Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dieses Grundlagenwerk versteht sich als "State of the Art" der Sportpädagogik, indem es vielfältige und auch widersprüchliche Perspektiven aufzeigt, um ein möglichst differenziertes und tragfähiges Bild der Sportpädagogik zu liefern. In den fünf großen Themenfeldern Ausgangspunkte, Grundlagen, Orientierungen, Forschung und Anwendungsbezüge wird in insgesamt 16 Beiträgen dargestellt, was Sportpädagogik ist und tut, was sie weiß und diskutiert. Neben der Erörterung ihres Selbstverständnisses werden vielfältige Herausforderungen aufgezeigt, die den kritischen Diskurs weiter anregen sollen. Mit dieser Intention richtet sich das Buch an sportpädagogisch interessierte Studierende und Lehrende an Hochschulen sowie an die Akteurinnen und Akteure in den zahlreichen sportpädagogisch relevanten Tätigkeitsfeldern - von der Schule über den Sportverein bis zu informellen und kommerziellen Sportsettings.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 445
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Die Herausgebenden
Prof. Dr. Eckart Balz ist Hochschullehrer für Sportpädagogik am Institut für Sportwissenschaft der Bergischen Universität Wuppertal; seine Arbeitsschwerpunkte sind Planungsdidaktik (z. B. Mehrperspektivität), Schulsportforschung (in Differenzstudien) und Sportentwicklung (u. a. informeller Sport).
Prof. Dr. Sabine Reuker ist Hochschullehrerin für Sportpädagogik und Sportdidaktik am Institut für Schulsport und Sportdidaktik der Deutschen Sporthochschule Köln. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Professionalisierung von Sportlehrkräften (z. B. Entwicklung des Professionellen Blicks), Inklusion und Umgang mit Heterogenität (Konzepte und Lehrkompetenzen) sowie sozialerzieherische Lehr- und Lernprozesse (u. a. erlebnispädagogische Maßnahmen).
Prof. Dr. Volker Scheid ist Hochschullehrer am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Kassel. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Programmevaluation (u. a. Kooperation Schule und Verein), Entwicklung und Förderung (u. a. Ballsport im Grundschulalter) sowie Lehrer*innenbildung (u. a. Lehr-Lern-Labor Sportpädagogik).
Prof. Dr. Ralf Sygusch ist Leiter des Arbeitsbereiches Bildung im Sport an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Schwerpunkte sind Kompetenzorientierung (insbesondere Schüler- und Trainer*innenbildung), psychosoziale Ressourcen (Kinder- und Jugendsport im Verein) sowie Gesundheit (Sportunterricht).
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.
Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.
Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.
1. Auflage 2022
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-037591-8
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-037592-5
epub: ISBN 978-3-17-037593-2
Einführung
Eckart Balz, Sabine Reuker, Volker Scheid & Ralf Sygusch
I Sportpädagogische Ausgangspunkte
1 Grundbegriffe der Sportpädagogik
Volker Scheid & Verena Oesterhelt
1.1 Definitionsansätze und Merkmale der Sportpädagogik
1.2 Erziehung und Bildung als zentrale Grundbegriffe
1.3 Entwicklung, Lernen und Sozialisation als Grundbegriffe
1.4 Sportpädagogik und Sportdidaktik
2 Genese der Sportpädagogik
Michael Krüger
2.1 Einführung
2.2 Die Anfänge der Sportpädagogik bei den Philanthropen
2.3 Turnen als Mittel der Volks- und Nationalerziehung
2.4 Die Reform der Turnpädagogik durch Gymnastik, Leibeserziehung, Spiel und Sport
2.5 Körperliche Erziehung im Nationalsozialismus und in der DDR
2.6 Sportpädagogik und Sportwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland
2.7 Sport, Sportwissenschaft und Sportpädagogik im vereinten Deutschland
2.8 Resümee
3 Systematik der Sportpädagogik
Detlef Kuhlmann & Günter Stibbe
3.1 Einleitung: Zur Begründung einer Systematik der Sportpädagogik
3.2 Zur Systematik des Aufgabenspektrums
3.3 Zur Systematik der Arbeitsgebiete
3.4 Zur Systematik der Betrachtungs- und Zugangsweisen
3.5 Zur Systematik der Erkenntnisgewinnung
3.6 Ausblick: Sportpädagogik – Grenzen und Herausforderungen
II Sportpädagogische Grundlagen
4 Bildungstheoretische und anthropologische Grundlagen
Christian Gaum, Alexander Ratzmann & Sebastian Ruin
4.1 Einführung
4.2 Anthropologische Grundannahmen
4.3 Bildungstheoretische Grundlagen
4.4 Fazit
5 Entwicklungstheoretische Ansätze
Nils Neuber & Volker Scheid
5.1 Entwicklungsbegriff
5.2 Theoretisch-konzeptionelle Perspektive
5.3 Empirische Perspektive
5.4 Ausblick – Entwicklungsaufgabe als sportpädagogisches Konzept
6 Sport- und bewegungskulturelle Grundlagen
Eckart Balz & Jürgen Schwier
6.1 Sport- und Bewegungskultur – Versuch einer theoretischen Einordnung
6.2 Typisierte Bewegungskulturen in einer Theorie der Leibeserziehung
6.3 Bewegungskultur und Schulsport – ein phänomenologischer Ansatz
6.4 Elementarisierung des Sports: ein Vier-Felder-Modell
6.5 Exkurs zu jugendlichen Trendsportkulturen
6.6 Ausblick
III Sportpädagogische Orientierungen
7 Orientierung an der Sache
Norbert Gissel & Stefan König
7.1 Einleitung
7.2 Die Frage nach der Sache in der aktuellen sportpädagogischen und fachdidaktischen Diskussion
7.3 »Der Lehrer sei […] Sachwalter der kulturellen Ausdrucksform und ihrer Gehalte.«
7.4 Orientierung an der Sache – diskutiert am Beispiel Fußball
7.5 Schlussbetrachtung
8 Orientierung am Individuum – formale Bildung
Tim Bindel & Jan Erhorn
8.1 Einleitung
8.2 Das Individuum und sein Leib als Bezugspunkte einer formalen Bildung
8.3 Individuumszentrierte didaktische Konzeptionen
8.4 Formale Bildung und empirische Bildungsforschung
8.5 Zusammenfassung und Ausblick
9 Orientierung an der Synthese von Sache und Individuum
Sebastian Ruin, Alexander Ratzmann & Christian Gaum
9.1 Einführung
9.2 Zur Idee einer Synthese
9.3 Synthetische Positionen des Schulsports
9.4 Über den Schulsport hinausweisende Konzepte und Ansätze
9.5 Fazit
IV Sportpädagogische Forschung
Zur Einführung in Kapitel 10 und 11
Hans Peter Brandl-Bredenbeck, Erin Gerlach, Elke Grimminger-Seidensticker & Claus Krieger
10 Forschungsmethodische Zugänge
Elke Grimminger-Seidensticker & Claus Krieger
10.1 Entwicklungsetappen in der Sportpädagogik
10.2 Zentrale forschungsmethodische Zugänge
10.3 Fazit
11 Systematik zentraler Forschungsansätze
Erin Gerlach & Hans Peter Brandl-Bredenbeck
11.1 Einleitung – was umfasst sportpädagogische Forschung?
11.2 Forschung zu fachlich relevanten Rahmenbedingungen
11.3 Forschung zu Geschichte und Theorie
11.4 Inhaltsforschung
11.5 Programm- und Entwicklungsforschung
11.6 Akteur*innenforschung
11.7 Lehr-Lernforschung
11.8 Ausblick
V Sportpädagogische Anwendungsbezüge
12 Bildungssettings
Tim Bindel, Erin Gerlach & Ina Hunger
12.1 Sportunterricht
12.2 Kindertagesstätten
12.3 Vereinssport
12.4 Informeller Sport
12.5 Fazit
13 Professionalisierung in sportpädagogischen Settings
Ilka Lüsebrink & Sabine Reuker
13.1 Tätigkeitsfelder in sportpädagogischen Settings
13.2 Theoretische Positionen
13.3 Pädagogische Professionalität in sportpädagogisch relevanten Tätigkeitsfeldern
13.4 Konsequenzen für die Aus- und Fortbildung
13.5 Zukünftige Herausforderungen
14 Diversität und Differenzkategorien
Judith Frohn & Heike Tiemann
14.1 Diversität in der Sportpädagogik
14.2 Zentrale Differenzkategorien
14.3 Dekategorisierungsdiskurs
14.4 Fazit und Ausblick
15 Bildungsthemen
Ralf Sygusch, Petra Guardiera & Anne Kerstin Reimers
15.1 Leistung und Leisten
15.2 Gesundheit
15.3 Soziales Handeln
15.4 Fazit
16 Herausforderungen der Sportpädagogik
Eckart Balz, Lena Gabriel & Jonas Wibowo
16.1 Bisherige Herausforderungen
16.2 Aktuelle Herausforderungen
16.3 Zukünftige Herausforderungen
16.4 Schlussbetrachtung
Mit dieser Einführung möchten wir unseren Band zur Sportpädagogik vorstellen. Das Kapitel hat die Funktion, in den Band überblicksartig einzuführen, ohne eine thematisch umfassende Einleitung leisten zu wollen und vorwegzunehmen, was die Kapitel 1 bis 17 jeweils noch besteuern. Wir beschränken uns daher zur Einordnung des Bandes nach diesen Vorbemerkungen auf drei weitere Abschnitte: über bisherige Grundlagenwerke zur Sportpädagogik (Vorläufer des Bandes), über den aufwändigen Prozess der Entstehung (Genese des Bandes) und über strukturierende Schwerpunkte (Inhalt des Bandes).
Was macht den vorliegenden Band zur Sportpädagogik aus? Seine Charakteristik besteht darin, als ein Grundlagenwerk den State of the Art der Sportpädagogik darzulegen, um sie damit nach innen wie außen sichtbar zu machen – und zwar nicht im Sinne einer bestimmten Lesart, Position oder Theorie, sondern übergreifend für die gesamte wissenschaftliche Teildisziplin der Sportpädagogik mit vereinten Kräften von vier unterschiedlich ausgerichteten Herausgeber*innen und 25 verschiedenen einschlägigen Mitautor*innen. Wir bieten sozusagen im zeitgemäßen Querschnitt ein möglichst differenziertes und tragfähiges Bild der Sportpädagogik.
Der Sammelband soll zeigen, was die Sportpädagogik ist und tut, was sie weiß und diskutiert. Mit dieser Intention richten wir uns an sportpädagogisch interessierte Personen, die als Studierende und Lehrende an Hochschulen sowie als Akteure in zahlreichen sportpädagogisch relevanten Tätigkeitsfeldern – von der Schule über den Sportverein bis zum informellen und kommerziellen Sport – verantwortungsvoll und reflektiert handeln möchten. Sämtliche Kapitel sind in Umfang und Darstellungsweise, trotz oft komplexer Zusammenhänge, möglichst zugänglich gehalten.
Bedanken möchten wir uns an dieser Stelle ausdrücklich bei allen Mitwirkenden, insbesondere bei den beteiligten Autor*innen für ihre ambitionierte Erarbeitung der qualitätsbewussten Beiträge. Deren Begleitung hat uns als Herausgebenden einige Arbeit und zugleich Freude gemacht. Wir sind nun überzeugt, dass sich das Produkt sehen lassen kann. Dem Verlag sei für seine Bemühungen und den passenden Publikationsort gedankt.
Wie oben bereits beschrieben, versteht sich der vorliegende Band als Grundlagenwerk, das übergreifend für die Sportpädagogik einen zeitgemäßen Querschnitt, geordnet in fünf große Themenfelder, bieten möchte. Dabei stellt sich die Frage, welche anderen Kompendien zur Sportpädagogik diesem Band vorausgehen und worin Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen.
Über die nachfolgend benannten Einführungen in die Sportpädagogik hinaus, sei an dieser Stelle auch an ältere Einführungswerke erinnert (etwa von Bernett, Mester, Schmitz, Widmer und Röhrs), die rückblickend zugleich die Entwicklung unseres Faches markieren. Prohl (1991, S. 47–85) zeichnet diesen Weg der 1960er- bis 1980er-Jahre von der Theorie der Leibeserziehung zur Sportpädagogik differenziert nach.
Seit Mitte der 1980er-Jahre lassen sich in chronologischer Abfolge sechs Werke hervorheben, die sich um eine Einführung und Grundlegung der Sportpädagogik als Teildisziplin der Sportwissenschaft bemüht haben. Dabei ist nur eines der Werke auch als Herausgeberband gestaltet, die anderen sind entweder als Monografie oder von zwei Autoren verfasst:
• Einen wesentlichen Ausgangspunkt stellt die Monografie Hauptprobleme der Sportpädagogik von Eckhard Meinberg (1984; 3., unveränderte Auflage 1996) dar. Er entdeckt früh in der durchaus begrüßenswerten »thematischen Horizonterweiterung der Sportpädagogik« auch die Gefahr eines »ausufernden Vielerlei«, die den Blick auf das »Ganze« verstellt (Vorwort). Seine Einführung soll für sportpädagogische Problemstellungen sensibilisieren, Orientierung geben und verschiedenartige Erkenntnisse systematisieren und überblickhaft darstellen. Inhaltlich geschieht dies in sieben Hauptkapiteln, wobei im Anschluss an eine Standortbestimmung die sechs Problemfelder Bildung, Erziehung, Sozialisation, Lernen, Hochleistungssport sowie Spiel und Spielen aufgearbeitet werden.
• Zu Beginn der 1990er-Jahre erscheint das Grundlagenwerk Sportpädagogik der beiden Verfasser Knut Dietrich und Gerhard Landau (1990; 2., unveränderte Neuauflage 1999). Sie schreiben ausdrücklich nicht in systematischer Absicht, sondern mit Blick auf die Veränderungen im Sport aus einer problemorientierten Perspektive. Anliegen ihres Buches ist es, »Anleitungen zur praxisorientieren sportpädagogischen Analyse von Handlungsfeldern des Sports zu geben« (Vorwort). Als wichtigste Bezugspunkte der sportpädagogischen Gegenstandsbetrachtung werden Bewegung und Entwicklung gesehen. In sechs Hauptkapiteln werden historische Quellen, Grundpositionen und Betrachtungsweisen sowie der Gegenstand der Sportpädagogik behandelt, gefolgt von bewegungstheoretischen und erziehungstheoretischen Grundlagen sowie Ansatzpunkten sportpädagogischer Untersuchungen.
• Ein bis in die Gegenwart beachtetes Standardwerk stellt die Einführung in die Sportpädagogik von Ommo Grupe und Michael Krüger dar, das erstmals 1997 erschienen ist. Seit 2019 liegt das Buch in einer vierten, von Michael Krüger in Gedenken an den Nestor der Sportpädagogik Ommo Grupe (1930–2015) gestalteten Neubearbeitung vor. Das Anliegen war es von Anfang an, mit der Einführung einen Kompromiss zu finden, »der eine Brücke zwischen Sport und Pädagogik schaffen« und verdeutlichen soll, dass es um mehr als die Vermittlung von Sportarten und die Durchführung von Sportstunden geht (Vorwort zur ersten Auflage). In fünf Hauptkapiteln werden zunächst Gegenstand und Grundbegriffe der Sportpädagogik geklärt, ehe die Geschichte, die Institutionen und Handlungsfelder sowie die anthropologischen Grundlagen behandelt werden.
• Eine nachhaltige Wirkung auf den gegenwärtigen sportpädagogischen Diskurs kann der von Robert Prohl verfassten Monografie Grundriss der Sportpädagogik (1999; 3., korrigierte Auflage 2010) zugesprochen werden. Er verfolgt mit seiner Einführung in die Theorie der Sportpädagogik eine doppelte Zielstellung, indem sie als »Kompaktlehrbuch Orientierungshilfen« geben und zugleich mit ihrer Argumentationsfolge »eine Grundlegung der Sportpädagogik und ihres Ortes innerhalb der Sportwissenschaft« entfalten soll (Einführung). Der Grundriss umfasst drei große Teile (mit insgesamt 18 Kapiteln), wobei in Teil A die problemgeschichtliche (vom 18. Jh. bis in die Gegenwart), in Teil B die bildungstheoretische (kritische und konstruktive Funktion der Bildungstheorie) und in Teil C die erziehungswissenschaftliche Perspektive der Sportpädagogik (Forschungsprofil) eingenommen wird.
• Das 2001 erschienene Handbuch Sportpädagogik (2., erweitere Auflage 2009) wurde von Herbert Haag und Albrecht Hummel herausgegeben und zielt darauf ab, »den aktuellen Erkenntnis- und Wissensstand« der Teildisziplin darzustellen und zusammenzufassen (Vorwort). Die von 57 Autor*innen verfassten 51 Überblicksartikel sind in vier große Themenfelder geordnet, in welche jeweils recht kurz eingeführt wird: Grundlagen der Sportpädagogik, Struktur sportpädagogischer Prozesse, Orientierungen von Bildungs- und Erziehungsprozessen sowie Lebenslauf- und Zielgruppenperspektive.
• Ein ebenfalls erfolgreiches Einführungswerk Sportpädagogik wurde 2003 (5., unveränderte Auflage 2015) von Eckart Balz und Detlef Kuhlmann als Lehrbuch in 14 Lektionen verfasst. Sie bieten weder »ein umfassendes Grundlagenwerk« noch »einen enzyklopädischen Überblick«, sondern vielmehr ein Lehrbuch, dass denjenigen Einblicke in die Teildisziplin geben soll, »die im Rahmen ihres Studiums gerade damit beginnen, sich mit sportpädagogischen Fragestellungen zu beschäftigen« (Einführung). Die Kapitel sind in syntaktischer Frageform formuliert und suchen den referierenden Dialog mit den Leser*innen. Die Themenauswahl des Lehrbuches kommt in den Fragestellungen der drei Hauptkapitel, denen 14 Lektionen zugeordnet sind, zum Ausdruck: »Was zeichnet die Sportpädagogik aus?« (Selbstverständnis), »Worauf kann die Sportpädagogik bauen?«(Grundlagen) und »Was soll die Sportpädagogik empfehlen?« (Handlungsorientierungen).
In der Zusammenschau der vorliegenden Einführungswerke scheint es durchaus an der Zeit, im Jahr 2021 eine aktuelle sportpädagogische Grundlegung und Orientierung auf den Weg zu bringen. Die Komplexität dieser Aufgabenstellung lässt es zudem geboten erscheinen, in deren Umsetzung erfahrene, ausgewiesene Kolleg*innen miteinzubeziehen.
Von damaligen Sprecherräten der dvs-Sektion Sportpädagogik und der DGfE-Kommission Sportpädagogik wurde 2016 das sog. Forum Sportpädagogik initiiert. Unter aktiver Beteiligung zahlreicher interessierter Kolleg*innen wurden 2016 und 2017 weitere Foren realisiert, auf denen Stärken und Schwächen, Potenziale und Perspektiven der Sportpädagogik diskutiert wurden. Übergeordnetes Ziel war es, die Sichtbarkeit und Anschlussfähigkeit der Sportpädagogik in wissenschaftlichen und sportpraktischen Feldern zu stärken. Als Kernthemen wurden u. a. die empirische Sportpädagogik, Internationalisierung und Publikationskultur, Sportlehrerbildung sowie das Selbstverständnis der Sportpädagogik identifiziert. Konkrete Aktivitäten wurden diskutiert, angestoßen und begleitet. Aus dem 3. Forum Sportpädagogik, einem offenen Arbeitskreis auf der dvs-Jahrestagung 2017 (Hannover), ist schließlich der endgültige Impuls zum vorliegenden Buch hervorgegangen.
So entstand aus den gemeinsamen Diskussionen die anspruchsvolle Grundidee und Richtung: Es sollte eine in der Community kompromissfähige Grundlegung auf den Weg gebracht werden, die das Selbstverständnis der Sportpädagogik mit ihren ausdifferenzierten Positionen und damit verbundenen Widersprüchlichkeiten transparent darlegt. Daraus haben sich zwei Aufgaben für die Gestaltung des Bandes herausgebildet, denen wir uns als Herausgebende angenommen haben: Erstens sollte der Band nach dem Impuls aus dem Forum Sportpädagogik auch weiterhin in Kontakt mit der sportpädagogischen Community erarbeitet werden und diese sowohl inhaltlich als auch personell abbilden. Bspw. sollten sich der Herausgeberkreis und die Autorenteams aus Vertreter*innen unterschiedlicher sportpädagogischer Positionen und Ausrichtungen zusammensetzen. Zweitens wurde anvisiert, die Beiträge in Form von Reviews anzulegen, in denen unterschiedliche Zugänge und Befunde transparent werden, ohne eine dominierende Darstellung einzelner Positionen vorzunehmen.
Der Herausgeberkreis hat sich zu Beginn 2019 aus Kolleg*innen konstituiert, die alle in dvs-Funktionen tätig waren, als dvs-Vizepräsidenten Bildung Volker Scheid (2009–2013) und Eckart Balz (2017–2021), als Sprecherräte der Sektion Sportpädagogik Sabine Reuker (2016–2020) und Ralf Sygusch (2013–2020). Die o. g. Grundidee und Richtung haben die Herausgebenden in einem Exposé samt Gliederungsentwurf gebündelt, beim Kohlhammer Verlag eingereicht und im Mai 2019 das Go des Verlages für einen Herausgeberband Sportpädagogik erhalten. Im selben Monat erfolgte auf der dvs-Jahrestagung (Heidelberg) der nächste Schritt des Buchprojekts. In einem offenen Arbeitskreis wurde zunächst der Gliederungsentwurf mit interessierten Mitgliedern der Sektion diskutiert. Mit dem Ziel, ausgewiesene Kolleg*innen aus unterschiedlichen sportpädagogischen Schulen einzubeziehen und in zum Teil bunten Autorenteams zusammenzubringen, wurde anschließend zur Mitwirkung als Autor*in aufgerufen.
Nach der Zusammenstellung der Autor*innenteams erfolgte ein schrittweises Vorgehen, mit dem die o. g. Ansprüche abgestimmt und gesichert werden sollten. Zunächst haben die Autorenteams ein Exposé zu ihren vorgesehenen Beiträgen erstellt, die im Herausgebendenkreis u. a. im Hinblick auf die Ansprüche (u. a. Reviewcharakter) besprochen und rückgemeldet wurden. Auf dieser Basis wurden die Entwürfe der Beiträge erstellt. Im Herausgebendenkreis wurden alle Beiträge doppelt betreut, in zahlreichen Telefonkonferenzen diskutiert und mit Hinweisen, Empfehlungen und Wünschen an die Autor*innen versehen. Die finale Einreichung der Beiträge erfolgte bis zum Beginn des Jahres 2021.
Der vorliegende Herausgeberband zur Sportpädagogik ist in seiner Entstehung mit der dvs-Sektion bzw. DGfE-Kommission Sportpädagogik verbunden. Selbstverständlich ist dies kein Buch der Sektion bzw. der Kommission, sondern eines, das von den vier Herausgebenden verantwortet und vertreten wird. Wohl aber ist es ein Band, der aus einer Initiative der dvs-Sektion und der DGfE-Kommission Sportpädagogik hervorgegangen ist, über den auf unterschiedlichen Kanälen informiert und diskutiert wurde und der über das Mitwirken einer großen Anzahl an Autor*innen aus der sportpädagogischen Community realisiert werden konnte.
Der vorliegende Band ist in fünf große Teile strukturiert. Als Ausgangspunkte der Sportpädagogik liefern die ersten drei Kapitel grundlegende Orientierungen für die folgenden Ausführungen. Die Klärung von Begriffen ist dabei unumgänglich. Darüber hinaus sensibilisieren die differenzierten Ausführungen in Kapitel 1 aber auch für die Notwendigkeit, sich der Begriffsbestimmungen im kritischen Diskurs immer wieder neu zu vergewissern. Für das Verständnis aktueller sportpädagogischer Positionen sind zudem Entwicklungsverläufe von zentraler Bedeutung, die über die Darstellung der Genese der Sportpädagogik in Kapitel 2 dargestellt werden. Das dritte Kapitel beschäftigt sich schließlich mit einem Kernanliegen der Sportpädagogik, indem es verschiedene Systematiken bezüglich ihrer Aufgaben, Arbeitsgebiete sowie Betrachtungs- und Zugangsweisen skizziert und damit Grenzen und Herausforderungen der Sportpädagogik aufzeigt.
Kapitel 4 bis 6 thematisieren bildungs- und entwicklungstheoretische sowie bewegungskulturelle Zugänge als Grundlagen der Sportpädagogik. Auch hier werden verschiedene Perspektiven heraus- bzw. gegenübergestellt. In Kapitel 4 stehen dabei bildungstheoretische Überlegungen in einem engen Implikationszusammenhang zu anthropologischen Grundlagen, die hier in ihren unterschiedlichen Auslegungen und Schwerpunktsetzungen dargestellt werden. Kapitel 5 erörtert verschiedene theoretische Ansätze im Kontext eines vielschichtigen Entwicklungsbegriffs und zeigt darauf aufbauend empirische und konzeptionelle Perspektiven auf. Die Verbindung zum Gegenstand erfolgt in Kapitel 6, in dem unterschiedliche sport- und bewegungskulturelle Zugänge vorgestellt werden. Dabei werden jugendliche Trendsportkulturen beispielhaft etwas näher beleuchtet.
Daran anschließend lassen sich sportpädagogische Orientierungen ableiten, die in Kapitel 7 bis 9 als Orientierung an der Sache, am Individuum sowie deren Synthese unterschieden werden. Kapitel 7 zeigt dabei unter Darstellung verschiedener fachdidaktischer Konzepte das kontroverse Ringen um einen Minimalkonsens zum Gegenstandsverständnis auf. Demgegenüber werden in Kapitel 8 individuumbezogene Orientierungen hervorgehoben, die sowohl konzeptionell als auch empirisch Entfaltungsmöglichkeiten der Subjekte fokussieren. In der Überzeugung, dass eine einseitige Fokussierung auf eine dieser beiden Positionen zu problematischen Verkürzungen führt, werden in Kapitel 9 schließlich Konzeptionen betrachtet, die von der Idee einer Synthese materialer und formaler Bildungsauffassungen ausgehen.
Nach einer kurzen gemeinsamen Einführung wird in den beiden folgenden Kapiteln die Breite und Vielfalt sportpädagogischer Forschung und deren Erkenntnisgewinnung thematisiert. Dabei gibt Kapitel 10 einen Überblick über grundlegende Entwicklungslinien und zeigt anhand von exemplarischen Studien die Vielfalt methodischer Zugänge auf. In Kapitel 11 wird der Versuch unternommen, diese Vielfalt zu systematisieren, indem die sportpädagogischen Forschungsansätze anhand prototypischer Studien verschiedenen Gegenstandsbereichen zugeordnet werden. Der Überblick zeigt Stärken, aber auch Desiderate sportpädagogischer Forschung auf, die es in zukünftigen Forschungsaktivitäten aufzugreifen gilt.
Der letzte große Teilbereich widmet sich in Kapitel 12 bis 15 sportpädagogischen Anwendungsbezügen, die vielfältig sind und im Rahmen dieses Grundlagenwerks lediglich exemplarisch behandelt werden können. In Kapitel 12 werden formale, non-formale und informelle Settings aufgezeigt, in denen Menschen Sport- und Bewegungsaktivitäten nachgehen. Anhand ausgewählter Merkmale werden diese Settings mit Blick auf dort stattfindende Bildungsprozesse einander gegenübergestellt. Kapitel 13 fragt nach der Professionalisierung der Personen, die in diesen Settings vermittelnd tätig sind. Dabei werden verschiedene Professionalisierungsansätze anhand sportpädagogischer Forschungserkenntnisse und konzeptioneller Überlegungen exemplarisch veranschaulicht. Kapitel 14 nimmt dann die Akteur*innen in den Blick und fokussiert sich dabei auf deren Differenzen. Mit den Differenzkategorien Behinderung, Geschlecht und Migration werden drei dominierende Bereiche zunächst dargestellt, bevor die Frage nach der Notwendigkeit von Kategorisierungen kritisch hinterfragt wird. Schließlich liefert Kapitel 15 einen exemplarischen Überblick über Bildungsthemen und stellt zu den Themen Leistung, Gesundheit und Soziales sportpädagogische Ansprüche und Wirklichkeiten dar. Dabei wird auch hier, unter Berücksichtigung der verschiedenen Settings, die Breite und Vielfalt der Perspektiven aufgezeigt.
Die Sportpädagogik sieht sich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert, die im letzten Kapitel aus einer retrospektiven, introspektiven und prospektiven Sicht exemplarisch vertiefend bilanziert werden. In einer Schlussbetrachtung sind zudem die in den fünfzehn Kapiteln thematisierten Herausforderungen noch einmal prägnant zusammengefasst, um den in diesem Buch aufgezeigten konstruktiven Diskurs vielschichtiger Perspektiven weiter anzuregen.
Balz, E. & Kuhlmann, E. (2015). Sportpädagogik. Ein Lehrbuch in 14 Lektionen (Sportwissenschaft Studieren, Band 1) (5. Aufl.). Meyer & Meyer (1. Aufl. 2003).
Dietrich, K. & Landau, G. (1999). Sport-Pädagogik (2., unver. Neuaufl.). Afra-Verlag (1. Aufl. 1990, Rowohlt).
Grupe, O. & Krüger, M. (1997). Einführung in die Sportpädagogik (Sport und Sportwissenschat, Band 6). Hofmann.
Haag, H. & Hummel, A. (Hrsg.) (2009). Handbuch Sportpädagogik (Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport, Band 133) (2., erw. Aufl.). Hofmann (1. Aufl. 2001).
Krüger, M. (2019). Einführung in die Sportpädagogik (Sport und Sportwissenschat, Band 6) (4., überarb. und aktual. Aufl.). Hofmann.
Meinberg, E. (1996). Hauptprobleme der Sportpädagogik. Eine Einführung (3., unveränd. Aufl.). Wiss. Buchgesellschaft (1. Aufl. 1984).
Prohl. R. (1991). Sportwissenschaft und Sportpädagogik. Ein anthropologischer Aufriss (Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport, Band 101). Hofmann.
Prohl, R. (2010). Grundriss der Sportpädagogik (3., korr. Aufl.). Limpert (1. Aufl. 1999).
Begriffe und ihre jeweilige Bestimmung dienen als Anker für den Aufbau eines fundierten Verständnisses eines Fachgebiets. Mit der Klärung von Kerngedanken lassen sich hinzukommendes Wissen ebenso wie kontextbezogene Erfahrungen einordnen. Damit trägt die Auseinandersetzung mit Begriffen zum weiteren Auf- bzw. Ausbau von Denkstrukturen bei. Auch für den fachlichen Austausch ist die Klärung von gemeinsam geteilten Begrifflichkeiten bedeutsam. Dies gilt insbesondere mit Blick auf komplexe Zusammenhänge sozialer Realitäten, wie im hier vorliegenden Fall: dem (sport-)pädagogischen Handlungsfeld. Begriffe sind, anders als naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten, immer angewiesen auf eine kontinuierliche Vergewisserung ihres Bedeutungsgehalts, da dieser – im Sinne einer sozial-kulturellen Vereinbarung – einer normativen Setzung entspricht. Ein Begriff kann im Zeitverlauf durchaus auch anders gedeutet werden. Damit bildet eine Auseinandersetzung auch die Chance auf eine Selbstvergewisserung innerhalb eines Fachgebiets. In diesem ersten Kapitel des Buches werden entsprechend grundlegende Begriffe der Sportpädagogik anhand exemplarischer Deutungen geklärt.
Meinberg (1996) beginnt sein Einführungswerk Hauptprobleme der Sportpädagogik mit einer Standortbestimmung. Er beschreibt die Sportpädagogik als
»diejenige Teildisziplin der Erziehungs- und Sportwissenschaft, die das sportliche und spielerische Bewegungshandeln in seinen institutionalisierten und nichtinstitutionalisierten Formen vorrangig unter den Motiven Bildung, Erziehung, Sozialisation und Lernen mit Hilfe verschiedenartiger Forschungsmethoden untersucht« (ebd., S. 17).
Im Sportwissenschaftlichen Lexikon (Röthig et al., 2003), das erstmals 1972 den Versuch unternahm, die wissenschaftliche Fachsprache zu klären, verweisen Grupe und Kurz (2003) bei ihrer Definition der Sportpädagogik auf unterschiedliche Auffassungen zu inhaltlichen Bezügen.
»Sportpädagogik ist seit 1970 die übliche Bezeichnung für jenes Teilgebiet der Sportwissenschaft, in dem Sport im Zusammenhang von Bildung und Erziehung untersucht wird. Sportpädagogik ist wissenschaftssystematisch zugleich als Teilgebiet der Allgemeinen Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft anzusehen. In der Praxis kann pädagogische Verantwortung als eine Haltung beschrieben werden, die darauf gerichtet ist, insbes. heranwachsenden Menschen eine optimale Entwicklung und ein gutes Leben zu ermöglichen. In welcher Weise Sport dazu beitragen kann, ist daher die zentrale Frage der Sportpädagogik« (ebd., S. 527).
Auch Prohl (2010) eröffnet seinen Grundriss der Sportpädagogik mit der Frage Was ist Sportpädagogik? und orientiert sich dabei an der Definition aus dem Sportwissenschaftlichen Lexikon. Er betont ebenso den historischen Kontext der Disziplin plädiert aber für den Begriff der Bewegungskultur an Stelle des enger gefassten Begriffs Sport, um die zunehmende Vielfalt der Bewegungs-, Spiel- und Sportaktivitäten als Ausdruck der gesellschaftlichen Entwicklungen angemessener abzubilden.
»Als historisch geprägter Begriff wird unter Sportpädagogik […] die Wissenschaft der Bildung und Erziehung im Rahmen der Bewegungskultur verstanden, in der sich problemgeschichtliche und gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln« (ebd., S. 10).
Der Begriff der Bewegungskultur verweist auf die inhaltsbezogene Offenheit des Gegenstandsfeldes der Sportpädagogik. Der Sport, als festgelegter Bestand, existiert nicht. Maßgeblich sind neben objektiven Beschreibungen von Aktivitäten immer auch subjektive Sichtweisen was unter Sport verstanden wird. Zudem wird der gesellschaftlich-kulturelle Bezug deutlich: Bewegungskultur, d. h. gesellschaftliche Ausprägungsformen von Bewegung, Spiel und Sport, entsteht in konjunktiven (gemeinschaftlich erlebten und gestalteten) Erfahrungsräumen, die einem Kulturkreis eigen sind. Die Betrachtung kann sich dabei sowohl auf Bewegung als anthropologisches Phänomen (unter Berücksichtigung der Subjekt-Perspektive des Sich-Bewegenden), als auch auf die gesellschaftlichen Erscheinungsformen von Bewegung, Spiel und Sport (u. a. regelgeleiteter Sport, Sportarten) richten (Oesterhelt et al., 2020; Scheid & Prohl, 2017).
Hinsichtlich der Einbettung in benachbarte Bezugsdisziplinen entfaltet Prohl (2010, S. 13–19) die Sportpädagogik als eine Integrationswissenschaft, die sich im philosophischen Denken begründet und an pädagogischen Theorien orientiert, empirisch mit Hilfe sozialwissenschaftlicher Methoden Tatsachen prüft und gegenüber der Sportdidaktik Beratungsleistungen erbringt.
In der Zusammenschau der berücksichtigten Definitionsansätze ergeben sich Kerngedanken zur Beschreibung der Sportpädagogik als sportwissenschaftliche Disziplin. Zentral sind
• die Zielsetzungen bzw. Prozesse der Erziehung und Bildung,
• die mit Prozessen der Entwicklung, des Lernens und der Sozialisation in Bezug stehen und
• als Gegenstand nicht nur eng auf den Sport, sondern umfassend auf Bewegung, Spiel und Sport im Rahmen der Bewegungskultur gerichtet sind.
Vor diesem Hintergrund fokussieren die weiteren Ausführungen des Beitrags zunächst die beiden zentralen Grundbegriffe Erziehung und Bildung (Kap. 1.2), gefolgt von einer näheren Bestimmung der weiteren Grundbegriffe Entwicklung, Lernen und Sozialisation (Kap. 1.3), ehe abschließend die Bezüge der Sportpädagogik zum Teilgebiet der Sportdidaktik geklärt werden (Kap. 1.4).
Erziehung und Bildung gelten als klassische Begriffe der Pädagogik wie auch der Sportpädagogik (Grupe & Krüger, 2007; Prohl, 2010; Neuber et al., 2013). Ihr zentraler Stellenwert lässt sich zurückführen auf anthropologische Voraussetzungen sowie die Bildsamkeit des Menschen (Scheid & Prohl, 2017).
Der Begriff der Bildsamkeit ist eng mit darauf basierenden Fragen der Erziehung und Bildung verknüpft und findet sich im historischen Bezug bereits seit der Antike in der Diskussion. Nach Franke (2018, S. 259) bezeichnet Bildsamkeit
»[…] ein Prinzip, das nicht einen genetischen Zustand, sondern einen möglichen Prozess des Menschen als Gattungswesen sichtbar macht, bei dem es erfährt, welche Bedeutung Lernen, Wissen und ein sich dessen Bewusstwerden haben können.«
Mit Blick auf den Bildungswert körperlicher Erfahrungen stellt Franke (2015, S. 225) dabei zwei Fragen:
»1. Was berechtigt uns zu der Vorstellung, dass der Mensch auf die körperlichen Herausforderungen seiner Umwelt nicht nur reagiert, nicht nur durch sie lernt, sondern sich dadurch auch bildet? D. h. ist es berechtigt, von einer allgemeinen Bildsamkeit des Körpers zu sprechen?
2. Was berechtigt uns zu der Vorstellung, dass aus dem Verhältnis von Wahrnehmung, Erfahrung und Erkenntnis von Bewegungsbedingungen eine nicht-verbale Bildungskompetenz entwickelt werden kann? […]«.
Franke weist damit auf die Notwendigkeit hin, Erziehungsziele nicht nur rein normativ auszuweisen, sondern die unterstellten pädagogischen Annahmen immer auch kulturanthropologisch zu begründen, im Sinne der »Nichthintergehbarkeit der kulturellen Existenz des Menschen« (Bietz, 2005, S. 89). Damit kommt zum Ausdruck, dass alles Tun und Sein eingebettet ist in den sozialen Kontext des Kulturkreises, in dem wir leben. Erziehung und Bildung im Kontext von Bewegung, Spiel und Sport sind damit verwiesen auf zugrundeliegende Fragen der Bildsamkeit im Wechselspiel der subjektiv-anthropologischen und gesellschaftlich-institutionellen Dimension.
Ihren Status als zentrale Begriffe erhalten Erziehung und Bildung zudem durch den gesetzlich verankerten Kernauftrag der Institution Schule bzw. des Schulsports. Und auch in den außerschulischen Feldern des Sports wird der Blick zunehmend auf Bildungspotenziale gerichtet (Neuber, 2011). Beide Begriffe bilden somit einen grundlegenden Dreh- und Angelpunkt in Überlegungen zu sportpädagogischen Handlungsfeldern.
Erziehung beschreibt in der Regel eine zielgerichtete Einflussnahme auf einen anderen Menschen, der als Educand, d. h. als Zu-Erziehender gilt. Dies richtet sich auf Heranwachsende auf ihrem Weg als Teil der Gesellschaft. Als Erziehung werden nach Grupe und Krüger (2007, S. 90)
»diejenigen Maßnahmen und Prozesse bezeichnet, die den Menschen befähigen, seine Kräfte und Möglichkeiten zu entfalten mit Hilfe derer er selbständig und mündig werden kann.«
Dies geschieht im jeweiligen sozialen Kontext, womit der Begriff, bedingt durch den gegebenen gesellschaftlich-kulturellen Rahmen, eine klare normative Komponente besitzt. Erziehung als intentionales Handeln
»[…] kann man – in Anlehnung an Brezinkas Definition – beschreiben als einen ›Prozess der zielgerichteten Beeinflussung zu einem als wertvoll erachteten Verhalten‹ (1974, 95 ff.)« (Beckers, 2001a, S. 28).
Gängige Begriffsdefinitionen unterscheiden zwischen, oben dargestellter, intentionaler Erziehung im Sinne eines engen Begriffsverständnisses und stellen dem eine funktionale Erziehung in einem weiten Verständnis von Erziehung, als nicht-intentional, gegenüber. Neuber et al. (2013) formulieren dazu:
»Erziehung im engeren Sinne zielt auf die absichtliche Strukturierung des Denkens, Fühlens und Handelns im Sinne der Kulturtechniken und Werte, die in einer Gesellschaft anerkannt sind« (ebd., S. 400).
»Zur funktionalen Erziehung werden auch Einflüsse gezählt, die nicht absichtsvoll inszeniert werden, z. B. durch die Gleichaltrigengruppe oder die Medien. Letztere werden auch zu den Sozialisationsinstanzen gezählt und spielen in informellen Lernprozessen eine wichtige Rolle« (ebd., S. 399–400).
Gleichwohl verschwimmt bei dieser Unterscheidung von intentionaler und funktionaler Sichtweise die definitorische Grenze zum Begriff der Sozialisation (Koller, 2014). Mit dem Versuch einer Bestimmung und damit auch der Abgrenzung zentraler Begriffe zeigt sich hier eine begriffliche Überschneidung, aufgrund derer einiges für die Begrenzung des Erziehungsbegriffs auf das intentionale Handeln spricht – wenngleich sich die per se eng verflochtenen Begriffe Erziehung, Bildung und Sozialisation ohne eine wechselseitige Bezugnahme kaum klären lassen (zum Begriff der Sozialisation Kap. 1.3).
Die Definition von Hurrelmann (1994) nimmt Bezug auf eine dieser Schnittstellen, in dem sie Erziehung als einen Teilbereich der Sozialisation bestimmt. Dabei orientiert sich die Aussage an dem engen, intentionalen Verständnis von Erziehung:
»Erziehung ist ein Bestandteil des umfassenden Sozialisationsprozesses; der Bestandteil nämlich, bei dem von Erwachsenen versucht wird, bewusst in den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern einzugreifen – mit dem Ziel, sie zu selbstständigen, leistungsfähigen und verantwortungsvollen Menschen zu bilden« (ebd., S. 13).
Deutlich wird bei dieser Definition auch, dass das asymmetrisch-hierarchische Verhältnis von Erzieher und Educand, welches in den oben dargestellten Definitionsansätzen zum Ausdruck kommt und im Grunde eine »Subjekt-Objekt-Relation« (Koller, 2014, S. 55) abbildet, hier im Sinne eines verstärkten Subjektbezugs erweitert wird. Damit wird hier bereits der Bezug von Erziehungsprozessen in ihrer Bedeutung als Basis bzw. Unterstützung für weiterführende selbstbestimmte und selbstreflexive Bildungsprozesse deutlich.
Hinsichtlich einer intentionalen Erziehung wird entsprechend die Frage nach Erziehungszielen bedeutsam (Neuber et al., 2013). Erziehung ist immer normativ gebunden. Und nicht jedes bewusste Einwirken auf Heranwachsende, das vom Erziehenden selbst als wertvoll erachtet wird, ist dies auch tatsächlich (Koller, 2014). Eine Reflexion und Begründung von Erziehungszielen sind somit notwendig. Diese erfolgt mit Blick auf normative Bezugspunkte, d. h. im Kontext des zugrundeliegenden Bildungsverständnisses, sowie hinsichtlich der Ausrichtung angesichts gesellschaftlich-kultureller Ausprägungsformen der Bewegungskultur (Kap. 4; Kap. 6).
Zusammenfassend lassen sich folgende zentrale Merkmale des Erziehungsbegriffs festhalten:
• Erziehung lässt sich als intentionale oder funktionale Erziehung in einem engen bzw. weiten Verständnis fassen. Dabei führt der weite Begriff der funktionalen Erziehung zu Unschärfen hinsichtlich der Abgrenzung zum Begriff der Sozialisation.
• Erziehung in einem engen Verständnis bezieht sich auf ein intentionales, werteorientiertes Einwirken einer erziehenden Person auf einen Heranwachsenden.
• Dabei lässt sich das Verhältnis von Erzieher und Educand nicht rein asymmetrisch-hierarchisch charakterisieren, sondern die Subjektperspektive des zu Erziehenden findet Berücksichtigung.
• Mit Blick auf den normativen Gehalt, der ein werteorientiertes Handeln konstituiert, ist die begründbare Bestimmung gesellschaftlich relevanter Erziehungsziele im Kontext übergeordneter Bildungsziele sowie im Gegenstandsbezug bedeutsam.
Die Vielzahl an Ansätzen in der Auseinandersetzung mit dem Bildungsbegriff, auch mit Blick auf den historischen Verlauf einer teils kontroversen Diskussion (Beckers, 2001b), ist kaum in einem kurzen Überblick zu fassen. Im Folgenden werden daher anhand ausgewählter Begriffsbestimmungen zentrale Gedanken in den Vordergrund gerückt, die einem grundlegenden Verständnis dienlich sind und in der Sportpädagogik vornehmlich rezipiert werden. Peukert (2000) zufolge gehört
»Bildung […] – als deutsche Sonderprägung – neben Kultur, Zivilisation, Gesellschaft, Aufklärung, Vernunft zu den großen Leitbegriffen, unter denen die beschleunigt sich entwickelnden modernen Gesellschaften seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Verständigung über sich selbst suchten« (ebd., S. 507).
Diese Verständigung über sich selbst nimmt Ausgangspunkt beim einzelnen Menschen als Subjekt und Teil der Gesellschaft. Neuber et al. (2013, S. 400) stellen diesen Ausgangspunkt im Rückgriff auf Meinbergs Klärung des Bildungsbegriffs prägnant heraus:
»Zunächst muss festgestellt werden, dass Bildung reflexiv im Sinne von Sich-Bilden gebraucht wird, da sich ›der eigentliche Bildungsvollzug, das Sich-Aneignen von Welt […] ins Subjekt selbst‹ verlagert« (Meinberg, 1996, S. 56).
Mit der Verlagerung des Sich-Aneignens von Welt in das Subjekt sind auch die beiden zentralen Referenzpunkte angesprochen, die in einer Vielzahl von Begriffsbestimmungen die maßgeblichen Bezüge charakterisieren: Bildung entsteht im Zusammenspiel zum einen umweltbezogener bzw. gesellschaftlich-kultureller sowie zum anderen personaler Bezüge. In der Erziehungswissenschaft werden diese beiden Referenzpunkte häufig mit dem Begriffspaar Welt- und Selbstverhältnis gefasst.
Bildung als Prozess, aber auch als das Resultat des Prozesses, richtet sich Peukert (2000) zufolge auf die Entwicklung eines individuellen Bewusstseins einschließlich der Befähigung zu einer reflektierten Umgestaltung desselben. Damit verknüpft sieht er auch die Befähigung zur Umgestaltung gesellschaftlicher Strukturen, die durch das Bewusstsein jedes Einzelnen mitgeprägt werden.
Deutlich wird hier das (selbst-)reflexive Moment, das sich als zentral für den Bildungsbegriff erweist:
»Bildung bedeutet zuallererst Reflexivität: sich krisenhafter Ungewissheiten bewusst zu werden und sich dazu zu verhalten« (Bonnet & Hericks, 2013, S. 37).
In der Auseinandersetzung mit Welt- und Selbstverhältnissen erfolgt über die Reflexion eine Distanznahme im Ereignis- und Erfahrungsfluss. Nach Dörpinghaus (2013, S. 119) ist Bildung entsprechend eine »Verstehens- und Distanzleistung«. Und auch Bietz zufolge (2005, S. 107) können nur bei reflexiver Distanz eigene Handlungsspielräume gewonnen werden und so individuelle Erlebnisse nachhaltige Wirkungen auf die Person und ihren Zugang zur Welt haben.
Als maßgeblich für das Auslösen reflexiver Momente wird das Moment der Irritation betrachtet. Bildungsprozesse finden nach Kokemohr (2007) dort statt, wo auftretende Erfahrungen nicht in die biographisch aufgebauten Ordnungen eingebettet werden können, welche die täglichen Interpretationen lenken. Widerständige Erfahrungen führen zu einem Fraglich-Werden bisheriger und zu einem probeweisen Entwurf neuer Ordnungsfiguren, im Sinne von »Bildungsvorhalten« (ebd., S. 19), deren tatsächliche Bildungsrelevanz bzw. Bildungswirksamkeit sich erst längerfristig erweisen muss.
Im Kontext von Bewegung, Spiel und Sport findet sich der Gedanke der bildungsrelevanten widerständigen, ›krisenhaften‹ Erfahrungen in der Sportpädagogik im Sinne der »Wechselwirkung des Spürens und Bewirkens« wieder (Prohl, 2010, S. 166). Konkret entstehen Irritationen z. B. bei bewegungs- und sportbezogenen Aktivitäten in der gelingenden (oder eben noch nicht gelingenden) Auseinandersetzung beim Versuch ein turnerisches Bewegungsproblem zu lösen (Bietz, 2015).
Der dargestellte Zugang zum Verständnis von Bildung bezieht sich auf den Ansatz transformatorischer Bildung im Sinne einer Bildungsprozesstheorie (Kokemohr, 2007). Hinsichtlich weiterer ausgewählter bildungstheoretischer Ansätze wurde in der Sportpädagogik insbesondere auch der Ansatz von Klafki, mit seiner Unterscheidung einer materialen, formalen und kategorialen Bildung, rezipiert (Laging & Kuhn, 2018). Allen Ansätzen gemeinsam ist das In-Bezug setzen von Subjekt- und Objektbezügen, wobei der Fokus bei Klafki weniger auf dem Prozess als auf der Frage nach dem Verhältnis von Subjekt und Objekt liegt (vertiefend Kap. 4):
• Materiale Bildung richtet sich auf den Sach- bzw. Objektbezug und damit auf die Aneignung von sach- bzw. objektbezogenen Kenntnisse oder das Erlebt-haben bestimmter Ereignisse. Ziel ist also die Aneignung eines Wissens- oder Erlebniskanons, der im gegebenen gesellschaftlich-kulturellen Kontext als bildungsrelevant erachtet wird (u. a. Strübig & Strübig, 2018; Gruschka, 2018). Für das Feld des Sports ruht der Fokus demnach auf der Aneignung sport-(art-)spezifischer Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten mit Blick auf die Teilhabe an der gesellschaftlich etablierten Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur.
• Formale Bildung stellt hingegen das Subjekt in den Mittelpunkt. Der Blick richtet sich auf die individuelle Entwicklung, und damit die ›Formung‹ der individuellen körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte in Auseinandersetzung mit gesellschaftlich-kulturellen Phänomen (u. a. Strübig & Strübig, 2018; Gruschka, 2018). Der Fokus ruht also auf der Frage, welche persönlichkeitsbildenden Erfahrungen das Subjekt in der Auseinandersetzung mit der sozialen und materialen Umwelt im Kontext seines Bewegungshandelns machen kann und welche Bildungsimpulse dadurch entstehen (Prohl, 2010).
• In der kategorialen Bildung verschmelzen materiale und formale Bezüge dialektisch miteinander. Im Blick steht die Auseinandersetzung mit einem bewegungs- und sportbezogenen Wissens- und Erfahrungskanon, verbunden mit der Frage, welche Bedeutsamkeit dieser Kanon für die individuelle Entwicklung des Subjekts hat. Ziel der Auseinandersetzung ist es, allgemeine Einsichten in »kategorial Erhellendes« (Klafki, 1963, S. 42–43) zu ermöglichen. Also in der handelnden Auseinandersetzung des Subjekts mit den Gegebenheiten des Felds Bewegung und Sport ein grundlegendes Verständnis zentraler (kategorialer) Aspekte zu schaffen.
• Dabei handelt es sich um einen Ansatz relationaler Bildung (Bietz, 2018). Der Begriff relational betont, dass die dialektischen Bezüge der kategorialen Bildung sich grundsätzlich bedingen und nicht unabhängig voneinander gedacht werden können (Scherer, 2005). Eine Trennung ist nur rein analytisch möglich. Aus dieser Sicht kann Bildung immer nur als ein Zugleich materialer und formaler Aspekte und deren wechselseitigem Bezug gedacht werden. Bildung ist demnach also immer relational.
Kontroverse Diskussionen um den Bildungsbegriff entzünden sich u. a. an seiner Vielschichtigkeit und damit vermeintlichen Unklarheit (Neuber et al., 2013; Koller, 2014). Gleichzeitig wird der Bildungsbegriff, respektive die Teildisziplin der Bildungstheorie, für im Grunde unverzichtbar gehalten, da sich damit eine Verortung bietet, an der »[…] über Legitimation, Zielsetzung und Kritik pädagogischen Handelns […] gestritten werden kann und soll« (Koller, 2012, S. 10). Die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für Bildungsprozesse gilt Krüger und Neuber (2011) zufolge als im Grunde unbestreitbar. Bildungsprozesse wären in Gefahr unvollständig zu bleiben, sollte die körperlich-leibliche Dimension des Lernens außer Betracht geraten.
Zur Einordnung der Vielfalt an Bildungsorten und -modalitäten im Feld Bewegung, Spiel und Sport hat Heim (2008) im Zweiten Kinder- und Jugendsportbericht eine anschauliche Systematik vorgelegt (siehe hierzu auch Neuber & Golenia, 2019). Unterscheiden lassen sich die Dimensionen formale – non-formale Bildungsgelegenheiten bzw. -settings sowie formelle – informelle Bildungsprozesse. Formelle Bildungsprozesse werden bspw. im Sportunterricht, beim Training im Sportverein oder in einem Tanzkurs angebahnt, also in angeleiteten Lehr-Lern-Settings im Kontext von Institutionen als formalen Bildungsgelegenheiten. Informelle Bildungsprozesse können sich im Rahmen nicht-angeleiteter sportbezogener Aktivitäten ergeben, z. B. bei familiären Sportaktivitäten, beim Inline-Skaten im Skatepark oder auch bei der Teilnahme an Schulsportfesten.
Betrachtet man das Verhältnis der beiden zentralen Grundbegriffe Erziehung und Bildung lässt sich dieses in zweifacher Weise charakterisieren: Zum einen als ein angeleiteter gegenüber einem selbstreferentiellen Prozess. D. h. die Beeinflussung eines Zu-Erziehenden durch einen Erzieher versus einem Sich-Bildens als einem selbstbezüglichen und selbstreflexiven Vorgang. Zum anderen mit Blick auf die Relation der beiden Begriffe: Erziehung bezeichnet eine Einflussnahme auf eine Person, um Bildung zu ermöglichen, im Sinne einer »Erziehung mit dem Ziel der Bildung« (Prohl, 2010). Wenngleich Bildung nicht notwendigerweise an erzieherische Prozesse gebunden ist, sondern fraglos auch außerhalb pädagogischer Kontexte stattfindet (Scherer, 2005).
Zusammenfassend lassen sich folgende zentrale Aspekte zum Bildungsbegriff festhalten:
• Kern der verschiedenen Definitionen des Bildungsbegriffs ist die individuelle Auseinandersetzung mit dem untrennbar verknüpften Selbst- bzw. Weltverhältnis, verbunden mit dem zentralen Moment der Reflexion.
• Hinsichtlich Bildungsorten und -modalitäten lassen sich die Dimensionen formale – non-formale Bildungsgelegenheiten bzw. -settings sowie formelle – informelle Bildungsprozesse heranziehen.
• Mit Blick auf die Abgrenzung der Begriffe Erziehung und Bildung wird insbesondere die Unterscheidung zwischen einem angeleiteten gegenüber einem selbstreferentiellen Prozess deutlich (erzogen werden vs. sich bilden).
• Zur Relation der beiden Begriffe lässt sich festhalten, dass Erziehungsprozesse zu Bildungsprozessen beitragen sollen.
Neben den pädagogischen Grundbegriffen Erziehung und Bildung sind Entwicklung, Lernen und Sozialisation weitere zentrale, zunächst wertfreie Begriffe der (Sport-)Pädagogik, die grundlegende pädagogische Sachverhalte betreffen. Nämlich die Tatsache, dass Menschen im Verlauf ihrer lebenslangen Entwicklung vieles erst erlernen (müssen) und in einem gesellschaftlichen Kontext sozialisiert werden. Die Bewertung der Prozesse und des Gelingens von Entwicklung, Lernen und Sozialisation ist wiederum an normative Kategorien gebunden. Einfluss nehmen dabei nicht nur die Menschen selbst durch ihr aktives Handeln, sondern ebenso auch Bedingungen, die von außen, also durch die Umwelt, auf die Prozesse einwirken (Grupe & Krüger, 2007).
Die menschliche Entwicklung ist ein ganzheitlicher Veränderungsprozess, der sich auf motorische, kognitive und psycho-soziale Merkmale bezieht. Im Unterschied zu einem engen, auf traditionellen Phasen- und Stufenmodellen beruhenden Entwicklungsverständnis, das von einer universellen und nicht umkehrbaren Entwicklungsabfolge ausgeht, hat sich spätestens mit dem Aufkommen der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne ein weiter Entwicklungsbegriff durchgesetzt. Nach Trautner (2006) erweisen sich als kleinster gemeinsamer Nenner verschiedener Begriffsbestimmungen die Veränderung und die Zeitachse.
Zu den wesentlichen Bestimmungsmerkmalen eines weiten Entwicklungsbegriffs zählt Trautner (ebd., S. 67–68; auch Willimczik & Singer, 2009) folgende Aspekte:
• Veränderungen über die Zeit, die in einem systematischen Zusammenhang mit dem Lebensalter (Lebenslauf) stehen.
• Überdauernde, langfristige Veränderungen, im Unterschied zu kurzfristigen oder vorübergehenden Veränderungen.
• Regelhafte Veränderungen, die in qualitativen und quantitativen Veränderungen zum Ausdruck kommen (z. B. typische altersbezogene Veränderungen).
• Aber auch nicht regelhafte Veränderungen im Sinne von interindividuellen Unterschieden (zwischen verschiedenen Personen) in intraindividuellen Veränderungen (bezogen auf einzelne Personen).
Bedeutsam ist außerdem die Unterscheidung von Entwicklung als Prozess und als dessen Produkt:
»Der Begriff Entwicklung bezeichnet sowohl den Prozess fortschreitender Veränderungen, einschließlich der ihm zu Grunde liegenden Bedingungen, als auch das jeweilige Produkt dieses Prozesses zu einem bestimmten Zeitpunkt der Entwicklung. Direkt beobachtbar sind immer nur die jeweiligen Produkte des Entwicklungsprozesses. Die zu Grunde liegenden Bedingungen können nur erschlossen werden (z. B. wenn ein systematischer Zusammenhang zwischen vermuteten Entwicklungsbedingungen und Entwicklungsergebnissen besteht)« (ebd., S. 60).
Als lebenslanger Prozess bezieht sich die Entwicklung auf alle Lebensphasen vom Säuglings- bis zum späten Erwachsenenalter. Die motorische Entwicklung steht in einer engen Beziehung zu den Prozessen des Wachstums, der Reifung, des Lernens und der Sozialisation. Von Anfang an haben wir es dabei nicht mit bloßen Reifungs- und Wachstumsprozessen zu tun, sondern mit Anlagen und Potentialen, die sich in der Auseinandersetzung mit den materialen und sozio-kulturellen Gegebenheiten (Entwicklungskontexte) individuell ausbilden und zu erheblichen Unterschieden und Variationen im Entwicklungsverlauf führen.
Die verschiedenen Ansätze zur Beschreibung und Erklärung von Entwicklungsprozessen beziehen sich auf die drei Grundfragen nach dem Gegenstand (motorische, kognitive und psycho-soziale Entwicklung), dem Verlauf und der Steuerung (Person-Umwelt-Bezug) der Entwicklung. Ausgehend von dem Kriterium der Entwicklungssteuerung (Wodurch kommen Veränderungen zustande?) werden vier theoretische Grundpositionen unterschieden: reifungstheoretische, sozialisationstheoretische, konstruktivistische und interaktionale Ansätze (Baur, 1989; Montada, Lindenberger & Schneider, 2012).
Der Zusammenhang von Bewegung und Entwicklung ist für die Sportpädagogik von Bedeutung, weil die menschliche Entwicklung einen wesentlichen Anlass und Bezugspunkt für seine Erziehung darstellt (Dietrich, 1987). Bereits in den 1920er-Jahren stellte Bernfeld (1967) fest, dass Erziehung als Summe der Maßnahmen einer Gesellschaft auf die Tatsache der menschlichen Entwicklung aufzufassen ist. Die zentrale sportpädagogische Frage lautet demnach, wie sich der Mensch im Medium der Bewegung, in der aktiven Auseinandersetzung mit seiner Umwelt allgemein und in den speziellen bewegungskulturellen Ausformungen von Bewegung, Spiel und Sport entwickelt und welchen Einfluss Maßnahmen der Bewegungserziehung und -förderung dabei haben.
Das Feld des Lernens ist ein in der Psychologie sehr intensiv erforschtes Gebiet, das auch ganz wesentlich in die Pädagogik Eingang gefunden hat. Im Unterschied zum Entwicklungsbegriff, der sich sowohl auf die Zu- als auch die Abnahme von Merkmalen bezieht, richtet sich Lernen immer auf einen Zuwachs. Lernen betrifft zudem, im Unterschied zu kurzfristigen Verhaltensänderungen etwa durch Ermüdung und Erschöpfung, überdauernde Verhaltensänderungen, die an die Aktivitäten der Person gebunden sind. Grupe und Krüger (2007, S. 104) definieren den Lernbegriff wie folgt:
»Lernen bezeichnet eine dauerhafte und relativ stabile Änderung der Verhaltensmöglichkeiten, des Wissens und Könnens, der Einstellungen und Gewohnheiten aufgrund von Erlebnissen und Erfahrungen oder auch durch Einsicht. Lernen ist ein aktiver Prozess, der von genetisch weitgehend festgelegten Vorgängen wie Reifung oder Altern zu unterscheiden ist.«
Mit Bezug auf den Begriff Entwicklung stellen Hannover, Zander und Wolter (2014, S. 140) fest:
»Auch Lernen ist als eine relativ überdauernde Veränderung des Organismus definiert, diese muss jedoch ausdrücklich auf Erfahrungen zurückgehen. Erfahrungen bezeichnen selbst Erlebtes oder Wahrgenommenes.«
Lernen kann also als ein Teil von Entwicklung betrachtet werden, der zu ihr beiträgt. Wenngleich im Sport das motorische Lernen eine zentrale Rolle spielt, so sind stets auch kognitive, emotionale und soziale Lernprozesse von grundlegender Bedeutung. Etwa bei der Auseinandersetzung mit Regeln und taktischem Verhalten, beim Umgang mit Gefühlen oder der Interaktion in Gruppen.
Wie in der Definition auch zum Ausdruck gebracht, ist Lernen im Sport eng mit Erfahrung, also dem unmittelbaren Wahrnehmen und Erleben von Körper und Bewegung verbunden. Dabei werden vier Typen von Erfahrungen unterschieden: leibliche, materiale, soziale und personale Erfahrungen (Grupe, 2000; Scheid & Prohl, 2017). Mit dem Lernen verbunden und dennoch abzugrenzen sind das Üben und Trainieren: Durch Übung soll bereits Gelerntes gefestigt und verbessert werden, häufig durch Wiederholung unter verschiedenen, auch erschwerten Bedingungen. Der Begriff des Trainierens bezeichnet darüber hinaus einen planmäßigen, längerfristigen Handlungsprozess zur (gezielten und kontrollierten) Einwirkung auf den Leistungszustand.
Aus der Begriffsdefinition geht ebenfalls hervor, dass sich Lernen nicht nur auf Veränderungen tatsächlich gezeigten Verhaltens, sondern stets auch perspektivisch auf Handlungsmöglichkeiten bezieht. In diesem Zusammenhang kann Lernen, verstanden als aktiver Prozess der Veränderung, von der Leistung als Ergebnis der Veränderung unterschieden werden (Eberspächer, 1987). Lernen ist zudem nicht direkt beobachtbar. Dass Lernen stattfindet bzw. stattgefunden hat, kann nur indirekt, d. h. nur über das gezeigte Verhalten bzw. konkreten Leistungen erschlossen werden.
Zur Erklärung von Lernprozessen wurden in der Psychologie eine Vielzahl von Lerntheorien entwickelt, die allerdings jeweils für sich nur einen eingeschränkten Geltungsbereich beanspruchen können. Mit Grupe und Krüger (2007) und Conzelmann, Hänsel und Höner (2013), die auch Anwendungsformen im Sport thematisieren, lassen sich drei Richtungen unterteilen:
• Reiz-Reaktions-Theorien, wobei Lernprozesse auf die Verknüpfung von äußeren Reizgebungen mit bestimmten Reaktionsweisen zurückgeführt werden. Etwa im Sinne des Signallernens (Pawlow) oder als Verstärkungslernen nach Versuch und Irrtum oder als »Lernen am Erfolg« (Thorndike, Skinner).
• Kognitive Lerntheorien, welche Lernprozesse auf komplexe kognitive Leistungen und aktive Informationsverarbeitung zurückführen. Dies betrifft bspw. das Lernen am Modell, das auf Beobachtung und Nachahmung beruht (Bandura) sowie das Lernen durch Einsicht, welches zu Neu-Organisation und Umstrukturierung führt (Köhler, Wertheimer).
• Handlungstheoretische oder interaktionale Lernmodelle (u. a. Reich). Diese Ansätze gehen von einem menschlichen Verhalten aus, das absichtsvoll, zielgerichtet und regelgeleitet erfolgt, sich in Handlungen vollzieht und durch unterschiedliche Einflussgrößen und Rückmeldungen regulierbar ist.
Viele Aspekte dieser grundlegenden Lerntheorien sind auch für das motorische Lernen von Bedeutung. Motorisches Lernen lässt sich nach Hossner, Müller und Voelcker-Rehage (2013, S. 244–254) als ein Prozess relativ überdauernder Veränderungen motorischer Kompetenzen verstehen, die auf Bewegungserfahrungen und Übungsprozessen beruhen. Lernerfolge können dabei aus der Verstärkung gelingender Bewegungsausführungen, der Verarbeitung von Informationen und Rückmeldungen sowie aus einem Transfer bereits bestehender Bewegungserfahrungen hervorgehen.
Im Kontext der Sportpädagogik ist das Lernen als Aufgabe zu verstehen, der sich Lehrende wie Lernende gleichsam stellen. Die menschliche Entwicklung und selbständige Lebensführung sind auf gezieltes Lernen angewiesen. Aufgabe von Erziehung ist es demzufolge, individuelles Lernen im Handlungsfeld Bewegung, Spiel und Sport zu ermöglichen, zum Lernen anzuregen und die Lernumgebungen didaktisch-methodisch angemessen zu gestalten.
Der auch in der Sportpädagogik grundlegende Begriff Sozialisation bezeichnet übergreifend die sozialen Prozesse, die auf die Entwicklung des Menschen einwirken und ihn zu einer sozial handlungsfähigen Person werden lassen. Hurrelmann (2006) hebt in seinem bekannten Begriffsverständnis das Wechselspiel von gesellschaftlichen Umweltfaktoren und angebotenen Individualfaktoren hervor:
»Sozialisation bezeichnet […] den Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt. Sozialisation ist eine lebenslange Aneignung von und Auseinandersetzung mit den natürlichen Anlagen, insbesondere den körperlichen und psychischen Grundlagen, die für den Menschen die ›innere‹ Realität bilden, und der sozialen und physikalischen Umwelt, die für den Menschen die ›äußere‹ Realität bilden« (ebd., S. 15).
Die lebenslange Auseinandersetzung mit inneren und äußeren Anforderungen wird als aktiver, produktiver Prozess gesehen, weil die Verarbeitung jeweils als individuelle Anpassung vollzogen wird. In der Sozialisationsforschung wird u. a. zwischen unterschiedlichen Phasen des Sozialisationsprozesses unterschieden (Sozialisation im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter).
In Anlehnung an Hurrelmanns Ansatz der produktiven Realitätsverarbeitung (Hurrelmann, 2006) sieht Heinemann (2007) das Ziel der Sozialisation in der Herstellung einer Balance zwischen vier Dimensionen:
• Normative Konformität: Die Kenntnis und Anerkennung von vorherrschenden Moralauffassungen, Werten, Normen und Symbolen.
• Ich-Identität: Die Fähigkeit, Rollenerwartungen und Anforderungen der sozialen Umwelt und die eigene Persönlichkeit mit ihren Wünschen, Vorstellungen und Erwartungen in Einklang zu bringen.
• Ich-Stärke: Die Entwicklung der Fähigkeit zu autonomem Handeln, zu reflektierter Anwendung sozialer Normen und Bewältigung sozialer Konflikte.
• Solidarität: Die Fähigkeit zur Verbindung und Integration von eigener Identität und Ich-Stärke mit sozialer Verpflichtung gegenüber den Erwartungen und Ansprüchen anderer Personen.
Für die vielschichtigen Zusammenhänge von Sport und Sozialisation lassen sich unterschiedliche Phasen unterscheiden (Heinemann, 2007; Burrmann, 2018):
Unter Vorsozialisation versteht man die positiven sozialen Einflüsse, etwa durch bewegungs- und sportinteressierte Eltern oder Geschwister, die einen Zugang zum Sport begünstigen.
Sozialisation in den Sport betrifft die konkreten sportbezogenen Aktivitäten, also die Umsetzung der in der Vorsozialisation geprägten Handlungspotenziale im Sport. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Impulse und Einflüsse von anderen Personen zum eigenen Sportreiben geführt haben. Neben der Familie sind weitere Sozialisationsinstanzen wie etwa die Peer-Gruppe, der Sportverein und die Schule für die aktive Zuwendung von Bedeutung und nehmen u. a. Einfluss auf die Wahl der sportlichen Aktivtäten und den Grad der Einbindung.
Sozialisation im und durch Sport ist abhängig von den konkreten Bedingungen, unter denen eine soziale Einbindung erfolgt, was wiederum von Aspekten wie der ausgeführten Sportaktivität, der organisatorischen Gestaltung und der Art der Inszenierung abhängt. Sportlichen Aktivitäten wird damit ein Sozialisationspotenzial zugeschrieben, wobei sie als sozial vorstrukturiert gelten. Die vorliegenden empirischen Befunde zu erwarteten Sozialisationseffekten sind nach Baur und Burrmann (2008) widersprüchlich: einige Studien belegen positive Zusammenhänge zwischen Sportbeteiligung und verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen (wie Selbst- und Körperkonzept, Kontrollüberzeugungen), sozialer Integration sowie Gesundheitsstatus und -verhalten, andere Studien hingegen berichten von keinen nennenswerten Sozialisationseffekten.
Zusammenfassend sind die drei grundlegenden Begriffe Entwicklung, Lernen und Sozialisation auf das Verhalten gerichtet und betreffen die Tatsache, dass Menschen während ihres Entwicklungsverlaufs vieles erst erlernen müssen und im gesellschaftlichen Kontext sozialisiert werden:
• Entwicklung bezeichnet sowohl den Prozess als auch das Produkt fortschreitender, lebenslanger Veränderungen, als Zu- oder Abnahme motorischer, kognitiver und psycho-sozialer Merkmale.
• Lernen trägt zur Entwicklung bei und bezeichnet einen aktiven und erfahrungsbasierten Prozess. Lernen selbst ist nicht beobachtbar. Gezeigtes Verhalten (z. B. erbrachte Leistungen) machen das Ergebnis von Lernen sichtbar.
• Sozialisation bezeichnet soziale Prozesse, die lebenslang auf die Entwicklung des Menschen einwirken, Entwicklungs- und Lernprozesse auslösen und damit die soziale Handlungsfähigkeit beeinflussen.
Sportpädagogik und Sportdidaktik stehen in großer Nähe zu einander. Während sich die Sportpädagogik (gr. pais agogein, das Kind/den Knaben/eine Person führen, begleiten) mit den Sinn- und Begründungsfragen bewegungs- und sportbezogenen Handelns im Kontext der Bewegungskultur befasst, beschäftigt sich die Sportdidaktik (gr. didaskein, lehren/vermitteln) mit konkreten Situationen, Phänomenen und Prozessen des Lehrens und Lernens und deren Zusammenhang. Daraus lassen sich unterschiedliche Leitfragen ableiten. So fragt die Sportpädagogik vorwiegend nach dem Wozu? und Warum? auf Ebene übergeordneter bewegungs- und sportbezogener Erziehungs- und Bildungsziele. Die Sportdidaktik befasst sich ebenfalls mit Zielsetzungen, allerdings auf Ebene konkreter Lehr-Lernprozesse mit Blick auf Unterrichts- bzw. Vermittlungsziele. Ergänzend stellt die Sportdidaktik, davon ausgehend, Fragen nach dem Was? und Wie? mit Blick auf die Auswahl von Inhalten und methodische Zugänge (Oesterhelt, et al., 2020).
Sportpädagogik und Sportdidaktik stellen entsprechend unterschiedliche Fragen im gleichen Handlungskontext, die zugleich aufeinander angewiesen sind.
»Sportpädagogische und sportdidaktische Überlegungen sind […] untrennbar miteinander verbunden, d. h. die vorgeordnete sportpädagogische Sinnfrage bildet den Ausgangspunkt didaktischer Überlegungen« (ebd., S. 393).
Diese enge Wechselbeziehung führt im fachspezifischen Sprachgebrauch auch häufig zu einer Verknüpfung beider Begriffe (z. B. »pädagogisch-didaktische Implikationen«). Sportpädagogische wie sportdidaktische Überlegungen erweisen sich dabei als relevant für alle Handlungsfelder im Kontext der Bewegungskultur bzw. der zugehörigen Institutionen in denen Vermittlungssituationen auftreten – d. h. für den Schulsport ebenso wie z. B. den Gesundheits- oder Vereinssport, den Leistungs- oder auch den Alterssport (Kap. 12; Kap. 15).
Das Verhältnis der beiden Fachgebiete Sportpädagogik und Sportdidaktik wird vor diesem Hintergrund in unterschiedlicher Weise konzipiert: Im Sinne Prohls (2010, S. 13–19) kann die Sportpädagogik als eine Integrationswissenschaft verstanden werden, die u. a. gegenüber der Sportdidaktik eine Beratungsleistung erbringt (Kap. 1.1). Aus dieser Sichtweise heraus, lässt sich die Sportdidaktik als ein Teilgebiet der Sportpädagogik deuten. Die Sportpädagogik ist damit die sinngebende und beratende Instanz während die Sportdidaktik sich um die Umsetzung in der Praxis bemüht. Allerdings entwickelt sich die Sportdidaktik in den vergangenen Jahren zunehmend zu einer eigenen wissenschaftlichen bzw. empirisch forschenden Disziplin mit engen Bezügen u. a. zur empirischen Bildungsforschung oder zur Lehr-Lernforschung (Leuders, 2015; Oesterhelt et al., 2020). Angesichts dessen lassen sich Sportpädagogik und Sportdidaktik als zwei eng verknüpfte, in ihren Fragestellungen zunehmend eigenständige Schwesterdisziplinen beschreiben.
Baur, J. (1989). Körper- und Bewegungskarrieren. Hofmann.
Baur, J. & Burrmann, U. (2008). Sozialisation zum und durch Sport. In K. Weis & R. Gugutzer (Hrsg.), Handbuch Sportsoziologie (S. 230–238). Hofmann.
Beckers, E. (2001a). Sportpädagogik und Erziehungswissenschaft. In H. Haag & A. Hummel (Hrsg.), Handbuch Sportpädagogik (S. 25–33). Hofmann.
Beckers, E. (2001b). Renaissance des Bildungsbegriffs in der Sportpädagogik? Orientierungssuche zwischen Widerstand und Aushöhlung. In R. Prohl (Hrsg.), Bildung und Bewegung (S. 29–42). Czwlina.
Bernfeld, S. (1967). Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung. Suhrkamp.
Bietz, J. (2005). Bewegung und Bildung – Eine anthropologische Betrachtung in pädagogischer Absicht. In J. Bietz, R. Laging & M. Roscher (Hrsg.), Bildungstheoretische Grundlagen der Bewegungs- und Sportpädagogik (S. 85–122). Schneider.
Bietz, J. (2015). Bewegungslernen im Horizont von Bildung. In J. Bietz, R. Laging & M. Pott-Klindworth (Hrsg.), Didaktische Grundlagen des Lehrens und Lernens von Bewegungen – bewegungswissenschaftliche und sportpädagogische Bezüge (S. 200–222). Schneider.
Bietz, J. (2018). Kategoriale Bildung als Formbildung in bewegungskulturellen Feldern. In R. Laging & P. Kuhn (Hrsg.), Bildungstheorie und Sportdidaktik. Ein Diskurs zwischen kategorialer und transformatorischer Bildung (S. 87–109). Springer VS.
Bonnet, A. & Hericks, U. (2013). Professionalisierung bildend denken – Perspektiven einer erziehungswissenschaftlichen Professionstheorie. In K. Müller-Roselius & U. Hericks (Hrsg.), Bildung – Empirischer Zugang und theoretischer Widerstreit (S. 35–53). Barbara Budrich.
Burrmann, U. (2018). Sportbezogene Sozialisation. In A. Güllich & M. Krüger (Hrsg.), Sport in Kultur und Gesellschaft (S. 1–20). Springer.
Dietrich, K. (1987). Entwicklung und Bewegung – Sportpädagogische Aspekte. In H. Eberspächer (Hrsg.), Handlexikon Sportwissenschaft (S. 114–120). Rowohlt.
Conzelmann, A., Hänsel, F. & Höner, O. (2013). Individuum und Handeln – Sportpsychologie. In A. Güllich & M. Krüger (Hrsg.), Sport. Das Lehrbuch für das Sportstudium (S. 269–335). Springer.
Dietrich, K. & Landau, G. (1990). Sportpädagogik. Rowohlt.
Dörpinghaus, A. (2013). Zum begrifflichen Gehalt von Bildung. In K. Müller-Roselius & U. Hericks (Hrsg.), Bildung – Empirischer Zugang und theoretischer Widerstreit (S. 119–132). Barbara Budrich.
Eberspächer, H. (1987). Lernen. In H. Eberspächer (Hrsg.), Handlexikon Sportwissenschaft (S. 247–252). Rowohlt.
Franke, E. (2015). Bildsamkeit des Körpers – anthropologische Voraussetzungen aktuelle Bildungsforschung. In J. Bietz, R. Laging & M. Pott-Klindworth (Hrsg.), Didaktische Grundlagen des Lehrens und Lernens von Bewegungen – bewegungswissenschaftliche und sportpädagogische Bezüge (S. 223–256). Schneider.
Franke, E. (2018). Eine Allgemeine Pädagogik für die Sportpädagogik? In R. Laging & P. Kuhn (Hrsg.), Bildungstheorie und Sportdidaktik. Ein Diskurs zwischen kategorialer und transformatorischer Bildung (S. 253–292). Springer VS.
Grupe, O. (2000). Vom Sinn des Sports. Hofmann.
Grupe, O. & Kurz, D. (2003). Sportpädagogik. In P. Röthig & R. Prohl (Hrsg.), Sportwissenschaftliches Lexikon (S. 527–528) (7., völlig neu bearb. Aufl.). Hofmann.
Grupe, O. & Krüger, M. (2007). Einführung in die Sportpädagogik (3., neu bearb. Aufl.). Hofmann.
Gruschka, A. (2018). Über die unerledigte »Kategoriale Bildung«. In memoriam Wolfgang Klafki. In R. Laging & P. Kuhn (Hrsg.), Bildungstheorie und Sportdidaktik. Ein Diskurs zwischen kategorialer und transformatorischer Bildung (S. 49–60). Springer VS.
Hannover, B., Zander, L. & Wolter, I. (2014). Entwicklung, Sozialisation und Lernen. In T. Seidel & A. Krapp (Hrsg.), Pädagogische Psychologie (S. 139–166). Beltz.
Heim, R. (2008). Bewegung, Spiel und Sport im Kontext von Bildung. In W. Schmidt (Hrsg.), Zweiter Deutscher Kinder- und Jugendsportbericht. Schwerpunkt: Kindheit (S. 21–42). Hofmann.
Heinemann, K. (2007). Einführung in die Soziologie des Sports (5., überarb. u. akt. Aufl.). Hofmann.
Hossner, E.-J., Müller, H. & Voelcker-Rehage, C. (2013). Koordination sportlicher Bewegungen – Sportmotorik. In A. Güllich & M. Krüger (Hrsg.), Sport. Das Lehrbuch für das Sportstudium (S. 211–267). Springer.
Hurrelmann, K. (1994). Mut zur demokratischen Erziehung! Pädagogik, 46(7–8), 13–17.
Hurrelmann, K. (2006). Einführung in die Sozialisationstheorie (9., unveränderte Aufl.). Beltz.
Klafki, W. (1963). Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Beltz.