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Was, wenn du am Tag der Hochzeit, nur Minuten zuvor, erfährst, dass du durch den Tod geschieden wurdest? Dein Bräutigam vor deinen Augen bestialisch erdrosselt wird, und du jetzt mit dessen Mörder, der seiner Seele beraubt zu sein scheint, vor den Altar treten sollst? Wenn das Böse dem Anschein nach gewinnt und das Gute bestraft wird? Sie dringt immer tiefer in eine Welt ein, in der die Währung eine graue Moral mit Effekt ist. Der Don, der mit dem heißen Body, der maroden Moral und der verwilderten Art, gleichen entgegen jeglicher Vernunft purer Verführung. Es gibt keine erfundene Welt inmitten von Zuckergussinventar. Keine Typen die sich durch Dornen an dich herantasten. Unser Leben ist rau. Sicherheit ist nicht in unserem Wortschatz. Und doch überkommt ihn durch sie, ein Hauch von Menschlichkeit die einem Gewissen gleicht. Reicht der Zauber aus Anziehung, Begierde und Erotik aus, um sie eins werden zu lassen oder stürzen sie so in den Abgrund? Eines ist klar, ihre Augen sind für ihn mehr als eine blaue Farbe - sie schneiden wie Funken tief in sein Inneres.
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Seitenzahl: 720
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Was, wenn Gut und Böse plötzlich nicht mehr voneinander getrennt sind und zu einem werden. Wenn das Licht und die Dunkelheit zu Einem werden. Ist es dann Tag oder Nacht? Ist es grau oder schwarz?
Bereit, alles hinter sich zu lassen, flieht Daria. Sie weiß, bleibt sie, stirbt sie. Geht sie, stirbt sie vielleicht. Läuft es gut, kann sie leben. Denn der Mafia gehörst du, bis sie dich entsorgen. Und sie will leben, um es zu wollen und nicht, um es zu müssen.
Bereit in dieser Nacht die Macht zu übernehmen, tauscht er sich gegen den Don ein. Nimmt seinen rechtmäßigen Platz ein. Wenn du Veränderung willst, ist der Wille größer als Werte oder Angst, auch wenn das bedeutet ein Eheversprechen zu geben. Diesen Schwur zu leisten.
Ich bin nicht dein Märchenprinz, der sich durch eine Welt aus Süßigkeiten zu dir herantastet. Ich bin die Sirene, die dich einnimmt und dich nicht mehr loslässt. Denn was mir gehört, das bekommt niemand. Koste es, was es wolle, erst recht, wenn sie so ein Haar, solche Lippen und diese Augen hat.
Sie wissen beide, Vertrauen ist ihr größter Feind und gleichzeitig ihre größte Waffe.
Die Zuneigung, die ich fühle, wenn ich ihn sehe. Wenn ich seine Hände auf mir spüre und seine Wärme empfinde, immer wenn er in meiner Nähe ist, kann nicht wirklich echt sein. Was kostet es mich, wenn ich meine eigene Moral ignoriere und ihm meine Liebe schenke? Wenn ich bereit bin, ihm alles von mir zu geben. Funken der Zerstörung breiten sich über ihnen aus, erotische Funken, welche die Haut und das Innerste berühren. Funken der Zerstörung, die sie wie ein Schuss treffen und alles um sie herum zerstören. Übrig bleiben die Funken, doch was kann man aus ihnen machen…
Für alle die,
welchen den einen Funken kennen, der einen berührt, dieser der bis zum Herz voranschreitet.
Für alle die diesen Funken nicht suchen aber einfach gerne darüber lesen.
Und für alle die wissen wollen was dieser Funke bewirkt.
-Packt die Gelegenheit beim Schopf, jeder Einzelne von euch ist es wert-
1. Daria
2. Matheo
3. Daria
4. Matheo
5. Daria
6. Matheo
7. Daria
8. Matheo
9. Daria
10. Matheo
11. Daria
12. Matheo
13. Daria
14. Matheo
15. Daria
16. Matheo
17. Daria
18. Matheo
19. Daria
20. Matheo
21. Daria
22. Matheo
23. Daria
24. Matheo
25. Daria
Dieses Buch beinhaltet Szenen, die nicht für jeden Leser geeignet sind. Triggerwarnung beachten, es beinhaltet Darkromance. Explizite Sexszenen, Szenen wie Gewalt, Tod, Verrat und ähnlichem in anderen Lebensbereichen. Bitte nicht lesen, wenn ihr damit nichts anfangen könnt. Leseempfehlung ab 18
Alle Handlungen, Charaktere und Inhalte sind frei erfunden.
Ich weiß, bleibe ich, geht ein Teil von mir. Gehe ich, findet er mich, denn ich gehöre ihnen. Trotzdem packe ich schon wieder einmal meinen Notfallrucksack aus und fülle ihn dann doch wieder. Nein, eigentlich sollte ich wohl eher sagen, meinen Feiglingsrucksack. Seufzend schüttle ich den Kopf, sehe zu Mavi meiner Katze, welche sich gerade um mein Bein schmiegt, hinunter.
Sie hat vollkommen recht, sowie sie sich um meine Beine windet sollte ich sie nehmen und den Trost annehmen.
Wir sind irgendwo in etwa gleich. Ja, das wusste ich vom ersten Moment an, als ich sie mit ihrem gebrochenen Bein und dem Streifschuss behandelte. Ihr Schnurren gelang tief in mein Inneres. Ich habe ein gebrochenes Herz, fühle mich wie angekettet und wünschte, ich hätte einen Streifschuss. Etwas, wo ich genau weiß, wo der Schmerz liegt. Keiner, der sich konfus im Körper ausbreitet. Schmerzen fühle ich schon lange nicht mehr so wie früher. Ich lasse sie kaum zu oder vielmehr nimmt mein Körper sie einfach an. Ich brauche nicht zu fragen, wie es so weit kam, wie ich die Ausraster meines Mannes zu lassen und im Anschluss so tun kann, als wäre nichts gewesen. Es ist die einfachste Strategie, um von einem Tag zum anderen zu kommen.
In meiner Welt zählen Frauen nichts, sie sind ein notwendiges Übel, und wenn sie das nicht sind, dann sind sie ein Statussymbol. Trophäen. Ich erfülle nichts, wir gehen nicht aus, wir leben einander umher. Ich verstehe nicht, wieso ich hierbleiben soll. Meinen Zweck könnte jede andere genauso erfüllen.
Der Rucksack ist für den Notfall oder auch den Glücksfall, dass ich vor ihm fliehen kann. Im Laufe der Zeit habe ich immer wieder neue Verstecke und einen neuen Inhalt aufgebaut. Snacks, Wasser, Socken und Kleinigkeiten wie Geld. Ich habe ihn unzählige Male ein- und ausgeräumt. Ich habe nicht einmal mehr meinen Pass. Denn diesen hat er auch.
Leo hat Soldaten, welche mich auf Schritt und Tritt im Auge behalten. Er verbirgt es nicht einmal. Ich soll bei ihm bleiben, auch wenn ich für ihn nichts von Wert bin. Denn in den Augen seines Vaters ist er es, der erst etwas wert sein wird, wenn er einen Erben zeugt. Er wird der Don DiDio werden. Eines Tages, aber ich denke, sein Vater hat genauso wie ich erkannt, dass er es schwer mit dem Titel haben wird. Deshalb schwer, weil er abhängig ist, seine eigenen Regeln lebt und einfach nicht der geborene Anführer ist. Er ist wie ein Kind, ein trotziger Mann mit vielen Problemen und einem riesigen Berg von Schulden. Auch das hält er mir stets vor, deshalb darf ich auch weiter als Tierärztin arbeiten. Für ihn eine tolle Möglichkeit zu Geldwäsche.
Ich habe meine Praxis in unserem Haus, so kann er seine Einnahmen und Ausgaben schön verpacken, sie zum Geldwaschen verwenden. Und ich bin unter Aufsicht, tagein, tagaus.
Mein Vater hatte damals unsere Ehe arrangiert, ich war begeistert, ich dachte, ich bekäme das Leben, welches sich jede Frau wünscht. Einen liebevollen Mann, den obligatorischen weißen Gartenzaun, kann mein Studium fertig machen und Vater-Mutter-Kind spielen. Ja, falsch gedacht. Er hat es mir so verkauft, als wenn es das große Los wäre, ja das war es sicherlich, aber nicht für mich.
Heute, nach sechs Ehejahren will ich immer noch fliehen und weiß nicht, wie ich es anstellen soll. Ich will keinen weißen Gartenzaun und sicherlich keine Kinder. Deshalb bestelle ich bei meinen Medikamentenbestellungen für die Praxis immer die
Dreimonatsspritze mit und verabreiche sie mir heimlich. Wir haben so gut wie nie Sex, aber ich weiß nicht, wann es ihn doch überkommt. Ich bete jeden Monat, dass sie wirkt, wie sie sollte. Immer wenn ich meine Periode bekomme, ist es Fluch und Segen zugleich. Gestern Nacht war es wieder so weit. Leonardo kam von seinem Sauf- und Drogentrip zurück und ich konnte auf seine Frage nach meiner Periode mit der Wahrheit, dass ich sie habe, antworten. Er zog mich an den Haaren in das Badezimmer und sperrte mich wieder bis abends darin ein. Letzten Monat wollte er Sex, es ging schnell und war über dem Sofa gebeugt, schnell erledigt. Im Badezimmer hatte ich zumindest etwas Ruhe. Keiner seiner Männer ging mir auf die Nerven. Das ständige Beobachten nervt immer noch, auch wenn ich es schon so lange mitmache.
Leo braucht einen Erben, um die Macht zu übernehmen und ich bin das Übel, das ihm diese nicht schenkt. Scheidung ist keine Option in unserer Familie. Das gibt es nicht. Eher werde ich eines Tages von Bildfläche verschwinden, und ich habe Angst das es bald so weit sein könnte, sein Vater macht Druck. Mein Vater macht Druck. Daria, denk an deine Pflichten. Daria Mach mich Stolz, Daria, ich habe einen Vertrag mit dem alten DiDio.-
Vor ein paar Stunden ließ er mich dann endlich heraus, sperrt wie immer einfach auf und geht. Er rechnet damit, dass zu Hause alles erledigt ist, bis er wieder kommt. Nachdem ich mir einen Kaffee gemacht habe, schlenderte ich zur Praxis. Nahm Mavi hoch und untersuchte nochmals ihren Verband. Sie schnurrt trotz ihrer Schmerzen, die Wunde ist so gut wie verheilt. Wir genießen die Ruhe hier in der Praxis. Es ist kaum jemand hier, der sich hierher verirren würde. Deshalb stehe ich vor diesem Rucksack, starre ihn an und schließe ihn wieder. Mein kleines Muttermal am Finger ist genauso präsent wie mein Leben, es ist da und ich weiß nichts damit anzufangen. Ich schließe ihn und werfe ihn wieder auf den Schrank. Ich erschrecke, etwas kracht hinter mir. Mist, was war das, die Türe zur Praxis fliegt auf und Mavi humpelt so schnell sie kann davon.
Hinaus zu Salomon, meinem Hund und ich bleibe zurück, der Schreck von gerade nimmt Gestalt an. Nochmal kracht es an der Türe, ich hingegen stehe angewurzelt hier und ich weiß, ich kann nirgends hin. Mist, sobald die Türe auffliegt, stehen schon Männer in ihr. Große, dunkle Männer.
Männer, deren Anblick einem das Fürchten lehrt. Sie stürmen herein. Groß, hünenhaft, stinkend und mit einer Mordlust in den Augen so wie man nur selten sieht.
Ich kann gar nicht davonlaufen, meine Beine sind wie gelähmt. Gedanklich komme ich gar nicht dazu, meine Möglichkeiten abzuwiegen. Stiefel und schroffe Bewegungen sind zu hören, sie werfen einen von ihnen auf meine Behandlungsliege und wuseln im Raum herum. Ich stehe da wie angewurzelt, immer noch. Ängstlich, bis einer von ihnen mich an meinem Arm packt und mich neben die Behandlungsliege schleift. Ich sehe alles und nichts. Ich bin doch nicht gewöhnt, dass eine Kleintierpraxis gestürmt wird. Von was weiß ich, welchen Bastarden, mit denen sich Leo herumtreibt.
„Wer bist du“, will er wissen „Äh, ich bin Daria“, stottere ich ihm ängstlich entgegen. Ich fühle mich wie eine Maus vor der Falle. „Bist du die Ärztin?“, fragt er mich so unfreundlich wie es nur geht. Seine Stimme peitschend wie ein Hieb. Man kann aber deutlich seine eigene Anspannung spüren. Er steht unter Druck, ich sehe es an seinem Gesicht. An seiner ganzen Mimik, diese zeigt, dass er nervös ist, seine Augen gehen schnell und der Ton ist alles andere als ruhig.
„Ja, aber die Tierärztin!“ Ich lasse es extra als Flehen klingen. Der Raum hier wirkt so eng, langsam fehlt mir die Luft zum Atmen. Das Blut des Verwundeten füllt genauso den Raum wie der Schweiß der anderen Fünf.
„Glückwunsch zur Beförderung, Kleines“, meint der Seltsame, so ironisch wie es nur geht. „Dann bist du heute Humanmedizinerin, Kleines, und zwar Pronto. Er wurde angeschossen und er ist unser Arzt, also mach, dass es ihm wieder gut geht. Versteht sich von selbst, dass wir sonst keinen Arzt haben, oder? Versaue es ja nicht, hörst du. Streng dich an. Er hat einiges an Blut verloren, der Schuss ging glatt durch. Das haben wir schon gesehen und du richtest das, aber flott.“ Er spricht mich direkt an, sieht mir ins Gesicht. Ich weiß genau, ich habe keine Wahl. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, er sieht mich wohlwollend an, sieht irgendwie auf mich, als wäre ich eine jämmerliche Gestalt. Gut, er steht auch nicht an meiner Stelle hier.
Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. Ich habe Glück, dass ich nicht nur für Kleintiere zuständig bin. Ich habe auch Instrumente für große Tiere hier, wie zum Beispiel Pferde. Ich kann doch diesen Mann nicht sterben lassen. Ich muss versuchen zu retten, was zu retten ist. Soweit ich das irgendwie zustande bringe. Die Hektik und die Blicke der Hünen machen es nicht besser. Meine Hände zittern, Übelkeit schleicht sich von meinem Magen rasant herauf. Ich muss mich zusammenreißen, eine andere Chance gibt es nicht.
Es ist bereits zu spät, ich habe die Gesichter alle gesehen, das heißt in jeder Kultur doch das Gleiche, nämlich Zeugen müssen verschwinden. Ich denke, diese Begegnung macht mich zum Zeugen Nummer eins. Ich bin hin- und hergerissen, was ich machen soll. Ich soll ihn retten, ihnen helfen, mich nicht umbringen lassen und funktionieren und das alles auf einmal. Jetzt sofort.
„Ok, ok, ich brauche Instrumente, Männer, die mir die Sachen reichen, links und rechts jemanden neben dem Tisch. Die Lampe muss angeschaltet werden. Die Wärmedecke muss über ihn.“ Befehle und instruiere ich, soweit es möglich ist. Sie blicken mich fast entrüstet an, wirken wie Wilde und sehen aus wie Bastarde. Ich werde es machen wie bei Leo, mir nichts ankennen lassen, sie dürfen meine Furcht nicht spüren, sonst habe ich verloren.
Immer noch sehen mich diese Männer ungläubig an, dann meint der Große „Männer ihr habt sie gehört. Los, fangt an. Ich behalte sie im Auge.“ Er bückt sich etwas zu mir herunter und schwört mir „Kleines, du machst keine Faxen, sonst bist du schneller weg, als du denkst!“ Seine Stimme ist grauenhaft. Sein Gesichtsausdruck wirkt unbekümmert, weil er weiß, dass ich nichts anstelle, vor allem, wenn ich mit Leo unter einem Dach lebe.
Sie machen wie ihnen befohlen, ich hingegen spüre den Blick, welchen mir der Große zuwirft, nur allzu genau. Seine Atmung ist laut und nervt mich tierisch, ich habe Mühe mich zu konzentrieren und den richtigen Punkt zu finden, an dem ich anfangen werde.
Alkohol weht mir entgegen, zusätzlich zu dem Medizinischen, den ich verwende. Ich sediere den Mann auf der Liege, ich will nicht, dass er aufwacht und selbst Faxen macht.
„Ich muss ihn sedieren, Schmerzmittel verabreichen, einen Zugang legen und ich brauche Ruhe. Ich will helfen, verdammt, aber ihr lasst es nicht zu. Bitte“ Ich befehle und flehe gleichzeitig, meine Stirn ist voller Schweiß. Ich habe Angst, werden sie machen, was ich ihnen sage, werden sie so lange hier warten? Ja, ganz sicher, sie werden sich hier nicht wegbewegen. Ich traue mich nicht in ihre Gesichter zu blicken, aber es ist jetzt still. Die Stille, die mich zum Arbeiten bringen kann. Ich lege einen Zugang und sediere ihn. Fahre mit meiner Arbeit fort, der Wind und der Regen prasseln an die Scheiben. Es ist wie die Stille vor dem Sturm in diesem Raum.
Langsam taste ich mich zu der Schusswunde vor, setzte sofort die Klemmen und arbeite mich mit Präzision weiter voran. Seine Sauerstoffsättigung passt. Vorerst, das gefährliche Stück habe ich noch nicht betreten. Die Schusswunde liegt unter den Rippen, aber nicht tief, die Lunge sieht gut aus. Zumindest sehe ich keine, also wird nichts betroffen sein. Nein, es ist wirklich nicht schlimm, oberflächlich. Er wird mehr einen Schock als alles andere haben. Ich konnte nicht einmal röntgen. Er liegt hier auf der Tierliege, ich fasse es nicht. Rundherum sind kleine Pfötchenunterlagen und darauf der dunkle Mann.
Sie reden. So als wäre ich nicht hier.
Trotzdem versuche ich mich auf mein Tun zu konzentrieren. Es ist wirklich nicht leicht. Leise und kryptische Sätze geben sie von sich. Gemischt mit einem Italienisch, das ich als Slang interpretieren würde. Ich verstehe leider kaum etwas davon, nur einzelne Wörter. Latein, ja da kann ich ganze Bücher davon schreiben, das ist meine Sprache zusammen mit Tiergebärdensprache, sozusagen.
Die Tiere und meine Violine, das ist meine Welt. Und doch habe ich meine Finger in einem Menschen und kann es einfach nicht fassen. Ich meine, wem passiert so etwas, als Tierärztin müsste man damit nie in Berührung kommen. Ich habe solche Angst, dass mein Körper wohl einfach arbeitet. Was werden die Männer hier zu suchen haben, sie fragen mich im gleichen Moment, während es in meinen Kopf eindringt, ob ich die Frau von Leo DiDio bin. Ich nicke, vor Angst nichts zu sagen und könnte mich vor Dummheit verstecken. Klar, sie suchen ihn, Jackpot, was sollten sie sonst hier wollen. Leo, du bist so ein dummer Bastard. Wie immer er, nur Typen von dieser Art habe ich hier noch nie gesehen. Sie sind ausnahmslos gruselig, hünenhaft, und laut. Um einige Nummern größer als er. Und um Weiten gefährlicher als er, sie sehen aus, als würden sie allesamt den Tod überleben. Der Große neben mir, sieht das ich zittere, er meint „pssst!“ zu mir. Ok, was soll das. Ich blicke ihn kurz an und er nickt mir zu. Nicht wirklich etwas, das ich deuten kann. Trotzdem glaube ich, das könnte eine Chance für mich sein, ihn für mich zu gewinnen. Er ist immer noch so angespannt und scheint noch etwas Menschlichkeit in sich zu haben. Vielleicht ist das eine Chance, hier irgendwie herauszukommen. Ich spüre er bemerkt mein blaues Auge, gut, dass er nichts sagt. Also ich brauche einen Plan und das schnell. Eine Idee, um hier rauszukommen.
Er ist jetzt außer Gefahr, also werde ich ihn wohl weiter sedieren und sagen, dass ich etwas brauche und zur Toilette muss. Er ist in Wirklichkeit auch gar nicht so sehr verletzt, wie es aussieht. Blut sieht immer schlimm aus. Ich spüle die Wunde noch weiter und mehr als notwendig, so läuft es schön heraus. Trotz allem versuche ich so ruhig zu wirken wie möglich, und kein großes Aufsehen um meine Person zu machen.
Ruhig und gefasst sage ich ihnen, dass es noch ein paar Stunden dauern wird. Schließe die Sauerstoff Patches weiter oben an, sie sollen ruhig piepsen. Ich befestige sie extra nicht so gut, wie sie sein sollten. So sieht es noch etwas schlimmer aus. Und sie werden den Tisch nicht verlassen und warten, bis ich wieder komme.
Also etwas aus dem Nebenzimmer holen, ja das wäre ein Plan, nur was dann. Meine Tasche ist noch nicht ausgeräumt, gut so.
Trotzdem kann ich doch nicht ohne die Katze gehen. Ich habe sie schon so lange nicht mehr gesehen, sie weiß im Gegensatz zu mir, was besser ist für sie. Mist. Ich spüre die Blicke auf mir und weiß nicht, wie ich sie von mir lösen könnte.
Mavi, sie muss hierbleiben. Je weiter ich hier vorankomme, umso sicherer bin ich mir, sie werden mich nicht am Leben lassen, wenn ich hier fertig werden sollte. Sie unterhalten sich weiter, aber ihr Ton gefällt mir gar nicht. Ich muss die Gelegenheit nutzen. Versuche weiter so auszusehen, als würde ich nicht zuhören. In Wirklichkeit kann ich sowieso nichts verstehen, aber ich kann Körpersprache deuten. Ich muss weg, wenn nicht jetzt, dann nie. Und mein scheiß Ehemann, der kann mich genauso. Heute ist der Tag der Tage, an dem ich meine Freiheit zurückbekomme, nein an dem ich frei sein werde. Endlich. Es mag dumm sein, das zu riskieren, aber ich werde nicht leben, wenn ich es nicht probiere. Das weiß ich gewiss.
Einer von den Männern bringt mir mein Handy an den Tisch. „Das ist deins, oder?“ seine Stimme, fragend und vor Bosheit triefend. „Ruf deinen Wichser von Mann an und stell auf Lautsprecher. Lass dir nichts anmerken. Verstehst du mich. Nur, weil du unseren Arzt behandelst, heißt es nicht, dass ich dir vertraue oder einer der anderen. Klar?“ Ich nicke. Denke an meinen Plan. Lasse ihn mir ständig im Kopf von vorn ablaufen. Mist.
Ich räuspere mich, habe solche Angst „Sorry, aber ich kann die Hand hier nicht wegnehmen.“ Vorsichtig hebe ich die Augenbrauen, blicke die anderen um mich herum ebenso an. Hoffentlich rastet keiner aus.
„Also, Kleine. Ich rufe ihn an, ich stelle auf Lautsprecher und du holst ihn hier her. Es ist mir verdammt noch mal egal wie. Egal, wie du das anstellst, er kommt hier her, jetzt und sofort. Ich will, dass er hier ist. Ich habe keinen Bock, ihn noch weiter zu suchen. Verdammt nochmal“, brüllt er mich immer lauter werdend an.
„Er hat Schulden bei uns, und zwar eine ganze Menge. Als wäre das nicht noch genug, hat er beim Chef im Casino Karten gezählt.
Verstehst du?“ Dann beginnt er plötzlich zu grinsen, jemand wie ich weiß sofort, dass das kein gutes Zeichen ist. „Du weißt, was das bedeutet, natürlich weißt du das, ich sehe es an deinem Blick.“ Er lacht, Himmel, was ist Leo nur für ein Trottel, denke ich mir. Schlimm, aber mir wäre es egal, was sie mit ihm machen. Nur kann ich ihnen das sagen? Nein, definitiv nicht, das wäre mein sofortiges Todesurteil. Ich bin so froh, dass meine Helferin Lara nicht hier ist. In meinem Kopf rattert es. Was soll ich ihm nur sagen? Warum sollte er kommen? Ihn interessiert sowieso nichts. Ich blicke auf den Verwundeten, starre eigentlich nur ins Leere, das Licht ober mir ist so grell, die Männer atmen so laut, die Sauerstoffsättigung piepst immer wieder, ansonsten Totenstille. Und ich stehe hier am Rande des Zusammenbruches.
„Ich muss mich konzentrieren, wartet kurz. Bitte, die eine Naht, dann bin ich bereit, das zu tun, was sie wollen.“ Sage ich ihnen, den überlegenden Unterton werden sie hoffentlich nicht erkennen. Die Naht, die ich hier abliefere, ist von Zittern umgeben, schwierig überhaupt eine zu machen.
Er blickt mich wieder fragend an. „Mein Passwort ist 9898. Sein Name steht in der Kurzwahl 2“, stottere ich und nicke ihm zu. Sofort kommt mir ein böses Lächeln entgegen.
Es sind sonst sowieso keine Namen drin gespeichert. Auch das hat er mir verboten. Er soll nur kommen, mittlerweile denke ich fast es ist besser er kommt und wird von ihnen geschlagen oder was auch immer. Meine ganze Wut auf ihn kommt wieder zum Vorschein und wächst ins Unermessliche.
Genauso wie die Schwellung an meinem Auge.
Er wählt, das Freizeichen erklingt. Tut, tut, tut, noch nie hat das so lange gedauert, vor allem rufe ich normalerweise auch nie an. Er ist mit meinem Vater unterwegs, die beiden werden sich wundern, wenn auf einmal mein Name auf dem Display erscheint. Leo nimmt ab, ich erschrecke „Ja, was willst du“ er hört sich gestresst und angetrunken an, so wie immer. Der Raum füllt sich mit seiner Stimme und nimmt meinen Geist sofort wieder ein. Die anderen stehen um mich herum und hören zu, man könnte eine Stecknadel hören, so leise sind sie plötzlich.
„Kannst du bitte schnell kommen“, ist das Erste, das mir gerade einfällt.
„Warum? Was willst du, habe ich gefragt. Und nicht, was ich tun soll? Was ist mit dir los, warum rufst du mich an, du weißt, dass du mich nicht stören sollst. Das haben wir doch gerade erst geklärt oder weißt du das nicht mehr?“ Seine ekelhafte Stimme dröhnt aus dem Lautsprecher, die Bastarde blicken alle mich an. Dann, unüberlegt, platzt es aus mir heraus. „Ich bin schwanger!“ Stille in der Leitung, stille und seltsame Blicke füllen auch den Raum um mich. Das ist das Beste, dass mir gerade jetzt und hier eingefallen ist. Er wird wissen, dass es nicht sein kann, er wird denken, ich habe einen andern, er ist so Besitz ergreifend, dass er jeden umbringen würde, der mir zu nahekommt. Gut, er würde es nicht selbst machen. Er hat Arbeiter. Er ist dafür nicht geeignet. Und dass, obwohl wir uns nicht einmal selbst nahe sind. In den ersten zwei Jahren unserer Ehe hatten wir ein paarmal Sex. Dann so gut wie nicht mehr. Gott sei Dank. Ich glaube, er steht überhaupt nicht auf Frauen, und wenn, dann nur auf Ältere. Ich habe ihn öfter mit einer über sechzigjährigen Nutte in unserem Bett gesehen. Mehrmals mit anderen alten Frauen. Spätestens beim dritten Mal war mir klar, ich bin nicht sein Typ. Ich war nur die bessere Partie, in diesem scheiß Konstrukt der Mafia. Der Bündnisse. Der Korruption. Der Ausbeute.
„Du verdammte Hure“, tönt es zurück, ich konzentriere mich derweil, den Arzt hier am Leben zu erhalten, ihn so weit zu stabilisieren, dass ich verschwinden kann.
„Du kannst Gift darauf nehmen, du dumme Schlampe, dass ich gleich hier sein werde, und Gnade dir Gott, du hast recht. Setz dich in den Keller auf deinen Stuhl, du dumme Fotze!“ Ich höre bereits wieder, dass er mehr als üblich getrunken haben muss. Er hält sich meist nur in Bars und Casinos auf. Die Blicke der Männer um mich herum, unergründlich. Stille, weit und breit. Leo ist jetzt so geladen, dass ich auf keinen Fall hier sein möchte, wenn er kommt. Das ist mir klar, dagegen scheinen die Männer im hier im Moment nicht ganz so schlimm. Aber ich weiß es besser. Auch sie sind von der gleichen Sorte. Die, die dich nicht gehen lässt, bevor sie alles von dir haben. Du entkommst ihnen nicht, sie nehmen sich dich.
Ich denke, er ist relativ stabil, dass er soweit fertig ist. Ich lasse den Schnitt und die Eintrittsstelle noch eine bisschen offen, sie könnten später nur ein Pflaster darauf geben.
Bewegung macht sich um mich breit. Gerade jetzt verlassen zwei von ihnen den Raum und gehen zur Vordertüre hinaus, ich habe gehört, wie sie seinen Namen sagten. Sie warten auf ihn. Gut so. Sie werden abgelenkt sein. Noch drei um mich herum am Tisch.
„Ich muss kurz hinter und die Betäubungsmittel holen, ihr müsst die Klammern weiterhin festhalten. Es darf nichts verrutschen, ok?“ Ich blicke ihnen in die Augen, vergewissere mich, dass sie mich hören und ich authentisch wirke. Sie dürfen auf keinen Fall Verdacht schöpfen. Innerlich bin ich gerade ein totales Wrack. Angst und Magenschmerzen bilden das Zentrum in meinem Körper. Sie sehen sich um, wirken unschlüssig. Der Erste nickt mir zu, ich hoffe, die anderen beiden verlassen sich auf sein Nicken. Es sieht nicht so gut aus, der Zweite folgt, die Anspannung wird größer. Sie sehen sich an und lassen mich aber dann doch gehen. Sie hatten die Räumlichkeiten gecheckt. Es gibt nur das kleine Fenster über dem Schrank. Das Kleine, durch das ich gerade so durchpasse. Wenn man nicht direkt hochsieht, kann man es leicht übersehen, ebenso den
Hocker, welcher neben dem Schrank steht. Nervös nicke ich ihnen zu, hoffe so sehr mich nicht zu verraten. Es gibt nur diese eine Chance.
„Bin gleich wieder da, wie viel wiegt er ungefähr?“ Frage ich sie noch, auch wenn es total egal ist. „Neunzig Kilogramm müsste er haben“, meint der Kleinere kurz und knapp. Das ist mein Stichwort, ich nicke, gehe langsam hinter und dann mache ich so schnell ich kann. Ich nehme den Hocker, klettere auf den Schrank, nehme mir die Tasche von dort oben und öffne das Fenster. Mein Puls springt bis auf Anschlag. Es ist keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich muss über die Scheibe klettern, sodass sie nicht zerbricht. Irgendwie muss ich mich da durchdrücken, erst die Tasche, dann ich. Ich habe eine scheiß Angst.
Meine Hände zittern so stark, dass ich fast nichts anfassen kann. Aber ich muss noch schneller sein, so schnell ich kann.
Ich winde mich durch das Fenster und lasse mich fallen. Es ist nicht weit, vielleicht knapp zwei Meter, ich lande gut. Zum Glück. Schnappe mir die Tasche und laufe los. Die Sonne geht sowieso bereits unter, sodass ich mich hoffentlich gut verstecken kann. Der Wind peitscht in mein Gesicht, der Angstschweiß trocknet auf meiner Haut. Ich spüre es, ich traue mich nicht umzusehen. Ich spüre jeden Schritt in meinen Gedanken doppelt so stark. Die Luft aus meinen Lungen wird weniger, sie brennt regelrecht vor Anstrengung. Alles, was ich höre, ist mein schneller Atem, das ein-und ausatmen. Spüre meine Füße, die so schnell laufen, wie sie können, Schritt für Schritt. Ich befürchte, wenn ich mich umdrehe und schaue, ob sie folgen, werde ich langsamer. Ich laufe, als gäbe es kein Morgen, das es vielleicht wirklich nicht gibt. Das Grundstück ist weitläufig, sodass ich ein ganzes Stück laufen muss, ich laufe am Rand, an den Bäumen. Zwischen Sträuchern hindurch. Angst ist ein wahnsinniger Motivator.
Ich laufe an der Scheune vorbei, die für die Pferde, seine Pferde. Für den Rennsport. Ich könnte eines nehmen, aber ich habe keinen Schlüssel zu den Boxen. Ich kann nicht nach innen gelangen. Zeit dafür habe ich erst einmal auch keine. Hier hinten könnte man noch mit einem Wagen fahren. Zeit zu überlegen, bleibt mir nicht, ich laufe und laufe um mein Leben. Ich weiß, der Mafia entkommst du nicht, der gehörst du. Und ich weiß auch sicher, dass diese Typen definitiv auch welche von ihnen waren. Die ganzen Tattoos, die Haltung, die
Kleidung. Der Rucksack ist verdammt schwer, das hätte ich bedenken müssen, bin aber schon so weit, dass ich das Haus nicht mehr sehen kann. Ich habe keine Zeit, um auszusortieren, Mist.
Trotz der brennenden Lunge und dem Seitenstechen, laufe ich so schnell ich kann um den See, zum angrenzenden Wald. Ich versuche mich weitgehendst niedrig zu bewegen. Wenigstens trage ich die dunkle Jacke aus dem Rucksack, sie ist bitter notwendig. Eigentlich dürfte das Wetter um diese Zeit noch sommerlich sein. Der Sturm von heute Nacht macht das Ganze jedenfalls nicht zu einem guten Tag, um zu fliehen. Ich höre jeden Ast, auf den ich trete und spüre jeden Stein.
Scheiße, es ist so windig, holprig und der Kies gibt nach, ich falle in das Wasser. Das darf doch nicht wahr sein. Triefend vor Nässe stehe ich auf, stolpere weiter voran. Mein Rucksack, alles darin wird genauso nass sein. Die Zeit im Gedächtnis sprinte ich weiter am Rand entlang. Ich habe noch nie solch eine Angst gefühlt. Wenn er mich jetzt findet, wird er mich zu Tode schlagen. Ganz sicher. Über den holprigen Weg laufe ich weiter dem Waldstück entgegen, ich blicke mich immer nach hinten um, ich habe das Gefühl, er ist bereits hinter mir her. Ich höre seine Stimme im Innersten. – Du kannst so weit laufen, wie du willst, ich werde dich immer zurückbekommen.-
Die Stimme von Leo, die einfach nur spöttisch und gemein klingt. Ich weiß nicht, wie viel Zeit schon vergangen ist, ich lief mal langsamer, mal schneller und bin einige Zeit einfach nur gegangen. Ich muss schon ein ganzes Stück vorangekommen sein. Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, sehr viel. Ich fühle mich jetzt gerade freier als in meinem Haus. So weit werde ich es nicht mehr kommen lassen.
Nein. Ich befürchte, dass ich nicht genau weiß, wo ich entlanggehe. Meine Orientierung lässt bei Dunkelheit stark zu wünschen übrig, zusammen mit den Geräuschen des Waldes und dem angrenzenden Highway wird mir so schlecht, dass ich pausenlos umfallen könnte. Die Äste am Boden kacken, der Wind bewegt die trockenen Blätter, die Tiere beginnen, wach zu werden. Und dann noch diese Luft, kalt und dunkel. Meine nasse Kleidung hilft absolut nicht und ich kann nichts ablegen, weil ich dann gar nichts mehr anhätte. Die nassen Schuhe brauche ich genauso. Verdammt.
Umso weiter ich umherirre, weiß ich, ich muss tiefer in den Wald. Tiefer zu den Tieren, welche in meiner Praxis meine Freunde wären, doch hier bin ich in der Wildnis und das allein. Dazu kommt das der Weg das einfachere wäre, einfacher zu gehen, genau diesen aber kann ich mir nicht leisten. Ich hätte das alles besser recherchieren sollen, doch wie macht man das, wenn all seine Bewegungen überwacht werden.
Zitternd und frierend stampfe ich weiter, drehe mich ständig um. Mein Atem ist unüberhörbar. Ich kann kaum ein Licht anmachen. Zitternd halte ich die Taschenlampe in der Jackentasche, sodass es nur minimal Licht gibt und darum muss ich tiefer. Bei jedem Geräusch springt mein Blutdruck weiter in die Höhe.
Auch der Mond ist winzig klein zwischen den Bäumen zu sehen und spendet wirklich null Licht. Kein bisschen. Ich weiß nicht wie lange ich mich schon hier durch kämpfe, mittlerweile ist meine Jacke kaputt, überall aufgerissen. Jedes, einzelne Körperteil schmerzt oder ist nass. Mit Ausnahme meines Haares, das ist trocken. Der Verfolgungswahn hat mich so wie es aussieht fest im Griff, ich blicke mich ständig um, auch meine Fingernägel habe ich vor lauter Angst und Nervosität während des Gehens alle abgebissen.
Weiter vorn wird es etwas heller, ich komme zu einer Art Schlucht, würde ich sagen. Schleppend steuere ich sie an, es geht ziemlich tief hinunter. Hier sieht es aber, nach der bis jetzt besten Stelle zum Ausruhen aus. Ich muss etwas schlafen. Es ist so nötig, ich kann einfach nicht mehr, mittlerweile bin ich sicher ein gutes Stück von zu Hause weg.
Es muss so sein, wenn es schon langsam hell wird. Meine Beine lassen sich kaum noch bewegen, jedes Anheben ist eine Qual. Die kurzen Pausen, die ich gemacht habe, haben kaum etwas gebracht. Hier auf dieser Seite befinde ich mich nicht in seinem gewohnten Territorium, er ist der Stadtmensch. Er wird denken, ich bin zu meiner Freundin, besser gesagt meiner Praxishilfe oder in die Stadt. Ich hoffe es. So kaputt und müde wie ich mich fühle, muss ich wenigstens eine oder zwei Stunden schlafen. Der Durst und das Brennen der Schnitte durch das Holz, vor allem im Gesicht schmerzt fast genauso viel, wie ich Angst habe. Mein Handgelenk brennt wie Hölle.
Natürlich musste ich jetzt kurz vor Ende nochmals fallen, auf einem riesigen Stein ausrutschen, und mich genau mit der Hand abstützen. Aber ich nehme alles das in Kauf, jetzt ist es zu spät für ein Zurück. Er wird mich sonst lebendig häuten. Nicht meinetwegen, wegen seines Egos.
Ich lege mich ans obere Ende, dort, wo die Brücke zum Hang herunter beginnt. Hier ist ein Strauch, er sieht sehr buschig aus, wer weiß, was das ist, aber ich könnte dahinter Platz haben. Zusammengekauert, halb unter der Brücke zwischen dem Strauch lege ich mich hin. Meine Jacke muss ich irgendwie trocken bekommen, ich werde sie neben mich legen müssen. Ich kann sie keinesfalls anlassen, vielleicht wird mir der Wind helfen und der Strauch mich etwas verstecken. Alles schmerzt, jede Körperstelle. Aber die Angst ist mein Ansporn. Sie hält mich wahrscheinlich gerade am Leben. Geistig versuche ich nicht zu tief zu schlafen, dann muss ich weiter, mehr Ruhe kann ich mir nicht leisten. Nach einiger Zeit, zusammengekauert zwischen Dreck, Blättern und Erde, schlafe ich weinend vor Erschöpfung ein. Im Hinterkopf singt Leos herrische Stimme und in meinem Verstand singt die Stimme der Freiheit. So lange mache ich das schon mit und hatte mich nie getraut zu fliehen.
Schwitzend erledige ich noch mein Schlagtraining, jeden Tag immer im gleichen Ablauf. Aufwärmen, Training, Nachbearbeiten. Einzig der Inhalt des Trainings wird verändert. Mal mehr Thai Kunst, mal mehr Boxen, ich nehme das, was ich denke, dass ich gerade brauche. Ich trainiere es, solange ich denken kann.
Mixed Martial Arts ist mein Leben, Kondition, Schnelligkeit und Kraft. Davon hängt mein Leben ab. Das Beste dabei, ich kann nachdenken, bin fokussiert auf meinen Geist.
Ich bin bereits seit sechs verschissenen Monaten in dem gottverdammten Brasilien. Ich habe die Schnauze voll. Mein scheiß Bruder Phil, der baldige Don hat mich hierhergeschickt, um ein Spion zu sein, sozusagen. Ich soll schauen, warum unsere Waffen nicht geliefert werden, unauffällig. Nachsehen, was mit den Diamanten los ist, wieso immer wieder einige fehlen. Ich soll Undercover bei ihnen mitspielen. Und Fuck, mir reicht es definitiv. Ich bin so lange hier in dem Gott verlassenen Drecksloch, das sie Zimmer nennen.
Phil ist dumm, wenn er denkt, hier in Brasilien würde alles regelkonform ablaufen, jeder weiß, Brasilien zählt zu den Top-Städten der Kriminalität.
Ich habe von Anfang an nicht verstanden, was ich hier sollte. Es macht einfach keinen Sinn. Ich bin hier, um mitzuspielen. Es ist seit Phil der amtierende Don ist, besser nicht zu Hause zu sein. Mein Vater lässt alles mit sich machen und Phil mein Bruder, er bekommt einen Anflug von Wahnsinn und Größenwahn. Er kommandiert jeden und alles herum und das so, dass es nicht einmal Sinn ergibt.
Aber nicht mit mir, ich lasse mich nicht kommandieren.
Hier und im Moment so weit weg vom Geschehen zu sein ist mir sicherlich nicht lieber, jetzt, wo auch noch das Bündnis mit Gonzales infrage gestellt wird. Doch ich muss meinen Job erledigen. Und wenn es bedeutet in Brasilien die Lage im Auge zu behalten, dann ist das so.
Doch plötzlich will er alles für sich allein. Er sollte diese Grace, dessen Tochter heiraten, gut sie ist nicht hübsch, aber in dieser Welt wäre sie eine gute Partie, eine richtige Trophäe. Sie liebt den Glamour, Geld und den Status. Die Santo-Gonzales-Verbindung sollte die Macht stärken und bald wird es soweit sein. Gonzales wird wieder bei den Großen mitspielen.
Ich trainiere hier heute schon den halben Tag in meinem Bungalow. Die Hitze ist zum Kotzen und der Schweiß rinnt mir den Körper entlang. Über mir der langweilige Ventilator, der seine Runden zieht und die Wärme verwirbelt, den Staub verteilt. Die Fensterläden lasse ich so gut es geht geschlossen. Es braucht niemand hereinsehen, niemand sehen, was ich hier drinnen mache, allerdings ist es so, dass es dann den halben Tag über dunkel in der Bude ist. Und das seit Monaten. Fuck mir reicht es so. Merda. Scheiße. Ich habe mich ein Paar von ihnen angeschlossen, ob ich die Arbeit zu Hause oder hier übernehme, bleibt sich gleich. Ich bin der Struggler, da ist es egal, welche Nationalität es trifft. In Gedanken versunken, gehe ich an das Ende des Dorfes, hier gibt es ein paar Hallen.
Ich lege mich mehrmals täglich an meinen Beobachtungspunkt. Hier schleicht nie jemand herum. Ständig zerbreche ich mir den Kopf, was sie da unten wohl vorhaben. Ich kann unmöglich hier unten allein mein Ding machen, wenn ich die Aufträge im Auge behalten will. Die vorherrschende Kriminalität hier unten spricht Bände. Egal, wo man hinsieht, es ist, als wäre es eine andere Welt und das sage ich als Sohn meines Vaters, den Don schlechthin. Alles das, was mein Bruder jetzt daraus gemacht hat, ist vollkommener Schwachsinn. Er ist der Jüngere von uns beiden. Wir dachten immer, ich wäre der nächste Don, er hatte keine Aufgabe für sich darin gesehen, er war schon immer lieber bei den Soldaten dabei. Weg von der Verantwortung. Irgendetwas muss ihn dazu getrieben haben, diese Stellung einnehmen zu wollen. Irgendetwas Plötzliches. In unserer Welt muss der nächste Don, mindestens dreißig Jahre alt sein, verlobt und innerhalb des Amtes innerhalb von sechs Monaten heiraten, sich beweisen, indem er den Eid auf die Omerta beschwört. Den Eid auf die Familien, den Eid auf die Mafia. Das, welches uns ausmacht und das unumgänglich ist.
As this card burns may my soul burn in hell if i betray the oath of omerta. Meine Seele gehört der Omerta.
Ja, ich habe ihn bereits geschworen, damals schon als sechzehnjähriger Mademan, als ich meinen ersten Mord für meinen Vater beging. Seit dem Tod meiner Frau und das, was sie mit meiner Schwester gemacht haben, habe ich mich zurückgezogen. Ich kann nicht die Leute umbringen und gleichzeitig die Mafia führen. Mein Vater hatte derweil wieder übernommen. Und ich bin wieder Jäger. Das sind die Menschen doch von Beginn an oder. Von dort ab bis jetzt, ist so ziemlich alles schiefgegangen, weil Phil mein Amt haben wollte, ich es zuließ und er es jetzt bekommt.
Mein Vater war bis vor kurzer Zeit fit, sehr fit und mein Bruder mit seinen vierzig Jahren wirkt älter als er. Unglaublich, aber so war sein Lebensstil. Gesundes Essen, ausreichend Bewegung oder Fitness, alles das, das mein Bruder nicht auf die Reihe bekommt, so und deshalb bin ich hier. Er schafft es nicht unsere Schwachstellen zu kitten, sich durchzusetzen bei den Männern, er ist und bleibt ein Schlappschwanz. Wenn ich an die Hochzeit mit dieser Tussi denke, wird mir ganz schlecht, dann ist er offiziell der Don, fuck. Don de Santo, Phillipe.
Sogar meine Schwester stellt sich im Stillen gegen ihn. Ja, das soll schon etwas heißen. Sie sieht, dass er der Falsche für den Posten ist. Er ist jemand, der sich hinter anderen versteckt, jemand, der den Ruhm dafür einheimst.
Ich verstecke mich zum Teufel nochmal nicht, ich heimse keinen
Ruhm ein, weil er mir egal ist.
Ich will den vollkommenen Zusammenbruch, Totalschaden verhindern, ich sehe, dass er unaufhörlich auf uns zurast.
Die Zeremonie soll in einem Monat stattfinden, Gott sei Dank kann ich noch bleiben, ich will und kann mir diese traurige Veranstaltung nicht ansehen, genauso wenig wie Ada. Seit sie in dem verfickten Rollstuhl sitzt, verlässt sie das Haus sowieso nicht mehr. Aber dass sie bei dieser Hochzeit nicht mitgehen will, verstehe ich. Mein Vater und mein Bruder haben es noch nicht gesagt, doch sie würde sowieso nicht mitgehen dürfen, diese Schwäche will er niemanden präsentieren. Wir sollen alle stark aussehen. Ist mein Vater denn so blind geworden, dass er nicht erkennt, dass Phillipe alles den Bach herunterkommen lässt? Oder vertraut er auf das neue Bündnis? Was bringt ihn dazu, es so weit kommen zu lassen und meine Schwester ebenso untergehen zu lassen? Fuck. Fuck ich brauche einen Drink und am besten etwas zu ficken.
Seit Stunden beobachte ich dieses fucking Areal in der brütenden Hitze, mit einer Luftfeuchtigkeit, die einem die Luft abschnürt. Meine Kleidung ist ein einziger Wasserfall und meine Zunge gleicht die eines Schleifpapiers. Frustration und Wut beginnen sich langsam wieder hochzuarbeiten.
Ich habe nichts Auffälliges gefunden. Nichts.
Mein Fernglas funktioniert einwandfrei und meine Augen auch. Also muss ich morgen wieder los, sehen, ob ich dann etwas Auffälliges sehen werde. Die Truppe hier, ist seit ein paar Tagen unruhig, ich spüre das. Auch wenn mein Portugiesisch nicht das Beste ist, verstehe ich die Menschen durch ihre Körpersprache. Zurück in meinem kleinen Bungalowzimmer, gehe ich, noch bevor ich überhaupt die Schuhe abstreife, zum Badezimmer, stelle die Dusche auf eiskalt und ziehe mich aus. Stelle mich sofort unter das kalte Wasser, solange es überhaupt noch läuft. Ich brauche verdammt noch mal Whiskey mit Eis, und zwar schnell. Fertig geduscht, schlendere ich zur Bar und schenke mir gleich ein großes Glas ein, Eiswürfel dazu und stelle mich vor die Fenster, ich will sehen, ob sich draußen etwas tut. Es ist alles wie immer; wie immer in den vergangenen letzten, scheiß Monaten. Bis auf gestern, es hatte sich irgendwann nachts, einer der Typen, die hier verkehren, neben mein Bett geschlichen. Ich habe ihn sofort lautlos kalt gemacht. Mein Schlaf ist nie tief und ich bin immer, immer vorbereitet. Ich habe ihn verschwinden lassen. Da ich nichts dem Zufall überlasse, glaube ich, dass es durchaus sein kann, dass sie besonders auf mich achten.
Den TV bediene ich gar nicht erst, es ist nichts für mich. Radio, nein, brauche ich nicht. Ich fange mit Liegestützen an, erst einhundertfünfzig, dann weitere einhundert Sit-ups zur Aufwärmung. Meine Dartscheibe benutze ich mit dem Messer, ich nehme den größten Abstand und werfe immer in die Mitte, kein Treffer verfehlt, kein einziger.
Fast einen Tag wieder geschafft und es wird langsam dunkel, dann kühlt es weiter ab. Ich esse schnell und mache mich auf den Weg, um zu laufen, etwas den Kopf freibekommen. Die Frauen am Straßenrand bieten sich alles und jedem an. Sie werden täglich mehrere Schwänze in ihrem Arsch haben. Ich will gar nicht erst daran denken, meinen Schwanz in einen Arsch zu stecken, aus dem noch der Saft des Vorgängers quillt.
Damals als meine Schwester den Rollstuhl bekam, traf sie zuvor ein verdammtes Unglück. Ich konnte den Wichser oder die, noch nicht ausfindig machen. Wir haben sie so vor unserer Haustüre als Warnung bekommen. Die dämlichen Wichser haben sie vergewaltigt, geschlagen und tagelang angekettet, dass eine Blutvergiftung durch die Wunden an den Beinen bekam. Ein Unterschenkel musste amputiert werden, er war nicht mehr zu retten. Jetzt ist sie nicht mehr zu retten.
Ich laufe immer weiter, in meinem Kopf läuft pausenlos der Film ab, der Tag, als uns meine Schwester auf der Veranda abgelegt wurde. Das nur, um uns eine Lektion zu erteilen. Dann eine Woche später lag meine Frau, tot und zerstückelt in einer Kiste auf der gleichen Veranda. Dieses Mal mit Absender und Grußkarte. Meine Ellen. Diesen Tag, ich werde ihn nie vergessen. Seitdem bin ich auf der Jagd nach Sanchez und DiDio. Diese beiden Wichser müssen dafür büßen. Ich muss weiterlaufen, es ist die einzige Möglichkeit, dass ich wieder zu Verstand komme, frische Luft und das Schwitzen.
Das war meine Intention, um zu sagen, ich werde nicht der Don werden. Seit dem Tod meiner Frau habe ich auf alles und jeden geschissen. Genau, es war mir egal. Ich wollte nur Rache und deren Tod. Alles, was zählt, ist den Wichser in die Finger zu bekommen, der ihnen das angetan hat und dazu kann ich nicht noch eine Mafia leiten. Ich will und muss das im Alleingang schaffen, Rache an Gonzales und DiDio ausüben. Koste es mich, was es wolle. Ich weiß, wir können niemanden trauen, genauso wie ich meinem schwachköpfigen Bruder nicht traue und bei meinem Vater bin ich mir nicht mehr sicher. Fuck, früher vor meiner Frau haben wir uns die Weiber geteilt, Phil und ich.
Manchmal haben wir sie auch zusammen gefickt. Jeder ein Loch. Ich konnte es die letzte Zeit nie verstehen, was ihn dazu gebracht hat der zu werden, der er jetzt ist.
Meine Frau, es war eine arrangierte und kinderlose Ehe. Ich kann keine Kinder zeugen. Wir haben uns miteinander arrangiert. Ich habe sie geliebt. Zumindest so wie es sein sollte. Wir waren gute Freunde und ein gutes Team, dann in dieser verfickten Nacht musste sie wegen unserer Dummheit sterben. Die Dummheit, dass wir nicht wussten, wo wir sie suchen sollten. Wo wir anfangen können. Ich nehme noch einen weiteren Schluck von meinem Whiskey, wie jeden Abend. Vor allem hier in diesem Drecksloch.
Mein Penthouse in New York erinnert mich zwar täglich an sie, aber es ist nicht so vergammelt wie dieses Loch hier. Ich bin froh, wenn ich Wasser aus Flaschen zu trinken bekomme und nicht die Pisse aus dem Hahn trinken muss. Für mich gibt es keine Freundschaften, keine Liebe, keine Zuneigung und keine Frau mehr.
Nada. Der Fluch meiner Existenz, von Geburt an.
Ich habe es verdammt nochmal gelernt. Gelernt habe ich auch, dass sie starb, damit man mich schwächen kann. Damit alle sehen, dass ich nicht auf mein Eigentum aufpasse. Wieso habe ich dieses seltsame Gefühl, dass hier nicht alles mit rechten Dingen abläuft?
Ich telefoniere fast täglich mit Nero, meinem eigentlichen Consigliere. Er ist derweil bei meinem Bruder geblieben. Informiert mich, wenn es etwas gibt, das ich wissen sollte.
Wenn man so will, mein Spitzel. Und das nur auf unserer eigenen Leitung. Genau, traue niemandem.
Halb erfroren wache ich aus dem Halbschlaf auf, aber meine Kleidung ist weitgehendst trocken. Ich bin froh, dass noch Sommer ist, anders wäre es nicht auszuhalten. Die Nächte sind frisch, aber sobald sich die Sonne zeigt, wird es wärmer. Ich lausche der Umgebung. Viele Vögel und die Landstraße sind im Hintergrund zu hören.
Ich muss unbedingt weiter in Bewegung bleiben, sie werden mich noch finden, wenn ich länger hierbleibe. Nach kurzem
Rundumblick weiß ich, dass ich hier länger liege als ich sollte. Die Sonne ist schon zu warm. Das darf nicht noch einmal passieren. Ich schnappe mir aus meinem Rucksack einen Proteinriegel, raffe mich auf und stampfe weiter. Diese Riegel habe ich zur Genüge dabei, sie sind fast nicht verderblich. Und etwas Wasser habe ich auch. Auch wenn es eigentlich zu schwer ist, es reicht für ein paar Tage, wenn ich nur trinke, wenn es sein muss. In meinem Kopf kreisen die Gedanken, was soll ich tun. Wann kommt er? Die Stimme, die mir das Grauen und den Ekel lehrte, hört einfach nicht auf. Dazu kommen noch die Gerüche aus meinen Gedanken. Etwas wie geronnenes Blut und einfach Ekel, den ich nicht beschreiben kann. Ich weiß nur immer, wenn ich so in Stress gerate, wie ich es gerade bin, muss ich diese Gedanken abschütteln. Sonst kommen grauenvolle Bilder in meinen Kopf und übernehmen dann die Führung.
Schlapp kämpfe ich mich den steinigen Weg entlang zu dem nächsten Waldstück. Die Feuchtigkeit lässt die Natur regelrecht duften, einfach herrlich, es beruhigt. Und genau das brauche ich. Genauso wie etwas zum Schlafen für die Nacht. Auch wenn es noch länger dauern wird, darf ich es nicht außer Acht lassen. Tiere hin oder her. Es geht nicht anders. Meinen Informationen zufolge muss ein Bahnhof in der Nähe des nächsten Ortes sein.
Das liegt aber nach dem Waldstück. Ich werde es auf zwei Tage gehen müssen. Die Sonne brennt mittlerweile so heiß auf meinen Kopf, dass die Kopfschmerzen nicht weniger werden. In Gedanken versunken bin ich bei meinem kleinen Kätzchen. Meiner Mavi. Ich hoffe, sie findet sich Futter und bleibt von Leo weg. Leonardo mein Mann, der Spieler, der Süchtige, der halbe Don. Er hat den Titel wegen seiner Spielsucht noch nicht. Er darf mich nicht finden. Ich will nicht mehr zurück, will keinen Erben zeugen, nichts davon. Fast wäre es vor ein paar Monaten so weit gewesen, er hatte seinem Vater plötzlich eine beachtliche Summe zurückgezahlt. Ihm gesagt, er spielt nicht mehr und ist clean. Scheiße war das ein Glück, dass er es ihm nicht geglaubt hatte. Er solle sich weitere sechs Monate beweisen. Ich weiß, was in sechs Monaten gewesen wäre, ich sollte schwanger sein. Nie im Leben. Ich habe die Dreimonatsspritze penibel genau gespritzt.
Soll er doch irgendeine Nutte nehmen und ihr ein Kind machen. Mir wäre es egal. Mein Vater saß auch schon auf heißen Kohlen, er erwartet den Erben genauso. Ihm traue ich genauso wenig. Er ist zwar mein Vater, aber wir leben, seit ich denken kann, nebenher. Im Gegenteil, ich komme mir von allem und jeden abgeschottet vor.
Langsam höre ich irgendwo aus dem Wald immer mehr Geräusche, umso länger ich gehe. Mein Knöchel scheint auch nicht mehr lange mitzuhalten. Ich höre in der Stille neben den gruseligen Geräuschen meine Schritte, meine Atmung, alles zusammen fühlt sich nicht richtig an und jagt einem eine Decke aus kalten Schauern über die Haut. Es hilft nicht, ich muss jetzt wirklich bald nach einem Schlafplatz Ausschau halten. Ich werde mir die größeren Äste an den Rand an die Sträucher holen, eine Art Barriere bauen und mich ganz unten drunter legen. Ich will nicht, aber ich muss. Immer wenn ich an die beiden denke, verlässt mich fast mein Mut, meine Atmung wird langsam zu Panik. Ich brauche andere Gedanken. Darum fange ich jetzt mit dem Suchen an, die Sonne wird bald wieder untergehen und dann ist es hier stockfinster und ich hier verlassen und alleine. Nein, jammern darf ich nicht, ich habe bis jetzt die beste Chance ihm zu entkommen. Natürlich werde ich so weit weg müssen wie möglich. Irgendwo vielleicht in einem Buchladen anfangen, irgendetwas Kleines weit weg von alledem. Perfekt wäre ein anderer Name, aber dafür habe ich nicht die Mittel. Ich weiß, so weit bin ich noch lange noch nicht, ich muss erst mal weg. Weit weg. Auch wenn es wirklich bedeutet alles zurückzulassen. Meine Sachen; gut ich habe ich nicht viel. Ich habe einen Schuhkarton mit Kleinigkeiten, die mir wichtig sind. Wichtig, weil sie nur mir gehören. Stifte, einen Notizblock, Bilder von mir als Kind. Meine Violine und ein paar Noten dazu.
Nach gefühlten Stunden bin ich endlich fertig für die Nacht. Prüfend lege ich mich unter mein provisorisches Bett. In viele, sehr viele Äste versteckt. Ich hoffe, dass die Tiere so nicht zu mir kommen. Einzig mein Gesicht sieht heraus. Ich habe Angst, wenn es zu eng wird, dann kommt meine Panik, die die mich mein ganzes Leben über begleitet. Ich weiß nicht, woher es kommt, aber es ist da, immer. Die Kälte nagt bereits wieder an meiner Nasenspitze, verzweifelt versuche ich die Geräusche des Waldes in der Nacht auszublenden. Ich zittere hier unten und bilde mir ständig ein, dass Tiere über mich laufen.
Diese Nacht über schlafe ich einen traumlosen Schlaf, mit Schmerzen im Arm und am Knöchel auch wache ich ständig auf. Im Hinterkopf überwiegt trotz allem aber die Freude so weit weg von ihm zu sein. Ich hoffe, diesem Arzt geht es gut, ich will nicht schuld sein, wenn jemand stirbt. Ich kann nicht richtig schlafen, dösen würde ich es nennen. Gedanken, Fragen, alles rauscht diese Nacht durch meinen Kopf. Lösungen leider nicht. Wenigstens ist diese gruselige Nacht vorbei. Ich bin bei den ersten Lichtstrahlen wieder los. Fast schleichend und wirklich quälend geht es voran, meine Beine schmerzen so sehr. Das kommt davon, dass ich vorhin wieder einmal abgerutscht bin, bin dabei so blöd gefallen, dass ich mir mein Bein nun richtig verstaucht habe und lauter Striemen im Gesicht haben werde. Na toll. Blaues Auge und humpelnde Gestalt. Ich weine meinen Weg entlang, es bricht einfach so aus mir heraus. Natürlich weiß ich, es wird mir nicht helfen, aber ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr anders. Dass ich in der Dunkelheit Angst habe, macht die Sache nicht einfacher, dass ich Angst in engen Räumen habe, ebenfalls nicht.
Nach ein paar weiteren Schritten ist auch langsam die Straße besser zu hören. Ich bete, dass sie nicht auf dieser Straße fahren. Irgendwann an dieser angekommen, überquere ich diese so schnell es geht. Und laufe sie an der Seite entlang im Wald. Sie muss doch irgendwohin führen. Auch, weil ich wieder einen Schlafplatz brauchen werde. Zu meinem Glück fängt es gottverdammt auch noch zu regnen an. Ich kann nur noch fluchen und bockig herumstapfen. Die Angst im Nacken und die Kälte in den Knochen würde ich am liebsten trampen. Mich einfach in das nächste Fahrzeug setzen, nein das würde ich niemals machen.
Die letzten zwei Tage habe ich mein Leben genau analysiert. Zumindest das bisschen, dass es in diesem verlorenen einsamen Leben gibt. Mir fehlt die Erinnerung vor meinem zehnten Geburtstag. Ich kann mich an keine Mutter erinnern, sie hat uns verlassen, als mein Vater damals in den Rängen aufgestiegen ist. Sie ist einfach ohne ein Wort gegangen. Mein Vater meint, seitdem ist er ein anderer Mensch geworden. Er hat nichts von ihr aufgehoben, zumindest sagt er das. Seit einigen Monaten habe ich hin und wieder mal ein Bild von ihr gefunden. Ich weiß nicht wieso, ich glaube, er kennt sich einfach nicht mehr, wenn er so viel getrunken hat. Er wird es einfach liegen lassen haben. Ich hatte sogar einmal einen Briefumschlag mit ein paar Noten für meine Violine gefunden. Sie lagen morgens in meinem Zimmer. Wieso kann er nur nett sein, wenn ich schlafe. Auch dieses eine Bild, es war einfach da. Ich weiß, sie ist es, sie sieht aus wie ich. Und er will absolut nicht über sie sprechen. Niemals, seit sie gegangen ist. Ich war irgendwie eine Last für ihn, darum wurde ich mit zwanzig mit diesem Monster verheiratet.
Ich sollte die Frau des Dons werden, warum ich, das ist mir ein Rätsel. Die Jahre vergingen so schnell, dass ich gar nicht weiß, wie ich jetzt vierundzwanzig Jahre alt geworden bin, ich war nie von zu Hause weg. Die Kunden, also die Tiere für meine Praxis kamen zu mir. In unserer Stadt kennt mich jeder, ich komme nie alleine, immer ist er oder eine seiner Wachen mit mir dabei. Jeder passt auf, dass ich nichts sage, dass ich brav bei seiner Wahrheit bleibe, wenn ich blaue Flecken habe. Oder Rippenbrüche. Ich bin gefallen, das Pferd hat getreten und so weiter, einzig und alleine bei den Pferderennen bin ich dabei, als Arzt. Und als im Hintergrund bleibende Person. Lächeln und nett sein, wenn nicht, gibt’s die nächsten Schläge im Keller auf meinem Stuhl. Ich habe es alles mit mir machen lassen, weil ich keine anderen Optionen habe. Das Weglaufen habe ich mir nicht zugetraut. Irgendwann wenn man tagein, tagaus hört, wie wertlos man ist, glaubt man es.
Ich will es nicht mehr glauben, ich will ein Leben. Ich will leben um zu leben, nicht um es zu müssen. Mein Leben. Eines mit Arbeit, Freunden, Lebenslust und vielleicht irgendwie so etwas wie Liebe. Ich wüsste gerne, wie sie aussieht. Wie sie mich verändern würde. Wie sich anfühlen kann. Vielleicht ist es so wie in meinen Büchern, diese Frage habe ich mir schon zu oft gestellt.
Erschöpft, mit Tränen in den Augen und komplett durchgenässt schleiche ich hier weiter umher. Dann, ich glaube, ich sehe nicht richtig. Eine Tankstelle.
Vor lauter Schock verstecke ich mich, aber in diesem Regen, wäre eine warme Tasse Kaffee so gut. Ich habe etwas Kleingeld. Ich könnte mir eine holen und vielleicht ein Sandwich. Vielleicht schwindet auch die Kälte etwas. Ich halte es kaum aus und steure auf die Tankstelle zu, erst als niemand mehr zu sehen ist, gehe ich hinein. Ignoriere die entsetzten Blicke des Verkäufers, er wird denken, ich raube ihn aus, so wie ich aussehe. Ich kann aber auch keine Kleidung oder irgendwas Nützliches auf die Schnelle entdecken. Er hat nur ein paar wenige Lebensmittel zum Verkauf. Ich lächle ihn an und bitte ihn um einen Kaffee und das Sandwich. Zeige ihm mein Geld und lege es auf den Tresen. Ich benutze schnell noch die Toilette, sage ich ihm und dann bin ich verschwunden. Der Kaffee läuft während des Weitergehens mit einer wohligen Wärme in meinem Körper herunter. Es gibt gerade nichts Besseres. Sogar das Sandwich schmeckt. Himmlisch. Ich suche mir einen Platz für heute Nacht weiter weg von der Tankstelle in Richtung des nächsten Ortes, vielleicht auch der Freiheit entgegen. Ich habe nicht mehr lange Zeit, bis es vollends dunkel ist. Dieses Mal mache ich mehr Äste und lasse mein Gesicht besser frei. Auch wenn es regnet, es hilft nicht.
Die Sterne am Himmel sind mittlerweile zusehen, der Regen hat aufgehört und die klare Nachtluft weht um meinen eiskalten Körper. Die Sterne sind so klar und beruhigen meinen Geist. Ich hoffe so sehr, dass es morgen besser werden wird, ich brauche irgendwo ein Frauenhaus. Einen warmen Platz zum Schlafen und etwas Duschgel. Ich schlafe tatsächlich noch ein wenig ein. Und starte den Tag mit leichtem Husten und Halsschmerzen, welch ein Wunder. Scheiße. Egal, was ich mir noch weiter angezogen habe, es wurde nicht wärmer oder trockener. Ich bin fast am nächsten Ort angehumpelt, da geht die Sonne geht bereits wieder so gut wie unter, ich bin heute definitiv so langsam vorangekommen wie noch nie. Aber ich kann das Schild für den Bahnhof sehen. Gott sei Dank. Um Himmels willen, eine Last fällt von mir ab.
Ich weine allein wegen diesem Schild, alles ist einfach zu viel für mich. Tränen der Erleichterung und vor Freude mischen sich dazu. Schnell schaue ich in meinem Geldbeutel, wieviel ich genau habe, auch wenn ich schon hunderte Male nachgesehen habe. Ich hoffe, ich komme bis Endstation. Egal, wie weit es ist. Hier ist so viel los, dass man kaum etwas erkennen kann. Ich werde angerempelt und falle fast. Irgendjemand fängt mich auf, und schon erkenne ich dieses Gesicht. Das Gesicht des Mannes, der bei der Not-OP rechts gestanden hatte. „Na Mädel“ grinst er mich ekelhaft und ebenfalls durchnässt an. „Oh, ich sehe, du erkennst mich. Du wirst dir noch wünschen draufgegangen zu sein so, wie du aussiehst. Du dürftest mal duschen und dir was Sauberes anziehen. Ekelhaft. Na komm, mein Don wartet auf dich. Du bezahlst für deinen Mann. Einer von euch wird uns das geben, dass er uns schuldet. Mädel. Oder sollte ich lieber sagen, du bezahlst für deinen halb toten Mann? Komm, du duschst dich, dann können wir wenigstens bisschen an dir spielen.“ Ich fasse es nicht, wie weit kann ich noch fallen. Was habe ich nur verbrochen? Die Leute um mich herum interessiert das alles nicht. Sie denken wohl, ich bin obdachlos und haben zu viel Angst vor diesem Bastard. Er zerrt mich einfach mit, keine fünf Meter weiter steht der nächste Hüne, mit dreckigem Gesicht und Narben darüber.
Ich ziehe an den Ketten und spüre schnell, ich kann sie nicht lösen. Ich kann von einer Ecke zur anderen in dieser Kammer gehen, um nicht zu sagen Käfig, selbst meine Tiere hätten mehr Platz. Die Türe ist aus Gitterstäben, also höre ich, dass ich nicht allein bin. Immer wieder kommen seltsame Geräusche zu mir herüber. Beängstigende, traurige und schlimme Geräusche. Ich bin bestimmt schon mehr als einen Tag hier. Ich vermute, der helle und dunkle Unterschied wird der Tag und die Nacht sein. Es ist gleichbleibend viel los hier unten. Immer wieder Schritte. Gespräche auf Italienisch. Schreie von anderen. Ja, genau, Männer schreien. Ich weiß nicht, wie weit es entfernt ist, aber es hallt hier unten alles. Ich bekomme schlecht Luft, weil die Feuchtigkeit hier so hoch ist. Vom Schimmel brauche ich gar nicht erst zu sprechen. Die Angst in engen Räumen hält sich Gott sei Dank einigermaßen in Grenzen. Ich schrecke aber jedes Mal, wenn ich etwas eindöse, hoch, Angst und Panik überkommt mich. Der Puls schießt an die Decke und ich weine, weine für mich allein, ich will nicht auf mich aufmerksam machen. Ich will nicht, dass sie es sehen, auch wenn der grüne Punkt über mir etwas anders sagt. Sobald ich einknicke, gewinnen sie. So ist das mit diesen Leuten und wird auch immer so bleiben.