Sterntagebücher - Stanisław Lem - E-Book + Hörbuch

Sterntagebücher Hörbuch

Stanislaw Lem

5,0

Beschreibung

Stanisław Lem lässt seinen vielleicht sympathischsten Helden, den schlitzohrigen Raumfahrer Ijon Tichy, im Laufe seines Lebens unzählige Reisen zu anderen Welten erleben, von denen die besten in diesem Band versammelt sind. Tichy begegnet dabei gottesfürchtigen Robotern, trifft sich selbst in der Vergangenheit oder muss auch einfach mal eine intelligente, aber widerspenstige Waschmaschine dazu überreden, weiter ihren Dienst zu tun. Leserinnen und Leser tauchen mit ihm in einen Kosmos ein, der so überraschend, witzig, traurig und spannend – kurz: so überwältigend – ist wie sein Erfinder.

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Zeit:3 Std. 3 min

Sprecher:Michael Schwarzmaier
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Mit dem Erzählzyklus über die Erlebnisse des Weltraumfahrers Ijon Tichy, eines kosmischen Münchhausens der künftigen Jahrhunderte, ist Stanisław Lem ein literarisch großer Wurf geglückt. Paradox, einfallsreich, sprühend vor Ideen, hat Lem konventionelle Methoden von Satire und Allegorie übernommen und sie parodistisch gegen die Science-fiction gekehrt. Lem schickt den Leser tief in die Zukunft, treibt dort ein höhnisch-launisches, scharfsinnig erfinderisches Spiel und holt ihn dann wieder belehrt auf die Erde zurück.

Tichy, nie verlegen, besucht die kuriosesten Staatswesen der Galaxis, geht auf Kulupenjagd, korrigiert die Vergangenheit, besteht den Kampf mit räuberischen Riesenkartoffeln und den noch schwereren mit sich selbst, erschafft zeitreisend durch verrückte Experimente Marskanäle und erzählt herzerfrischend wahnwitziges Zeug über die eigene Abkunft. Ins Spiel der freien Phantasie mischen sich jedoch ernste philosophische Spekulationen und politische Anspielung.

Stanisław Lem wurde am 12. September 1921 im polnischen Lwów (Lemberg) geboren, lebte zuletzt in Krakau, wo er am 27. März 2006 starb. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er als Übersetzer und freier Schriftsteller. Er wandte sich früh dem Genre Science-fiction zu, verfaßte aber auch gewichtige theoretische Abhandlungen und Essays zur Kybernetik, Literaturtheorie und Futurologie. Stanisław Lem zählt zu den bekanntesten und meistübersetzten Autoren Polens. Viele seiner Werke wurden verfilmt.

Stanisław Lem

Sterntagebücher

Aus dem Polnischen von Caesar Rymarowicz

Mit Zeichnungen des Autors

Suhrkamp

Titel der Originalausgabe:

Dzienniki Gwiazdowe,

erschienen bei Czytelnik, Warszawa 1971

© Stanisław Lem 1971

Das erstmals 1978 erschienene suhrkamp taschenbuch Sterntagebücher ist um zwei Texte erweitert: »Professor A. Donda«, übersetzt von Klaus Staemmler, © Stanisław Lem 1978, und »Vom Nutzen des Drachen«, übersetzt von Hanna Rottensteiner, © Stanisław Lem 1983

Umschlagfoto: Photo Researchers / Agentur Focus

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

© der deutschen Ausgabe

Insel Verlag Frankfurt am Main 1973, 1988

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski

eISBN 978-3-518-74336-2

www.suhrkamp.de

Inhalt

Vorwort

Vorwort zur erweiterten Ausgabe

Aus den Sterntagebüchern Ijon Tichys

Siebente Reise

Achte Reise

Elfte Reise

Zwölfte Reise

Dreizehnte Reise

Vierzehnte Reise

Achtzehnte Reise

Zwanzigste Reise

Einundzwanzigste Reise

Zweiundzwanzigste Reise

Dreiundzwanzigste Reise

Vierundzwanzigste Reise

Fünfundzwanzigste Reise

Achtundzwanzigste Reise

Aus den Erinnerungen Ijon Tichys

I

II

III

IV

V (Die Waschmaschinen-Tragödie)

Professor A. Donda

Die Anstalt des Doktor Vliperdius

Doktor Diagoras

Retten wir den Kosmos (Offener Brief Ijon Tichys)

Vom Nutzen des Drachen

Übersetzervermerke

Vorwort

Die vorliegende Ausgabe der Schriften Ijon Tichys, die weder vollständig noch kritisch ist, stellt im Vergleich zu den vorangegangenen einen Fortschritt dar. Es ist gelungen, sie um Texte zweier bisher unbekannter Reisen, der achten und der achtundzwanzigsten1, zu erweitern. Die letztere trägt zur Biographie Tichys und seiner Familie neue Einzelheiten bei, die außer den Historiker auch den Physiker interessieren werden, da sich aus ihnen die von mir längst geahnte Abhängigkeit des Verwandtschaftsgrades von der Geschwindigkeit ergibt.2

Was die achte Reise anbelangt, so hat eine Gruppe von Psychoanalytikern, dieser Ausgabe sämtliche Fakten aus Ijon Tichys Traum überprüft.3 Der interessierte Leser wird in der Arbeit Dr. Hopfstoßers eine vergleichende Bibliographie des Gegenstandes finden, die den Einfluß der Träume anderer berühmter Menschen wie Isaak Newtons oder der Borgias auf Tichys Träume und umgekehrt nachweisen.

Der vorliegende Band enthält jedoch nicht die sechsundzwanzigste Reise, die sich letztlich als apokryph erwiesen hat. Den Nachweis hierfür erbrachte eine Gruppe von Mitarbeitern unseres Instituts mit Hilfe einer vergleichenden Elektronenanalyse der Texte.4 Es ist vielleicht nicht verfehlt, hinzuzufügen, daß ich persönlich die sogenannte »Sechsundzwanzigste Reise« schon seit langem für ein Apokryph gehalten habe – so im Hinblick auf die im Text auftretenden Ungenauigkeiten, die u. a. die Wackerleider betreffen (und nicht »Wackerkleider« – wie es im Text heißt), ebenso die Meopsera, die Mucken und die Gattung der Schlurfe (Phlegmus Invariabilis Hopfstosseri).

Der erste Teil der vorliegenden Ausgabe umfaßt mehrere Reisen entsprechend der originellen Numerierung des Autors, der zweite hingegen Gelegenheitsschriften, Verschiedenes und Erinnerungen.

In der letzten Zeit wurden Stimmen laut, die die Urheberschaft der Schriften Tichys in Zweifel ziehen. Die Presse berichtete, Tichy habe sich jemandes Hilfe bedient, ja er habe nicht einmal existiert und seine Werke soll eine Einrichtung geschaffen haben, ein sogenannter »Lem«. Gewissen extremen Versionen zufolge soll »Lem« sogar ein Mensch sein. Nun weiß aber jeder, der sich auch nur ein wenig mit der Geschichte der Kosmonautik befaßt hat, daß LEM die Abkürzung für die Bezeichnung LUNAR EXCURSION MODULE ist, das heißt für den forschenden Mondbehälter, der in den USA im Rahmen des »Apollo-Projekts« (der ersten Landung auf dem Mond) gebaut wurde. Ijon Tichy braucht weder als Autor noch als Reisender einen Fürsprecher. Die Gelegenheit nutzend, möchte ich jedoch die unsinnigen Gerüchte festnageln. Insbesondere: LEM war zwar mit einem kleinen Hirn (Elektronenhirn) versehen, doch diente dieses Gerät lediglich begrenzten Navigationszwecken und hätte nicht einen einzigen sinnvollen Satz schreiben können. Von einem anderen LEM ist mir nichts bekannt. Ihn erwähnen weder die Kataloge großer Elektronenmaschinen (vgl. z. B. Nortronics, New York, 1966-69) noch die Große Kosmische Enzyklopädie (London 1979). Es ist deshalb an der Zeit, die Tätigkeit der Tichologen, denen die seit Jahren in Arbeit befindlichen OPERA OMNIA Ijon Tichys noch viel Mühe abverlangen werden, nicht durch solche Gerüchte zu stören, die mit dem Ernst ihrer Aufgaben nicht in Einklang zu bringen sind.

Professor A. S. Tarantoga

Lehrstuhl für vergleichende Astrozoologie der Universität zu Fomalhaut im Namen des Redaktionskomitees für die Herausgabe der Gesammelten Werke Ijon Tichys sowie des Wissenschaftlichen Rates des Tichologischen Instituts und des Redaktionskollegiums der Vierteljahresschrift »Tichiana«.

Vorwortzur erweiterten Ausgabe

Gerührt und voller Freude machen wir die neue Ausgabe der Schriften dem Leser zugänglich, denn sie bringt außer den Texten der drei bisher unbekannten Reisen (der achtzehnten, der zwanzigsten und der einundzwanzigsten) nicht nur wertvolle Zeichnungen von der Hand des Autors, sondern auch die Aufklärung gewisser Rätsel, die bisher selbst von den Experten der Tichologie nicht gelöst werden konnten.

Was die Stiche betrifft, so wollte der Autor lange nicht damit herausrücken; er behauptete, daß er die von den Sternen und Planeten stammenden Objekte in flagranti oder inmitten seiner häuslichen Sammlung lediglich für sich gezeichnet habe und daß sie weder einen künstlerischen noch dokumentarischen Wert besäßen, weil er sich dabei sehr beeilt habe. Doch selbst wenn es sich nur um Kritzeleien handeln sollte, womit übrigens nicht alle Kenner einverstanden sind, ist ihr Wert als Anschauungsmaterial für die Lektüre der bisweilen schwierigen und dunklen Texte unbestritten. Dies ist der erste Anlaß zur Genugtuung, die unsere Arbeitsgruppe erfüllt.

Zum zweiten bringen die Texte der neuen Reisen eine keineswegs geringe Besänftigung für den Geist, der nach endgültigen Antworten auf die älteste aller Fragen lechzt, die der Mensch sich und der Welt stellt: Sie teilen nämlich mit, wer den Kosmos, die Naturgeschichte, die allgemeine Geschichte, den Verstand, das Sein und andere nicht weniger wichtige Dinge eigentlich erzeugt hat und warum er das tat. Und ist es etwa keine angenehme Überraschung zu erfahren, daß unser vortrefflicher Autor an diesen Schöpfungsarbeiten keinen geringen, ja manchmal geradezu einen entscheidenden Anteil hatte? Somit ist auch die Bescheidenheit verständlich, mit der er die Schublade verteidigte, die diese Handschriften barg, und nicht weniger begreiflich ist die Genugtuung jener, die schließlich Tichys Widerstand zu brechen vermochten. Bei dieser Gelegenheit wird obendrein die Ursache klar, warum es in der Numerierung der Sternreisen gewisse Lücken gibt. Erst nach dem Studium dieser Ausgabe wird der Leser begreifen, weshalb es nicht nur niemals eine erste Reise I. Tichys gegeben hat, sondern auch warum es sie nicht geben konnte, und wenn der Leser auf diese Weise seine Aufmerksamkeit geschärft hat, wird er verstehen, daß die Reise, die als die einundzwanzigste bezeichnet wird, gleichzeitig auch die neunzehnte ist. Zwar wird ihm die Orientierung nicht leichtfallen, denn der Autor hat die letzten siebzig Zeilen der Handschrift in diesem Dokument gestrichen. Weshalb? Wiederum durch seine unsagbare Bescheidenheit. Ich darf das Siegel des Schweigens, das mir auferlegt wurde, nicht brechen, aber man hat mir wenigstens gestattet, einen kleinen Rand des Schleiers zu lüften. I. Tichy hat, als er sah, wozu die Versuche der Ausbesserung der Vorgeschichte und der Geschichte führen, in seiner Stellung als Direktor des Temporalen Instituts etwas getan, was schließlich bewirkt hat, daß es nicht zur Entdeckung der Theorie der Zeitvehikel und des Transports in der Zeit gekommen ist. Da auf sein Betreiben hin diese Entdeckung wieder »zugedeckt« wurde, sind das Programm der Telechronischen Ausbesserung der Geschichte, das Temporale Institut und leider auch I. Tichy selbst als sein Direktor verschwunden. Der Schmerz, den dieser Verlust verursacht, wird teilweise durch den Umstand gemildert, daß wir wenigstens keine unangenehmen Überraschungen von seiten der Vergangenheit zu befürchten haben, andererseits aber auch durch die verblüffende Tatsache, daß der tragisch Verstorbene weiterhin lebt, obwohl er keinesfalls auferstanden ist. Da wir einräumen müssen, daß die Einzelheit ziemlich eigenartig ist, verweisen wir den Leser zur Aufklärung auf die einschlägigen Stellen, das heißt auf die zwanzigste und die einundzwanzigste Reise. Indem ich schließe, möchte ich die Entstehung einer besonderen futurologischen Zelle in unserer Vereinigung ankündigen, die im Einklang mit dem Geist der Zeit und in Anlehnung an die Methode der sogenannten Selbstrealisierung der Prognosen auch die Sternreisen I. Tichys bearbeiten wird, die er nicht unternommen hat und auch nicht zu unternehmen beabsichtigt.

Prof. A. S. Tarantoga

für die Vereinigten Institute der Tichologie, der Tichographie und der beschreibenden, vergleichenden und prognostischen Tichonomik.

Aus den SterntagebüchernIjon Tichys

Siebente Reise

Als ich am Montag, dem zweiten April, in der Nähe der Betelgeuze vorüberflog, durchschlug ein Meteor, kaum größer als eine Bohne, die Panzerung und zertrümmerte den Hubregulator und einen Teil der Steuerung, wodurch die Rakete ihre Manövrierfähigkeit einbüßte. Ich zog den Raumanzug an, stieg auf die Oberfläche der Rakete und versuchte, die Vorrichtung zu reparieren, aber ich erkannte bald, daß ich die Hilfe eines zweiten Menschen benötigte, um die Reservesteuerung festzuschrauben, die ich umsichtigerweise mitführte. Die Konstrukteure hatten das Raumschiff so unsinnig projektiert, daß jemand mit dem Schlüssel den Schraubenkopf festhalten mußte, während ein anderer die Schraubenmutter anzog. Zunächst nahm ich mir das nicht sonderlich zu Herzen und verbrachte ein paar Stunden damit, den einen Schlüssel mit den Füßen festzuhalten, während ich am anderen Ende die Mutter mit der Hand anzuziehen versuchte. Jedoch die Mittagszeit verstrich, und meine Mühen erbrachten kein Ergebnis. Einmal wäre es mir fast gelungen, doch da sprang der Schlüssel unter meinem Fuß weg und segelte in den Weltraum davon. So hatte ich denn nicht nur nichts ausgebessert, sondern obendrein noch ein wertvolles Werkzeug verloren und mußte tatenlos zusehen, wie es sich entfernte und vor dem Hintergund der Sterne immer kleiner wurde.

Nach einiger Zeit kehrte der Schlüssel in einer gedehnten Ellipse zurück, aber er kam, obwohl er ein Trabant des Raumschiffs geworden war, nicht so nah heran, daß ich ihn greifen konnte. Ich ging also in das Innere der Rakete zurück, nahm einen bescheidenen Imbiß ein und überlegte dabei, wie ich aus dieser dummen Situation herauskommen könnte. Das Raumschiff flog unterdessen mit immer größerer Geschwindigkeit geradeaus weiter, denn der verdammte Meteor hatte mir auch den Hubregulator zerstört. Auf meinem Kurs lagen zwar keine himmlischen Körper, aber diese blinde Fahrt durfte schließlich nicht unendlich dauern. Eine Zeitlang konnte ich meinen Ärger bezähmen, aber als ich nach dem Mittagessen daranging, das Geschirr abzuwaschen, stellte ich fest, daß die von der enormen Arbeit erhitzte Atomsäule mir die beste Portion Rindsfilet verdorben hatte, und ich verlor für eine Weile mein seelisches Gleichgewicht; ich stieß die fürchterlichsten Flüche aus und zerschlug einen Teil des Geschirrs, was mir zwar eine gewisse Erleichterung verschaffte, jedoch nicht sehr sinnvoll war. Obendrein verblieb das über Bord geworfene Rindfleisch, statt in die Ferne zu fliegen, in der Nähe der Rakete und kreiste um sie herum wie ein zweiter künstlicher Satellit, wobei es regelmäßig alle elf Minuten und vier Sekunden eine kurze Sonnenfinsternis bewirkte. Um meine Nerven zu beruhigen, berechnete ich bis zum Abend die Elemente seiner Bewegung sowie die Störungen der Umlaufbahn, die durch das Kreisen des Schlüssels entstehen würden. Ich gelangte zu dem Ergebnis, daß in den nächsten sechs Millionen Jahren das Rindfleisch dem Schlüssel auf einer Kreisbahn um das Raumschiff vorauseilen würde, um ihn dann zu überholen. Schließlich legte ich mich, müde von der langen Rechnerei, schlafen. Mitten in der Nacht hatte ich das Gefühl, daß mich jemand an den Schultern rüttelte. Ich schlug die Augen auf und erblickte einen über das Bett gebeugten Menschen, dessen Gesicht mir seltsam bekannt vorkam, ohne daß ich hätte sagen können, wer das war.

»Steh auf«, sagte er, »und nimm die Schlüssel, wir gehen nach oben und drehen die Steuerschrauben fest ...«

»Erstens kennen Sie mich nicht gut genug, um mich zu duzen, und zweitens weiß ich genau, daß es Sie nicht gibt. Ich bin allein in der Rakete, und das schon das zweite Jahr, denn ich fliege von der Erde zum Sternbild des Kalbes. Somit sind Sie nur eine Traumvision.«

Er indes schüttelte mich weiter und wiederholte, ich solle ihm sofort zu den Geräten folgen.

»Unfug«, erwiderte ich, nunmehr schon etwas böse, denn ich befürchtete, die Auseinandersetzung im Traum könnte mich wecken, und ich weiß aus Erfahrung, wie schwer es ist, nach einem plötzlichen Erwachen wieder einzuschlafen. »Nirgends gehe ich mit, das wäre ja sowieso umsonst. Eine Schraube, die im Traum festgedreht wird, kann an der wirklichen Lage nichts ändern. Bitte belästigen Sie mich nicht und zerfließen Sie auf der Stelle oder begeben Sie sich auf andere Weise hinweg, sonst wache ich tatsächlich noch auf.«

»Aber du schläfst ja gar nicht, Ehrenwort!« rief die hartnäckige Erscheinung. »Erkennst du mich denn nicht? Schau her.«

Während er sprach, berührte er mit den Fingern zwei Warzen, groß wie Walderdbeeren, die er auf der linken Wange hatte. Instinktiv faßte auch ich mich an die Wange, weil ich an derselben Stelle zwei völlig gleiche Warzen habe. In diesem Augenblick begriff ich auch, weshalb mich die Traumerscheinung an einen Bekannten erinnerte: Sie glich mir aufs Haar.

»Laß mich zufrieden!« rief ich und schloß die Augen, besorgt um meinen Schlaf. »Wenn du ich bist, brauche ich dich zwar nicht zu siezen, aber das ist noch lange kein Beweis, daß du nicht existierst!«

Woraufhin ich mich auf die andere Seite drehte und mir die Decke über den Kopf zog. Ich hörte noch, wie er etwas von Idiotie sagte und schließlich, als ich nicht reagierte, ausrief: »Du wirst das noch bereuen, du Narr! Du wirst dich noch davon überzeugen, daß das kein Traum ist, aber dann wird es zu spät sein!«

Ich rührte keinen Finger. Als ich frühmorgens die Augen aufschlug, fiel mir gleich die eigenartige nächtliche Geschichte ein. Ich setzte mich im Bett auf und sann darüber nach, was für interessante Streiche einem doch der eigene Verstand mitunter spielt: Da keine verwandte Seele an Bord war, hatte ich mich in Anbetracht einer zwingenden Notwendigkeit im Traum verdoppelt, nur um dem Bedürfnis Genüge zu tun.

Nach dem Frühstück stellte ich fest, daß das Raumschiff über Nacht zusätzliche Beschleunigung erlangt hatte, und ging daran, in den Nachschlagewerken der kleinen Bordbibliothek einen Ausweg aus meiner fatalen Situation zu suchen. Ich fand jedoch nichts. So breitete ich die Sternkarte auf dem Tisch aus und suchte im Schein der nahen Betelgeuze, die in gewissen Abständen von dem kreisenden Rindfleisch verdeckt wurde, in der Gegend, in der ich mich befand, nach einer kosmischen Zivilisation, von der ich Hilfe gewärtigen könnte. Aber die Gegend war eine komplette Sternwüste, die wegen ihrer Gefährlichkeit von allen Raumschiffen gemieden wurde, weil sich dort die geheimnisvollen Gravitationsstrudel befinden – hundertsiebenundvierzig an der Zahl –, deren Existenz durch sechs astrophysikalische Theorien erklärt wird, und von jeder anders. Der Kosmonautenkalender warnte vor ihnen wegen der unberechenbaren Folgen der relativistischen Effekte, die ein Durchgang durch solch einen Strudel haben kann – zumal bei großer Eigengeschwindigkeit.

Ich war ratlos. Ich berechnete nur, daß ich etwa um elf den Rand des ersten Strudels streifen würde, also beeilte ich mich mit den Frühstücksvorbereitungen, um nicht nüchtern der Gefahr die Stirn bieten zu müssen. Kaum hatte ich die letzte Untertasse abgetrocknet, begann das Raumschiff nach allen Seiten zu schlingern, so daß die ungenügend befestigten Gegenstände von Wand zu Wand polterten. Mit Müh und Not kroch ich zum Sessel. Als ich mich daran festgebunden hatte, bemerkte ich während der immer heftigeren Sprünge des Raumschiffs, daß eine Art blaßlila Nebel den gegenüberliegenden Teil der Rakete füllte und dort, zwischen Spülbecken und Küchenherd, eine nebelhafte Menschengestalt in einer Schürze stand, die Omelettenteig in die Bratpfanne goß. Die Gestalt sah mich prüfend an, ohne sich jedoch zu wundern, daraufhin löste sie sich auf und verschwand. Ich rieb mir die Augen. Ich war ganz offensichtlich allein, also schrieb ich jenes Bild einer zeitweiligen Geistestrübung zu.

Während ich noch im Sessel saß oder vielmehr mit ihm hüpfte, kam mir die blitzartige Erleuchtung, daß dies keineswegs eine Halluzination gewesen war. Als der dicke Band der Allgemeinen Relativitätstheorie an meinem Sessel vorübersegelte, versuchte ich ihn zu fassen, was mir schon beim vierten Mal gelang. Das Blättern in dem dicken Buch war unter diesen Umständen recht beschwerlich, denn gewaltige Kräfte schüttelten das Schiff, so daß es wie betrunken taumelte, aber schließlich fand ich den richtigen Absatz. Da war die Rede von der sogenannten Zeitschleife, das heißt von der Krümmung der Richtung, in der die Zeit im Bereich mächtiger Gravitationsfelder fließt. Diese Erscheinung könne sogar dazu führen, daß der Lauf der Zeit umgekehrt wird und eine sogenannte Verdoppelung der Gegenwart erfolgt. Der Strudel, den ich gerade durchquert hatte, gehörte nicht zu den mächtigsten. Ich wußte, gelänge es mir, die Schiffsspitze nur eine Winzigkeit mehr zum Pol der Galaxis zu richten, dann würde ich den sogenannten Vortex Gravitatiosus Pinckenbackii durchschneiden, in dem mehrfach Phänomene der Verdoppelung und sogar der Verdreifachung der Gegenwart beobachtet wurden.

Die Steuerung konnte ich zwar nicht betätigen, aber ich begab mich in die Motorenkammer und manipulierte so lange an den Vorrichtungen, bis ich tatsächlich eine leichte Kursänderung des Raumschiffs zum galaktischen Pol hin bewirkte. Diese Operation nahm mehrere Stunden in Anspruch. Das Ergebnis übertraf meine Erwartungen. Gegen Mitternacht geriet das Schiff in das Zentrum eines Strudels, es bebte und ächzte dermaßen in allen Spanten, daß ich schon befürchtete, es könnte zerbrechen, aber es kam heil aus der Bedrängnis heraus, und als die toten Arme der kosmischen Stille es erneut umfingen, verließ ich die Motorenkammer und erblickte mich selbst friedlich im Bett schlummernd. Ich begriff sofort, daß ich das war, und zwar vom Vortag, genauer: aus der Nacht zum Montag. Ohne mir über den philosophischen Aspekt dieser recht eigenartigen Erscheinung besondere Gedanken zu machen, begann ich sogleich, den Schlafenden an der Schulter zu zerren und zu rufen, er möge rasch aufstehen; ich wußte nämlich nicht, wie lange seine montägliche Existenz in meiner dienstäglichen fortdauern würde, weshalb es angezeigt war, möglichst schnell und gemeinsam die Steuerung auszubessern.

Der Schlafende jedoch machte nur ein Auge auf und sagte, daß er nicht wünsche, von mir geduzt zu werden, dann meinte er, ich sei nur sein Traumgespinst. Vergebens rüttelte ich ihn voller Ungeduld, vergebens versuchte ich, ihn mit Gewalt aus dem Bett zu zerren. Er ließ sich auf nichts ein und wiederholte hartnäckig, daß er mich träume; ich begann zu fluchen, doch er erklärte mir logisch, daß er nirgends hingehen werde, denn Schrauben, die man im Traum festziehe, würden die Steuerung in der Wirklichkeit sowieso nicht festhalten. Vergebens gab ich ihm mein Ehrenwort, daß er sich irre, beschwor und verfluchte ihn abwechselnd – selbst die demonstrierten Warzen vermochten nicht, ihn vom Wahrheitsgehalt meiner Worte zu überzeugen. Er drehte mir den Rücken zu und begann zu schnarchen.

Ich setzte mich in den Sessel, um die entstandene Lage kühl zu durchdenken. Ich hatte sie nun schon zweimal erlebt, einmal als jener Schlafende, am Montag, und jetzt als der ihn erfolglos Weckende, am Dienstag. Ich vom Montag glaubte nicht an die Realität der Doppelungserscheinung, jedoch ich vom Dienstag wußte von ihr. Das war die gewöhnlichste Zeitschleife von der Welt. Was sollte ich somit tun, um die Steuerung auszubessern? Da der vom Montag weiterschlief und ich mich außerdem erinnerte, daß ich jene Nacht ausgezeichnet bis zum Morgen durchgeschlafen hatte, begriff ich die Vergeblichkeit aller weiteren Versuche, ihn zu wecken. Die Karte kündigte noch eine Vielzahl solcher großen Gravitationsstrudel an, so konnte ich mit der Verdoppelung der Jetztzeit in den kommenden Tagen rechnen. Ich wollte mir einen Brief schreiben und ihn mit einer Stecknadel ans Kissen heften, damit ich vom Montag, wenn ich aufwachte, mich mit eigenen Augen davon überzeugen konnte, daß der angebliche Traum Wirklichkeit war.

Kaum hatte ich mich jedoch mit dem Federhalter an den Tisch gesetzt, da begann es in den Motoren zu knirschen und zu rasseln. Ich eilte also dorthin und begoß die überhitzte Atomsäule bis zum Morgengrauen mit Wasser, während jener Ich vom Montag gemütlich schlief und sich von Zeit zu Zeit die Lippen beleckte, was mich in ordentliche Wut versetzte. Hungrig und erschöpft, ohne ein Auge zugemacht zu haben, bereitete ich mir das Frühstück. Als ich gerade die Teller abtrocknete, geriet die Rakete in den nächsten Gravitationsstrudel. Ich sah den Ich vom Montag, wie er mich verdutzt ansah, an den Sessel gefesselt, während ich vom Dienstag die Omeletten buk. Dabei verlor ich durch eine Erschütterung das Gleichgewicht, mir wurde schwarz vor Augen, und ich fiel hin. Als ich auf dem Fußboden inmitten von Porzellansplittern zu mir kam, bemerkte ich dicht vor mir die Beine eines über mir stehenden Menschen.

»Steh auf«, sagte er und hob mich an, »hast du dir etwas getan?«

»Nein«, erwiderte ich, während ich mich mit den Händen aufstützte, weil mir schwindlig war. »Von welchem Wochentag bist du?«

»Vom Mittwoch«, antwortete er. »Gehen wir rasch die Steuerung ausbessern, schade um die Zeit!«

»Und wo ist der vom Montag?« fragte ich.

»Der ist nicht mehr, das heißt ... der bist offenbar jetzt du.«

»Wieso ich?«

»Na, weil der vom Montag in der Nacht vom Montag zum Dienstag der vom Dienstag geworden ist, und so weiter.«

»Verstehe ich nicht!«

»Macht nichts, du bist es nur nicht gewohnt. Aber komm, schade um die Zeit!«

»Gleich«, erwiderte ich, ohne mich vom Fußboden zu erheben. »Heute ist Dienstag. Wenn du vom Mittwoch bist und bis zu diesem Augenblick die Steuerung nicht repariert ist, so geht daraus hervor, daß uns etwas daran hindern wird, sie auszubessern, denn sonst würdest du mich am Mittwoch nicht dazu bewegen wollen, daß ich sie am Dienstag mit dir gemeinsam repariere. Vielleicht ist es also besser, wenn wir erst gar nicht hinausgehen.«

»Du phantasierst!« rief er. »Mann, ich bin vom Mittwoch, und du bist vom Dienstag, und was die Rakete anlangt, so nehme ich an, daß sie sozusagen gefleckt ist, das heißt, daß an einigen Stellen in ihr Dienstag ist, an anderen Mittwoch, irgendwo vielleicht schon ein wenig Donnerstag. Die Zeit hat sich beim Durchgang durch diesen Strudel einfach etwas vermischt, aber was geht uns das an, wir sind zu zweit und haben dadurch die Chance, die Steuerung in Ordnung zu bringen.«

»Nein, du bist im Unrecht!« erwiderte ich. »Wenn am Mittwoch, wo du schon bist, nachdem du den ganzen Dienstag durchlebt und ihn hinter dich gebracht hast, wenn also, ich wiederhole, am Mittwoch die Steuerung nicht repariert ist, so geht daraus hervor, daß sie am Dienstag nicht repariert wurde, und wenn wir sie nach einer Weile ausgebessert haben sollten, so wäre für dich diese Weile schon Vergangenheit und wir hätten nichts auszubessern. Somit ...«

»Somit bist du stur wie ein Esel!« knurrte er. »Du wirst deine Dummheit noch bereuen! Meine einzige Genugtuung ist, daß du dich ebenso über deine Sturheit ärgern wirst wie ich jetzt – wenn du selbst erst den Mittwoch erreichst!«

»Ach, einen Moment!« rief ich. »Soll das heißen, daß ich am Mittwoch, wenn ich du sein werde, versuche, den Ich vom Dienstag zu überzeugen, wie du das in diesem Augenblick tust, nur daß dann alles umgekehrt sein wird? Du wirst ich sein und ich du? Ich verstehe. Darin besteht ja die Zeitschleife. Warte, ich komme, ich komme gleich, ich habe schon begriffen ...«

Bevor ich mich jedoch vom Fußboden erhoben hatte, fielen wir in einen neuen Strudel, eine ungeheure Schwerkraft drückte uns platt gegen die Decke.

Die entsetzlichen Sprünge und Erschütterungen hörten die ganze Nacht von Dienstag zu Mittwoch nicht auf. Als es etwas ruhiger geworden war, wurde ich von dem in der Kajüte herumfliegenden Band der Allgemeinen Relativitätstheorie an der Stirn getroffen und verlor das Bewußtsein. Als ich die Augen aufschlug, erblickte ich das zerschlagene Geschirr und dazwischen einen liegenden Menschen. Ich sprang sogleich auf und sagte, während ich ihn aufhob: »Steh auf! Hast du dir etwas getan?«

»Nein«, erwiderte er, während er die Augen aufmachte. »Von welchem Wochentag bist du?«

»Vom Mittwoch«, antwortete ich. »Gehen wir rasch die Steuerung ausbessern, schade um die Zeit.«

»Und wo ist der vom Montag?« fragte er, während er sich aufsetzte. Er hatte ein blaues Auge.

»Der ist nicht mehr«, sagte ich, »das heißt ... der bist offenbar jetzt du.«

»Wieso ich?«

»Na, weil der vom Montag in der Nacht vom Montag zum Dienstag der vom Dienstag geworden ist, und so weiter.«

»Verstehe ich nicht.«

»Macht nichts, du bist es nur nicht gewohnt. Aber komm, schade um die Zeit!«

Während ich das sagte, sah ich mich schon nach dem Werkzeug um.

»Gleich«, erwiderte er langsam, ohne auch nur einen Finger zu rühren. »Heute ist Dienstag. Wenn du vom Mittwoch bist und bis zu diesem Augenblick die Steuerung nicht repariert ist, so geht daraus hervor, daß uns etwas daran hindern wird, sie auszubessern, denn sonst würdest du, am Mittwoch, mich nicht dazu bewegen wollen, daß ich, am Dienstag, sie mit dir gemeinsam repariere. Vielleicht ist es also besser, wenn wir erst gar nicht hinausgehen.«

»Du phantasierst!« schrie ich in äußerster Wut, »Mann, ich bin vom Mittwoch, und du bist vom Dienstag ...«

Und so begannen wir uns zu streiten, in umgekehrten Rollen, wobei er mich tatsächlich bis zur Weißglut brachte, denn er wollte immer noch nicht die Steuerung mit mir in Ordnung bringen, und ich schimpfte ihn völlig vergebens einen hartnäckigen Esel. Als es mir schließlich gelang, ihn zu überzeugen, gerieten wir in den nächsten Gravitationsstrudel. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn, als ich daran dachte, daß wir uns nun in dieser Zeitschleife im Kreise drehen würden, bis in alle Ewigkeit. Aber zum Glück war das nicht der Fall. Als sich die Schwerkraft so weit verringert hatte, daß ich aufstehen konnte, war ich wieder allein in der Kabine. Offenbar war der lokale Dienstag, der vorher in der Nähe des Spülbeckens geherrscht hatte, verschwunden und unwiederbringliche Vergangenheit geworden. Sogleich setzte ich mich an die Karte auf der Suche nach einem anständigen Strudel, in den ich das Schiff führen könnte, um erneut eine Krümmung der Zeit hervorzurufen und auf diese Weise einen Gehilfen zu gewinnen.

Ich fand denn auch einen, der vielversprechend war, und gab, mühsam mit den Motoren manövrierend, dem Raumschiff eine solche Richtung, daß wir den Strudel in der Mitte schnitten. Zwar war die Konfiguration dieses Strudels, der Sternkarte nach zu urteilen, höchst ungewöhnlich – er hatte zwei nebeneinanderliegende Zentren –, aber ich war schon so verzweifelt, daß ich diese Anomalie nicht beachtete.

Während meiner vielstündigen Betriebsamkeit in der Motorenkammer hatte ich mir die Hände ordentlich beschmutzt, also ging ich sie waschen, denn bis zum Eintritt in den Strudel hatte ich noch viel Zeit. Das Bad war verschlossen. Man hörte darin Laute, als ob jemand gurgelte.

»Wer ist dort?« rief ich überrascht.

»Ich«, erwiderte die Stimme aus dem Inneren.

»Was denn nun wieder für ein Ich?«

»Ijon Tichy.«

»Von welchem Tag?«

»Vom Freitag. Was willst du?«

»Ich will mir die Hände waschen ...«, versetzte ich mechanisch, während ich gleichzeitig mit höchster Intensität überlegte: Es war Mittwoch abend, und er stammte vom Freitag, somit würde der Gravitationsstrudel, in den das Schiff geraten sollte, die Zeit von Freitag bis Mittwoch krümmen, aber was weiter innerhalb dieses Strudels geschehen würde, konnte ich mir nicht vorstellen. Ganz besonders war ich gespannt, wo der Donnerstag geblieben war. Inzwischen ließ der vom Freitag mich noch immer nicht ins Bad, in dem er ganz offensichtlich bummelte, obwohl ich hartnäckig an die Tür klopfte.

»Hör endlich auf zu gurgeln!« donnerte ich schließlich voller Ungeduld. »Mann, jeder Augenblick ist wertvoll – komm sofort heraus, wir wollen die Steuerung reparieren!«

»Dazu brauchst du mich nicht«, erwiderte er phlegmatisch hinter der Tür. »Irgendwo muß der vom Donnerstag sein, geh mit ihm ...«

»Was soll das nun wieder? Einer vom Donnerstag? Das ist doch unmöglich ...«

»Das muß ich wohl besser wissen, wenn ich schon im Freitag bin und somit sowohl deinen Mittwoch als auch seinen Donnerstag erlebt habe ...«

Mit leichtem Schwindelgefühl sprang ich von der Tür zurück, denn ich vernahm tatsächlich Lärm in der Kajüte: Dort stand ein Mann und zog unter dem Bett ein Futteral mit Werkzeug hervor.

»Bist du der vom Donnerstag!?« rief ich, während ich in die Kajüte stürmte.

»Freilich«, erwiderte er. »Natürlich ... hilf mir mal ...«

»Wird es uns jetzt gelingen, die Steuerung auszubessern?« fragte ich, als wir gemeinsam die schwere Tasche unterm Bett hervorzogen.

»Das weiß ich nicht, am Donnerstag war sie noch nicht repariert, frag den vom Freitag ...«

In der Tat, das war mir nicht in den Sinn gekommen! Rasch rannte ich zur Badtür.

»Hallo! Du vom Freitag! Ist die Steuerung schon repariert?«

»Am Freitag nicht«, entgegnete er.

»Warum nicht?«

»Darum«, erwiderte er und machte gleichzeitig die Tür auf. Sein Kopf war mit einem Handtuch umwunden, an die Stirn drückte er flach eine Rasierklinge, um zu verhindern, daß die Beule, groß wie ein Ei, noch mehr wuchs. Der vom Donnerstag, der sich unterdessen mit dem Werkzeug genähert hatte, stand neben mir und betrachtete seelenruhig und aufmerksam den Verletzten, der mit der freien Hand die Flasche mit Goulardwasser aufs Regal stellte. Das Glucksen hatte ich für Gurgeln gehalten.

»Was hat dich denn so zugerichtet?« fragte ich mitfühlend.

»Nicht was, sondern wer«, erwiderte er. »Das war der vom Sonntag.«

»Einer vom Sonntag? Aber wieso ... Das kann nicht sein!« rief ich.

»Das ist eine längere Geschichte ...«

»Einerlei! Eilen wir jetzt nach oben, vielleicht schaffen wir es!« sagte der vom Donnerstag zu mir.

»Aber wir geraten doch gleich in einen Strudel«, antwortete ich. »Eine Erschütterung wird uns ins Vakuum schleudern, und wir kommen um ...«

»Red keine Dummheiten«, erwiderte der vom Donnerstag. »Wenn der vom Freitag lebt, dann kann uns nichts passieren. Heute ist erst Donnerstag.«

»Es ist Mittwoch«, protestierte ich.

»Mag sein, das ist gleich, auf jeden Fall werde ich am Freitag leben, und du genauso.«

»Aber wir sind doch nur scheinbar zwei Personen«, bemerkte ich. »Ich bin wirklich nur einer, lediglich von verschiedenen Wochentagen ...«

»Schon gut, schon gut, öffne die Klappe.«

Hier erwies es sich jedoch, daß wir nur einen Raumanzug für das Vakuum hatten. Wir konnten also nicht beide gleichzeitig aussteigen, damit mußte der Plan, die Steuerung zu reparieren, fallengelassen werden.

»Hol euch der Kuckuck!« rief ich erbost und warf die Tasche mit dem Werkzeug hin. »Man hätte den Skaphander anziehen und ihn nicht wieder ablegen sollen. Ich hatte nicht daran gedacht, aber du, als der vom Donnerstag, hättest daran denken müssen!«

»Den Raumanzug hat mir der vom Freitag weggenommen«, erwiderte er.

»Wann? Und warum?«

»Ach, das ist nicht der Rede wert.« Er zuckte mit den Schultern, drehte sich um und ging zur Kajüte. Der vom Freitag war nicht darin, ich warf einen Blick ins Bad, aber es war ebenfalls leer.

»Wo ist der vom Freitag?« fragte ich erstaunt, als ich zurückkehrte. Der vom Donnerstag zerschlug systematisch Eier mit dem Messer und ließ ihren Inhalt ins brutzelnde Fett fallen.

»Sicherlich irgendwo in der Nähe vom Sonnabend«, erwiderte er gelassen, während er rasch das Rührei mischte.

»O nein«, protestierte ich. »Du hast doch schon am Mittwoch dein Teil gegessen und hast nicht das Recht, das Mittwochabendbrot zum zweitenmal zu essen!«

»Der Vorrat gehört ebensogut dir wie mir«, antwortete er, während er seelenruhig die festgebackenen Ränder des Rühreis mit dem Messer anhob. »Ich bin du, und du bist ich, somit ist es einerlei ...«

Die Bratpfanne fiel ihm aus der Hand, ich selbst flog gegen die Wand – wir waren erneut in einen Strudel geraten. Das Raumschiff bebte wie im Fieber, und ich dachte nur an eins: Wie ich in den Gang, wo der Skaphander hing, kommen und den Raumanzug anziehen könnte. Somit werde ich, sagte ich mir, sobald der Donnerstag anbricht, als der vom Donnerstag bereits den Skaphander anhaben, und wenn ich ihn auch nicht für einen Augenblick ausziehe, wie ich mir das fest vorgenommen habe, dann werde ich ihn auch am Freitag tragen. Wenn ich also sowohl am Donnerstag als auch am Freitag einen Raumanzug anhaben werde, wird es am Ende doch möglich sein, die unselige Steuerung zu reparieren, sobald wir in einer Jetztzeit einander begegnen.

In der Zeitschleife

Die zunehmende Schwerkraft hatte meine Sinne etwas getrübt, aber als ich die Lider aufschlug, bemerkte ich, daß ich rechts von dem vom Donnerstag lag und nicht zu seiner Linken, wie noch vor einer Viertelstunde. Es war leichter, den Plan mit dem Raumanzug auszudenken, als ihn in die Tat umzusetzen, denn ich konnte mich wegen der wachsenden Gravitation kaum bewegen. Sobald diese nur ein wenig nachließ, rückte ich Millimeter um Millimeter zur Tür vor, die zum Gang führte. Ich bemerkte bald dabei, daß auch der vom Donnerstag Zoll um Zoll zur Tür kroch. Schließlich, etwa nach einer Stunde, denn der Strudel war ziemlich ausgedehnt, begegneten wir einander, am Boden kriechend, vor der Türschwelle. Ich überlegte, daß ich mich eigentlich unnötig anstrengte, die Klinke zu erreichen – mochte der vom Donnerstag die Tür öffnen. Gleichzeitig begann ich mich verschiedener Dinge zu erinnern, aus denen hervorging, daß ich nunmehr der vom Donnerstag war und nicht er.

»Von welchem Tag bist du?« fragte ich, um mich zu vergewissern. Mein Kinn war an den Fußboden gepreßt, und ich schaute ihm aus der Nähe in die Augen. Mühsam öffnete er den Mund.

»Der vom Donnerstag«, stöhnte er.

Das war eigenartig. Sollte ich trotz allem noch der vom Mittwoch sein? Ich rief mir die letzten Ereignisse in Erinnerung und hielt das für ausgeschlossen. Er war wahrscheinlich schon vom Freitag. Denn wenn er mir um einen Tag voraus war, mußte das wohl so bleiben. Ich wartete, daß er die Tür öffnete, aber er schien von mir das gleiche zu erwarten. Die Gravitation wurde merklich schwächer. Ich stand auf und lief in den Gang. Als ich den Skaphander ergriff, stellte er mir ein Bein und riß ihn mir aus der Hand. Ich schlug der Länge nach hin.

»Ach, du Schuft, du Schwein!« rief ich. »Sich selbst hintergehen, welch eine Schurkerei!«

Er aber zog, ohne mich zu beachten, schweigend den Raumanzug an. Das schien mir denn doch der Gipfel der Unverschämtheit zu sein. Plötzlich warf ihn eine merkwürdige Kraft aus dem Skaphander, in dem offenbar schon jemand saß. Im ersten Augenblick verlor ich die Fassung, denn ich wußte nicht mehr, wer welcher war.

»He, du vom Mittwoch!« rief der im Skaphander, »laß den vom Donnerstag nicht los, hilf mir!«

Der vom Donnerstag versuchte tatsächlich, den Raumanzug von ihm herunterzureißen.

»Gib den Skaphander her!« brüllte der vom Donnerstag, während er mit jenem rang.

»Laß mich los! Was willst du! Begreifst du denn nicht, daß ich ihn haben muß und nicht du!?« rief jener.

»Da bin ich aber neugierig. Weshalb denn?«

»Deshalb, du Esel, weil ich es näher zum Sonnabend habe als du, und am Sonnabend sind dann schon zwei von uns in Raumanzügen!«

»Aber das ist ja Unfug«, warf ich ein. »Bestenfalls wirst du am Sonnabend allein im Skaphander stecken, wie der letzte Tölpel, und wirst nichts tun können. Gib den Skaphander mir. Wenn ich ihn jetzt anziehe, dann wirst du ihn am Freitag als der vom Freitag haben und auch ich am Sonnabend als der vom Sonnabend. Wir werden also zu zweit Skaphander tragen ... Du vom Donnerstag, hilf mir!«

»Hör auf«, protestierte der vom Freitag, von dem ich mit Gewalt den Raumanzug herunterzog. »Erstens hast du keinen mehr, den du mit ›der vom Donnerstag‹ anreden könntest, weil jetzt Mitternacht vorüber ist und du nun selbst der vom Donnerstag bist, und zweitens wird es besser sein, wenn ich im Skaphander verbleibe – du wirst sowieso nichts davon haben ...«

»Warum? Wenn ich ihn heute anlege, habe ich ihn auch morgen an!«

»Du wirst dich selbst überzeugen. Ich bin ja schon du gewesen, nämlich am Donnerstag, mein Donnerstag ist vorüber, also weiß ich es genau ...«

»Genug jetzt mit dem Gerede. Gib das sofort her!« knurrte ich wütend. Aber er riß sich los, und ich begann ihn zu jagen, zuerst in der Motorenkammer, dann stürmten wir einer nach dem anderen in die Kajüte. In der Tat, etwas war geschehen, denn wir waren jetzt nur noch zu zweit. Nun begriff ich auch, weshalb der vom Donnerstag, als wir mit dem Werkzeug durch die Ausstiegluke wollten, zu mir gesagt hatte, der vom Freitag habe ihm den Skaphander weggenommen: In der Zwischenzeit war ich nämlich der vom Donnerstag geworden, und der vom Freitag hatte ihn mir weggenommen. Aber ich beabsichtigte nicht, so schnell aufzustecken. Warte, ich werde schon noch ein Mittel finden, überlegte ich, rannte in den Gang, von dort zur Motorenkammer, wo ich während der Jagd auf dem Fußboden einen Knüppel bemerkt hatte, der zum Wühlen in der Atomsäule diente, ergriff ihn und eilte so bewaffnet in die Kajüte. Der andere steckte bereits im Raumanzug, nur den Helm hatte er noch nicht aufgesetzt.

»Zieh den Skaphander aus!« schrie ich ihm ins Gesicht und schwang drohend den Knüppel.

»Ich denke nicht daran.«

»Zieh ihn aus, sage ich dir!«

Eine Weile überlegte ich, ob ich ihm einen Schlag versetzen sollte. Ich war ein wenig unsicher, weil er weder ein blaues Auge noch Beulen am Kopf hatte, wie der vom Freitag, den ich im Bad entdeckt hatte, aber plötzlich begriff ich, daß es so sein müsse. Jener vom Freitag war jetzt bestimmt schon der vom Sonnabend, vielleicht tummelte er sich sogar schon in den Gefilden des Sonntags, hingegen war der vom Freitag, der im Skaphander stak, unlängst der vom Donnerstag gewesen, in den ich mich wiederum um Mitternacht verwandelt hatte, so näherte ich mich über die absteigende Kurve der Zeitschleife der Stelle, wo der vom Freitag vor dem Geschlagenwerden sich in den geschlagenen Freitag-Tichy verwandeln sollte. Aber der hatte mir vorher gesagt, daß der vom Sonntag ihn so zugerichtet habe; von dem indessen war nicht die geringste Spur zu entdecken. In der Kajüte waren wir allein, er und ich. Eine plötzliche List erfüllte mein Hirn mit blendender Erleuchtung.

»Zieh den Skaphander aus!« donnerte ich drohend.

»Du vom Donnerstag, laß mich in Ruhe!« rief jener.

»Ich bin nicht vom Donnerstag! Ich bin der vom SONNTAG!« brüllte ich und griff an. Er versuchte, mir einen Fußtritt zu versetzen, aber die Schuhe des Raumanzugs sind sehr schwer, und bevor er den Fuß hoch bekam, hatte ich ihm bereits den Knüppel über den Kopf geschlagen. Nicht zu heftig, versteht sich, denn so viel Erfahrung hatte ich schon, daß ich wußte, ich selbst würde, wenn ich aus dem vom Donnerstag der vom Freitag geworden war, etwas am Kopf abbekommen, und mir lag nicht viel daran, mir selbst den Schädel zu zertrümmern.

Der vom Freitag fiel hin und hielt sich stöhnend den Kopf. Ich zog ihm brutal den Raumanzug vom Leib. Als er schwankenden Schrittes ins Bad ging und murmelte: »Wo ist die Watte ... Wo ist das Goulardwasser ...«, legte ich rasch den Skaphander an, um den wir so erbittert gekämpft hatten. Da entdeckte ich plötzlich unter dem Bett ein menschliches Bein. Ich kniete nieder und sah: Ein Mensch lag dort und verschlang, mühsam das Schmatzen unterdrückend, die letzte Tafel Milchschokolade, die ich im kleinen Koffer für eine schwarze galaktische Stunde aufgehoben hatte. Der Gauner hatte es so eilig, daß er die Schokolade mit der Papierfolie aß.

»Wirst du wohl die Schokolade liegenlassen!« herrschte ich ihn an und zog ihn am Bein. »Wer bist du! Der vom Donnerstag? ...« fragte ich schon leiser und mit plötzlicher Unruhe, denn ich dachte mir, daß ich jetzt vielleicht schon der vom Freitag wurde und die Schläge kassieren müßte, die ich zuvor dem vom Freitag verabreicht hatte.

»Ich bin der vom Sonntag«, stammelte er mit vollem Mund. Mir wurde schwindlig. Entweder log er, dann hatte das keine Bedeutung, oder er sprach die Wahrheit, dann drohten mir die Beulen, denn es hatte ja der vom Sonntag den vom Freitag geschlagen, und der vom Freitag hatte es mir zuvor gesagt, und ich hatte mich danach für den vom Sonntag ausgegeben und ihm eins mit dem Knüppel versetzt. Aber, so dachte ich mir, selbst wenn er log, daß er der vom Sonntag sei, so ist es doch möglich, daß er später ist als ich, und wenn er später ist, kann er sich an all das erinnern, was ich weiß, und somit weiß er schon, daß ich den vom Freitag belogen habe, also kann er mich auf die gleiche Art und Weise betrügen, weil das, was meine Kriegslist war, für ihn einfach nur eine Erinnerung ist, aus der er ungehindert Nutzen ziehen kann. Während ich noch schwankte, was zu tun sei, hatte er den Rest der Schokolade aufgegessen und war unter dem Bett hervorgekrochen.

»Wenn du der vom Sonntag bist, wo steckt dann der Skaphander?« rief ich, von einem neuen Gedanken beseelt.

»Gleich werde ich ihn haben«, sagte er ruhig, und plötzlich bemerkte ich in seinen Händen einen Knüppel ... Vor meinen Augen zuckte ein Blitz auf, als wäre ein Dutzend Supernovas auf einmal explodiert, danach verlor ich das Bewußtsein. Als ich zu mir kam, saß ich auf dem Fußboden im Bad. Jemand schlug an die Tür. Ich begann, meine blauen Flecken und Beulen zu verbinden, aber jener pochte noch immer. Es stellte sich heraus, daß das der vom Mittwoch war. Ich zeigte ihm nach einer Weile meinen zerbeulten Kopf, und er ging mit dem vom Donnerstag das Werkzeug holen, dann gab es ein Hin und Her, ein Zerren am Skaphander, schließlich hatte ich auch das irgendwie überlebt und kroch am Sonnabendabend unters Bett, um festzustellen, ob da im Koffer nicht ein Stück Schokolade sei. Als ich gerade die letzte Tafel aufaß, die ich unter den Hemden entdeckt hatte, zog mich jemand am Bein. Das war nun schon weiß Gott wer, aber auf alle Fälle schlug ich ihm mit dem Knüppel auf den Kopf, zog ihm den Skaphander aus und wollte ihn gerade anlegen, da geriet das Raumschiff in den nächsten Strudel.

Als ich das Bewußtsein wiedererlangte, war die Kajüte voller Menschen. Man konnte sich darin kaum bewegen. Wie es sich herausstellte, waren alle ich, von verschiedenen Tagen, Wochen, Monaten, und einer stammte angeblich sogar aus dem künftigen Jahr. Eine Anzahl Personen hatte Beulen und ein blaues Auge, und fünf der Anwesenden trugen einen Raumanzug. Doch anstatt sofort durch die Klappe zu gehen, um den Schaden zu beheben, begannen sie zu streiten, zu feilschen, zu diskutieren und zu zanken. Es ging darum, wer wen und wann geschlagen hatte. Die Lage war erstens dadurch kompliziert, daß nunmehr auch solche vom Vormittag und vom Nachmittag auftraten und ich fürchten mußte, daß, falls es so weiterginge, ich mich in Minuten- und Sekunden-Tichys aufspalten würde; zweitens logen die meisten Anwesenden wie gedruckt, so daß ich wirklich bis heute noch nicht weiß, wen ich geschlagen habe und wer mich geschlagen hat, als sich jene Dreiecksgeschichte zwischen dem vom Donnerstag, vom Freitag und vom Mittwoch, die ich der Reihe nach gewesen war, ereignet hatte. Ich hatte den Eindruck, daß ich dadurch, daß ich den vom Freitag selbst belogen hatte, indem ich mich für den vom Sonntag ausgab, eins mehr abbekommen habe, als es der Kalenderrechnung nach erforderlich gewesen wäre. Aber ich ziehe es vor, nicht mehr in Gedanken zu jenen unangenehmen Erinnerungen zurückzukehren, denn ein Mensch, der eine ganze Woche lang nichts anderes getan hat, als sich selbst zu schlagen, hat wenig Anlaß, stolz darauf zu sein.

Die Zwistigkeiten gingen unterdessen weiter. Verzweiflung erfaßte einen beim Anblick solcher Untätigkeit und Zeitverschwendung, während das Raumschiff blindlings vor sich hin raste und immer wieder in kosmische Gravitationsstrudel geriet. Zu guter Letzt schlugen sich jene in Raumanzügen mit denen ohne Raumanzug. Ich versuchte, eine Ordnung in dieses nun schon völlige Chaos hineinzubringen. Schließlich glückte es mir, nach schier übermenschlichen Anstrengungen so etwas wie eine Versammlung zu organisieren, wobei der vom künftigen Jahr, gewissermaßen als der Älteste, durch Zuruf zum Vorsitzenden bestimmt wurde.

Dann wählten wir noch eine Untersuchungskommission, einen Betreuungsausschuß und einen Ausschuß für freie Eingaben; vier vom künftigen Monat wurden mit dem Ordnungsdienst betraut. In der Zwischenzeit passierten wir jedoch einen negativen Strudel, der unsere Zahl bis auf die Hälfte herabminderte, so daß bei der einleitenden geheimen Abstimmung das Quorum fehlte und vor der Wahl der Kandidaten für die Reparatur der Steuerungsvorrichtung das Statut geändert werden mußte. Die Sternkarte kündigte das Nahen erneuter Strudel an, die bald die bisherigen Errungenschaften zunichte machten: Einmal verschwanden die bisherigen gewählten Kandidaten, dann wieder erschienen der vom Dienstag und der vom Freitag, Handtücher um den Kopf gewunden, und hoben ein widerliches Gezänk an. Nachdem wir einen besonders starken positiven Strudel durchmessen hatten, fanden wir in der Kajüte und im Gang kaum Platz, und vom Öffnen der Klappe konnte wegen der großen Enge keine Rede sein. Am schlimmsten war jedoch, daß die Ausmaße der zeitlichen Verschiebungen immer größer wurden, es erschienen bereits Grauhaarige, während man hier und da die kurzgeschorenen Köpfe von Kindern sehen konnte, aber natürlich war das alles ich selbst.

Fürwahr, ich erinnere mich nicht mehr, ob ich noch immer der vom Sonntag war oder bereits der vom Montag. Übrigens hatte das ohnehin keine Bedeutung mehr. Die Kinder weinten, weil man sie im Gedränge drückte, und schrien nach der Mutter, der Vorsitzende – der Tichy aus dem künftigen Jahr – fluchte wie ein Kesselflicker, weil der vom Mittwoch, der auf der vergeblichen Suche nach Schokolade unters Bett gekrochen war, ihn ins Bein gebissen hatte, als der ihm auf den Finger getreten war. Ich sah, daß das alles schlimm enden würde, zumal sich hier und da schon graue Bärte zeigten. Zwischen dem 142. und dem 143. Strudel ließ ich eine Anwesenheitsliste herumreichen, aber da wurde offenkundig, daß viele der Anwesenden betrogen. Sie machten falsche Angaben zur Person. Gott allein mag wissen, weshalb; vielleicht hatte die herrschende Atmosphäre ihre Sinne getrübt. Der Lärm und das Getöse schwollen dermaßen an, daß man sich nur schreiend verständigen konnte. Plötzlich hatte einer der vorjährigen Ijons einen, wie es schien, glänzenden Einfall: Der Älteste von uns sollte die Geschichte seines Lebens erzählen. Dadurch würde geklärt werden, wer eigentlich die Steuerung zu reparieren habe, denn der Älteste barg in seiner vergangenen Erfahrung alle Gegenwärtigen aus den verschiedenen Monaten, Tagen und Jahren. Wir wandten uns also an einen silberhaarigen Greis, der leicht zitternd in einer Ecke das Mauerblümchen spielte. Er begann uns des langen und breiten von seinen Kindern und Enkeln zu erzählen und ging dann auf die kosmischen Reisen ein, von denen er während seines neunzigjährigen Lebens unzählige erlebt hatte. An diejenige, die gerade vonstatten ging und die für uns die einzig wichtige war, erinnerte sich der Greis infolge einer allgemeinen Sklerose und Erregung überhaupt nicht mehr, aber er war derart eingebildet, daß er das nicht zugeben wollte und stets ausweichend antwortete, wobei er sich auf seine Beziehungen zu höher gestellten Kreisen, auf seine Orden und auf seine Enkel berief, so daß wir ihn schließlich niederschrien und ihm Schweigen geboten. Die nächsten beiden Strudel dezimierten die Versammelten scheußlich. Nach dem dritten wurde es nicht nur lichter im Schiff, es waren auch alle verschwunden, die einen Skaphander trugen. Nur ein leerer Raumanzug blieb zurück, den wir auf Grund der Entschließung einer Sonderkommission im Gang aufhängten; danach kehrten wir zu unseren Beratungen zurück. Nach einer erneuten Schlägerei um die Inbesitznahme dieser so wertvollen Kleidung kam wieder ein Strudel, und es wurde plötzlich leer. Ich saß auf dem Fußboden, mit geschwollenen Augen, in einer eigenartig geräumigen Kajüte, inmitten von zerschlagenen Einrichtungsgegenständen, Kleidungsfetzen und zerrissenen Büchern. Der Fußboden war mit Abstimmzetteln übersät. Die Sternkarte sagte mir, daß ich nunmehr die ganze Zone der Gravitationsstrudel durchquert hatte. Da ich nicht mehr mit einer Verdoppelung und somit auch nicht mit der Behebung des Schadens rechnen konnte, bemächtigten sich meiner Verzweiflung und Erstarrung. Als ich nach etwa einer Stunde einen Blick in den Gang warf, bemerkte ich erstaunt, daß der Skaphander fehlte. Da erinnerte ich mich wie durch einen Nebelschleier, daß bereits kurz vor dem letzten Strudel zwei Jungen heimlich in den Gang geschlichen waren. Sollten die beiden etwa zu zweit einen Skaphander angezogen haben? Wie elektrisiert stürzte ich zur Steuerung. Sie funktionierte! Somit hatten die Knirpse den Schaden behoben, während wir in unfruchtbaren Streit verstrickt waren. Ich nehme an, daß der eine seine Hände in die Ärmel und der andere in die Hosenbeine des Raumanzugs gesteckt hatte; auf diese Weise konnten sie die Schlüssel zum Festschrauben der Muttern auf beiden Seiten der Steuerung gleichzeitig halten. Den leeren Skaphander entdeckte ich in der Druckkammer, hinter der Klappe. Wie eine Reliquie trug ich ihn in das Innere des Schiffs, während ich im Herzen unsägliche Dankbarkeit für diese waghalsigen Jungen empfand, die ich vor so langer Zeit gewesen war. So endete dieses wohl eigenartigste meiner Abenteuer. Ich erreichte glücklich das Ziel meiner Reise dank der Intelligenz und dem Mut, die ich in Gestalt zweier Kinder offenbart hatte.

Man erzählte sich später, ich hätte mir diese Geschichte ausgedacht, und die Boshafteren gingen so weit, mir anzudichten, ich hätte eine Schwäche für Alkohol, die ich auf der Erde sorgsam verheimlichte, der ich mich jedoch auf meinen langjährigen Weltraumreisen hemmungslos hingäbe. Gott allein weiß, was alles für Gerüchte hierüber verbreitet wurden – aber so sind nun mal die Menschen: Sie glauben eher den unwahrscheinlichsten Unfug als authentische Tatsachen, die ich mir hier darzulegen erlaubt habe.

Achte Reise

So war es nun doch geschehen. Ich war Delegierter der Erde bei der Organisation der Vereinten Planeten oder, genauer, Kandidat, obwohl auch das nicht ganz zutraf, denn die Vollversammlung sollte nicht meine Kandidatur, sondern die der gesamten Erdbevölkerung beraten.

In meinem ganzen Leben hatte ich nicht solch ein Lampenfieber gehabt. Die ausgetrocknete Zunge schlug wie ein Pflock gegen die Zähne, und als ich aus dem Astrobus stieg und über den roten Teppich ging, wußte ich nicht, ob der so weich unter mir nachgab oder ob es meine Knie waren. Es war mit Ansprachen zu rechnen, und ich hätte nicht ein Wort hervorbringen können, die Kehle war mir wie ausgedorrt. Als ich vor Aufregung nun eine große leuchtende Maschine mit verchromtem Ausschank und kleinen Schlitzen für die Münzen erblickte, warf ich so schnell wie möglich eine hinein und hielt den Becher der Thermosflasche, den ich vorsorglich bei mir führte, unter den Hahn. Das war der erste interplanetare diplomatische Fauxpas der Menschheit auf dem Parkett der Milchstraße, denn der scheinbare Automat für Sodawasser erwies sich als der Stellvertreter des tarrakanischen Delegationsleiters in voller Gala. Zum Glück waren es gerade die Tarrakaner, die unsere Kandidatur auf der Vollversammlung befürworten wollten. Ich erfuhr das jedoch erst später, und so nahm ich den Umstand, daß jener hohe Diplomat mir die Schuhe bespie, für ein böses Zeichen, fälschlicherweise, denn das war nur eine aromatische Ausscheidung seiner Begrüßungsdrüsen. Ich begriff das, nachdem ich eine informativtranslative Tablette geschluckt hatte, die mir von einem wohlgesinnten Angestellten der gereicht wurde. Sogleich verwandelten sich die klirrenden Laute ringsum in verständliche Worte und das Rechteck aus Aluminiumkegeln am Ende des Plüschteppichs in eine halbe Ehrenkompanie. Der zu meiner Begrüßung erschienene Tarrakaner, der mich bis dahin an einen sehr großen Striezel erinnert hatte, kam mir auf einmal wie ein alter Bekannter mit einem völlig durchschnittlichen Äußeren vor. Nur das Lampenfieber wich nicht. Ein kleiner Wagen rollte heran, der eigens zum Transport solch zweibeiniger Wesen wie ich konstruiert worden war. Der mich begleitende Tarrakaner zwängte sich unter großen Mühen hinein und sagte, während er an meiner Linken und zugleich an meiner Rechten Platz nahm: »Verehrter Erdbewohner, ich muß Sie davon in Kenntnis setzen, daß eine geringfügige Komplikation im Ablauf eingetreten ist. Sie hängt damit zusammen, daß der eigentliche Vorsitzende unserer Delegation, der als Experte für Erdfragen am meisten dazu berufen wäre, Ihre Kandidatur auf die Tagesordnung zu bringen, leider gestern abend in die Hauptstadt zurückbeordert wurde und ich ihn vertreten soll. Ist Ihnen das Protokoll bekannt ...?«

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