Strand der Leidenschaft - Robyn Donald - E-Book

Strand der Leidenschaft E-Book

ROBYN DONALD

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Beschreibung

Heftig schlägt Rowans Herz, als eine Jacht in der Bucht vor ihrem Haus ankert. Wer von Bord geht: Der Mann, dem sie sich einst hingegeben hat – und jetzt kehrt er zu ihr zurück! Noch ahnt sie nicht, dass er diesmal einen anderen Grund hat, ihre Nähe zu suchen …

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Seitenzahl: 206

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IMPRESSUM

Strand der Leidenschaft erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2002 by Robyn Donald Originaltitel: „Wolfe´s Temptress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1462 - 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Dorothea Ghasemi

Umschlagsmotive: Liudmila Chernetska / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 5/2024

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751529532

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Das ist also Anne Corbett“, bemerkte Wolfe Talamantes, während er das Foto betrachtete. Verdammt, fluchte er im Stillen. Sie war schöner als alle Frauen, denen er je begegnet war, einschließlich des Filmstars, mit dem er einige Monate lang eine Affäre gehabt hatte.

„Rowan Corbett“, verbesserte ihn der Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches.

Wolfe runzelte die Stirn. „Ich hatte Sie gebeten, Erkundigungen über Anne Corbett einzuziehen.“

„Ihr voller Name ist Rowan Anne Corbett. Als Kind und Jugendliche wurde sie Anne genannt. Jetzt nennt sie sich Rowan.“

Es überraschte Wolfe nicht, dass sie eine seltene Schönheit besaß. Tony hatte immer einen sehr guten Geschmack bei Frauen gehabt – wenn es ums Äußere ging.

Sie hatte hohe Wangenknochen und schwarzes, streng zurückgekämmtes Haar mit einem rötlichen Schimmer, was ihr etwas Exotisches verlieh. Ihre Haut war makellos, ihre wirkten Lippen sinnlich, aber streng und das Kinn energisch. Obwohl in ihren Augen ein misstrauischer Ausdruck lag und sie sehr beherrscht wirkte, wurde Wolfe zum ersten Mal in seinem Leben klar, was der Reiz des Verbotenen bedeutete. Er ertappte sich dabei, wie er an seidige Haut, ein großes Bett und brennende Leidenschaft dachte.

Grimmig verdrängte er diese Fantasie und riss sich zusammen. Er hatte eine Verführerin erwartet. Aber diese Augen! Sie waren gold- und topasfarben und von dichten schwarzen Wimpern gesäumt, die Brauen fein geschwungen. Es waren Augen, die einem Mann den Kopf verdrehten, sein Blut in Wallung brachten und ihn jede andere Frau vergessen ließen. Augen, in denen man sich verlieren konnte, für die man töten konnte.

Für die man sterben konnte …

Wolfe zwang sich, seinen Sicherheitschef anzusehen. „Und sie arbeitet in einem Café in einem Ort namens Kura Bay auf der Nordinsel?“

„Von sieben bis vierzehn Uhr, von Montag bis Samstag.“

Wolfe zog die Brauen hoch. Wenn sein Instinkt ihn nicht trog, war sein hartgesottener Sicherheitschef genauso fasziniert von Rowan Corbett wie er. „Sie mochten sie, stimmt’s?“

Der ältere Mann betrachtete ihn amüsiert. „Sie scheint eine nette junge Frau zu sein“, erwiderte er. „Und sie ist hübsch. Aber für mich ist sie zu jung, und meine Frau würde mich erwürgen, wenn ich mich nach anderen Frauen umsehen würde, und das wissen Sie.“

Wolfe nickte. „Ms Corbett weiß nicht, dass Sie sie fotografiert haben?“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es nicht gemerkt hat.“

„Aber?“

Nach einem Moment gestand sein Mitarbeiter: „Sie war zwar freundlich, aber so kühl, dass ich mich gefragt habe, ob sie Verdacht geschöpft hat – bis ich herausgefunden habe, dass sie sehr distanziert sein soll. Sie töpfert auch“, fügte er hinzu.

Wolfe blickte ihn scharf an. „Was?“

„Sie töpfert.“ Sein Mitarbeiter lächelte. „Und sie soll sehr gut sein.“

„Irgendwelche Freunde?“, erkundigte Wolfe sich betont lässig.

„Sieht nicht so aus.“ Sein Sicherheitschef zuckte die Schultern. „Und auch keine Freundinnen. Sie lebt sehr zurückgezogen.“

„Wissen die Einheimischen über ihre Vergangenheit Bescheid?“

„Sie wissen Bescheid, reden allerdings nicht darüber. Sie ist die Letzte einer alten Pioniersfamilie dort. Offenbar ist ihre Mutter bei ihrer Geburt gestorben, und ihr Vater – ein Polizist – hat sie in den Ferien immer zu ihren Großeltern gebracht. Daher kennen die Einheimischen sie schon, seit sie ein Kind war. Diese abgelegenen Orte sind alle gleich – es wird viel getratscht, aber Fremden gegenüber gibt man sich unbeteiligt. Ich habe erfahren, dass sie Kampfsportexpertin ist.“ Der Sicherheitsexperte lächelte zynisch und fügte abfällig hinzu: „Wahrscheinlich ist es ganz praktisch, wenn man sich in einer Notsituation befindet und sie in der Nähe ist.“

„Ich ziehe ja lieber den harten Straßenkampf vor“, bemerkte Wolfe.

Sein Mitarbeiter, der ihm dabei geholfen hatte, in einer schmutzigen Gasse in Südamerika drei mit Messern bewaffnete Schlägertypen abzuwehren, lächelte breit. „Ja, weil Sie so gut darin sind.“ Dann griff er nach dem Foto, doch Wolfe kam ihm zuvor.

„Das behalte ich“, erklärte er.

„Okay.“ Sein Sicherheitschef erhob sich. „Noch etwas?“

„Nein. Vielen Dank.“

Sobald er wieder allein war, stand Wolfe von seinem Schreibtisch auf und ging zum Fenster. Von dort aus blickte man auf eine ganz normale Straße in einer ganz normalen Stadt. Sein Blick fiel auf eine Gruppe, die bunte Strandsachen trug. Eine ganz normale Stadt? Nein, es konnte keine andere als Auckland sein.

Normalerweise freute er sich, wieder in Neuseeland zu sein, doch seit dem Anruf seiner Mutter war er nervös und aggressiv. Sechs Jahre lang hatte er nicht an Rowan Anne Corbett gedacht, sie aus seinem Gedächtnis verbannt. Seine Mutter konnte er jedoch nicht ignorieren.

„Wolfe, ich habe die kleine Corbett gefunden“, hatte sie in dem leisen, erschöpften Tonfall gesagt, der ihn immer noch rasend vor Wut machte.

Nach dem Tod ihres jüngsten Sohnes hatte Laura Simpson innerhalb eines Jahres jeglichen Lebenswillen verloren. Die besten Ärzte der Welt waren unfähig gewesen, eine Diagnose zu stellen, bis einer ihm unverblümt gesagt hatte, sie würde an gebrochenem Herzen leiden.

„Wie?“, hatte Wolfe gefragt.

„Es war ein komischer Zufall.“ Seine Mutter lachte leise. „Meine Freundin Moira hat sie in einem Café kellnern sehen und sie gefragt, wer sie ist.“

„Warum?“

„Moira war … bei der Untersuchung der Todesursache dabei und hat sie erkannt. Sie hat es mir erzählt, als sie wieder in Auckland war, und deshalb habe ich der kleinen Corbett geschrieben.“ Ihre Stimme klang ein wenig ärgerlich. „Sie hat mir geantwortet. Es war ein kurzer, nichtssagender Brief, in dem stand, sie hätte dem Coroner alles erzählt, was sie über Tonys Tod wusste. Ich wollte sie anrufen, aber sie steht nicht im Telefonbuch. Dann habe ich für sie eine Nachricht in dem Café hinterlassen, doch sie hat sich nicht bei mir gemeldet. Also fliege ich nächste Woche hin.“

„Das wirst du nicht tun“, erwiderte er, wütend auf Rowan Anne Corbett, weil sie sich weigerte, mit einer kranken Frau über den Tod deren Sohnes zu reden. Selbst ein Flug mit dem Hubschrauber wäre zu anstrengend für seine Mutter gewesen. „Ich werde selbst mit ihr sprechen.“

„Danke“, sagte sie traurig. „Und wenn du sie siehst, sag ihr, dass ich ihr nicht mehr die Schuld gebe. Ich habe sie zum Sündenbock gemacht, und das tut mir leid. Sie war damals erst einundzwanzig. Aber ich muss wissen, was an dem Nachmittag wirklich passiert ist.“

Seine Mutter mochte Rowan Anne Corbett verziehen haben, er hatte es nicht. Mit ihrem schwarzen Haar und dem Gesicht und dem Körper einer Sirene war Rowan Corbett für den schrecklichen Tod seines Halbbruders verantwortlich gewesen.

Laura zögerte und fragte dann: „Wolfe, hast du nach dem Unfall irgendeine Veränderung bei Tony bemerkt?“

„Was für eine Veränderung?“

Nachdem sie kurz geschwiegen hatte, antwortete sie: „Ich hatte den Eindruck, dass er … ernster ist.“

Wolfe runzelte die Stirn. „Ich habe es darauf zurückgeführt, dass er den Unfall knapp überlebt hat. Solche Erlebnisse veranlassen die Menschen, das Leben mit anderen Augen zu sehen.“

„Ja, natürlich“, hatte seine Mutter gesagt und aufgelegt, nachdem er ihr versprochen hatte, in der Woche zum Mittagessen vorbeizukommen.

Als Wolfe nun das Foto betrachtete, lächelte er kalt. Diesmal würde Rowan nicht mit Lügen und Ausflüchten davonkommen.

Vor sechs Jahren hatte er auf der anderen Seite der Welt mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus gelegen, sodass er seine Mutter bei den Ermittlungen nicht unterstützen konnte. Da er Frauen gegenüber einen stark ausgeprägten Beschützerinstinkt besaß, hatte es ihm schwer zu schaffen gemacht, zumal Rowan Corbett bei seiner Rückkehr nach Neuseeland untergetaucht war.

Sein Beschützerinstinkt erstreckte sich allerdings nicht auf die Frau, die seiner Mutter so viel Kummer bereitet hatte. Er würde alles daransetzen, ihr die Wahrheit mit Gewalt – oder mit seinen Verführungskünsten – zu entlocken. Und er würde es auskosten.

Anne … Rowan Corbett hatte Tony um den Verstand gebracht. Er wusste allerdings, dass er aus einem anderen Holz geschnitzt war als sein lebenslustiger, verzogener Bruder. Wolfe nahm das Foto, warf es in die Schreibtischschublade und knallte sie zu.

Eine halbe Stunde später ertappte er sich bei dem Gedanken an jenes ernste, faszinierende Gesicht. Er fluchte leise und klappte die Akte zu, über der er gerade saß. Ohne nachzudenken, rief er die Tageszeitung im Computer auf. Dabei fiel sein Blick auf den Namen Rowan.

Sofort beschleunigte sich sein Puls. Wolfe beugte sich vor und klickte auf den Artikel. Nachdem er ihn überflogen hatte, las er ihn noch einmal langsam. Eine Galerie in Auckland veranstaltete an diesem Abend eine Vernissage. Es wurden Bilder, Töpfer- und Glaswaren ausgestellt. Dem Rezensenten zufolge, der auf einer Vorbesichtigung gewesen war, waren alle ausgestellten Gegenstände sehenswert. Besonders lobte er allerdings die Töpferin, deren Name Rowan war. Begeistert beschrieb er die „exzellente Glasur und Formgebung“, bezeichnete sie als „brillante Künstlerin“ und als „vielversprechendes neues Talent unter den Neuseeländer Künstlern.“

Wolfe betrachtete das Foto einer Schale. Selbst auf dem Bildschirm war zu erkennen, wie wunderschön sie war. Starr blickte er auf den Monitor und massierte sich mit einer Hand den Nacken. Es war ein komischer Zufall. Doch er war ein Mann, der bei einer Entscheidung oft das Gefühl entscheiden ließ, und bisher hatte sein Instinkt ihn nie getrogen. Auf diese Weise hatte er die ehemals kleine Elektronikfirma seines Stiefvaters zu einem weltweit bekannten Unternehmen in der Informationstechnologie gebracht.

Seinen meteoritenhaften Aufstieg hatte er seiner Intelligenz, seiner geradezu unheimlichen Fähigkeit, Trends rechtzeitig zu erkennen, und einer gewissen Rücksichtslosigkeit zu verdanken. Aber seine Konkurrenten respektierten ihn, und seine Angestellten standen hinter ihm. Er erwartete sehr viel von ihnen, gewährleistete dafür allerdings die bestmöglichen Arbeitsbedingungen.

Wolfe drückte den Knopf der Gegensprechanlage und sagte: „Mrs Forrest, besorgen Sie mir bitte eine Eintrittskarte für die Vernissage in der Working Life Gallery heute Abend.“

Rowan bekämpfte ihre aufsteigende Nervosität, die schon an Panik grenzte. „Ich will nicht dahin“, sagte sie leise zu ihrem Spiegelbild. Die Frau, die ihr entgegenblickte, sah wie eine Fremde aus. Es war erstaunlich, was Make-up bewirkten konnte, wenn man von jemandem geschminkt wurde, der etwas davon verstand!

Bobo Link, ihre Agentin, erwiderte: „Es wird dir gut tun. Du kannst dich nicht für den Rest deines Lebens verstecken.“

Rowan funkelte sie an. „Ich verstecke mich nicht.“

„Du lebst wie eine Einsiedlerin auf der Nordinsel, schuftest dich in diesem deprimierenden kleinen Café zu Tode und weigerst dich, unter Leute zu gehen.“ Bobos Stimme troff vor Sarkasmus. „Und das nennst du nicht verstecken?“

„Ich bin sehr beschäftigt. Du willst meine Sachen verkaufen …“

„Dann mach dich an die Arbeit, und verkaufe“, erklärte Bobo, die ausgesprochen praktisch veranlagt war. Sie hatte sie vor einem Jahr entdeckt und darauf bestanden, sie zu repräsentieren. Sie war clever, nassforsch und von einer geradezu brutalen Offenheit, und mittlerweile war sie auch gut mit ihr befreundet.

Sie tätschelte ihr die Schulter und fuhr fort: „Du siehst fantastisch aus. Ich bin überaus zufrieden mit meinem Werk. Aber du hast ja auch tolle Augen und einen tollen Mund.“

„Du bist einfach brillant.“ Inzwischen hatte Rowan sich so weit entspannt, dass sie lächeln konnte. „Ich erkenne mich kaum wieder. Aber im Gegensatz zu dir bin ich kein Verkaufstalent. Vielleicht sollte ich lieber zu Hause bleiben und es dir überlassen.“

„Unsinn! Die Leute wollen immer den Künstler kennenlernen, und du bist ein Geschenk des Himmels, weil du so gut aussiehst und so fotogen bist.“

„Ich bin kein Pin-up-Girl“, sagte Rowan streng.

Bobo seufzte. „Keine Angst, deine Arbeit spricht für sich. Aber der gute alte Frank hat dich in der Zeitung so gelobt, dass es eine Sünde wäre, es nicht auszunutzen. Du bist ein Genie, aber du kannst deine Schalen nicht essen. Und wenn du nicht bis an dein Lebensende in diesem armseligen Café arbeiten willst, solltest du auf deiner ersten Vernissage zugegen sein.“

„Du bist wirklich wortgewandt“, konterte Rowan und betrachtete sich eingehend. Die schlichte schwarze und goldfarbene Seidenbluse, eine Leihgabe von Bobo, und ihr enger, knöchellanger schwarzer Rock waren schick. Doch sie kniff die Augen zusammen und beugte sich vor. „Also gut, ich komme mit. Aber ich kann die Bluse nicht anziehen – sie ist total durchsichtig.“

Bobo verdrehte die Augen. „Dein Vater hat wirklich eine Menge auf dem Gewissen. Wenn man genau hinsieht, kann man vielleicht die Umrisse deiner Brüste erkennen.“

„Wie wäre es mit einem BH?“, fragte Rowan hoffnungsvoll.

„Das passt nicht. Ehrlich, Ro, für heute Verhältnisse ist es fast züchtig.“ Bobo seufzte und nahm ein schwarzes Oberteil aus der Schublade. „Das Teil hier ist brandneu, und ich habe es erstanden, um darin einen Kerl zu verführen. Aber ich opfere es für dich und meinen Anteil.“

Rowan betrachtete das Kleidungsstück argwöhnisch. „Was ist das?“

„Ich weiß, dass du nicht auf Bäumen lebst. Also tu nicht so, als wüsstest du es nicht. Es ist ein Bustier, und er wird nur deine hübschen Schultern freilassen.“

„Du bist zu gut für mich.“ Rowan zog die Bluse aus und das Bustier an. Es lag eng an, aber wenigstens bedeckte es ihre Brüste. Sie streifte die Bluse wieder über.

Bobo schnaufte. „Du hast recht, ich bin zu gut für dich. Aber du siehst klasse aus. Dein Vater muss ein wundervoller Mensch gewesen sein, nur hat er dich so erzogen, dass du wirst wie die Mädchen, mit denen er groß geworden ist. Nein, sag nichts. Er hat sicher sein Bestes für dich getan, allerdings war er hoffnungslos altmodisch. Du wirst vielleicht sexy und erfahren, aber hinter deinem exotischen Äußeren verbirgt sich ein unschuldiges Rotkäppchen.“

„Rotkäppchen?“, wiederholte Rowan matt.

Bobo lächelte breit und umarmte sie. „Ich weiß, dass du jeden Wolf auseinandernehmen könntest, dem du begegnest. Nur wie würdest du ihn erkennen?“

Ja, wie? überlegte Rowan. Sie hatte Tony blind vertraut, und seitdem hatte sie kaum Erfahrungen gesammelt. Entsetzt über das Chaos, das Gefühle anrichten konnten, hatte sie ihre ganze Kraft und Energie in ihr Handwerk gesteckt.

„Heute Abend“, erklärte Bobo und nahm ihre Handtasche, „bist du nicht Rowan Corbett, die einsiedlerische Töpferin, sondern Rowan, ein weltgewandtes, geheimnisvolles Genie.“ Lachend fügte sie hinzu: „Dessen Keramikwaren bald so im Preis steigen, dass jeder vernünftige Sammler jetzt kauft. Also, stürzen wir uns ins Getümmel, und verkaufen wir.“

Eine halbe Stunde später ließ Rowan, ein Glas Sekt in der Hand, den Blick durch den Raum schweifen und versuchte, sich alle Anwesenden in Unterwäsche vorzustellen. Es nützte allerdings nichts, denn sie spürte wieder Panik in sich aufsteigen. All diese in Schwarz gekleideten Menschen, die so selbstsicher wirkten, machten sie schrecklich nervös.

Sie betrachtete ihr Glas, kam allerdings zu dem Schluss, dass sie sich bereits genug Mut angetrunken hatte. Sie war siebenundzwanzig, und es war höchste Zeit, dass sie lernte, mit solchen Situationen umzugehen.

„Rowan“, ließ Bobo sich hinter ihr vernehmen, „hier ist jemand, der dich kennenlernen möchte.“

Ihr Tonfall deutete darauf hin, dass es sich um eine wichtige Persönlichkeit handelte. Rowan wappnete sich innerlich und drehte sich um.

„Wolfe Talamantes“, verkündete Bobo und bedachte den Mann an ihrer Seite mit dem für sie typischen Augenaufschlag. Seine dunkelgrünen Augen waren jedoch auf sie, Rowan, gerichtet.

Starr blickte sie in sein Gesicht, das sehr markant war und an das eines Piraten erinnerte, während sie ein erregendes Prickeln verspürte. Wolfe Talamantes – was für ein Name! – war unglaublich attraktiv, aber seine überwältigende Ausstrahlung rührte nicht von seinem Äußeren her, sondern von seiner Art.

Ihre Panik verstärkte sich. Als Rowan allerdings an Bobos Frage dachte, wie sie einen Wolf erkennen würde, wenn sie einem begegnete, musste sie lachen.

Ihr Gegenüber runzelte die Stirn. Seine Nase musste irgendwann einmal gebrochen sein, denn sie war leicht schief und verstärkte seine gefährliche Anziehungskraft.

„Ich weiß“, bestätigte Wolfe Talamantes trocken. Sein Tonfall war ausgesprochen sinnlich. „Aber es ist ein Familienname.“

„Tut mir leid, das war unhöflich von mir“, erwiderte sie vorsichtig. „Es ist nur so, dass mein Hund Lobo heißt.“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Ist es ein Pudel?“

Wieder lachte sie. „Nein. Ein wunderschöner Deutscher Schäferhund.“

Wie aus weiter Ferne hörte sie Bobo fortfahren: „Wolfe, das ist Rowan. Rowan, Mr Talamantes interessiert sich für Nr. 47. Die grüne Schale“, fügte sie nach einem Moment hinzu.

Rowan musste ihren ganzen Mut zusammennehmen, um die Hand ausstrecken zu können. „Sehr erfreut.“

„Rowan“, sagte er lässig, und ein Lächeln umspielte seine Lippen. Ohne ihre Hand loszulassen, bemerkte er: „Sie haben Talent.“

Sie schluckte und versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen. „Danke.“ Es klang besorgniserregend schrill.

Dieser Mann besaß ein unglaubliches Charisma und schlug sie völlig in seinen Bann. Die Selbstsicherheit und Distanziertheit, die er ausstrahlte, machte sie misstrauisch und neugierig zugleich.

Ein wenig abrupt sagte Bobo: „Oh, entschuldigt ihr mich bitte? Ich habe gerade jemanden gesehen, mit dem ich reden muss.“

Wolfe lächelte sie an. „Wir kommen schon klar“, meinte er mit einem amüsierten Unterton. Er blickte Rowan an. „Stimmt’s?“

Seine Augen hatten goldfarbene Sprenkel und waren von dichten, langen Wimpern gesäumt. Sie erschauerte, als sie ihm in die Augen sah, und ihr Instinkt sagte ihr, dass Wolfe Talamantes ihre Welt völlig auf den Kopf stellen konnte.

„Ja“, antwortete sie hilflos und zwang sich, den Blick von ihm abzuwenden. Schließlich war sie hier, um ihre Sachen zu verkaufen. „Nummer 47?“ Verzweifelt bemühte sie sich, geschäftsmäßig zu klingen. „Oh ja, das ist ein schönes Stück.“ Mehr fiel ihr dazu beim besten Willen nicht ein.

„Ein sehr schönes Stück“, bekräftigte er rau und betrachtete einen Moment lang ihren Mund.

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Ihr ganzer Körper reagierte unmittelbar auf seine Direktheit. Schwarze Magie, dachte sie und blickte sich nach Nummer 47 um. Wolfe hatte einen guten Geschmack – es war eines ihrer besten Stücke. Sie schluckte. „Das Glasieren hat mir viel Spaß gemacht.“

„Es ist Ihnen hervorragend gelungen. Wo haben Sie eigentlich töpfern gelernt?“

„In Japan.“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Wie kommt das?“

Rowan zuckte die Schultern. Sie war sehr verspannt. „Der Töpfer, den ich am meisten bewunderte, lebte ihn einem kleinen Dorf in der Nähe von Nara. Also bin ich hingereist, um von ihm zu lernen.“

Rowan schien es, als würde sie im Rampenlicht stehen. Ihre Arme und Beine fühlten sich schwer an, und ihre Haut prickelte. Hör auf, so übertrieben zu reagieren, sagte sie sich fieberhaft.

„Einfach so?“, meinte er trocken.

„Nein.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Er wollte nichts mit mir zu tun haben. Er weigerte sich sogar mich oder meine Werke zu sehen. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Er war eine Berühmtheit in Japan, ich dagegen eine Fremde – eine Frau, aus einem westlichen Land und erst einundzwanzig.“

„Und wie haben Sie ihn dazu gebracht, Sie als Schülerin zu nehmen?“ Obwohl sein Tonfall neutral war, lief ihr ein Schauer den Rücken hinunter.

„Ich habe vor seiner Tür campiert – genauer gesagt, vor seiner Gartenpforte. Als er schließlich merkte, dass es mir ernst ist, ließ er sich von mir eine Schale zeigen. Er warf sie auf den Boden und sagte, ich könnte eine neue machen. Also tat ich es. Seiner Meinung nach war sie nicht gut genug zum Brennen. Nachdem ich einen Monat lang eine Schale nach der anderen getöpfert hatte, die ihm alle nicht gut genug waren, nahm er mich.“

„Er hat also Ihre Beharrlichkeit bewundert.“ Wolfe nickte. „Und er hat Ihr Talent erkannt.“

„Es war die Hölle mit ihm.“ Rowan lächelte bei der Erinnerung daran. „Er hat das Unmögliche verlangt und bedingungslosen Gehorsam erwartet.“

„Fanden Sie das schwer?“

Wieder erregte sein Tonfall sie. Als sie nach einem Vergleich suchte, kam sie zu dem Ergebnis, dass sie nur ähnlich empfand, wenn sie mit Ton arbeitete. Entsetzt über das sinnliche Vergnügen, das der Klang seiner Stimme ihr bereitete, riss sie sich zusammen und erwiderte: „Ja, sehr.“

„Aber Sie haben es geschafft, Ihren Unabhängigkeitsdrang zu unterdrücken.“

„Mir blieb nichts anderes übrig, sonst hätte ich gehen müssen. Er brachte mir das bei, was man ihm beigebracht hatte. An dem Tag, als ich mich weigerte, seine Anweisungen zu befolgen, sagte er, ich hätte alles gelernt, was er mir beibringen kann, und es wäre Zeit für mich zu gehen. Wir verabschiedeten uns sehr förmlich voneinander, aber ich schrieb ihm jede Woche, bis er starb, und er schrieb mir sehr oft zurück.“

„Und wie viele Jahre waren Sie bei ihm?“

„Fünf.“

Wolfe Talamantes stand zu dicht vor ihr. Bei einem anderen Mann hätte sie es nicht als zu nah empfunden, doch bei ihm war es etwas anderes. Sie trank einen Schluck Sekt und wich einen Schritt zurück.

„Wie lange müssen Sie hier bleiben?“, erkundigte er sich lässig.

Die Frage erschreckte sie. „Was?“

Er betrachtete sie spöttisch. „Wie lange müssen Sie auf dieser langweiligen Veranstaltung noch ausharren? Und erzählen Sie mir nicht, dass Sie es faszinierend finden. Ich habe Sie beobachtet. Sie lassen es sich zwar nicht anmerken, aber Sie langweilen sich. Haben Sie schon zu Abend gegessen?“

Da ihr der Gedanke, dass Wolfe sie beobachtet hatte, nicht gefiel, und seine gute Beobachtungsgabe sie beunruhigte, erwiderte Rowan: „Nein, aber …“

„Essen Sie mit mir.“

Starr blickte sie ihn an, und das Blut rauschte ihr in den Ohren. Wieder riet ihr weiblicher Instinkt ihr, Nein zu sagen. Doch sie wusste, dass sie es mit einem Piraten zu tun hatte, und Piraten akzeptierten kein Nein. Und obwohl es zwischen ihnen knisterte, spürte sie eine tief verwurzelte Feindseligkeit. Aber vielleicht ging diese auch von ihr aus …

„Nun machen Sie nicht so ein überraschtes Gesicht.“ Mit funkelnden Augen betrachtete Wolfe sie. „Sie sind bestimmt schon oft zum Abendessen eingeladen worden. Auch in Japan.“

„Nicht von Leuten, die ich nicht kenne!“, konterte sie.

Er lächelte ein wenig verwegen. „Ihre Freundin hat uns miteinander bekannt gemacht. Das würde die strengste Anstandsdame zufriedenstellen – falls es so eine Person noch gäbe.“

Rowan blinzelte. „Ich esse mit Bobo zu Abend. Sie könnten …“ Sie verstummte und errötete, weil sie ihn fast eingeladen hätte.

„Wir fragen sie“, erklärte er und blickte sich um.

Bobo unterhielt sich gerade angeregt mit einem Mann, den sie anscheinend sehr gut kannte, drehte sich jedoch um, als hätte sie Wolfes Blick gespürt. Nachdem sie etwas zu ihrem Gesprächspartner gesagt hatte, kam sie durch die Menge auf sie zu.

Als sie bei ihnen war, meinte Wolfe gewandt: „Ich habe Rowan gerade zum Essen eingeladen, aber sie sagte, sie sei schon mit Ihnen verabredet.“

Bobo lächelte strahlend. „Zufällig hatte ich noch eine andere Einladung, deswegen ist es mir recht. Aber bevor du gehst, Rowan, komm noch mal mit zu Georgie.“ Sie wandte sich an Wolfe. „Er ist der Inhaber der Galerie und möchte mit Rowan reden. Macht es Ihnen etwas aus?“

„Natürlich nicht“, erwiderte er lässig.

Als Rowan mit Bobo zu Georgie ging, der von vielen Gästen umringt war und ihnen etwas über die Ausstellungsstücke erzählte, spürte sie allerdings seinen Blick im Rücken.

Der Galeriebesitzer begrüßte sie überschwänglich und verkündete, dass bereits mehr als die Hälfte ihrer Stücke verkauft sei. Nachdem sie sich gegenseitig beglückwünscht hatten, stellte er sie seinen Bewunderern vor, die ihr daraufhin ebenfalls gratulierten.

Nach einer Weile zog Bobo sie mit in den hinteren Raum, der von der Galerie abgeteilt war. „Du brauchst noch Infos“, sagte sie leise. Sobald sie drinnen waren, zischte Bobo: „Weißt du, wer Wolfe Talamantes ist?“

„Nein“, gestand Rowan und stellte entsetzt fest, dass sie schon fürchtete, er wäre berüchtigt. „Aber sein Name kommt mir bekannt vor …“

„Natürlich, du liest ja keine Zeitungen.“ Bobo seufzte und krauste die Stirn.

„Ich rede die Schlagzeilen in den Zeitungen, die im Kaffee ausliegen“, verteidigte sich Rowan.

Ihre Agentin schnaufte und beugte sich näher zu ihr. „Offenbar nicht genau, wenn du ihn nicht kennst. Ich wette, er ist jedem in Neuseeland ein Begriff.

„Nun sag schon, wer er ist“, forderte Rowan sie nervös auf. „Ein Rocksänger? Ein Filmstar?“

2. KAPITEL

„Wolfe Talamantes“, erklärte Bobo, „ist halb Neuseeländer und halb Mexikaner – daher auch der Name. Er ist ein IT-Tycoon und sehr reich.“ Sie beugte sich vor. „Wahnsinnig reich.“

„Wenn er ein IT-Tycoon ist, dann macht er der Wirtschaftspresse zufolge bald Bankrott“, konterte Rowan und wunderte sich selbst darüber, dass sie bei der Vorstellung erleichtert war. „Ich lese doch Zeitungen.“