen kann reißt sie das Messer an sich.

„So. Nun reden wir. Wie ich schon sagte gibt es für alles eine Lösung. Ich habe alle Zeit der Welt. Aber ich denke nicht dass ich so lange hier mit dir sitzen will. Ich mache dir ein Angebot. Aber dazu musst du mit mir reden. Also?“

3 Lynn

„Sieh dir diese Pickelfresse an.Wenn ich so aussehen würde dann hätte ich sicher gute Chancen in einer Geisterbahn einen Job zu finden. Das ist eklig“

Ich versuche wie immer cool zu bleiben wenn ich einmal aus dem Haus gehe. Das ist selten der Fall. Ich bleibe meistens drinnen, weil solche Kommentare wie dieser eben an meiner Substanz kratzen. Ich bin Lynn Takiri. Ich bin 17 Jahre alt und lebe seit einem knappen Jahr hier in Kalifornien. In Los Angeles um genau zu sein. Eigentlich komme ich aus Osaka. Aber meine Eltern wollten unbedingt ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Sie beide sind relativ erfolgreiche Designer und arbeiten beim Film. Sie entwerfen Kostüme für Endzeitdramen oder Fantasyfilme. Sie haben Erfolg und es geht ihnen gut. Mir nicht. Denn eines habe ich gelernt: In L.A.bist du nichts wenn du nicht dem Schönheitsideal entsprichst. Und das tue ich bei weitem nicht. Ich bin nicht besonders groß. Nur 1.65. Dick bin ich auch nicht. In der Schule komme ich gut mit. Meine Figur ist ganz ok. Busen habe ich auch. Mein Po passt in die Norm, glaube ich. Aber meine Haut ist ein einziges Kraterfeld. Dicke Akne zieht sich über mein ganzes Gesicht. Sogar mein Rücken ist voll damit. Es juckt furchtbar und manchmal lege ich mich einfach in die Wanne mit eiskaltem Wasser damit es aufhört. Egal was ich versuche, es geht nicht weg. Im Gegenteil. Ich glaube es wird immer schlimmer. Selbst die hochgelobte Kosmetik des Filmteams, wo meine Eltern arbeiten, kann mir nicht helfen. Jetzt bin ich schon wieder einmal unterwegs. Zu meinem Arzt. Dort renne ich dauernd hin. Mindestens einmal pro Woche. Aber geändert hat sich noch immer nichts. Schon seit ich 12 war hat der ganze Mist begonnen. Man sagt es wäre die Pubertät.

Blödsinn. Niemand in meiner Klasse, sogar der ganzen Schule, muss sich mit solch einem Mist herumschlagen. Nur ich. Aber ich will es versuchen endlich ein normales Leben zu führen. Deshalb halte ich alle Termine ein. Mein Arzt ist nett. Geduldig, und er ekelt sich nicht vor mir. Er sagt ich solle es einmal mit Kräuterpaste oder Tee versuchen. Er sagt, es reinigt die Haut von innen. Ich soll nicht kratzen, was mir verständlicherweise schwer fällt. Meinen Körper bedecke ich so gut ich kann. Aber mein Gesicht schaut nun mal heraus. Jeder kann mich sehen. Und alle machen es auch. Sie starren mich an. Mitleidig, angeekelt. Keine Ahnung. Schlimm wird es wenn meine Pusteln aufgehen und eitern. Dann werden die Kommentare noch fieser.

„Die hat die Beulenpest. Vielleicht sollte sie sich öfter einmal waschen.“

All das macht mein Leben zur Hölle. Diese Menschen kennen mich nicht. Aber Optik steht hier in L.A.ganz oben. Und da werde ich nie sein. Ich laufe geduckt durch die Stadt. Meistens ziehe ich Kleidung an, die eine Kapuze hat. So kann ich wenigstens meine befallene Stirn bedecken. Der Arztbesuch hat mir nicht viel gebracht. Natürlich werde ich alles versuchen was sie mir raten. Ich möchte endlich ein normales Leben führen. Ich wünsche mir einen Freund, der mich liebt. Eine beste Freundin mit der ich all meine Geheimnisse teilen kann. Doch nichts von alle dem wird jemals mein sein. Dafür bin ich viel zu hässlich.

Ich erreiche mein Haus. Heute bin ich alleine hier. Meine Eltern arbeiten immer lange weil die Kostüme zum neuen Film dringend fertig werden müssen. Es ist jetzt Nachmittag. In der Schule war ich heute nicht wegen des Arztbesuchs. Besser so, denn jeder Tag, den ich dort verbringen muss, ist die reine Folter für mich.

Alle gehen mir aus dem Weg. Sie haben Angst ich könnte sie anstecken. Das ist völliger Quatsch, aber was soll ich machen? In der Klasse sitze ich ganz hinten, alleine. Sogar die Reihe vor mir ist leer. In den Pausen sondere ich mich ab. Zum essen gehe ich immer als Letzte. Ich möchte ja niemandem den Appetit verderben. Jeder Tag ist gleich und es kotzt mich einfach an dass niemand sich auch nur ein wenig Mühe gibt mich kennen zu lernen. Ich bin eigentlich ok. Wenn ich anders aussehen würde gäbe es sicher keine Probleme. Jetzt bin ich hier.Hier in meinem sicheren Zimmer. Die Welt da draußen kann mir gestohlen bleiben. Ich brauche sie nicht.Meine Welt ist hier.In meinem Zimmer.Dort verbringe ich die meiste Zeit. Ich schaue fern. Ich liebe Serien und ganz besonders die Diary Vampiere. Die sind süß. Oh ja, da könnte ich schon schwach werden. Aber so ein Typ will nicht wissen dass so etwas wie ich überhaupt eine Lebensberechtigung hat. Und so grabe ich mich wie immer in meinem Zimmer ein. Mein Bett ist meine Burg. Und hier bin ich die Prinzessin. Schon wieder flimmert eine Folge über den Schirm. Dieser Damon ist schon süß. Ich stopfe Chips und Schokolade in mich hinein während ich die heißen Schauspieler betrachte, bis ich nicht mehr kann. Vielleicht gelingt es meinen Eltern ja einmal diese Leute zu überreden mir ein Autogramm zu schreiben. Ich selber würde mir nie eines holen. Plötzlich klingelt es an der Tür. Keine Ahnung wer das ist und ich bin mir ziemlich sicher dass diese Person nicht zu mir will. Ich klettere aus dem Bett und stiere aus dem Fenster. Ich sehe einen Wagen dort stehen. Keine Ahnung wem der gehört. Aber genau so einen hat Freya. Sie ist in meiner Klasse und sie ist die Jenige die alle anderen anstachelt auf mich loszugehen. Meistens schaffe ich es aber ihr aus dem Weg zu gehen. Nur letzte Woche nicht. Da habe ich aus Versehen ihren Rucksack umgerannt. Und all ihre Sachen lagen verstreut in der Klasse herum. Auch die Peinlichen, wie zum Beispiel Kondome, OB´s und Binden. Sogar einen Slip hatte sie darin. Natürlich hatte die Klasse über sie gelacht. Ich fand es cool dass sie so auch einmal einen abbekommen hatte. Sie hatte mich dann vor allen angeschrien dass ich ihr das noch büßen würde. Doch passiert war bis dato nichts. Vielleicht....

Es klingelt schon wieder. Mein Herz rast wie verrückt. Wenn es Freya ist werde ich ganz sicher nicht öffnen. Niemals.

„Hey. Pickelfresse. Bist du da? Zeit etwas zu klären findest du nicht?“

Ich drehe mich vom Fenster weg. Doch sie haben mich schon gesehen.

„Sie ist da oben“, brüllt Tina, die Freyas beste Freundin ist. Noch ehe ich was machen kann donnert schon ein Stein durch mein Fenster. Er landet genau in meinem gerahmten Poster von den Salvatorbrüdern und das macht mich sauer. Und traurig.

„Komm raus, Schlampe“, brüllt Freya. Einen Scheiß werde ich.

Noch ein Stein landet in meinem Zimmer. Auf dem Bett bleibt er liegen. Ich beginne zu zittern. Ich kann auf keinen Fall mehr in die Schule. Wenn ich jetzt etwas sage wird es nur noch schlimmer.

„Ich erwische dich schon noch. Feige Pickelsau. Lass uns abhauen. Schade um meine kostbare Zeit. Und außerdem habe ich keine Lust mir die Beulenpest hier einzufangen. Die Bude ist doch sicher verseucht bis zum geht nicht mehr.“

„Da hast du recht“, pflichtet Tina ihr bei. Ich bleibe in geduckter Stellung unter meinem Fenster hocken. Ich höre den Motor starten.Vorsichtig luge ich über das Fensterbrett hinaus. Sie fahren los. Mein Herz donnert wie verrückt in meiner Brust herum. Keine Ahnung was ich jetzt machen soll. Ich kann und will diese Scheiße hier nicht mehr. Ich sammele die Scherben meines zerbrochenen Bildes auf. Die zerrissenen Gesichter meiner Helden starren mich an. Ach gäbe es diese beiden nur wirklich. Sie würden mir sicher helfen. Ach nein. Monster werden getötet. Auch in Mystic Falls. Da erst recht. Ich bin ein Monster. Jedenfalls sehe ich aus wie eins. Ich bin tot. Bald.

Warum warten. Am besten erledige ich das sofort. Wozu warten bis Freya mir mein Leben noch mehr kaputt macht. Und nicht nur Freya. Der Rest der Welt wäre besser dran ohne mich. Wer will schon ein Monster in seiner Klasse oder gar seiner Nachbarschaft? Wozu weiter leiden? Wozu anderen Menschen noch mehr Freude an meiner Demütigung bieten. Wenn ich fort bin ist es besser. Wegen mir haben meine Eltern jetzt ein Loch in der Scheibe. Wegen mir belaufen sich die Arztkosten auf Unsummen. Es wird mir immer klarer. Ich muss diese Welt verlassen. Ich laufe ins Bad. Irgendwo dort müssen noch Schmerztabletten sein. Die hatte mein Vater bekommen nachdem er sich beim Sport zwei Rippen gebrochen hatte. Ich denke eine Hand voll davon sollte reichen mich ins Jenseits zu befördern.

Schnell finde ich das Paket mit genügend Tabletten um einen Elefanten in den Himmel zu schicken. Ich nehme sie mit in mein Zimmer. Aus der Bar hole ich noch eine Flasche Tequila. Diese Mischung sollte es nicht allzu lange dauern lassen bis ich einschlafe und nicht mehr aufwache. All das lege ich auf mein Bett. Mein Poster lege ich neben mich. Leider komme ich nicht mehr zurück. So wie die beiden es dauernd tun. Es ist mir auch gleich. Es macht keinen Unterschied ob ich gehe oder bleibe. Ich kippe die Tabletten in meine Hand. 15 Stück. Die Tequilaflasche lauert mich an. Sei einmal in deinem verkorkstem Leben mutig.

Immer wieder versuche ich mir selbst Mut zu machen. Scheiß drauf. Jetzt oder nie. Gerade als ich die Flasche öffnen will knallt draußen eine Autotür. Ich lausche. Freya ist es sicher nicht.

Meine Eltern auch nicht. Die fahren immer sofort in die Garage.

Mist. Meine verdammte Neugier treibt mich erneut zum Fenster.

Da steht schon wieder ein Wagen vor unserem Haus. Knallrot.

Sportlich. Ein Typ steht davor und schaut zu mir hoch. Der Typ ist groß. Verdammt groß sogar. Er trägt schwarze Klamotten.

Eine rockige Lederjacke und eine Armeehose. Sein Haar ist blond. Es ist oben länger als an den Seiten und hängt im sexy vor den Augen, die mir ziemlich dunkel erscheinen. Er hebt die Hand in meine Richtung und deutet mir herunter zu kommen. Soll ich das wirklich tun? Wie gesagt, ich bin neugierig und mache mich auf den Weg nach unten. Als ich unten ankomme und die Tür einen Spalt breit öffne, steht er schon davor und lächelt.

„Hey, alles ok?“

„Wer bist du denn und was willst du hier.“

„Hab zufällig gesehen was hier vorhin los war. Dachte du könntest vielleicht Hilfe gebrauchen.“

„Wer? Ich? Nein. Es geht mir gut.“

„Und warum hast du eine ganze Flasche Tequila in der Hand?“

Mist. Die habe ich ja ganz vergessen. Schnell verstecke ich die Pulle hinter meinem Rücken.

„Alles ok. Danke trotzdem.“

Ich will die Tür schon wieder schließen als der Typ seinen Fuß dazwischen stellt. Jetzt kann ich ihn genauer betrachten. Meine Güte ist der Kerl attraktiv. Er lächelt noch immer. Seine Zähne sind schön gerade, seine Lippen voll und sein Kinn etwas kantig.

Hinter dem blonden Haarschopf kann ich seine Augen jetzt gut erkennen. Sie sind tatsächlich schwarz. Donnerwetter. Hat diese Welt jemals solche Augen gesehen? Ich halte den Atem an als er weiter spricht:

„Das sieht mir aber nicht so aus. Du zitterst ja am ganzen Körper.“ „Liegt wohl an dir. Wer bist du überhaupt?“

„Ich bin Ryder. Und du?“ „Lynn.“

„Ok Lynn. Wie kann ich dir helfen?“ „Gar nicht. Bitte geh.“

„Nein.“ „Was soll das heißen?“ „Nein heißt nein. Ganz einfach.“

„Was willst du von mir Ryder?“

„Dein Leben in Ordnung bringen.“ „Was? Warum?“

„Weil es mir scheint als läuft es nicht gerade gut bei dir. Stimmt doch oder?“

„Woher willst du das wissen?“

„Sagen wir mal, ich habe ein Gespür für so was.“

„Du bist verrückt oder?“ „Nein. Ich will dir nur helfen.“

„Mir kann niemand helfen.“

Ich reiße mir meine Kapuze vom Kopf und gehe einen Schritt auf ihn zu.

„Hier. Reicht das? Das bin ich. Und ich werde jetzt gehen.

Eigentlich wäre ich schon längst weg. Und dann kommst du.

Was soll das?“

„Es ist meine Pflicht Leben zu retten. Und sogar ein Besseres daraus zu machen.“

„Das kann niemand.“

„Doch. Ich schon. Komm mit mir und ich mache dir einen Vorschlag.“

4 Ian

„Wir können den Verband jetzt entfernen. Du wirst sehen es ist wieder ein kleiner Fortschritt. Noch zwei oder drei Operationen, dann siehst du wieder aus wie neu.“

„Wenn Sie das sagen. Ich glaube nicht mehr daran. Wie oft haben wir es schon versucht. Mein Gesicht wird für immer eine Fratze bleiben.“

Resigniert schaue ich in den Spiegel als der Arzt den Verband von meiner zum 10. mal operierten Wange nimmt. Noch immer sieht es aus wie zusammengeflickt. Klar es ist schon besser als noch vor einem Jahr. Da geschah der Mist. Ich hatte mit Freunden gefeiert.Am Lagerfeuer. Es gab Alkohol und einige Tüten. Wie das so ist wenn man seinen Abschluss geschafft hat. Mein Studienplatz als Informatiker war schon sicher. Und dann haben wir Penner nicht aufgepasst. Wir haben herum gealbert. Das Feuer brannte. Wir hatten schon einiges Intus. Hinzu kam dass mein Freund Jack seinen 19.Geburtstag feiern wollte. Also wir wollten hinein feiern so zu sagen. Aus Spaß haben wir uns hin und her geschubst. Die Stimmung war gut und ausgelassen.

Eigentlich so wie immer. Ich hatte zwei Wochen zuvor ebenfalls meinen 20.Geburtstag gefeiert. Jede Woche gab es einen Grund die Sau raus zulassen.

Auch an jenem Tag:

Cliff hatte Bier dabei. Angie Feuerwerkskörper. Viele andere aus meinem Jahrgang waren da. Es sollte die Feier des Jahres werden. Wurde es ja auch. Ich werde jeden verdammten Tag daran erinnert. Daran wie die Tüte mit den Feuerwerkskörpern irgendwie ins Feuer geriet. Weil wir uns gerauft haben. Nur so.

Aus Spaß. Zunächst hatten wir es nicht bemerkt in unseren vollen Köpfen. Doch dann begann es zu zischen. Angie schrie mich an, dass ich zur Seite springen soll. Doch meine Reaktion war gleich Null. Die Tüte ging hoch und das Feuer breitete sich auf unserer Decke und überall um uns herum aus. Ich wollte fliehen aber ich verhedderte mich in der brennenden Decke. So verbrannte fast die gesamte linke Hälfte meines Gesichts und die linke Schulter, Oberarm und Teile meines Brustkorbs. All meine Freunde zogen sofort ihre Klamotten aus und warfen sie über mich. Aber das Feuer hatte mich schon zum Monster gemacht. Ich schrie vor Schmerz und dachte es wäre das Ende. Irgendwie hatte es jemand geschafft einen Rettungswagen zu rufen. Ich war fast ein Jahr im Krankenhaus. Unzählige Operationen sollten aus mir wieder einen Menschen machen. Bis jetzt ist davon aber noch nicht viel zu sehen. Meine Freunde waren anfangs für mich da. Später jedoch nicht mehr da ich kaum an ihren Aktivitäten teilnehmen konnte. Mein ganzer Körper kam mir vor als gehöre er jemand anderem. Immer mehr Leute ließen mich im Stich. So ist es noch heute. Ab und zu höre ich von Angie. Sie gibt sich die Schuld an allem aber das ist Blödsinn. Es war einfach ein Unfall. Und ich muss damit leben. Leider ist das nicht so einfach wenn die Menschen um einen herum nur böse Worte für einen übrig haben.

Kein Mädchen hatte sich seit dem je wieder auch nur mit mir am Telefon unterhalten. Erst recht nicht getroffen. Dabei war ich davor ein ziemlich beliebter Kerl. Langsam geht mir die Kraft aus. Mut und Hoffnung habe ich schon lange nicht mehr.Zwar habe ich inzwischen trotzdem mit meinem Studium begonnen aber auch die Uni ist ein ständiger Höllenritt für mich. Keiner traut sich an mich ran. Kein Wunder, so wie ich jetzt aussehe.

Meine linke Gesichtshälfte sieht aus wie ein verdammter Flickenteppich. Meine Schulter sieht runzlig und uneben aus.

Wie eine Kraterlandschaft eines fernen Planeten. Meine linke Brustwarze ist nur noch ein kleiner verkümmerter Punkt auf einem vernarbten hässlichen Körper. Das kann ich verstecken.

Mein Gesicht aber nicht. Alle sagen dass ich froh sein soll das ganze überlebt zu haben. Aber ich sehe das anders. Das ist kein Leben mehr. Das da in dem verfickten Spiegel bin nicht ich. Ich werde nie mehr ich sein. Was soll noch kommen? Eine perfekte Familie? Eine wunderschöne Frau die mich liebt und vielleicht zwei oder drei Kinder auf diese beschissene Welt bringt? Mit Sicherheit nicht. Meinen Job kann ich auch von daheim aus machen. Niemand muss sich täglich mit meiner hässlichen Brandfresse auseinandersetzen. Dafür werde ich sorgen. Ich starre auf den Fremden im Spiegel. Ein Indianer weint nicht. Gut dass ich keiner bin,denn ich kann meine Tränen nicht aufhalten.

„Ian. Du darfst nicht aufgeben. Noch immer bist du hübsch.“

„Mom. Ich sehe aus als hätte ich im Backofen gepennt.“

Meine Mutter stellt sich hinter mich.

„Ach Ian. Gib dir Zeit.“

„Wie viel denn noch? Ein Jahr? Zwei? Fünf oder Zehn?“

„Mr. Sandfort. Sie müssen Geduld haben. Eines Tages....“

„Nein. Das wird nie passieren. Ich werde immer wie ein Mitglied eines Horrorfilms aussehen. Das können sie nicht wieder hinkriegen.“

Ich habe echt zu tun ihm diesen dummen Spiegel nicht aus den Händen zu schlagen.

„Wir sehen uns in einem halben Jahr. Bis dahin sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“

Damit verlässt der Arzt mein Zimmer. Ich bin noch eine Weile Gast hier. Hier drinnen ist es ok. Weil alle ihr Paket zu tragen haben. Ich stelle fest dass es Leute gibt, die noch schlimmer dran sind als ich. Manchmal macht es mir Mut. Manchmal auch nicht.

„Ok Ian. Ich muss auch los. Lass den Kopf nicht hängen. Es wird besser. Du darfst nicht aufgeben. Du bist doch noch so jung.“

„Eben. Umso länger muss ich diesen Anblick ertragen bis ich alt sein werde. Mom. Ich will wieder ich sein.“

„Ian.“

Sie drückt mich an sich. So wie früher als ich noch klein war. Ich könnte meiner Mutter am liebsten ihre ganze Bluse voll rotzen.

Es geht mir mies.

„Bis morgen mein Junge. Ich hab dich lieb. Vergiss das nicht.“

„Ich dich auch Mom.“

Dann geht sie und ich bin alleine. Den Spiegel habe ich in die Schublade gelegt. Da kann er bleiben. Ich kann meinen erbärmlichen Anblick nicht mehr ertragen. Eine Weile sitze ich hier, stiere in die Glotze. All die perfekten Menschen dort kotzen mich an. Dann klopft es plötzlich an der Tür. Noch ehe ich reagieren kann, fliegt sie schon auf. Ein kleiner Junge platzt in mein Zimmer. Er sieht mich und fängt augenblicklich an zu weinen.

„Dad, da ist ein Monstermann im Zimmer. Will er mir wehtun?“

Der Vater des Jungen schaut hinein. Er starrt mich an. Ich spüre wie unangenehm ihm das alles ist. Sein geschockter Gesichtsausdruck sagt mir alles.

„Nein Sam. Der Mann ist nur krank. Der ist sicher ganz lieb zu dir. Nun komm. Das ist wohl das falsche Zimmer.“

Mit einem peinlichen Nicken in meine Richtung stapfen die beiden davon. Da sieht man es doch. Kinder und Betrunkene sagen immer die Wahrheit. Ich bin tatsächlich ein Monstermann in den unschuldigen Augen eines Kindes.

Ich bin jetzt wieder zuhause. Etwa eine Woche schon. Meine Narben sind schon etwas verheilt. Trotzdem. Schönheit ist anders. Ich gehe wieder zur Uni. Viele Neuankömmlinge sind da.

Ich war so lange nicht hier. Ich schleiche auf dem Campus herum. Alleine. So wie immer seit dem Unglück. Meine Freunde sind alle wo anders. Viele sogar im Ausland. Ich laufe und laufe.

Versuche an nichts zu denken. Kein hier und kein jetzt. Da vernehme ich eine Stimme ganz in der Nähe.

„Hey, du. Unter welchen Trecker bist du denn gekommen?“, lacht eine Stimme höhnisch neben mir.

„Der vor den ich dich schubste wenn du nicht deine dämlich Fresse hältst.“

„Uuuhhh, Quasimodo ist mutig. Alle Achtung. Komm her. Wir klären das. Sofort.“

Der Typ tänzelt vor mir her. Sein Grinsen ist so boshaft. Ich will meine Ruhe und deshalb gehe ich weiter. Doch er gibt nicht auf und schubst mich zur Seite. Dann drängt er mich an die Wand.

„Lass mal sehen wie schön du bist. Hey Chris, sieh dir das mal an.“

Er winkt einen anderen Typen zu uns rüber.

„Walking Death hat neue Leute.“

„Wo hast du den denn aufgegabelt? Krass alter.“

Die beiden glotzen mich an. Böse. Hämisch.

„Haut doch einfach ab ok. Lasst mich in Ruhe.“

„Hey ein Beißer, der sich in die Hose macht. Ist ja mal was Neues. Ich mag ihn. Du nicht Kumpel?“

„Ist ein niedliches Kerlchen. Hab ihn hier noch nie gesehen.“

„Ich auch nicht. Hey hast du Kohle oder so?“

„Nein“, bringe ich hervor und wünsche mir die Erde würde sich auftun um mich zu verschlingen. Soll mein Leben jetzt so sein?

Da mache ich nicht mit. Ganz sicher nicht. Meine Gesicht wird nie mehr so aussehen wie vorher. Da mache ich mir nichts vor.

Immer wieder werden Typen wie diese hier meinen Weg kreuzen.

Doch dazu fehlt mir einfach die Kraft. Ich raffe meinen letzten Rest an Stolz zusammen und drücke die Kerle zur Seite. Sie sollen mich nicht brechen. Nicht heute. Nicht hier. Nicht jetzt.

Nie.

„Wo will er denn hin?“

„Zum Set“, höre ich Chris noch sagen. Dann brechen sie in lautes Gelächter aus. Ich verschwinde um die Ecke. Hier ist niemand.

Alles ruhig. Ich muss eine Lösung finden. So will ich nicht leben.

In meinem Rucksack ist noch ein Gürtel. Ihn brauche ich nicht mehr weil meine Hose jetzt auch so hält. Was soll ich sagen. Ich gehe nicht mehr zum Sport. Und auch sonst nirgends. Sofa, Bett, Klo, Bad, Uni und wieder von vorne. Ich habe schon fünf Kilo zugenommen. Aus meinem einst so festen Bauch ist eine kleine Rolle geworden. Der Gürtel kann sich heute anders nützlich machen. Er wird mein Gewicht tragen. Einen Baum werde ich schon finden. Der Campus ist voll davon. Mit schnellen Schritten laufe ich über das Gelände. Die Studenten haben sich in ihre Zimmer verzogen. Oder sie sind unterwegs. Saufen, Billard, was man halt so macht. Ich war schon lange nicht mehr draußen.

Am Ende der Parkanlage steht eine alte Eiche. Die wird mich tragen. Ich werde niemandem etwas sagen. Sie würden bloß versuchen mich zu retten.Wenn auch nur um ihr Gewissen zu beruhigen. Ich glaube nicht dass hier irgend jemand etwas auf mich gibt. Nicht mehr. Ist mir auch egal. Ich gebe auch nichts mehr auf sie. Ich stelle meine Tasche ab, krame besagten Gürtel heraus. Der Baum ist groß, die Äste stark. Es ist etwas mühsam hinauf zu kommen. Zunächst muss ich auf die Campusmauer.

Von dort kann ich mich zum Baum hinüber hangeln. So der Plan.

Ich habe es geschafft. Ich stehe auf der Mauer. Von hier aus kann ich einen großen Teil des Geländes überblicken. Alles ist ruhig.

Gut für mich. Niemand wird mich aufhalten. Ich teste die Stärke des Astes, der mir am nächsten ist. Er scheint stabil zu sein. Ich beginne zu zittern weil ich weiß das hier ist endgültig. Ich atme tief ein. Noch ein letztes mal die frische Luft des Parks in mich aufsaugen. Dann nehme ich den Gürtel. Langsam lege ich ihn um den Ast. Er hält. Ich weiß es weil ich noch einmal fest daran ziehe. Dann lege ich die entstandene Schlinge um meinen Hals.

Er kratzt an meinem Kehlkopf. Nur einen Schritt weiter und meine Erlösung wird kommen. Vorsichtig gehe ich zum Rand der Mauer. Ich bin bereit. Das weiße Licht wird mich ins Himmelreich führen. Ich schließe die Augen.

„Hey. Was hast du vor?“

Erschrocken öffne ich die Augen wieder und trete einen Schritt zurück. Jetzt stehe ich wieder sicher auf dem Mauerrand. Ich drehe mich um und sehe eine junge Frau unten stehen. Sie schaut zu mir hoch. Sie habe ich hier noch nie gesehen. Solch eine Schönheit wäre mir sicher aufgefallen.

„Wer bist du denn?“, frage ich.

„Xara. Und du?“

„Ian.“

„Hallo Ian. Was wird das?“

„Nichts. Ein Abschied von dieser Welt. Das ist alles.“

„Warum?“

„Sieh mich an. Dann weißt du es.“

„Komm näher. Ich kann nichts sehen.“

„Nein“.

„Ach komm schon.“

Keine Ahnung warum ich das mache, aber ich gehorche und neige mich zu ihr runter. Ich stelle fest dass sie außergewöhnlich schön ist. Ihr Haar ist hellbraun, lang und lockig. Im Mondlicht erkenne ich ihre Augen. Dunkel sind sie. Schwarz und glänzend.

Sie ist schlank und sie versteht es ihren wunderschönen Körper effektvoll zur Schau zu stellen. Ihre langen Beine stecken in knackigen schwarzen Lederhosen. Der süße Busen steckt in einer ledernen Corsage, die vorne geschnürt ist. Ihre Stiefel haben himmelhohe Absätze und ihre Fingernägel sind leuchtend pink lackiert.

„Näher Ian“, verlangt sie und ich setze mich auf die Mauer.

„Komm da runter.“

„Warum?“

„Weil ich nicht möchte dass du Mist baust. Das Leben ist schön“, sagt sie und ihr Lächeln ist unschlagbar.

„Für dich vielleicht. Du bist auch schön, Xara. Aber ich....ich bin ein Monster.“

„Was ist passiert?“ „Ich möchte nicht drüber reden.“

„Ich kann dir helfen das zu ändern.“

„Davon hast du mich gerade abgehalten. Nicht klug von dir.“

„Doch. Dazu bin ich da.“ „Wozu?“

„Leben zu retten. Sie schöner zu machen. Dir meine Hilfe anzubieten. Was sagst du?“

„Warum solltest du mir helfen wollen? Und wie soll das gehen?

Wenn die Ärzte das nicht können....ich meine...“

„Vertrau mir, ok.“

Sie reicht mir ihre Hand.

„Ich vertraue niemandem. Jetzt nicht mehr.“

„Ich bin anders. Kannst du mir glauben. Es gibt einen Weg und ich zeige ihn dir.“

5 Becky

„Wohin gehen wir?“

Ich sehe den Typen neben mir an. Alex. Keine Ahnung wer er ist und woher er kommt.

„An einen Ort der dir helfen wird.“

„Wie meinst du das?“

„So wie ich gesagt habe. Dich erwartet ein besseres Leben. Ein Ewiges sogar. Du wirst wieder schön sein. Vollkommen. So wie du es dir wünschst.“

Wir entfernen uns immer weiter von der Brücke. Ich gehe langsam neben ihm her. Verstohlen betrachte ich sein perfektes Profil und denke mir welch großes Glück er hat so schön zu sein.

Alex schaut mich freundlich an. Ich ermahne mich selbst mich zusammenzureißen und finde meine Stimme wieder:

„Du kennst mich doch gar nicht. Woher willst du wissen wer ich bin?“

Alex läuft unbeirrt weiter. Irgendwie kommt er mir etwas nervös vor.

„Ich finde du solltest mir schon sagen was genau du mit mir vor hast“, bohre ich weiter. Alex schweigt noch immer.

„Du redest nicht viel was?“

Dann bleiben wir kurz stehen. Alex lässt mich trotzdem nicht los.

Statt dessen stellt er sich mir gegenüber hin.

„Ich kenne dich besser als du denkst.“

„Das kann nicht sein. Ich habe dich hier noch nie gesehen.“

„Ich erkläre dir alles. Vertrau mir einfach. Ich denke dass du meine Hilfe brauchst. Wir haben schon vielen Menschen wie dir geholfen. Es ist meine Mission, weißt du?“

Keine Ahnung was er da faselt, aber ich denke mir was soll´s und laufe weiter.

„Du wirst schon bald sehen was ich meine. All deine Sorgen werden verschwinden. Und deine Narben auch“, redet er weiter und schaut gen Himmel. Gedankenverloren und noch immer nervös.

„Einfach so? Wie geht das? Und was muss ich dafür tun?“

„Das sage ich dir wenn wir dort sind. Viele Menschen wie du werden dort sein.“

„Wo ist DORT?“, will ich wissen.

„Wir machen eine kleine Reise. Nach Blackland. Von dort komme ich.“

„Wo ist das? Noch niemals davon gehört.“

„Überall. Es existiert unterhalb der Welt. Wenn der Mond ganz oben steht werden wir den Eingang finden.“

Der Typ hat einen an der Waffel. War ja klar dass ich so einem begegne. Ich bin ein echter Glückspilz. Pah.

„Du bist seltsam.“

„Nein. Es ist meine Heimat. Du wirst sie lieben. Wir besuchen die Black Church. Dort finden wir unseren Herrscher. Mit ihm werden wir reden müssen. Mit ihm machst du deine Geschäfte.

Ich bin nur der Bote so zu sagen.“

„Bist du der Einzige?“

„Nein. Wir sind zu viert. Xara, Lexa, Ryder und ich.“

„Und was macht ihr so?“

„Wir helfen Menschen wie dir. Komm wir müssen uns eilen. Der Mond steht schon ziemlich hoch. Es dauert nicht mehr lange.“

Mir war ja noch gar nicht aufgefallen, wie spät es schon geworden ist. Habe ich wirklich den ganzen Tag damit verbracht, mich an ein Brückengeländer zu klammern? Alex umfasst meine Hand noch fester und starrt den weißen Planeten an.

Zaine

„Ok. Worüber müssen wir reden?“

Ich schaue Lexa an. Ich kenne sie nicht, aber sie hat etwas an sich, das mich überzeugt ihr zu folgen.

„Über dich. Deine Zukunft. Ein besseres Leben. Ich dachte du wärst mit deinem jetzigen nicht so glücklich.“

„Deshalb wollte ich dem ganzen ja ein Ende setzen.“

„Das ist keine Lösung. Komm mit mir.“

„Wohin?“

„An den Ort deiner Zukunft.“

„Wo ist das?“

„Blackland“

„Kenne ich nicht.“

„Nun ja, nicht jeder darf dorthin. Nur Auserwählte. Solche wie du.“

„Warum sollte jemand einen Krüppel auswählen?“

„Um ihm zu helfen Dummerchen. Nun komm. Der Mond steht hoch.Wir müssen uns eilen. Meine Freunde warten dort auf uns.“

„Freunde? Welche Freunde?“

„All jene, die in meinem Team spielen. Da wären Xara, Ryder, Alex und ich.“

„Und was seit ihr für Typen?“

„Deine Rettung. Nun komm schon.“

Lexa greift nach meiner Hand und zerrt mich vom Sitz. Sie ist schnell unterwegs. Wir laufen eine Weile und stellen uns auf ein freies Gelände. Der Mond ist voll und rund.

„Bald werden wir dort sein.“

Mehr sagt sie mir nicht.

Lynn

„Ich kenne dich doch gar nicht. Warum sollte ich mit dir gehen?“

„Na weil ich der bin der dir helfen wird.“

„Das sagtest du schon. Nur leider habe ich keine Ahnung wie du das anstellen willst.“

„Ein wenig vertrauen musst du mir schon.“

Ryder schaut mich an. Dieser Kerl ist einfach perfekt und ich frage mich ob das Ganze hier kein Irrtum ist.

„Also, was ist?“, reißt er mich aus meinen Gedanken.

„Was soll´s. Ich habe ja nichts mehr zu verlieren. Dann sterbe ich eben morgen.“

Ryder sagt nichts. Statt dessen greift er nach meiner Hand. Sein Blick gleitet in den Himmel. Inzwischen ist es schon ziemlich dunkel geworden.

„Wo gehen wir hin?“, will ich wissen und glotze ihn an. Meine Güte. Bei ihm scheint die Natur an alles Perfekte gedacht zu haben. So ein Typ ist nicht real.

„Wir gehen nicht - wir fahren.“

„Mit diesem roten Teil da?“

„Klar. Ich dachte Mädels stehen auf schnelle Wagen.“

Irgendwie fühle ich mich geschmeichelt. Es scheint ihn nicht zu stören, dass ich kein normales MÄDEL bin.

„Ok. Aber ich kann nicht so lange fort bleiben.“

Dazu sagt er nichts und schiebt mich vor sich her in Richtung Auto. Galant öffnet er mir die Türe und geht um den Wagen herum. Als ich sitze frage ich noch einmal wohin uns unsere Reise führt:

„Nun sag schon - wo wollen wir hin?“