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Ein Mann, nur mit einer Unterhose bekleidet und an einen Stuhl gefesselt, wird im Tiefkühlraum eines Restaurants steifgefroren aufgefunden. Der Tote hat keine Feinde und keine Verbindungen ins kriminelle Milieu. Kommissar Bombach steht allein vor dem wohl kuriosesten Mord seiner Karriere, denn sein Freund, Polizeireporter Mike Staller, nimmt seit Monaten eine Auszeit in Südfrankreich. Aber als eine weitere Leiche entdeckt wird – eine junge Frau, tot in der Sauna eines Swingerklubs, die Tür versperrt – schaltet Staller sich ein. Auch diese junge Frau, die Tochter der Inhaberin, scheint grundlos getötet worden zu sein. Es gibt keine Verbindungen zum ersten Opfer. Und doch müssen beide Verbrechen in einem Zusammenhang stehen, da ist sich Bombach sicher. Als Mike Staller für einige Tage nach Hamburg zurückkehrt, bekommt er einen Tipp und einen Auftrag: Die Morde sollen auf das Konto einer Bande gehen, die mit ihren kriminellen Machenschaften in Hamburg Fuß fassen will. Das ruft auch den kantigen Igor auf den Plan, eine geheimnisumwitterte Gestalt, die die Geschicke der organisierten Kriminalität in der Hansestadt lenkt. Der Polizeireporter und der Unterweltboss starten in einen Wettlauf, wer die Verbrecher zuerst findet. Das entscheidet darüber, ob die Täter im Gefängnis oder aber in einem düsteren Folterkeller landen. Der kantige Igor ist für seine absolute Skrupellosigkeit bekannt. Gleichzeitig will Staller einen zwanzig Jahre alten Fall lösen, der sich in seiner neuen Wahlheimat, der Provence, abgespielt hat. Ein Geldtransporter wurde damals überfallen, beide Wachmänner getötet und der mutmaßliche Täter hatte sich die Pulsadern aufgeschnittenen. Lolo, die damalige Freundin des Verdächtigen, spielt heute eine wichtige Rolle in Stallers Leben und glaubt nicht an die Schuld ihrer Jugendliebe. Bombach und Staller arbeiten auch über große Entfernungen wieder perfekt zusammen. In ihrer unnachahmlichen Art streiten sie sich, helfen sich, kabbeln sich – und lösen am Ende alle drei Fälle.
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STALLER UND DER KANTIGE IGOR
Bisher in diesem Verlag erschienen:
Staller und der Schwarze Kreis
Staller und die Rache der Spieler
Staller und die toten Witwen
Staller und die Höllenhunde
Staller und der schnelle Tod
Staller und der unheimliche Fremde
Staller und die ehrbare Familie
Staller und der Mann für alle Fälle
Staller und der Pate von Hamburg
Staller und der Feuerteufel
Staller und das verschwundene Mädchen
Chris Krause
Staller und der kantige Igor
Mike Stallers zwölfter Fall
© 2023 Chris Krause
ISBN Softcover: 978-3-384-02158-8
ISBN Hardcover: 978-3-384-02159-5
ISBN E-Book: 978-3-384-02160-1
ISBN Großschrift: 978-3-384-02161-8
Druck und Distribution im Auftrag :
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany
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Cover
Halbe Titelseite
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„Was zum Teufel …?“
Thomas Bombach, erfahrener Kriminalhauptkommissar der Polizei Hamburg und erfolgreicher Ermittler in ungezählten Mordfällen, erschauerte. Auf seinen kräftigen Unterarmen sorgte eine Gänsehaut dafür, dass die feinen Härchen einheitlich strammstanden. Unwillkürlich umfasste er seinen Oberkörper, eine untypische Haltung für ihn, zumal es da ziemlich viel Körper gab, der umfasst werden wollte. Für einen ausführlicheren Kommentar konnte er sich momentan nicht entscheiden. Er hatte das Gefühl, dass ihm das Blut in den Adern gefror.
Dafür gab es zwei Gründe, die sogar in einem Zusammenhang standen. Zunächst war es schlicht und ergreifend erbärmlich kalt. Draußen auf der Straße herrschten frühsommerliche 25 Grad, die dazu geführt hatten, dass Bombach auf eine Jacke verzichten konnte. Hier unten in dem kleinen Raum hinter der Stahltür war es mehr als 40 Grad kälter.
Der zweite Grund war männlich, nur mit einer Unterhose bekleidet und saß auf einem Stuhl. Darüber hinaus war er eindeutig tot. Um das zu erkennen, benötigte man weder spezielle medizinische Kenntnisse noch den Gerichtsmediziner, der sich gerade aufrichtete und den Kopf schüttelte.
„So etwas habe ich in meinem Berufsleben noch nicht gesehen“, stellte er fast andächtig fest und drückte seinen Daumen probehalber auf den Quadrizeps des Toten.
Kommissar Bombach fehlten weiterhin die Worte, während seine Augen davon unabhängig ihre Arbeit verrichteten und sich Einzelheiten des Tatorts und des Opfers einprägten. Natürlich würde es Fotos geben, jede Menge sogar, aber der erste unmittelbare und persönliche Eindruck besaß eine andere Qualität.
Die Arme des Mannes waren hinter der Lehne mit Kabelbindern gefesselt und zusätzlich am Stuhl fixiert. Oberhalb der Hüfte war der Oberkörper des Toten mit einem Spanngurt an das Sitzmöbel gebunden. Und um wirklich ganz sicherzugehen, hatte jemand auch die Unterschenkel des Mannes mit Klebeband an den Stuhlbeinen befestigt. Viele Bewegungsmöglichkeiten blieben da nicht übrig. Außerdem sorgte ein Knebel dafür, dass das Opfer nicht laut werden konnte.
Bombach rieb sich die Hände, die langsam gefühllos wurden. Eine weitere Besonderheit war sicher der große, flache Bottich, in dem sowohl die Stuhlbeine als auch die Füße des Toten steckten. Ursprünglich war er vermutlich mit Wasser gefüllt. Bei den aktuell herrschenden arktischen Temperaturen war daraus ein massiver Eisblock geworden, der Mann und Möbel ziemlich unverrückbar an Ort und Stelle hielt.
„Minus 20 Grad habe ich am Thermometer abgelesen, als ich den Raum zum ersten Mal betreten habe“, erklärte der Doc ungewohnt redselig. Vermutlich war das der außergewöhnlichen Situation geschuldet. Der Mediziner erlebte einen unerwarteten Ausbruch aus der Routine und reagierte darauf seltsam begeistert. „Jetzt steht die Tür schon eine ganze Zeit offen und wir haben nur noch minus 16.“
„Ist er … ich meine, ist er erfroren?“ Der Kommissar musste sich räuspern. Die eisige Luft schien seine Lungen durchbohren zu wollen.
„Was ich sicher sagen kann, ist, dass er gefroren ist. Und zwar vollständig. Das lässt einigermaßen wenig Rückschlüsse auf die Todesart oder den Todeszeitpunkt zu. Auf den ersten Blick kann ich keine äußeren Verletzungen feststellen, aber das soll nichts heißen. Ich muss ihn erst auftauen.“
Diesen Vorgang wollte sich der Kommissar lieber nicht zu ausführlich vorstellen. Mehr zu sich selber murmelte er: „Allein kann er das ja wohl nicht hinbekommen haben. Suizid fällt also schon mal aus.“
„Tötung auf Verlangen wäre aber noch in der Verlosung“, antwortete der Doc aufgeräumt. Normalerweise musste man ihm jedes Wort aus der Nase ziehen, aber heute war alles anders. Seine Augen leuchteten und er ließ seinen Blick geradezu liebevoll über die etwa achtzig Kilo Gefrierfleisch schweifen.
„Irgendein Anhaltspunkt, wie lange er schon tot ist?“
„Nein“, erwiderte der Mediziner fröhlich. „Wobei – mehr als 24 Stunden dürften es schon sein. Es dauert seine Zeit, bis so ein Brocken durchgefroren ist. Aber es kann natürlich auch schon eine Woche her sein. Oder ein Jahr. Wer weiß?“
„Sehr hilfreich“, brummte Bombach. Die gute Laune des sonst notorisch muffeligen Pathologen irritierte ihn. Als Ermittler hatte er eine derartige Situation bisher auch noch nicht erlebt und er hätte gut darauf verzichten können. Einen Grund für Euphorie und Heiterkeit konnte er jedenfalls nicht erkennen.
„Sobald Ötzi hier getaut ist, werde ich mehr sagen können. Ich bin selber gespannt, was ich herausfinden werde. Mann, das wird richtig aufregend!“ Auch der Mediziner rieb sich nun die Hände, aber Bombach hatte den Verdacht, dass hier Vorfreude der ausschlaggebende Grund war, nicht Kälte.
„Wie lange wird es dauern, bis Sie anfangen können?“
Der Doc sah auf seine Uhr.
„Heute wird das nichts mehr. Morgen früh, nehme ich an. Ich kann ihn ja schlecht in den Ofen schieben, damit es schneller geht.“
Bombach konnte sich den Pathologen ganz gut in der Rolle der Hexe aus Hänsel und Gretel vorstellen, behielt diese Ansicht aber lieber für sich.
„Wie kriegen Sie ihn denn überhaupt zu sich auf den Tisch? Muss man den Eisblock da unten erst abschlagen?“
„Um Himmels willen! Natürlich nicht. Nachher brechen noch die Füße mit ab. Nein, nein, das muss alles mit! Hach, so viele Dinge, die zu bedenken sind!“
Der Kommissar beschloss, sich den Freudentaumel des Gerichtsmediziners nicht länger anzutun. Hier konnte er nichts mehr ausrichten. Außerdem war es wirklich zu kalt zum Denken. Es gab Polizeiarbeit zu erledigen. Das war seine Kernkompetenz.
„Na, Bommel, was hast du nun wieder angestellt?“
Bombach fuhr herum, weil er dachte, die Stimme seines Freundes Mike Staller zu hören. Der Polizeireporter nutzte alle gesetzlichen und auch ungesetzlichen Mittel, um Informationen zu bekommen und traf oft fast gleichzeitig mit ihm an Tatorten ein. Mit einem frechen Spruch nahm er oft den schrecklichen Bildern die Spitze.
Aber der Kommissar sah nur den dunklen Kellergang, in dem allerlei Gerümpel herumstand, aber kein Mensch zu sehen war. Seine Fantasie hatte ihm einen Streich gespielt. Es war ja auch ganz unmöglich, dass Mike hier auftauchte. Schließlich hatte er die Stadt vor längerer Zeit verlassen und war bisher nicht wieder zurückgekehrt.
„Sie bekommen meinen Bericht, sobald ich Ötzi untersucht habe. Morgen Mittag, wenn alles normal verläuft. Herr Kollege? Ist Ihnen nicht gut? Sie sehen aus, als ob hätten Sie ein Gespenst gesehen.“
„Was?“ Bombach wandte sich wieder dem Doc zu. „Mir geht’s gut, danke. Seit wann kümmern Sie sich um die Befindlichkeiten der Polizei?“
„Och, heute ist so ein schöner Tag, da dachte ich, ich kann mal eine Ausnahme machen. Na los, hauen Sie schon ab! Draußen ist es wärmer. Ich bleibe hier, um Ötzis Transport zu überwachen.“
Der Kommissar nickte automatisch und verließ den ungemütlichen Raum. Die Wandlung des Pathologen machte ihm Angst, mehr noch als die gefrorene Leiche.
„Wer hat die Polizei benachrichtigt?“
Bombach hatte den Keller verlassen und einen wesentlich angenehmeren Ort für seine ersten Recherchen aufgesucht. Die Gaststube des Restaurants war für den Abend vorbereitet, aber bis auf wenige Personen leer. Und diese hatten alle mit dem Fall zu tun. Gäste würden erst in einigen Stunden eintreffen.
„Das war ich“, meldete sich ein stattlicher Mann in weißer Kleidung, offensichtlich ein Koch, wie die steife Mütze nahelegte.
„Dann erzählen Sie mal. Wann haben Sie die Leiche gefunden?“
Der Mann rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Vor ihm auf dem Tisch stand ein Glas mit Leitungswasser, das er mit der rechten Hand umschloss. Es schien ihm etwas Halt zu geben.
„Ich fange so gegen 10 Uhr mit den Vorbereitungen an. In der Küche gibt es immer viel zu tun. Wenn ab 18 Uhr die ersten Gäste kommen, liegt praktisch schon ein kompletter Arbeitstag hinter mir.“
Der Kommissar verspürte eine gewisse Ungeduld, erlaubte dem verunsicherten Koch aber, in seinem eigenen Tempo fortzufahren.
„Ungefähr um 12 Uhr merkte ich, dass mir einige Kräuter ausgegangen waren. Wir benutzen normalerweise natürlich frische. Aber für den Notfall haben wir auch welche eingefroren. Deshalb bin ich in den Gefrierraum gegangen. Und da habe ich ihn dann gefunden …“
„Was haben Sie als Nächstes getan?“
„Ich habe die Tür praktisch sofort wieder zugeschlagen. Man konnte ja sofort sehen, dass da nichts mehr zu machen war. Dann bin ich nach oben gegangen und habe vom Festnetz aus den Notruf gewählt. Das war doch richtig so, oder?“
„Alles in Ordnung. Sie haben nichts falsch gemacht“, beruhigte Bombach den aufgelösten Zeugen, der sich daraufhin ein wenig entspannte. „Kennen Sie den Toten?“
Der Koch nickte.
„Es ist Gerald. Der Bruder vom Chef“, fügte er hinzu, als er den fragenden Blick seines Gegenübers bemerkte.
„Was war seine Aufgabe hier?“
„Eigentlich gar keine. Er hat normalerweise nichts mit dem Restaurant zu tun. Höchstens, dass er mal hilft, wenn Not am Mann ist. Aber das kommt eher selten vor.“
„Das heißt, dass Sie überrascht waren, als Sie ihn in der Kühlkammer erkannten?“
„Wie kann ich nicht überrascht sein, wenn plötzlich ein gefrorener Mann zwischen meinen Lebensmitteln sitzt?“
Bombach registrierte den entsetzten Blick und präzisierte seine Frage.
„So meinte ich es nicht. Ich wollte wissen, ob es für diesen Gerald einen Grund gegeben hätte, außerhalb der Öffnungszeiten im Restaurant zu sein.“
„Nein, nicht dass ich wüsste.“
„Wissen Sie, ob er einen Schlüssel hatte?“
Der Koch zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung.“
„Aber Sie haben einen.“
„Natürlich. Ich muss ja an meinen Arbeitsplatz kommen können.“
„Wissen Sie, wer sonst noch einen hat?“
„Der Chef natürlich. Und der jeweilige Schichtführer auf jeden Fall. Außerdem der Getränkelieferant.“
„Ich habe auch einen Schlüssel“, mischte sich eine unscheinbare, ältere Frau ein, die ein wenig abseits stand und der Befragung aufmerksam gefolgt war.
„Und Sie sind …?“
„Julija. Julija Blisnowa. Ich mache hier sauber.“ Ihr Deutsch war ausgezeichnet, aber ein leichter Akzent passte zu ihrem osteuropäisch klingenden Namen.
„Jeden Tag?“
Sie nickte.
„Außer Montag. Da ist Ruhetag.“
„Arbeiten Sie auch im Keller?“
„Nein. Nur im Restaurant, Küche und Toiletten.“
„Wann fangen Sie an?“
„Um neun Uhr. Dann ist die Küche fertig, wenn Moritz kommt.“
Sie nickte in Richtung des Kochs.
„Ist Ihnen heute irgendetwas aufgefallen? War etwas anders als sonst?“ „Nein, alles war wie immer.“
Die Antwort kam ohne Nachdenken wie aus der Pistole geschossen.
„Danke. Bitte geben Sie meinem Kollegen dort hinten Ihre Adresse und Telefonnummer. Wenn wir Sie noch brauchen, melden wir uns.“
Sie nickte zustimmend und trat an den Tisch am anderen Ende des Raumes, wo ein Streifenpolizist mit einer Kladde vor sich saß und eifrig Notizen eintrug.
„Frau Blisnowa war also schon bei der Arbeit, als Sie heute Morgen kamen?“, befragte Bombach nun weiter den Koch.
„Ja, sie wischte gerade den Gastraum.“
„War sonst jemand hier?“
„Nein.“
„Sind Ihnen irgendwelche Dinge aufgefallen, die ungewöhnlich waren?“
Der Koch überlegte einen Moment und schüttelte dann energisch den Kopf.
„Okay. Haben Sie Ihren Chef schon angerufen und ihm mitgeteilt, was geschehen ist?“
„Ja. Er wollte sich sofort ins Auto setzen. Er müsste bald hier sein.“
„Gut. Das war für den Moment alles. Bitte geben Sie auch drüben bei meinem Kollegen Ihre Personalien an.“
Ein lautes Poltern, gefolgt von einer verärgert klingenden Schimpftirade, erklang aus Richtung des Kellers. Der Kommissar eilte die Treppe hinab und kam gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie drei Männer den gefrorenen Leichnam zu einem Hintereingang trugen, wobei der Stuhl als improvisierte Trage diente. Der Doc fuchtelte mit beiden Händen, um die Träger zu größerer Sorgfalt im Umgang mit der zerbrechlichen Fracht anzuhalten.
„Passt doch auf! Ihr zerbrecht ihn mir noch. Was glaubt ihr, was das ist, ein Bücherschrank? Meine Herren!“
Da kein größerer Schaden zu erkennen war, überließ Bombach das Feld dem aufgebrachten Medizinmann und stieg wieder hinauf in die Gaststube. Dort sprach er kurz mit den Streifenbeamten, die zuerst vor Ort gewesen waren, konnte aber keine erwähnenswerten neuen Informationen ergattern. Die Kollegen der Spurensicherung arbeiteten ihre Routinen ab und wollten nicht gestört werden. Außerordentliche Erkenntnisse schienen sie nicht zu gewinnen. Der Kommissar kam sich für einen Moment überflüssig vor und schaute aus dem Fenster.
Normalerweise hätte sein Freund Mike jetzt neben ihm gestanden und sie hätten die Fakten noch einmal aufgezählt und über mögliche Schlüsse daraus beraten. Er mochte es sich kaum eingestehen, aber diese gemeinsame Einschätzung fehlte ihm jetzt. Klar, er war der Polizist und wusste genau, wie seine nächsten Schritte aussehen würden. Aber Mikes messerscharfer Verstand und auch sein anderer Blickwinkel auf die Dinge hatten oft einen positiven Einfluss auf die Ermittlungen genommen.
Mit einem Ruck löste sich Bombach aus diesen Gedanken. Sie brachten ihn keinen Deut weiter. Mike war fort, andere Journalisten zum Glück nicht vor Ort und der Mordfall gehörte ihm ganz allein. Hatte er sich das nicht immer gewünscht? Er konnte seinen Verstand und seine Erfahrung mit der Intelligenz des Mörders messen. Oder der Mörderin. Und er beabsichtigte diesen Wettkampf zu gewinnen.
Die Tür zum Lokal wurde aufgerissen und ein Mann stürmte in den Raum. Er war vielleicht knapp vierzig Jahre alt und mit Jeans und T-Shirt recht leger gekleidet. Dunkle Ringe unter den Augen zeugten entweder von einer ungesunden Lebensweise oder von aktueller Übermüdung. Er sah sich kurz im Restaurant um, entdeckte keine bekannten Gesichter und wusste offenbar für einen Augenblick nicht, an wen er sich wenden sollte.
„Mein Name ist Bombach, Kriminalhauptkommissar. Sind Sie der Besitzer des Lokals?“ Der Mann nickte nur und rang nach Atem. Er war offensichtlich in schlechter Form.
„Wie ist Ihr Name?“
„Peters. Lars Peters. Ist es wahr? Gerald ist tot?“
Er blickte sich gehetzt um, als erwartete er, dass der Leichnam irgendwo im Raum zu finden wäre.
„Es tut mir sehr leid, aber ja, das stimmt. Darf ich Ihnen trotzdem ein paar Fragen stellen?“
„Klar“, antwortete Peters fahrig. „Wir können in mein Büro gehen.“
Ein Büro in einem Restaurant? Bombach war verwundert, folgte ihm aber, ohne eine Bemerkung zu machen. Der Besitzer führte ihn in einen winzigen Raum neben der Küche, der mehr einer Abstellkammer als einem Büro glich. Aber zumindest passte ein Schreibtisch hinein und auf beiden Seiten davon je ein Stuhl. Darüber hinaus gab es lediglich einen Aktenschrank und ein kleines Sideboard, auf dem ein Drucker stand. Peters klemmte sich hinter den Schreibtisch und wedelte mit der Hand einladend in Richtung des zweiten Stuhls.
„Wollen Sie was trinken?“ Der Kommissar lehnte dankend ab und sah zu, wie sich der Restaurantbesitzer einen Grappa einschenkte. Es war ja auch schon kurz nach Mittag. Oder war es normal in der Gastronomie, zu jeder Tageszeit alkoholische Getränke zu konsumieren? Peters kippte das scharfe Getränk wie Wasser, wischte sich über den Mund und entspannte sich minimal.
„Wie ist das passiert?“
„Wir stehen ganz am Anfang unserer Ermittlungen“, entgegnete Bombach routiniert. „Ihr Bruder wurde praktisch nackt und an einen Stuhl gefesselt im Gefrierraum aufgefunden. Dort hatte er offensichtlich schon einige Zeit zugebracht.“
„Das ist ja furchtbar! Wie ist er gestorben?“
„Das können wir nicht sicher sagen. Der Zustand des Leichnams ließ noch keine genaueren Untersuchungen zu. Wir müssen warten, bis er aufgetaut ist. Klar ist lediglich, dass hier ein Fremdverschulden vorliegt. Allein kann sich Ihr Bruder nicht in diese Lage gebracht haben.“
„Also Mord?“
„Ziemlich sicher, ja.“
„Meine Güte!“
Peters warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Grappaflasche, beließ es jedoch dabei.
„Hatte Ihr Bruder Feinde? Ich weiß, die Frage klingt klischeehaft, aber irgendjemand hat ihn umgebracht und den würde ich gerne verhaften.“
„Feinde? Vermutlich. Welcher Mensch hat die nicht? Aber deswegen wird man ja nicht gleich ermordet. Nein, ich kenne niemanden, der ihm nach dem Leben trachten würde.“
„In was für Verhältnissen lebte er denn?“
„Gerald ist … war Junggeselle. Er lebte allein und führte einen kleinen Computerladen. Ich weiß nicht, ob er wirklich viel verkauft hat, aber er hatte immer Aufträge irgendetwas einzurichten oder zu installieren. Soweit ich weiß, kam er ganz gut zurecht.“
„Glauben Sie, dass er von sich aus am Ruhetag hier ins Restaurant gekommen ist? Hatte er überhaupt einen Schlüssel?“
„Er wusste, wo für den Notfall ein Schlüssel versteckt ist. Einen eigenen hatte er nicht. Und es gab sicher keinen Grund für ihn, gestern hierherzukommen. Manchmal hat er mir ausgeholfen, wenn Not am Mann war, aber nicht am Ruhetag.“
„Können wir nachsehen, ob der Reserveschlüssel an seinem Platz ist? Das wäre wichtig für die Ermittlungen.“
„Natürlich. Kommen Sie!“
Peters führte den Kommissar in den Hinterhof des Restaurants. Dort befanden sich einige Abfallcontainer, ein einzelner Parkplatz und ein Holzschuppen, der mit einem Vorhängeschloss gesichert war.
„Hier bewahre ich Altglas auf, altes Mobiliar und ein paar andere Dinge, die ich nicht ständig in Gebrauch habe. Nichts Wertvolles. Die Tür ist extra so gebaut, dass man hineinsehen kann. Eingebrochen wurde noch nie.“
„Und der Reserveschlüssel?“
„Müsste hier sein.“
Der Wirt zeigte auf einen Nistkasten, der dicht an der Mauer an dem Holzschuppen befestigt war. Mit einem Ruck schob er ihn erst nach links und dann nach oben. Danach ließ er sich abnehmen. Auf der Rückseite waren mehrere Aussparungen zu sehen. Zwei dienten als Führungsschienen für die beiden Schrauben, an denen der Kasten befestigt war. Eine dritte wurde erst sichtbar, nachdem Peters einen Plastikschieber betätigt hatte. Das Fach, das nun offen zu sehen war, beherbergte einen winzigen Haken und sonst nichts.
„Nanu? Der Schlüssel ist weg!“
„Dann wissen wir zumindest, wie der Täter ins Restaurant gekommen ist. Wer weiß alles von dem Versteck?“
„Hm, lassen Sie mich überlegen.“ Peters strich sich nachdenklich über das Kinn. „Eigentlich nur Gerald und ich. Wäre ja auch blöd, wenn viele Leute davon wüssten.“
„Haben Sie ihn oft benutzt?“
„Hin und wieder schon“, räumte der Wirt ein und lächelte verschämt. „Ich bin ein bisschen schusselig und vergesse schon mal Schlüssel, Brieftasche oder Telefon. Deswegen habe ich das Versteck ja eingerichtet.“
Bombach sah sich gründlich um. Der kleine Hinterhof wurde durch einen Maschendrahtzaun vom wesentlich größeren Hof des angrenzenden Wohnblocks abgetrennt. Die dreistöckigen Gebäude gaben unzähligen Menschen Gelegenheit, aus dem Fenster zu beobachten, was im Hof des Restaurants geschah.
„Hatten Sie mal das Gefühl, dass jemand gesehen hat, wie sie den Schlüssel geholt haben?“
„Nicht dass ich wüsste. Allerdings habe ich auch nicht darauf geachtet. Wer sollte mich denn hier beobachten?“
„Tja, das wäre eine interessante Frage. Sie sind sich aber sicher, dass der Schlüssel hier war? Wann haben Sie das letzte Mal nachgesehen?“
„Zufällig weiß ich das genau. Es war am letzten Donnerstag. Ich habe den Schlüssel benutzt und anschließend wieder in den Kasten gehängt.“
„Woher wissen Sie das so genau?“
„Ich hatte einen Termin mit einem Herrn vom Gesundheitsamt. Bei einer unangekündigten Kontrolle war aufgefallen, dass in einem der Kühlräume Kältemittel aus der Anlage austrat. Nun wollte er überprüfen, ob ich die Leckage beseitigt hatte.“
„Und – hatten Sie?“
„Selbstverständlich. Dummerweise hatte ich allerdings meinen Schlüssel vergessen und er drohte mir mit einem Bußgeld. Da war ich natürlich froh, dass ich den Reserveschlüssel hatte. Damit war dann alles in Ordnung.“
Einen Kontrolleur vom Gesundheitsamt wollte der Kommissar nicht als Hauptverdächtigen einordnen.
„Wissen Sie, ob jemand anderes den Schlüssel danach noch benutzt hat?“
„Das könnte ja dann nur Gerald gewesen sein“, schlussfolgerte der Wirt sehr richtig. „Und das glaube ich nicht. Ich habe ihn hier seit letzter Woche nicht einmal gesehen.“
„Hm“, brummte Bombach unzufrieden. „Das bringt uns also nicht sonderlich weiter. Die Spurensicherung wird sich das Schlüsselversteck genau anschauen, aber ich hege keine große Hoffnung, dass sie etwas finden werden.“
Sie gingen zurück in Peters’ Büro. Auf dem Weg dorthin instruierte Bombach die Kriminaltechniker.
„Wie oft half Ihr Bruder denn hier aus?“
„Unregelmäßig, aber eher selten. Ein- bis zweimal im Monat vielleicht. Mein Team ist gut und recht flexibel. In der Regel kommen wir auch mit kurzfristigen Buchungen klar. Letzte Woche hatten wir mittags eine Trauerfeier mit fünfzig Personen. Das haben wir auch spontan hinbekommen.“
Der Kommissar überlegte, bevor er weitersprach.
„Sehen Sie, ich frage mich natürlich, ob es eine Bedeutung hat, dass Ihr Bruder in Ihrem Restaurant gefunden wurde. Wenn jemand etwas gegen ihn hatte, dann hätte er ihn in seiner Wohnung, in seinem Laden oder auch irgendwo im Freien ermorden können. Warum in Ihrem Restaurant und warum ein solcher Tod? Das muss doch eine Bedeutung haben.“
„Da kann ich Ihnen leider nicht helfen.“
„Ich brauche auf jeden Fall seine Anschrift, die Adresse seines Ladens und eine Liste von Leuten, die Sie beide kannten.“
Peters zog einen leeren Zettel heran und begann zu schreiben, während Bombach überlegte, was er als nächsten Schritt erledigen würde. Das Abarbeiten von Routinen war eine Sache, die er im Laufe seines Berufslebens perfektioniert hatte. Der richtige Ansatz für eine Ermittlung hing oft von einem Geistesblitz ab, von einer Idee, wo man mit der Suche nach dem Täter beginnen sollte. Auf diesem Gebiet war Mike Staller ein Meister, auch oder gerade weil er keine kriminalpolizeiliche Ausbildung genossen hatte. Seine jahrelange Erfahrung als Polizeireporter hatte ihn mit einem Instinkt ausgestattet, der oft genug in die richtige Richtung geführt hatte. Auch wenn man ihm das nie sagen durfte, weil er sonst vermutlich größenwahnsinnig geworden wäre. In diesem Moment hätte der Kommissar jedoch nur zu gern mit seinem Freund geplaudert und Gedanken über diesen seltsamen Mordfall ausgetauscht. Zu schade, dass das nun nicht möglich war. Irgendetwas war mit Mike passiert, denn sonst hätte er nicht von jetzt auf gleich sein gesamtes Leben über den Haufen geworfen.
* * *
Nach dem letzten gemeinsamen Fall mit der verschwundenen Klimaaktivistin hatten die Freunde wie immer mit den Beteiligten bei Mario, Stallers Lieblingswirt, im Hinterzimmer gesessen und die Ergebnisse der Ermittlung aufgearbeitet. Spät am Abend war die Gruppe gesättigt und zufrieden aufgebrochen. Der Reporter hatte nur wenige Schritte bis zu seiner Wohnung in Hamburg-Eilbek zu laufen und war nicht gleich ins Bett gegangen. Stattdessen hatte er im Wohnzimmer gesessen, sich ein Glas Rotwein eingeschenkt und Musik aus der Vergangenheit gehört. Das machte er oft, wenn er an Chrissie, seine verstorbene Frau, dachte und wie glücklich sie bis zu ihrer Krebsdiagnose gewesen waren. All das war mittlerweile acht Jahre her, aber Mike hatte sich bis heute nicht von der Vergangenheit lösen können. Deshalb war auch seine Beziehung zu Sonja, seiner wunderbaren Kollegin, nie so klar geworden, wie sie es sich beide vermutlich gewünscht hätten.
Mit diesen Gedanken, der vertrauten Musik im Ohr und eingehüllt in Erinnerungen, war er in das Zwielicht zwischen Wachen und Schlafen geglitten und hatte die bewusste Kontrolle über sein Denken verloren. Wie in einem Fotoalbum glitten Fetzen aus der Vergangenheit an seinem inneren Auge vorbei.
Er und Chrissie, tanzend bei ihrer Hochzeit. Kati, die gemeinsame Tochter, ganz klein und schrumpelig zum ersten Mal auf seinem Arm. Ferien in Südfrankreich, alle drei braun gebrannt mit strahlenden Gesichtern. Chrissie, die sich ihm auf Zehenspitzen mit gespitztem Mund entgegenreckt. Kati mit riesiger Schultüte. Und wieder Chrissie, auf der Dachterrasse ihrer alten Wohnung, gezeichnet vom Krebs und der Chemotherapie, aber trotzdem wunderschön und liebenswert. Dann ihr flehender Blick, die Erinnerung an ein Versprechen. Er selbst, der ihr über das Geländer hilft, ein letzter Kuss, die Dankbarkeit in ihren Augen, ihr Körper, der fällt und fällt …
Staller merkt es nicht, aber aus beiden Augen rinnen Tränen. Tränen, die er sonst nie weint, die er sich verbietet, weil er stark sein muss für seine Tochter, für seinen Job, für Chrissie.
„Hallo Liebster!“
Es ist ihre Stimme, da ist kein Zweifel möglich. Aber das kann nicht sein, Chrissie ist seit Jahren tot, behauptet sein Verstand, der auch im Unterbewusstsein nicht aufhört zu arbeiten.
„Natürlich kann das sein! Es gibt mehr Dinge auf dieser Welt, als du mit deinem Verstand begreifen kannst, auch wenn der noch so gut ist.“
Ein weiteres Rätsel. Er hat nicht laut gesprochen, sondern nur gedacht. Wie kann es sein, dass sie ihn trotzdem versteht?
„Wir haben uns doch schon immer auch ohne Worte verstanden“, erklärt sie. „Ich möchte dir eine Frage stellen, Liebster. Bist du glücklich?“
Diese drei Worte, einfach formuliert und ebenso einfach zu begreifen, lösen ein Durcheinander in seinem Kopf aus, gegen das der Verkehr am Arc de Triomphe in Paris ein wohlgeordnetes System ist.
Ist er glücklich? Eins ist klar: Diese Frage lässt sich nicht mit ja oder nein beantworten. Er fühlt sich reich beschenkt mit einer wunderbaren Tochter, darf einen Beruf ausüben, den er liebt, und ist darüber hinaus auch überaus erfolgreich darin. Für sein Alter – die Fünfzig im Hintergrund wird langsam größer und deutlicher – ist er topfit und bei bester Gesundheit. Er hat Freunde, nette Kollegen und – Sonja. Was er nicht hat, ist die Liebe seines Lebens. Und das wiegt irgendwie alles andere auf.
„Eben. Und das ist falsch!“ behauptet Chrissie und er kann förmlich ihre ich-will-Falte über der Nase sehen. „Ich habe dich damals, als ich gehen musste, freigegeben. Mehr konnte ich nicht tun. Jetzt musst du dich aber endlich von mir lösen. Für dich!“
Was? Warum?, will er schreien, denn er versteht sie nicht. Wie kann er sie loslassen, wo sie doch gar nicht da ist? Also in Wirklichkeit. Aber natürlich dringt nichts davon über seine Lippen. Sie zucken nur ein wenig.
„Ich habe dir jetzt acht Jahre zugesehen, wie du dich quälst. Warum? Ich weiß, dass du mich immer lieben wirst. Ich werde dich auch immer lieben. Daran kann niemand etwas ändern. Aber dein Leben auf der Erde ist deshalb nicht zu Ende. Und Leben bedeutet Liebe. Ich weiß nicht, ob Sonja die Richtige für dich ist. Das musst du entscheiden. Aber ich weiß, dass du nicht allein bleiben solltest. Versprich mir, dass du darüber nachdenkst!“
Hundert Fragen jagen durch seinen Kopf, die nächste erscheint ihm immer wichtiger als die letzte und so kommt er zu keinem einzigen vernünftigen Gedanken. Sein Gehirn scheint wie ein Ameisenhaufen, in den ein Stein gefallen ist. Gefühle purzeln durcheinander, rote Warnleuchten kündigen eine Überlastung der Ressourcen an und er taumelt wie ein Betrunkener in seinem eigenen Verstand herum.
Gelächter. So richtig aus dem Grunde ihres Herzens und ohne jede Zurückhaltung, so wie er es nur von Chrissie kennt.
„Ich weiß, du bist gerade komplett überfordert. Nein, widersprich nicht, ich kenne dich, mein Liebster. Und deshalb weiß ich auch, dass du mit ein bisschen Nachdenken auf die richtige Spur kommen wirst. Du schaffst das, Großer! Du schaffst es immer. Das ist eines der vielen Dinge, die ich an dir liebe. Kümmere dich um dein Glück!“
Staller spürt, dass das hier – was immer es auch ist – gerade endet und wehrt sich mit aller Kraft dagegen. Aber natürlich ist er chancenlos. Verzweifelt versucht er das Bild von Chrissie zu visualisieren, aber trotz aller Mühe wird es schwächer und immer farbloser, bis sie komplett durchsichtig ist.
Ein schmerzerfülltes Stöhnen, dann Dunkelheit. Staller war in Tiefschlaf geglitten.
Am nächsten Morgen war er überraschend erfrischt aufgewacht, dafür, dass er auf dem Sofa geschlafen hatte. Nach einer belebenden Dusche und einem ausführlichen Frühstück hatte er zwei Verabredungen getroffen. Eine mit Kerstin Radtke, Chrissies bester Freundin und Psychologin von Beruf. Und eine mit Peter Benedikt, Chefredakteur von “KM – Das Kriminalmagazin“.
Das Treffen mit Kerstin fand noch am selben Tag statt und diente lediglich dazu, seine eigenen Gedanken noch einmal zu sortieren und aufzubereiten, indem er sie jemandem mitteilte. Wie immer war Kerstin sehr verständnisvoll und sorgte mit den richtigen Nachfragen dafür, dass ihm manche Dinge noch etwas klarer wurden. Am Ende umarmte sie ihn und sagte, dass sie sich für ihn freue. Er befände sich auf dem richtigen Weg und sie wünsche ihm dabei alles Gute.
Bereits am Tag darauf traf er sich mit Peter Benedikt, der nicht nur Kollege, sondern auch ein Freund war. Außerdem war er ebenso wie Mike einer von drei Teilhabern an der Firma, die “KM“ produzierte. Staller hatte Peter vorgewarnt, dass es eine längere Unterhaltung werden könnte.
„Moin Peter! Danke, dass du so schnell einen Termin freimachen konntest.“
„Hallo Mike!“ Benedikt wirkte wie immer so, als käme er gerade von einer Modeaufnahme. Blütenweißes Hemd, Bügelfalten so scharf wie ein Filetiermesser und Schuhe, in denen man sich spiegeln konnte. „Wenn du ankündigst, dass du etwas Wichtiges zu besprechen hast und das vermutlich länger dauern würde, machst du mich natürlich neugierig. Dann muss es sich um etwas Ernstes handeln. Ich hoffe, dass es keine schlechten Nachrichten gibt.“
„Hm. Das musst du selber entscheiden.“
„Oha. Das klingt wirklich bedeutsam. Setz dich! Jutta hat schon Kaffee gebracht.“ Er wies einladend auf die kleine Sitzgruppe. Auf dem Glastisch stand ein Tablett mit Geschirr, Kaffeekanne und einer Schale mit Gebäck.
„Sie ist ein Engel“, stellte Staller fest und schenkte sich ein. „Und sie macht den besten Kaffee überhaupt.“
Benedikt zog seine Hosenbeine einen Zentimeter hoch, bevor er sich ebenfalls setzte.
„Dann schieß mal los!“
Der Reporter überlegte nicht lange. Diese Sache musste er geradeheraus angehen, sonst funktionierte es nicht.
„Peter, so leid es mir tut, aber ich muss raus aus meinem Alltag. Du weißt, ich liebe meine Arbeit und unsere Sendung über alles. Aber ich habe darüber den Bezug zu meinem Leben verloren, ohne es überhaupt zu bemerken. Und das ist nicht gut.“
Dafür, dass er mit so einem Thema nicht gerechnet haben konnte, reagierte der Chefredakteur erstaunlich gelassen.
„Wie ist dir diese Erkenntnis gekommen?“
„Das wirst du jetzt für Tüdelkram halten, aber Chrissie ist mir im Traum erschienen und hat mir eine ihrer patentierten Motivationsreden gehalten. Du weißt, dass sie sehr überzeugend sein konnte, wenn sie eine Meinung zu einem Thema hatte.“
Benedikt, der Stallers Frau nicht nur gekannt, sondern auch sehr geschätzt hatte, nickte mit einem leichten Schmunzeln.
„Oh ja, das konnte sie.“
„Jedenfalls hat sie mich ganz schön auf den Pott gesetzt und in etwa von mir verlangt, dass ich mich mal auf das Wesentliche in meinem Leben konzentrieren sollte. Und das kann ich nicht, wenn ich mich hinter meinem Alltag verstecke.“
„Ich habe ja schon immer gesagt, dass Chrissie eine sehr kluge Frau ist. Dass das so weit über ihren Tod hinausreicht, hätte ich allerdings nicht geahnt.“
„Du findest das nicht seltsam, was ich dir erzähle? Kein Bedürfnis, ein verstecktes Knöpfchen unter der Tischplatte zu drücken, damit zwei starke Männer kommen und mich unauffällig aus dem Gebäude bringen?“
„Du meinst, in einer weißen Jacke?“ Benedikt grinste. „Nein. Ich weiß nicht, wie viel davon tatsächlich auf Chrissies Konto geht und wie viel auf dein Unterbewusstsein oder was auch immer, aber in der Sache kann ich folgen. Das klingt vernünftig.“
Der Reporter war sprachlos. Er hatte mit vehementem Widerspruch gerechnet. Offensichtlich hatte er seinen Freund unterschätzt. Der Chefredakteur fuhr fort.
„Ich bin nicht jeden Tag im Büro und ich habe allerhand um die Ohren. Trotzdem habe ich ein Auge auf die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Denn ohne die Menschen ist “KM“, ist die ganze Firma nichts. Spätestens seitdem ich Sonja nach Amerika habe gehen lassen, weiß ich, dass es da ein Problem gibt und dass du im Mittelpunkt davon stehst.“
Staller holte Luft, um zu antworten, aber Benedikt hob die Hand und bremste ihn ein.
„Versteh mich nicht falsch. Du bist nicht das Problem, du hast eins! Und zwar schon lange. Du hast nur die Augen davor verschlossen. Und trotzdem bemerkenswerte Arbeit abgeliefert, möchte ich hinzufügen.“
„Hui! Mir scheint, alle anderen waren klüger als ich. Kerstin hat so etwas Ähnliches gesagt. Sonja auch. Nur ich habe natürlich nix gemerkt.“
„Frauen haben vermutlich die feineren Antennen in solchen Dingen“, antwortete der Chefredakteur mit einem Zwinkern. „Aber erzähl, was hast du dir konkret vorgestellt? Wie wollen wir die Sache handhaben?“
„Ich möchte keinen endgültigen Schnitt. Meine Anteile würde ich schon gerne behalten“, entgegnete der Reporter zögernd.
„Die stehen ja auch überhaupt nicht zur Debatte!“
Die Firma gehörte Benedikt, Staller und dem Produktionsleiter, allerdings nicht zu gleichen Teilen. Staller besaß den kleinsten Anteil. Alle drei arbeiteten Vollzeit und zu branchenüblichen Bezügen. Der Gewinn wurde am Ende jedes Geschäftsjahres entsprechend den Besitzverhältnissen ausgeschüttet. Da die Firma sehr erfolgreich arbeitete, war bereits Stallers Anteil so groß, dass man davon leben konnte, wenn man keine extravaganten Ansprüche stellte.
„Mir schwebt vorerst ein Sabbatical vor. Ich lasse meine Arbeit ruhen und beziehe dementsprechend auch kein Gehalt. Denn davon muss ja ein Ersatz bezahlt werden.“
„Mit Sabbatical meinst du ein Jahr Pause?“
Der Reporter nickte.
„Ich weiß, das klingt viel. Aber einerseits kann ich dann wirklich ganz in Ruhe mein Leben sortieren und andererseits findest du besser einen Ersatz, wenn du ihm einen Jahresvertrag anbieten kannst. Ich könnte dir sogar ein paar Leute vorschlagen.“
Der Chefredakteur schenkte sich Kaffee nach und rührte geistesabwesend in seiner Tasse. Offensichtlich ließ er sich den Vorschlag gründlich durch den Kopf gehen. Dann nahm er einen kleinen Schluck von dem heißen Getränk und steckte sich anschließend einen Keks in den Mund. Er kaute sorgfältig, schluckte und lächelte dann entspannt.
„Typisch Mike, selbst der spontane Abgang wird noch komplett durchgeplant.“ Er lehnte sich zurück. „Was hältst du von meinem Vorschlag? Du beginnst mit einer Pause von drei Monaten. In dieser Zeit beziehst du ganz normal dein Gehalt. Vermutlich hast du so viele zeitlose Stücke vorproduziert, dass dein Fehlen in der Zeit keine Programmlücken reißt. Ums Aktuelle müssen sich halt andere mal kümmern. Danach verlängerst du bei Bedarf in Schritten von jeweils drei Monaten und bekommst das halbe Gehalt. Im Gegenzug arbeitest du pro Vierteljahr an einem längeren Stück für unsere Doku- und Reportagereihe. Das kannst du vollkommen frei von überall auf der Welt machen und sprichst dich nur mit mir darüber ab. Wie klingt das?“
„Das ist mehr als entgegenkommend“, stellte Staller fest. „Das ist sogar generös! Ich danke dir sehr.“
Benedikt winkte ab.
„Das ist lediglich vorausschauend. Ich kenne niemanden, der besser in dem Job ist als du. Wenn ich es irgendwie schaffen kann, dich der Firma langfristig zu erhalten, dann muss ich das tun. Wie ich dich kenne, mache ich mit dem Vorschlag kein schlechtes Geschäft.“
„Ich aber auch nicht!“
„Na, dann ist doch alles prima! Was hast du vor, ziehst du raus aufs Land?“
Der Reporter besaß ein Wochenenddomizil in der Lüneburger Heide, einen alten Bauernhof, den er oft als Rückzugsort nutzte.
„Nein, das dürfte keine gute Idee sein. Zu dicht dran an meinem gewohnten Leben.“
„Was dann? Eine kleine Weltreise vielleicht? Drei Monate sind ein guter Zeitrahmen für so etwas.“
„Reise ist gut. Aber es darf eine Nummer kleiner sein. Als Schüler bin ich mal mit dem Rad in den Ferien nach Südfrankreich gefahren. Das war toll! Vielleicht sollte ich das wiederholen.“
„Jetzt? Im Oktober? Und warum mit dem Rad?“
Man sah es dem schlanken Mann nicht an, aber Peter Benedikt war ein erbitterter Gegner jeglicher sportlicher Ertüchtigung, die über einen Spaziergang hinausreichte.
„Weil ich es kann“, grinste Staller und stand auf, um seinem Freund die Hand zu schütteln. „Danke, Peter! Ich weiß sehr wohl, dass das nicht selbstverständlich ist. Du bist ein toller Mensch!“
„Zu viel der Ehre! Ich gebe dir einen Tag, um deine Sachen zu organisieren und so etwas wie eine Übergabe zu veranstalten. Danach will ich dich hier nicht mehr sehen! Und was auch immer du tust – womöglich sogar diese bescheuerte Fahrradtour – ich wünsche dir, dass du dein Glück dabei findest.“
„Das ist seltsam, dass du das so formulierst. Genau so hat Chrissie es auch ausgedrückt.“
„In dem Fall solltest du dich besser dran halten“, grinste Benedikt. „Ruf mich in genau drei Monaten an und sag mir, wie es weitergeht!“
* * *
Die Wohnung in Barmbek Nord war für eine Person recht großzügig bemessen und machte einen gemütlichen Eindruck. Für einen ersten Eindruck hatte Thomas Bombach einen schnellen Blick in alle Räume geworfen und nichts bemerkt, was seine sofortige Aufmerksamkeit erregt hätte. Wohn- und Schlafzimmer waren praktisch eingerichtet und sauber. Die Küche und das kleine Badezimmer wirkten ziemlich neu. Der Zustand der Räume war durchaus gepflegt, aber keinesfalls steril. Dies war ein Zuhause und keine Möbelausstellung. Ein weiterer Raum diente offenbar als Arbeitszimmer und war mit mehreren Rechnern ausgestattet. Hier fanden sich auch – ganz dem Klischee des Nerds entsprechend – einige leere Pizzapappen und Getränkedosen, die auf dem modernen Arbeitstisch standen. Die Rechner mussten natürlich überprüft werden, aber das war eine Aufgabe für die Fachleute. Der Kommissar interessierte sich für allgemeine Hinweise auf den Toten.
Im Flur befand sich eine Pinnwand, mit der er sich zuerst beschäftigte. Einige Fotos zeigten Gerald Peters im Urlaub, beim Wandern und in verschiedenen Restaurants. Auf einem davon war auch sein Bruder Lars zu sehen, beide prosteten sich mit Cocktails in der Hand zu und strahlten um die Wette. Das Bild vermittelte einen sehr harmonischen Eindruck. Offensichtlich verstanden sich die Brüder so gut, dass sie einen gemeinsamen Urlaub verbracht hatten.
Neben den unvermeidlichen Visitenkarten und Flyern von Lieferdiensten hingen noch verschiedene Postkarten an der Pinnwand. Bombach nahm sie der Reihe nach ab und las sie. Es handelte sich um Urlaubsgrüße aus aller Welt, aber immer von den gleichen vier oder fünf Personen. Erstaunlich, dass ein IT-Fachmann solche Relikte aus einer vergangenen Zeit bekam und sogar aufbewahrte. Die Texte waren wenig erhellend, man berichtete von gutem Essen, interessanten Ausflügen und natürlich vom Wetter. Eine Frau war nicht unter den Absendern.
Ein Blick in den Kühlschrank war für den Kommissar mit dem guten Appetit natürlich ein Muss. Auch hier war der Erkenntnisgewinn überschaubar. Gerald Peters kochte offenbar auch gelegentlich, denn es gab eine annehmbare Grundausstattung an Lebensmitteln sowie eine Plastikdose mit den Resten eines Chilis. Bombach schnupperte daran und bekam prompt Hunger. Hastig deckte er den Deckel wieder auf das Gefäß und schloss den Kühlschrank. Die weitere Untersuchung der Küche förderte nichts Überraschendes zutage.
Das Schlafzimmer eines Menschen ist der vielleicht persönlichste Bereich seiner Wohnung. Deshalb kam sich der Kommissar ein wenig wie ein Eindringling vor, als er den Raum betrat. Ein französisches Bett war mit einer einzelnen Garnitur Bettzeug belegt, was den Schluss nahelegte, dass Peters hier zumindest überwiegend allein schlief. Schlichte weiße Schränke und ein Nachttisch, der eher eine kleine Kommode war, bildeten den Rest der Einrichtung. Ein Blick ins Innere der Schränke offenbarte einen saloppen Kleidungsstil und die übliche Grundausstattung an Wäsche. Ein einziger dunkler Anzug wurde offensichtlich selten genutzt, denn er steckte in einem Plastiküberzug, der schon etwas Staub angesetzt hatte. In seiner Branche kam es nicht auf einen konservativen Auftritt an. Die einzige Auffälligkeit war eine überraschend große Auswahl an Sneakern.
Ein Buch auf der Kommode neben dem Bett, eine Flasche Wasser auf dem Boden – mehr Normalität war kaum vorstellbar.
„So richtig viel möchtest du mir nicht mitteilen, oder?“, murmelte Bombach enttäuscht vor sich hin und begab sich ins Wohnzimmer. Auch hier gab es keinerlei düstere Geheimnisse, keine Hinweise auf illegale Vorgänge und keine Indizien in Hinblick auf die Existenz eines Menschen, der Peters so gehasst hatte, dass er ihn umgebracht haben könnte.
Seufzend untersuchte der Kommissar auch noch das Arbeitszimmer und fand erwartungsgemäß – nichts. Ein paar Rechnungen bewiesen, dass der IT-Fachmann ordentliche Einkünfte erzielte und nicht am Hungertuch genagt hatte. Persönliche Kontounterlagen stützten die Theorie, dass es dem Mann nicht schlecht gegangen war. Andererseits waren die Summen nicht so hoch, dass sie einen kriminellen Hintergrund wie Habgier rechtfertigen konnten. Peters gehörte zur soliden Mittelschicht, verfügte über ein höheres fünfstelliges Polster und führte ein so normales Leben, dass er geradezu ein Verwandter von Max Mustermann sein konnte. Als letzte Hoffnung blieben die Rechner, an die sich Bombach nicht herantraute. Folglich rief er die Kollegen an und bat sie, sich die Rechner gründlich vorzunehmen. Es handelte sich dabei um eine Maßnahme, die zur gründlichen Ermittlung in alle Richtungen zwingend dazugehörte, auch wenn der Kommissar nicht an bahnbrechende Erkenntnisse glaubte. Entweder war Peters wirklich unglaublich stinknormal und damit ein Zufallsopfer oder er war so durchtrieben, dass er jegliche Spur auf einen verräterischen Lebenswandel erfolgreich vertuscht hatte. Beides war nichts, was auf schnelle Ergebnisse bei der Aufklärung der Tat hoffen ließ.
Sein Handy klingelte. Jede Abwechslung kam ihm gelegen.
„Hallo Thomas!“
Okay, fast jede Abwechslung.
„Hallo Isa! Bestimmt rufst du einfach mal an, um zu hören, wie es mir so geht.“
Ihr Lachen war so herzhaft, dass er sein Telefon einen Moment weg von seinem Ohr hielt.
„Ehrlich gesagt, nein. Ich habe da etwas von einer tiefgekühlten Leiche gehört und dachte, dass du mir bestimmt mehr darüber sagen kannst.“
Bombachs Seufzer kam aus der Tiefe seiner Seele.
„Da wirft meine berufliche Nemesis von einem Tag auf den anderen das Handtuch, verschwindet ans andere Ende der Welt und dann hat der hinterhältige Kerl vorher noch eine Nachfolgerin eingesetzt! Womit habe ich das nur verdient?“
„Südfrankreich ist für dich das andere Ende der Welt? Für so einen Kleingeist hatte ich dich nicht gehalten.“
„Alles südlich von Harburg muss man mit Skepsis und Fremdsprachenkenntnissen betrachten. Von dem einen habe ich viel, von dem anderen wenig.“
„Ich würde sehr gern weiter mit dir über regionale Unterschiede plaudern, aber wir haben in einer halben Stunde Redaktionskonferenz und ich muss mich entscheiden, ob ich deine Leiche für die Sendung vorschlage.“
„Du wirst dich vermutlich mit Quellenschutz rausreden, wenn ich frage, woher du überhaupt von dem Toten weißt, oder?“
„Mike hat mir beigebracht, dass Primärquellen das A und O unseres Berufs sind. Deswegen kann ich leider nicht auf die Pressemitteilung warten.“
„Du wärst enttäuscht. Außer der etwas außergewöhnlichen Auffindesituation ist diese Leiche so langweilig, wie man es sich nur denken kann.“
„Das heißt?“
„Der Tote ist ein stinknormaler braver Bürger, wie es aussieht, der niemandem etwas zuleide getan hat. Er ist beliebt, lebt unauffällig und niemand kann sich vorstellen, warum er sterben musste.“
„Aber so jemand endet doch nicht wie ein Fischstäbchen! Zur falschen Zeit am falschen Ort? Kann er Zeuge von etwas gewesen sein, was er nicht sehen durfte?“
Dieser Ansatz von Isa, der jungen Journalistin, die Staller zu “KM – Das Kriminalmagazin“ geholt und bis zu seinem überstürzten Ausstieg protegiert hatte, war interessant, aber er hütete sich, das zuzugeben.
„Ich habe keine Ahnung, was da vorgefallen ist. Idealerweise war es sogar Tötung auf Verlangen. Vielleicht litt er an einer unheilbaren Krankheit“, antwortete er hoffnungsvoll. „Für euch ist das nichts. Es gibt ja nicht einmal Bilder.“
„Och, die Aufnahmen von dem Toten, der auf dem Stuhl sitzend tiefgefroren in die Pathologie gebracht wird, sind schon etwas Besonderes.“
„Es gibt Fotos davon?“ Der Kommissar klang entsetzt.
„Bewegtmaterial, Thomas! Unser Chef vom Dienst – du kennst Zenzi ja – ist ein kleines bisschen außer sich vor Begeisterung und spricht schon vom modernen Ötzi.“
„Da kann er sich mit dem Doc zusammentun. Der führt sich auch auf, als fielen Weihnachten und Ostern auf einen Tag.“
„Die Bilder sind schon bemerkenswert, insofern kann ich das sogar verstehen. Weißt du etwas über die Todesursache?“
„Es gab keine erkennbaren äußeren Verletzungen. Aber das heißt natürlich nicht viel, wenn der Mann komplett gefroren ist. Aber damit ist es auch genug. Für mehr Informationen werdet ihr doch auf die beliebte Pressemitteilung warten müssen. Außerdem weiß ich auch noch nicht wirklich mehr.“
„Also gut. Ich werde aber gelegentlich nachfragen, ob es etwas Neues gibt.“
„Das werde ich vermutlich nicht verhindern können“, klagte er. „Hast du mal wieder etwas von unserem abgetauchten Freund gehört?“
„Wir haben vor zwei oder drei Wochen telefoniert. Aber er hat sich nur erkundigt, was ich so gemacht habe. Da war ich gerade wieder zurück bei “KM“.“
Isa war im zweiten Jahr ihres Volontariats und hatte eine längere Zeit hinter sich, während der sie verschiedene andere Redaktionen kennengelernt hatte. Für die letzten drei Monate würde sie wieder für das Kriminalmagazin arbeiten. Da alle mit ihr sehr zufrieden waren, durfte sie damit rechnen, als Jungredakteurin übernommen zu werden. Peter Benedikt, der Chefredakteur, hatte so etwas schon mal angedeutet und sich nach ihren Plänen erkundigt. Sie hatte sofort eingewilligt, bei “KM“ zu bleiben. Die Arbeit machte ihr Spaß und die Kollegen – bis auf Zenzi, den CvD, der eine Ausnahme darstellte – waren nett. Außerdem hoffte sie auch, dass Mike nach seiner Auszeit zurückkehren würde.
„Bei mir meldet er sich so gut wie nie“, beschwerte sich Bombach. „Nicht dass ich seine beruflichen Anrufe vermissen würde. Dass die fehlen, ist ein Segen!“
„Ich glaube dir kein Wort“, lachte Isa. „In Wirklichkeit hast du immer gern mit ihm zusammengearbeitet. Und ihr wart ja auch ein prima Team!“
„Unfug“, grollte der Kommissar, klang aber direkt danach viel weicher. „Grüß ihn herzlich, wenn er sich wieder meldet. Ich hoffe, dass alles in Ordnung ist bei ihm.“
„Mach’ ich! Bis bald!“
* * *
Die Dämmerung brach herein und die bei Tageslicht sonst so lebhaften Farben der Provence verloren zunehmend ihre Strahlkraft. Die Luft war aber weiterhin sehr warm und würzige Gerüche nach Kräutern und Pinien machten jeden Atemzug zu einem Fest. Das kleine Gebäude aus Natursteinen wirkte wie aus einem Märchen entlehnt. Kein Betrachter hätte sich gewundert, wenn eine gebückt gehende Hexe mit spitzem Hut und einem Raben auf der Schulter auf dem klapprigen Stuhl unter der alten Korkeiche gesessen hätte. Es war aber keine Frau, sondern ein groß gewachsener Mann in mittleren Jahren. Den frühsommerlichen Temperaturen entsprechend trug er eine abgeschnittene Jeans, ein Polohemd und landestypische Stoffschuhe, die Espadrilles, deren ursprüngliche Farbe nicht mehr eindeutig zu erkennen war. Vor ihm befand sich ein sehr einfacher, selbst gezimmerter Tisch, darauf ein Weinkühler und ein Glas Rosé.
Der Mann hatte die Augen geschlossen und lauschte dem Konzert der Natur, das ihm immer noch aufregend neu vorkam, obwohl er sich schon weit über ein halbes Jahr hier aufhielt. Irgendwelche Geräusche, die auf die Anwesenheit anderer Menschen rückschließen ließen, gab es nicht zu hören.
Das Gebäude befand sich auf einem Bergrücken im Departement Var in Südfrankreich. Bis zum Mittelmeer waren es nur knapp drei Kilometer, aber trotzdem war hier vom touristischen Trubel absolut nichts zu bemerken. Praktisch nie gelangte ein anderer Mensch unbeabsichtigt hierher, obwohl die nächste Landstraße gerade mal 500 Meter entfernt verlief. Aber der unbefestigte Zugang – von einem Weg zu reden, wäre schon übertrieben gewesen – lud keinesfalls zur Nutzung ein. Er schlängelte sich, immer schmaler werdend, über viele Steine und Wurzeln bis zu der kleinen Lichtung, auf der das Häuschen stand, nur um dort irgendwie erschöpft zu enden. Der alte Pajero, der am Rande der Lichtung geparkt war, schaffte den Aufstieg so eben unter Aufbietung aller seiner Kräfte. Die ehemals blaue Farbe war durch Sonneneinstrahlung und Staub zu einem undefinierbaren Sandton verblasst.
Michael Staller öffnete die Augen und nahm einen Schluck von seinem Getränk, das in dieser Region quasi zu den Grundnahrungsmitteln gehörte. Dann lehnte er sich zufrieden zurück und ließ den Blick umherschweifen. Das Refugium, das er seit sechs Monaten dauerhaft bewohnte, erfüllte sein Herz mit Wärme. Zwar entbehrte es vieler Dinge des alltäglichen Komforts, an die die meisten Menschen sich gern gewöhnt hatten, aber der Charme des Ursprünglichen hatte ihn gefangen. Es war wie ein therapeutisches Konzept gewesen, aus dem halb verfallenen Gemäuer ein Heim zu machen, welches ihm zumindest Schutz vor der Witterung und eine angemessene Versorgung der Grundbedürfnisse bot. Denn die Provence bestand nicht nur aus einer endlosen Reihe von stets warmen Sommertagen. Der Regen konnte herabstürzen wie eine gläserne Wand, der Mistral zerrte gleichermaßen an Nerven und Gebäuden und im Winter war sogar in Ausnahmefällen Schnee möglich. All dies war nicht die Regel, aber man musste es einkalkulieren. Bis auf den Schnee hatte er diese unbekanntere meteorologische Seite der Region auch schon erfahren.
Er stand auf und holte ein Windlicht, welches auf einem Fenstersims des Hauses stand. Nach dem Anzünden schob er den Glaszylinder wieder fest in die haltgebenden Nuten. So viel hatte er schon über die Gegend gelernt, dass jeder Umgang mit Feuer äußerst vorsichtig vonstattengehen musste. Regelmäßig Jahr für Jahr brannten die Wälder der Umgebung und nicht immer handelte es sich um Brandstiftung. Die staubtrockene Vegetation reagierte im Sommer wie Zunder. Zu seiner großen Überraschung schaffte es die Natur allerdings regelmäßig, sich in erstaunlich kurzer Zeit zu regenerieren. Auch die Korkeiche, unter der er gerade saß, hatte in ihrem mehrere hundert Jahre langen Leben schon manches Feuer überlebt.
Staller schenkte sich ein weiteres halbes Glas Wein ein und beobachtete, wie das letzte Tageslicht am Himmel langsam von den Sternen abgelöst wurde. Es war eine wunderbare Zeit, um einfach hier zu sitzen und die Gedanken ungehindert schweifen zu lassen. Dieser Ort hatte eine heilsame Wirkung, weil er alle äußeren Einflüsse neben der Natur ausblendete und den Menschen, der sich hier aufhalten wollte, zu innerer Einkehr und Kontemplation mahnte. In den Bergen von Roquebrune fühlte man sich nicht wie die Krone der Schöpfung, sondern wie ein ganz unwichtiges Rädchen in einer riesigen und sehr komplizierten Maschinerie. Somit wurde die Verhältnismäßigkeit nach Meinung des Reporters angemessen zurechtgerückt. Sein altes Leben mit zwei Livesendungen pro Woche, Kriminalfällen aller Art und Arbeitstagen, die oft 12 Stunden und länger währten, schien ihm eine Ewigkeit zurückzuliegen. Dabei waren es erst etwas über 8 Monate, seit er Hamburg mit 12 Kilo Gepäck auf seinem Fahrrad verlassen hatte. Mit der Gelassenheit des Mannes, der alle Zeit der Welt sein Eigen nannte, gestattete er seinen Gedanken zurückzureisen.
Sein Aufbruch war eilig, ja geradezu überstürzt erfolgt. Aber instinktiv hatte er gewusst, dass es nur sofort oder gar nicht funktionieren würde. Also hatte er seinen Schreibtisch ausgeräumt, sich in der Redaktion verabschiedet und zu Hause sofort mit dem Packen begonnen. Im Grunde gab es nur drei Dinge, die er noch erledigen musste. Zwei davon handelte er am Telefon ab. Sein Freund Bommel erklärte ihn für verrückt, wünschte ihm jedoch alles Gute. Das Gespräch mit Sonja, seiner Kollegin, Moderatorin von “KM“ und bester Freundin oder gar mehr, war ein etwas dickeres Brett, aber da sie ihn schon jahrelang kannte, zeigte sie Verständnis.
Mit Kati, seiner Tochter, verabredete er sich für den Abend bei Mario. Bei einem in jeder Beziehung bemerkenswerten Essen erklärte er ihr in totaler Offenheit, was er vorhatte und warum. Er verschwieg auch nicht den seltsamen Traum, in dem ihm Chrissie, ihre Mutter, erschienen war.
„Und wie lange wirst du weg sein?“, fragte sie schließlich.
Er zuckte die Schultern.
„Ich habe keine Ahnung. Wenn ich am Tag 100 Kilometer fahre, sollte ich in drei bis vier Wochen an der Küste sein. Aber das ist reine Theorie. Ich habe nicht vor, eine Route oder einen Zeitplan einzuhalten.“
„Woher weißt du, wann du dein Ziel erreicht hast?“
„Ich denke, dass ich es einfach spüren werde. Vermutlich bin ich Weihnachten zurück. Aber genau weiß ich es nicht.“
„Es wäre das erste Weihnachten ohne dich“, überlegte sie.
Er nahm seine Tochter in den Arm und drückte sie fest.
„Bis dahin sind es noch über zwei Monate. Und du kannst mich jederzeit erreichen, das weißt du ja.“
Es gab noch Tränen an diesem Abend, aber es waren Tränen der Rührung. Im Moment der Trennung wurde beiden klar, wie sehr sie aneinander hingen und wie dankbar sie waren, dass sie unter weiß Gott schwierigen Bedingungen – alleinerziehender Vater musste präpubertärer Tochter die Mutter ersetzen – ein so ausgezeichnetes Verhältnis bewahrt hatten. Staller hatte schon losgelassen, als Kati erst mit ihrer Freundin Isa und dann mit Sonja zusammengewohnt hatte, und nun musste die Tochter auch ihren Vater gehen lassen.
„Ich wünsche dir ganz doll, dass diese Auszeit dir die Einsicht bringt, die du dir wünschst“, schniefte sie schließlich zum Abschied. „Ich kümmere mich hier um alles, mach dir keine Sorgen. Und pass auf dich auf!“
„Du hörst dich an wie ich früher“, grinste er und wischte sich verstohlen den Augenwinkel. Dann drückte er sie ein letztes Mal und sah zu, wie sie das Restaurant verließ.
„Isse große Abschied?“, fragte Mario diskret, der die Szene beobachtet hatte.
„Ja, mein Freund. Ich gehe auf eine lange Reise. Auch wir werden uns eine Zeit nicht sehen. Du wirst mir fehlen – und dein Essen vermutlich auch.“
Das war natürlich Auslöser für eine echt sizilianische Verabschiedung. Unzählige Umarmungen, herzliche Wünsche, drei “allerletzte“ Grappa und eine aus dem Keller hervorgezauberte Flasche Rotwein “fur eine besondere Momento“ folgten. Aber schließlich stand der Reporter doch auf der Straße und trat den kurzen Heimweg an.
Am nächsten Morgen schien die Sonne warm vom blauen Himmel, was Staller als ein gutes Omen für den Beginn seiner Reise betrachtete. Marios Flasche hatte er mit einem Zettel versehen auf dem Küchentisch für Kati hinterlassen. Als er sich in den Sattel seines Rades schwang, verspürte er kein Bedürfnis zurückzuschauen. Stattdessen rückte er seine Sonnenbrille zurecht und trat in die Pedale. Wo seine erste Etappe enden würde, wusste er noch nicht. Aber es war ein gutes Gefühl, sich auf den Weg zu machen.
Staller sog die würzige Nachtluft tief in seine Lungen und lächelte vor sich hin. Wenn er jetzt an den Beginn seiner Reise dachte, dann hatte sich in der Zwischenzeit unglaublich viel entwickelt. In erster Linie glaubte er, dass er angekommen war. Die ursprünglich von ihm geplante Radtour hatte überraschend zu einem Ziel geführt, statt zurück in die alte Heimat. Das war so nicht vorherzusehen gewesen, aber es fühlte sich trotzdem richtig an. Am Tag, als er mit seinem Rad Roquebrune erreicht hatte, war ein beständiger Regen gefallen und es war dazu ziemlich kalt. Die Fahrt durch das hügelige Hinterland war anstrengend gewesen und er war erschöpft und hungrig. Trotzdem machte er sich die Mühe, zunächst das Dorf einmal kreuz und quer zu erkunden. Selbst hier im Hinterland gab es Unterschiede zwischen touristischen Ecken und solchen, wo die Einheimischen verkehrten. Letztere bevorzugte er. Bald hatte er auch ein kleines Restaurant gefunden. Laut Werbeschild handelte es sich zwar um eine Crêperie, aber er wusste, dass solche Bezeichnungen nicht zwingend zutreffend sein mussten. Ein klares Argument für das Lokal waren zwei Kleintransporter von örtlichen Handwerkern und etliche Gäste, die eindeutig keine Reisenden waren.
Erwartungsgemäß hatten sich alle Augen auf ihn gerichtet, als er das Innere des Ladens betrat und sich zunächst den Regen vom Gesicht wischte.
Seine Radschuhe klackten vernehmlich auf dem Steinboden und jeder Anwesende musterte den Neuankömmling unverhohlen. Radreisende im Sommer, auch in Frühling und Herbst waren nicht selten, aber jetzt ging es auf Mitte Dezember zu und wer jetzt noch mit dem Rad unterwegs war, war entweder obdachlos oder ein Idiot.
Der Reporter stellte sich an den Tresen und bat um einen Pastis. Natürlich in einwandfreiem Französisch, denn diese Sprache beherrschte er sehr gut. Die Frau hinter der Theke nickte zustimmend und servierte zügig das gewünschte Getränk. Dabei musterte sie den Fremden etwas länger als nötig. Aber große, gutaussehende Männer waren hier selten und wenn sie dann noch so freundlich lächelten …
„Könnte ich auch etwas zu essen bekommen?“
„Bien sûr, was möchten Sie denn?“
Sie beugte sich ein wenig nach vorne, was ihr Dekolleté vorteilhaft zur Geltung brachte und mit purer Absicht geschah. Sie war knapp vierzig Jahre alt, hatte dunkle, lockige Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren und eine Figur, die entweder auf regelmäßigen Sport oder permanente körperliche Arbeit schließen ließ.
„Was empfehlen Sie mir?“
„Wie wäre es mit Lammeintopf mit Gemüse?“
„Das klingt großartig. Dazu nehme ich einen petit rosé. Darf ich mich dort hinsetzen?“ Er deutete auf einen freien Tisch in der Nähe der Tür, die vermutlich zur Küche führte.
„Naturellement! Ich bringe gleich den Wein!“
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und machte sich dann am Kühlschrank zu schaffen. Staller, an dem die übrigen Gäste mittlerweile das Interesse ein wenig verloren hatten, ergriff sein Glas mit dem Pastis und steuerte den Tisch an, von dem aus er den Raum gut überblicken konnte. Nach nicht einmal einer Minute erschien die Wirtin mit dem Wein und einem in eine Papierserviette gewickelten Besteck.
„Sie sind nicht von hier, oder?“, fragte sie interessiert.
„Nein. Heute komme ich aus Sainte-Croix-du-Verdon.“
„Und das bei dem Wetter? Sie müssen ja völlig durchgefroren sein!“
„Es gab schon wärmere Tage“, räumte der Reporter ein.
„Wollen Sie denn noch weit fahren?“
Er sah aus dem Fenster und neigte überlegend den Kopf.
„Nein, eigentlich nicht. Es wird ja schon dunkel. Vielleicht sollte ich mir lieber ein Hotel suchen. Normalerweise übernachte ich im Wald oder auf einem Campingplatz, aber ich fürchte, dass meine Sachen ziemlich durchweicht sind.“