Super Heimatroman Dreierband September 2024 - Robert Gruber - E-Book

Super Heimatroman Dreierband September 2024 E-Book

Robert Gruber

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: Anna Martach: Umweg in den siebten Himmel Robert Gruber: Herzklopfen in den Bergen Sandy Palmer: Rettung in den Bergen Nach außen hin trägt die Ursel Grunauer eine heitere, gelassene Miene zur Schau, doch im Inneren ist sie voller Aufregung, voller Angst. Wieder einmal ist ihr Vater mit dem alten Hirschberger zusammengestoßen, wieder einmal haben sie einander hasserfüllt angegriffen, beschimpft und verflucht. Wie lange kann sie das noch ertragen? Und was geschieht, wenn der Vater dahinterkommt, dass der Bursch, den seine Tochter so innig liebt, ausgerechnet der Hans Hirschberger ist - daran mag die Ursel gar nicht denken. Es ist schon schlimm genug, dass sie den Hans nur heimlich sehen kann, und dass sie sich nicht zu ihrer Liebe bekennen dürfen. Die Angst, entdeckt zu werden, sitzt ihnen im Herzen, wenn sie sich treffen, wenn sie zärtliche Küsse tauschen und sich ihrer Liebe versichern. Und dann müssen sie auseinandergehen und so tun, als ob sie einander hassen.

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Anna Martach, Sandy Palmer, Robert Gruber

Super Heimatroman Dreierband September 2024

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Inhaltsverzeichnis

Super Heimatroman Dreierband September 2024

Copyright

Umweg in den siebten Himmel

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Herzklopfen in den Bergen

Rettung in den Bergen

Super Heimatroman Dreierband September 2024

Robert Gruber, Sandy Palmer, Anna Martach

Dieser Band enthält folgende Romane:

Anna Martach: Umweg in den siebten Himmel

Robert Gruber: Herzklopfen in den Bergen

Sandy Palmer: Rettung in den Bergen

Nach außen hin trägt die Ursel Grunauer eine heitere, gelassene Miene zur Schau, doch im Inneren ist sie voller Aufregung, voller Angst. Wieder einmal ist ihr Vater mit dem alten Hirschberger zusammengestoßen, wieder einmal haben sie einander hasserfüllt angegriffen, beschimpft und verflucht. Wie lange kann sie das noch ertragen? Und was geschieht, wenn der Vater dahinterkommt, dass der Bursch, den seine Tochter so innig liebt, ausgerechnet der Hans Hirschberger ist - daran mag die Ursel gar nicht denken. Es ist schon schlimm genug, dass sie den Hans nur heimlich sehen kann, und dass sie sich nicht zu ihrer Liebe bekennen dürfen. Die Angst, entdeckt zu werden, sitzt ihnen im Herzen, wenn sie sich treffen, wenn sie zärtliche Küsse tauschen und sich ihrer Liebe versichern. Und dann müssen sie auseinandergehen und so tun, als ob sie einander hassen.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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Alles rund um Belletristik!

Umweg in den siebten Himmel

von Anna Martach

Der Umfang dieses Buchs entspricht 90 Taschenbuchseiten.

Nach außen hin trägt die Ursel Grunauer eine heitere, gelassene Miene zur Schau, doch im Inneren ist sie voller Aufregung, voller Angst. Wieder einmal ist ihr Vater mit dem alten Hirschberger zusammengestoßen, wieder einmal haben sie einander hasserfüllt angegriffen, beschimpft und verflucht. Wie lange kann sie das noch ertragen? Und was geschieht, wenn der Vater dahinterkommt, dass der Bursch, den seine Tochter so innig liebt, ausgerechnet der Hans Hirschberger ist - daran mag die Ursel gar nicht denken. Es ist schon schlimm genug, dass sie den Hans nur heimlich sehen kann, und dass sie sich nicht zu ihrer Liebe bekennen dürfen. Die Angst, entdeckt zu werden, sitzt ihnen im Herzen, wenn sie sich treffen, wenn sie zärtliche Küsse tauschen und sich ihrer Liebe versichern. Und dann müssen sie auseinandergehen und so tun, als ob sie einander hassen.

1

»Und dass du’s nur weißt, dein Vater war einer der größten Betrüger auf Gottes Erdboden!«, schrie Alois Grunauer laut.

»Und was war dein Vater?«, brüllte der Hirschberger ebenso laut zurück. »Der übelste Halsabschneider, den Untermonheim je gesehen hat.«

»Ich werd’ dir helfen, meinenVater zu beleidigen«, donnerte der Grunauer und ballte wütend die Fäuste.

»Was gibt’s denn da zu beleidigen?«, höhnte der andere Bauer. »Wo nix Ehrbares dran ist, kann auch nix beleidigt werden.«

Der Grunauer beherrschte sich mühsam. Auf diese Frechheit seines Erzfeindes musste er doch noch eine Antwort finden.

»Ich weiß ja, wer es sagt«, erklärte er so ruhig, wie er konnte. »Von einem, der das Wort Ehrlichkeit net ein Mal in seinem Leben gehört hat, kann auch keine Beleidigung kommen. Da müsst sich schon ein anderer herstellen. Einer, der wirklich Ehre im Leib hat. Net so einer, dessen Familie seit Generationen von Lüge und Betrug lebt.«

»Du schamloser Hundesohn!«, schrie der Hirschberger und drang auf seinen Gegner ein. Seine Fäuste droschen nur so auf den Grunauer ein, bis der wütende Bauer von drei handfesten Burschen zurückgerissen wurde.

Auch den Grunauer hielten drei Männer fest, und der Wirt des Klosterstübchens, in dem die wüste Rauferei stattfand, wusste sich nicht anders zu helfen, als dass er beiden eine Maß Wasser ins Gesicht schüttete. Heftig prustend schüttelten sich die beiden.

»Lasst mich los! Der Kerl ist es net wert, dass ich mich weiter drüber aufrege«, brummte der Grunauer grantig und ignorierte die bitterbösen Blicke, die der Hirschberger ihm zuwarf, ebenso den Blutfaden, der langsam aus seinem Mundwinkel zum Kinn herablief.

»Was bin ich dir schuldig?«, fragte er den Wirt.

Noch bevor dieser antworten konnte, tauchte ein junger, groß gewachsener Bursch in der Gastwirtschaft auf. Er hatte blondes Haar, Grübchen in den Wangen und schaute äußerst fesch aus. Doch jetzt war sein Blick böse, der Mund etwas verkniffen und seine Stimme scharf. Mit einem Blick hatte er erfasst, was hier vorgegangen war.

»Vater, was hast du dir dabei gedacht?«, rief er dem Hirschberger zu. Der Bursch war Hans, der Sohn des Bauern, achtundzwanzig Jahre alt, heißumschwärmt von sämtlichen Mädchen im Dorf, aber noch keiner fest versprochen. Er hatte gleich den blutenden, nassen Grunauer gesehen und schimpfte nun mit seinem Vater.

»Konntest du net sofort heimkommen? Muss es erst wieder Streit geben, damit das ganze Dorf was zu tratschen hat?«, knurrte er sichtlich erzürnt.

»Ich lass’ mir doch net von diesem diesem Gimpel so was sagen!«, empörte sich der Hirschberger.

»Nun langt’s aber«, bestimmte Hans und drängte seinen Vater energisch hinaus.

»Ich komm nachher und zahl die Zeche«, rief der dem Wirt im Hinausgehen zu.

Zurück blieb der Grunauer, der noch zornig eine Faust schüttelte.

»Komm mir ja nimmer in meine Nähe!«, schrie er dem Feind nach.

Der Streit zwischen den beiden Familien war fast so alt wie das Dorf Untermonheim. Niemand konnte sich daran erinnern, wann er begonnen hatte, niemand kannte den wahren Grund für den unversöhnlichen Hass zwischen den Familien Grunauer und Hirschberger. Doch jeder wusste, dass es gesetzmäßig zu Streit und Raufereien kam, wenn man die beiden Bauern zusammen kommen ließ. Und das war schon bei deren Vätern und Großvätern so gewesen.

Gewöhnlich vermieden sie es, gemeinsam die Gastwirtschaft aufzusuchen. Das war ein Verdienst der beiden Kinder der Familien, Hans Hirschberger und Ursula Grunauer. Das Mädchen hatte lange auf den Vater eingewirkt, so dass der Bauer die Wirtschaft meistens nicht betrat, wenn sein Gegner da war. Ebenso ging es auf der anderen Seite.

Aber heute, ausgerechnet am Sonntagvormittag zum Frühschoppen, hatte das Unglück es gewollt, dass sie aufeinandertrafen. Nach anfänglichen bösen Worten war es dann zur Rauferei gekommen.

Erst jetzt, als der Bursch seinen Vater heimgeführt hatte, beruhigten sich die Gemüter. Dennoch würden die Mannsbilder daheim wieder etwas zu berichten haben, was einige der Tratschweiber dann im Ort breittreten würden.

Grunauer wusste das, und er begann etwas brummelig heimzugehen. Seine Tochter Ursel würde ihm gehörig den Kopf waschen, da war er sich schon jetzt sicher.

»Na, was gibt’s Neues?«, fragte Ursel ganz ahnungslos, als der Grunauer die Küche betrat. Der Bauer schaute seine Tochter an, und wieder einmal wurde ihm schmerzlich bewusst, wie sehr das Madl seiner geliebten, viel zu früh verstorbenen Frau glich. Sie trug ihre kastanienbraunen Haare zu zwei Zöpfen geflochten und zu Schnecken an den Kopf gewunden. Ihr Gesicht war schmäl und zart, und aus großen blauen Augen schaute sie ihn fragend an.

Dann aber bemerkte sie, dass der Vater schlecht gelaunt war, außerdem war an seinem Janker ein Knopf abgerissen, und im Gesicht hatte er eine Schramme.

»O nein!«, rief sie aus. »Du hast dich doch wohl net mit dem Hirschberger eingelassen? Sieh dich nur an, wie du ausschaust. Und noch heut am Nachmittag wird sich das ganze Dorf die Mäuler zerreißen. Hab’ ich dich net gebeten ...«

»Ist ja schon gut, Madl«, knurrte der Bauer. »Hast ja recht. Aber nun ist es passiert. Komm, sei so gut, näh mir den Knopf wieder an den Janker! Ich werd’ mich derweil waschen gehen.«

»Ich nähe später. Jetzt werden wir erstmal essen«, bestimmte Ursel streng.

Im Esszimmer begann es herrlich zu duften, als Ursel und das Küchenmadl das Essen hereintrugen. Das Madl füllte die Teller, setzte sich dem Vater gegenüber und schaute ihn forschend an.

»So, nun erzähl mal, was los war zwischen dir und dem Hirschberger!«, forderte sie.

Durch hartnäckiges Nachfragen erfuhr sie so schließlich die ganze Geschichte. Richtig zornig schaute sie dann auf ihren Vater.

»Hat eigentlich keines von euch beiden Mannsbildern genug Grips im Kopf, um einem Streit aus dem Weg zu gehen?«, fragte sie verstimmt. »Reicht es net, dass sich unsere Familien net leiden können? Müsst ihr da noch Öl ins Feuer gießen?«

»Soll ich mir alles gefallen lassen?«, begehrte der Bauer auf. »Außerdem hast du mir net zu sagen, was ich tun soll.«

»Vielleicht net«, gab sie zurück. »Aber als deine Tochter hab’ ich die Pflicht, auf meinen Vater zu achten, wenn er Dummheiten macht. Da kannst den Herrn Pfarrer fragen, der wird’s dir bestätigen.«

»Ach geh, lass mich mit dem Pfaffen in Ruh«, meinte der Grunauer abwehrend. »Der will mich auch nur zu einem seiner braven Schäfchen machen. Die linke Wange hinhalten, wenn die rechte getroffen wird. Ich weiß gar net, was der sich denkt.«

»Glaubst denn am End gar, du hättest allein das Recht gepachtet?«, fragte Ursel böse.

»Lass gut sein, Madl! Schimpf net auch noch mit mir!«, bat der Grunauer plötzlich leise.

Ursel wurde weich. Sanft strich sie dem Vater über die Wange.

»Ich kann dir eh net böse sein«, gab sie zu. »Aber versprich mir, dass du net wieder ...«

»Alles, was du willst«, brummte der Grunauer. »Aber nun hör damit auf!«

»Ist ja schon gut«, sagte Ursel lächelnd.

Sie trug nach außen hin eine heitere und gelassene Miene zur Schau, doch innerlich bebte sie vor Aufregung. Voller Schrecken, aber auch voller Sehnsucht dachte sie an den Hans Hirschberger. Sie hatten sich ineinander verliebt, aber so wie es ausschaute, gab es keine Möglichkeit, dass sie sich jemals zueinander bekennen konnten. Niemals würden die beiden Väter es zugeben, dass sich die Familien Hirschberger und Grunauer vertrugen und gar vereinigten.

Dabei hatten Ursel und Hans von klein auf teilgenommen an dem Familienstreit. Sie hatten sich, wie Kinder so sind, gegenseitig mit Steinen beworfen und Schimpfnamen zugerufen. Doch irgendwann, als sie heranwuchsen, kam ihnen die ganze Sache nicht nur lächerlich, sondern sogar dumm vor. Und so begruben sie den Streit, trauten sich aber nicht, ihren Vätern davon zu erzählen. Stattdessen versuchten sie beide, die Väter zu einer gemäßigten Gangart zu bringen, umso vielleicht eines Tages die Familien zu versöhnen. Im Laufe der Zeit hatten sie Zuneigung füreinander empfunden, und aus der Zuneigung war Liebe geworden. Eine heimliche stille Liebe, von der niemand etwas wissen durfte. Nur in seltenen Momenten, die für beide zärtlich, kostbar und süß, aber auch schmerzlich waren, konnten sie sich zueinander bekennen, heiße Küsse tauschen, ewige Liebe schwören, und doch mussten sie nach kurzer Zeit wieder auseinandergehen und so tun, als hassten sie sich,

Für Ursel verging dieser Tag quälend langsam. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass es endlich Abend wurde, dass der Vater zu Bett ging und sie sich heimlich aus dem Hause stehlen konnte. Sie sehnte sich danach, sich in die starken Arme ihres auch Burschen zu schmiegen, dem kräftigen Schlag seines Herzens zu lauschen und für kurze Zeit alle Sorgen zu vergessen.

2

»Ich hab’ gedacht, er würd’ nie mehr aufhören mit seiner Schimpferei«, berichtete Hans seufzend.

»Mir ging es ähnlich«, bekannte Ursel. »Ich hab’ lang geglaubt, sein Hass gäb’ ihm heut Abend gar keine Ruh’.«

»Dabei könnt’ das ganze Leben so schön sein, wenn sich die beiden alten Herren vertragen täten«, meinte der Bursch betrübt. »Aber jetzt hab’ ich dich hier. Und das tut gut.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie und voller Liebe erwiderte Ursel den Kuss. Das Pärchen befand sich in dem wohl geheimsten Ort von Untermonheim. Es handelte sich dabei um eine verschwiegene Grotte im Berg, gar nicht weit vom Dorf entfernt. Aus dem Dorf hinaus führte ein schmaler Pfad zum Gottesbuckel. Niemand wusste mehr, woher dieser Name stammte, doch jeder nannte, den Berg so, ohne sich Gedanken darüber zu machen.

Der Pfad führte rund um den Berg und dann hinauf zu seinem Gipfel. Doch fast auf halber Höhe gab es ein dichtes Brombeergebüsch. Wer sich durch dieses hindurchgeschoben hatte, konnte endlich die Höhle betreten, in der es nach wenigen Metern wieder steil abwärts ging. Man musste aufpassen, um nicht zu stürzen und sich womöglich etwas zu brechen, bevor man unten ankam. Hier im Inneren des Berges entsprang ein kleiner murmelnder Bach, der außerhalb der Höhle schon bald oberirdisch dahinplätscherte.

Die beiden jungen Leute hatten diese Grotte durch Zufall gefunden und waren sich eigentlich sicher, dass niemand außer ihnen von diesem heimlichen Ort etwas wusste. Wahrscheinlich gab es hier, und da ein Pärchen, das ebenfalls schon einmal hier gewesen war, doch offiziell wusste niemand etwas davon, und so sollte es auch bleiben.

Ursel lehnte sich an den Burschen und betrachtete die Wände, von denen im Schein der mitgebrachten Kerze ein seltsamer Glanz ausging. Die Luft war feucht und kühl, in einer Ecke lag altes Holz und verbreitete einen leicht modrigen Geruch, der dennoch angenehm war. Irgendwo hoch oben, dort, wo der Schein der Kerze nicht mehr hinreichte, raschelten Fledermäuse, das Bächlein murmelte beruhigend.

Ursel und Hans saßen dicht beieinander auf einer dicken Lage Stroh, das Hans heimlich herbeigeschafft hatte.

»Ach, Hans, was können wir nur tun?«, fragte sie leise und spürbar niedergeschlagen. »So kann es doch net weitergehen. Stell dir nur einmal vor, wir würden erwischt. Das gäb’ bestimmt ein Unglück.«

»Mir gefällt dieser Zustand auch net«, gab der Bursche zu. »Dabei würd’ ich dich lieber heut’ als morgen heiraten. Aber ich versprech’ dir, wir beide werden vor den Traualtar treten, ob es unseren Vätern passt oder net.«

»Und wie willst das anstellen?«, fragte Ursel niedergeschlagen.

Mutlos hob Hans die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Ich weiß es auch noch net, aber wenn es gar net anders geht, werden wir eben unsere Elternhäuser verlassen müssen. Geheiratet wird auf jeden Fall.«

»Das klingt schrecklich, dass wir unsere Väter verlassen sollen«, bekannte Ursel. »Aber ich fürchte, du hast wirklich recht. Nur, wir sollten es doch versuchen, unsere Väter zur Vernunft zu bringen.«

»Ach, Ursel«, seufzte Hans und zog sie enger an sich. »Du hast ein so gutes Herz. Ich frage mich, wie dein Vater zu einem so lieben Madl kommt.«

»Du!«, drohte Ursel ihm scherzhaft. »Kein Wort gegen meinen Vater, sonst sag’ ich mal, was mein Vater über den deinen sagt.«

»Wollen wir jetzt auch streiten?«, erkundigte sich Hans.

»Nur, wenn wir uns sofort wieder versöhnen. Mit einem dicken Kuss«, erklärte Ursel lachend.

»Das kann ich auch ohne Streit«, sagte Hans mit einem jungenhaften Grinsen und küsste sie innig.

»Ich weiß was«, rief Ursel plötzlich und löste sich aus seinen Armen.

»Was weißt du?« wollte Hans wissen.

»Wir heiraten!«

»Ja, freilich heiraten wir. Aber doch net heut’ Abend. Komm lieber wieder her!«, bat Hans.

»Doch heut’ Abend noch«, bestimmte das Madl. »Wenn der Pfarrer uns keine Steine in den Weg legt. Komm, wir gehen gleich hin!«

»Ich versteh’ gar nix mehr«, beklagte sich Hans. »Was hast du denn vor?«

»Du willst mich doch heiraten, oder net?«, forschte Ursel noch einmal nach.

»Ja schon. Ich versteh’ nur net, was das heut’ noch soll«, beschwerte sich der Bursch verwirrt.

»Ganz einfach«, meinte die Ursel lächelnd. »Wir gehen jetzt zum Herrn Pfarrer und lassen uns trauen. Wir sind beide volljährig, und der einzige Hinderungsgrund sind unsere Väter. Aber was die net wissen, kann sie net stören.«

»Du meinst, jetzt sofort? Und wie soll es dann weitergehen?«, fragte Hans verblüfft.

»Wir müssen das erst geheimhalten, aber nach und nach werden wir unsere alten Herren schon noch zwingen, sich zu vertragen«, bestimmte sie plötzlich spitzbübisch.

»Und du glaubst wirklich, das schaffen wir?«, meinte er noch halb zweifelnd.

Ursel nickte heftig, und der Bursch zog sie in seine Arme und busselte sie herzhaft ab.

»Ich hab’ ja gewusst, dass ich mir ein besonders kluges Madl ausgesucht hab’!«, rief er glücklich. »Das ist die beste Idee dieses Jahrhunderts.«

»Wart noch mit deinen Lobpreisungen!«, wehrte Ursel ab. »Zuerst einmal muss der Herr Pfarrer mitmachen.«

»Das wird er bestimmt«, erklärte Hans im Brustton der Überzeugung. »Wir werden ihm schon klarmachen, warum wir einfach net mehr anders können.«

3

»Kinder, wie stellt ihr euch das denn vor?«, fragte Hochwürden Bachmaier völlig fassungslos.

Gerade hatten Ursel und Hans seine Abendruhe gestört und aufgeregt ihren Plan erklärt. Bachmaier dachte flüchtig an sein Buch und die gute Flasche Wein, mit der er sich in sein Refugium zurückgezogen hatte. Dort durfte ihn unter normalen Umständen nicht einmal seine Hauswirtschafterin stören, eine sehr resolute Frau, die vor nichts und niemandem Respekt hatte, aber den Haushalt seit Jahren perfekt führte.

Theres Meininger, so hieß die Perle, stand jetzt mit grimmigem Gesicht neben dem Pfarrer und starrte missbilligend auf das Pärchen, das es gewagt hatte, die Abendruhe des Pfarrers mit dem dramatischen Zusatz, es ginge um Leben und Tod, zu stören gewagt hatte. Dann aber waren die beiden rasch zum Kern ihres Anliegens gekommen.

»Habt’s ihr nur diesen dummen Grund, den Herrn Pfarrer mitten in der Nacht zu stören?«, fragte sie böse.

»Nun lassen S’ mal gut sein, Theres«, sagte Bachmaier beschwichtigend. »Das ist gar net mal eine so schlechte Idee, die die beiden da haben. Aber vielleicht hättet ihr wirklich bis morgen warten sollen. Das ist eine schwerwiegende Entscheidung, denn so was ist nur in einem echten Notfall möglich. Wollt ihr net noch mal drüber schlafen?«

»Nein!«, erwiderten die beiden wie aus einem Mund.

»Es ist ein Notfall«, fügte Ursel fest hinzu. »Ich kann net mehr.«

Pfarrer Bachmaier seufzte. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie die beiden Väter darauf reagieren würden, sobald sie es erfuhren. Doch je länger er darüber nachdachte, desto mehr gefiel ihm die Idee, den beiden alten Streithähnen einen Denkzettel zu verpassen.

»Theres, Sie sind die Trauzeugin«, sagte er plötzlich. »Ich tu’s!«

»Aber, Hochwürden ...«, begann die Frau ganz entsetzt.

»Kein Wort mehr«, donnerte der Pfarrer nun mit bester Kanzelstimme. »Ich werd’ das Paar verheiraten. Und zwar sofort! Und von Ihnen will ich kein Wort hören, weder jetzt, noch irgendwann später. Die ganze Sach’ bleibt unter uns. Niemand darf vorerst etwas davon erfahren. Ist das allen klar?«

Theres Meininger schwieg, doch ihre Blicke sagten deutlich, dass sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden war. Dennoch bereitete sie eilig das Nötigste vor.

Kurz darauf betraten Ursel und Hans das Kirchenschiff. Pfarrer Bachmaier erwartete sie am Altar. Theres Meininger stand vor den Stufen und schaute dem Pärchen finster entgegen. Ein wenig scheu nahm Hans die Hand von Ursel und schritt mit ihr auf den Altar zu.

»Willst du, Johannes Matthias Hirschberger, die hier anwesende Ursula Maria Grunauer zu deiner Frau nehmen?«, fragte Pfarrer Bachmaier nach einigen einleitenden Worten.

»Willst du sie lieben, achten und ehren, vor Gott dem Allmächtigen, bis dass der Tod euch scheidet?«

»Ja, ich will«, antwortete Hans mit fester Stimme.

»Und so frage ich auch dich, Ursula Maria Grunauer. Willst du diesen Johannes Matthias Hirschberger zu deinem Manne nehmen, ihm dienen, ihn lieben, achten und ehren, bis dass der Tod euch scheidet?«

»Ja, ich will«, sagte auch Ursel.

»So erkläre ich euch kraft, der mir verliehenen Vollmacht vor Gott, dem Allmächtigen zu Mann und Frau. Möge Gott der Herr seine schützende Hand über eure Liebe halten.«

Plötzlich klang ein Schluchzen auf. Theres Meininger hatte nicht an sich halten können. Tränen liefen ihr die Wangen entlang und mit einer bittenden Geste legte sie die Arme um Ursel.

»Es ist ja so schön, wenn ein junges Paar heiratet«, meinte sie. »Und ich wünsch’ euch alles Gute. Der Herr Pfarrer hat das wieder einmal so rührend gemacht, und ich muss bei Hochzeiten sowieso immer weinen.«

Auch Ursel standen Tränen in den Augen, als Hochwürden Bachmaier ihr gratulierte. Dann aber fiel sie Hans um den Hals, und es folgte ein langer Kuss.

»Und nun müssen wir uns schon wieder trennen. Wir müssen beide heim«, erklärte Ursel tapfer, während sie sich die Tränen mit einem Tuch abwischte, das ihr die Theres gereicht hatte.

»Ja, Kinder, das ist im Augenblick alles, was ich für euch tun kann«, meinte Hochwürden Bachmaier bekümmert. »Ich würd’ gern mit euch ein richtiges Hochzeitsfest feiern. Aber ich bin sicher, der Herrgott wird’s schon richten, dass wir das bald nachholen können. Vor dem lieben Gott seid ihr Mann und Frau. Also benehmt euch liebevoll gegeneinander, was bei den Vätern bestimmt net leicht sein wird. Ich will euch aber noch einen besonderen Segen mit auf den Weg geben.«

Hans und Ursel knieten noch einmal nieder und nahmen den Segen in Empfang. Dann schritten sie Hand in Hand in die Nacht hinaus.

»Was soll das nun geben, Hochwürden?«, fragte die Theres.

»Ich weiß es net. Aber ich bin sicher, die ganze Sache wird sich noch zum Guten wenden. Der Herrgott hat noch nie eines seiner Schäfchen vergessen, Theres«, erwiderte der Pfarrer überzeugt.

Hans und Ursel standen im Schatten der großen Eiche, die mitten auf dem Dorfplatz stand. Noch einmal küssten sie sich innig, konnten sich kaum voneinander lösen. Dann aber nahm Hans seine Arme zurück.

»Du musst gehen, Liebes«, sagte er leise.

»Ja«, gab sie ebenso leise zurück, »noch darf niemand etwas merken. Ach, Hans, ich glaub’, wir haben das Rechte getan, aber ich hab’ trotzdem Angst.«

»Glaub mir, ich auch. Aber wir müssen und wir werden eine Möglichkeit finden, die Väter zu versöhnen. Und nun müssen wir heim.«

Sie gingen auseinander, drehten sich immer wieder um und winken schließlich im fahlen Schein des Mondes einander ein letztes Mal. Dann verschwanden sie im Dunkel der Nacht.

4

»Der Kerl, der wird mich noch kennenlernen«, brummte der Hirschberger grantig, als er am Morgen beim Frühstück saß.

»Ist es denn gar so arg? Gibt’s denn wirklich keinen Weg, dass ihr euch mal aussprecht?«, wollte Hans wissen und erntete einen bitterbösen Blick.

»Mit dem red’ ich bestenfalls unter vier Fäusten«, knurrte der Alte.

»Kann mir mal einer erklären, warum das so ist«, wollte Hans ärgerlich wissen. »Seit ich ein kleiner Bub war, kenne ich nix anders als den Hass zwischen den beiden Familien. Es muss doch einen Grund dafür geben.«

»Warum willst das so genau wissen?«, polterte der Hirschberger. »Das war schon immer so. Schon mein Vater und mein Großvater stritten mit deren Vater und Großvater. Dabei bleibt es. Punktum!«

»Das muss doch net so bleiben«, widersprach Hans. »Wär’s denn net für alle besser, miteinander zu reden?«

»Worüber soll ich mit dem reden, mit dem gscherten Hammel?«, fuhr der Alte auf. »Ich hab’ nix zu reden mit dem! Und du gefälligst auch net!«

»Ich lass’ mir net den Mund verbieten. Ich werd’ ihn grüßen, und die Ursel auch«, empörte sich der Sohn.

»Du wirst dich von der Familie fernhalten, auch von dem Madl«, befahl der Hirschberger. »Mir ist sowieso net klar, wie der abscheuliche Kerl zu so einem hübschen Madl kommt. Wer weiß, ob vielleicht da die Frau ...«

»Vater, jetzt reicht’s aber«, fiel Hans ihm ins Wort. »Ist es net genug, dass ihr wie zwei Todfeinde gegeneinander steht? Musst du jetzt auch noch Gerüchte in die Welt setzen? Schämen sollst du dich. Die Ursel ist ein nettes Madl.«

Der alte Hirschberger warf seinem Sohn einen argwöhnischen Blick zu.

»Du wirst doch am End net einen Blick auf die geworfen haben?«, fragte er misstrauisch.

Jetzt wäre der Zeitpunkt gewesen, um dem Vater ein Wort zu sagen, doch Hans schwieg. Er wusste, es wäre jetzt zu einem endgültigen Streit gekommen, dessen Verlauf niemand vorhersagen konnte. Und damit wäre die letzte Möglichkeit genommen, die Familien zu vereinen.

»Ich find’, sie ist wirklich hübsch«, meinte er daher ausweichend, »und ich lass’ mir net verbieten, einem Madl nachzuschauen, egal wohin sie gehört.«

»Ja, ja, schon recht, nachschauen kannst, wem du willst«, knurrte der Hirschberger. »Aber lass dir gesagt sein, ich hab’ andere Pläne mit dir. Da gibt es zum Beispiel die Magdeier Vroni, das ist ein Pfundsmadl. Die kann alles, was eine gute Frau können muss. Schau dir die mal näher an!«

Hans hatte absolut keine Lust, sich die Vroni näher anzusehen. Er kannte sie. Sie war herrisch und hatte Haare auf den Zähnen. Würde er die heiraten, so wie sein Vater wünschte, würde er seines Lebens nicht mehr froh.

»Ich muss jetzt an die Arbeit«, erklärte Hans, um einem weiteren Gespräch über die Vorzüge der Vroni auszuweichen, und stand auf. Auch der Hirschberger erhob sich.

»Ich muss noch auf die Weide beim alten Brunnen. Da sind ein paar Pfähle lose«, sagte er.

»Da hab’ ich doch erst letzte Woche neuen Draht gespannt«, wunderte sich Hans. »Da war aber noch alles heil.«

»Und jetzt ist was kaputt«, beharrte der Alte. »Ich werd’ mich darum kümmern.«

Hans zuckte mit den Schultern, sollte der Vater ruhig nachschauen. Er war sicher, dass alles in Ordnung war.

Der alte Hirschberger hatte seine guten Gründe, zu dieser entfernt gelegenen Weide hinauszufahren. Gar nicht weit davon befand sich eine Wiese des Grunauers, auf der dessen preisgekrönter Bulle stand. Auf diesen hatte der Hirschberger es abgesehen.

Die Einzäunung der Bullenweide war besonders stabil, obwohl jeder Bauer wusste, dass so etwas keinen Bullen halten würde, wenn er wirklich gereizt war. Auch der Stromdraht stellte kein wirkliches Hindernis dar.

Hirschberger betrachtete sich das prachtvolle Tier genauer. Es hatte einen schweren Kopf mit kurzen, geraden Hörnern, der Körper war stark gebaut und muskulös. Solch einen Bullen hätte der Hirschberger auch gern besessen. Er hatte auf der Auktion sogar gegen den Grunauer geboten, doch zuletzt hatte sein Feind den Zuschlag bekommen. Es war aber nicht nur die alte Feindschaft, die den Hirschberger hierher getrieben hatte, auch eine gehörige Portion Neid spielte mit.

Der Bauer begann damit, den Bullen zu reizen. Er warf kleine Steine. Der Bulle hob den Kopf und schnaubte. Aus klugen, aber etwas tückischen Augen schaute das Tier auf den Menschen. Der Hirschberger lachte in sich hinein. Sollte der Bulle ruhig losstürmen, er, der Hirschberger würde schon schnell genug davonkommen.

Wieder schnaubte das Tier, mit heftigen Bewegungen scharrte es mit dem Vorderlauf über das Gras, riss dabei große Stücke aus dem Boden und senkte den Kopf. Jetzt wurde es für den Bauern Zeit, das Weite zu suchen, denn lange würde es nicht mehr dauern, bis der vierbeinige Muskelberg sich darauf besann, wer der Herr auf der Weide war.

Eilig stieg der Hirschberger auf seinen Traktor und zündete den Motor. Der tuckerte und hustete, sprang aber nicht an. Der Bulle, jetzt erst richtig aufmerksam geworden auf den Mann, der da so eilig verschwinden wollte, schnaubte wiederum und trabte mit immer schneller werdenden Schritten auf den Zaun zu.

Der Zaun war das einzige Hindernis, das den Bauern und das wildgewordene Tier jetzt noch trennte. Mit hektischen Bewegungen und gemurmelten Flüchen versuchte Hirschberger zum wiederholten Mal den Traktor zu starten. Nun war der Bulle bis auf wenige Schritte heran, erreichte den Zaun, von dem ein elektrischer Schlag ausging, und zuckte kurz zurück.

In diesem Augenblick sprang endlich der Traktor an und wurde gleich vom Bauern auf Touren gebracht. Der Bulle hatte nach dem Schlag nur kurz den massigen Kopf geschüttelt und war dann mit unverminderter Wut auf das Hindernis zugerannt.

Hirschberger sah im Rückspiegel, wie einige Zaunpfähle durch die Wucht des Aufpralls aus dem Boden gerissen wurden, der Draht verhedderte sich in den Hörnern, und der Bulle machte unwillige Kopfbewegungen. Dann nahm das massige Tier einen Apfelbaum als nächstes Ziel und rannte darauf los.

Hirschberger bog um eine Kurve, und damit verschwand der Bulle aus seinem Blickfeld. Er hätte sich jetzt gern befriedigt die Hände gerieben, doch der noch immer etwas bockende Traktor verlangte beide Hände am Steuer.

Gutgelaunt kam er daheim auf dem Hof an, wo ihm gleich Hans über den Weg lief.

»Hast du die Pfähle überprüft?«, fragte der Bursch seinen Vater.

»Ja, ja, ist alles in Ordnung«, erwiderte der Bauer so ganz nebenher.

Hans wunderte sich. Zuerst sollten Pfähle lose sein, dann waren sie plötzlich doch in Ordnung? In ihm regte sich so etwas wie Misstrauen, doch energisch schob er es wieder beiseite. Was sollte der Vater denn sonst gemacht haben? Aber woher kam die unglaublich gute Laune, diese offenkundige Befriedigung? Doch sicher nicht daher, dass er festgestellt hatte, dass die Weide in Ordnung war.

Hans zuckte mit den Schultern, der Vater würde schon seine Gründe haben. Voller Ungeduld dachte er wieder an seine Ursel, die er am Abend wieder zu treffen gedachte. Wenn sie doch nur ihre Liebe und die Heirat nicht geheim halten müssten!

Aus diesen Gedanken wurde Hans unsanft durch die Feuersirene gerissen, die plötzlich laut durch den Ort schrillte.

»Wo brennt es denn?«, rief einer der Knechte, während alle Mannsbilder zum Spritzenhaus rannten. In Untermonheim war jeder erwachsene Mann bei der Feuerwehr, und bei einem Alarm ließ jeder alles stehen und liegen, um zu löschen.

Im Spritzenhaus erfuhren sie dann, dass es nicht brannte.

»Der Bulle vom Grunauer ist los!«, rief der Wastl ihnen entgegen, der das Spritzenhaus hütete.

»Da hätt’ der Grunauer vielleicht besser auf seine Zäune aufpassen sollen«, meinte der Hirschberger hämisch, und Hans warf seinem Vater einen raschen Blick zu. Sollte der Vater vielleicht etwas damit zu tun haben? Aber das würde er doch nicht tun! Oder doch?

»Damit will ich nix zu tun haben«, erklärte der Hirschberger. »Soll der Grunauer doch zusehen, wie er sein Viech wieder einfängt. Ich helf’ ihm net.«

»Na, dann geh nur ruhig«, sagte der Michaelis bitter. »Aber denk dran, das kann auch dir mal passieren. Auch du wirst mal Hilfe brauchen, und dann überleg gut, wen du um Hilfe angehen kannst.«

Der Hirschberger machte eine abwehrende Handbewegung und marschierte davon. Hans aber blieb.

»Was tun wir denn jetzt?«, fragte einer der Männer.

»Wo ist der Bulle überhaupt?«, wollte ein anderer wissen.

Diese Frage wurde schnell und lautstark beantwortet, als ganz in der Nähe ein Zaun splitterte und eine Frau in höchsten Tönen schrie. Die Männer rannten aus dem Spritzenhaus und erblickten das wütend gewordene Tier gerade noch, wie es aus dem völlig zertrampelten Blumengarten der Witwe Moosbacher herausrannte. Die Moosbacherin stand mit einem Reiserbesen in der Hand in der Haustür und fuchtelte herum. Noch immer schrie sie, jetzt aber wütend.

»Macht, dass ihr das Viech von der Straße wegkriegt! Wie kommt der Bulle dazu, meine schönen Blumen einfach kaputtzutrampeln? Fangt ihn schon ein, los, macht schon, ihr Mannsbilder!«, feuerte sie die Männer an.

»Ruf den Tierarzt aus dem Nachbardorf«, ordnete Hans da an.

»Was soll er denn tun?«, höhnte ein anderer. »Dem Vieh über die Nase streichen und Bitte, Bitte machen, dass der auf seine Weide zurückgeht? Da kannst nur noch eines tun. Hol dein Gewehr aus der Stube und knall ihn ab!«

»Bist völlig deppert?«, fuhr Hans den Mann an. »Das ist ein preisgekröntes Tier. Ein Zuchtbulle, wie du ihn alle paar Jahre nur siehst. Den kannst net einfach abschießen.«

»Alle Achtung«, sagte der Michaelis anerkennend. »Dafür, dass ihr mit dem Grunauer net gut Freund seid, bist du aber gut drauf bedacht, sein Eigentum zu schützen.«

»Das tat’ ich für jeden anderen auch«, sagte Hans. Und dann fuhr er den armen Wastl an, der noch immer wie erstarrt vor dem Spritzenhaus stand. »Nun ruf doch endlich den Tierarzt, du Depp!«

Der Wastl verschwand, wie ein geölter Blitz.

»Und wir brauchen Seile, dicke feste Seile. Besorgt welche!«, befahl der Hans den anderen.

»Was hast du vor? Willst du vielleicht Lasso schwingen wie im wilden Westen?«, spottete einer der Burschen.

»Dich häng’ ich als ersten«, versprach Hans. »So macht doch schon, oder soll das Viech erst das ganze Dorf verwüsten?«

Plötzlich kam Bewegung in die Männer. Ein jeder lief los, um Seile zu holen, wie Hans verlangt hatte.

Unterdessen hatte sich der Bulle durch weitere Vorgärten gearbeitet. Hinter ihm blieb das Chaos zurück; zertrampelte Pflanzen, zersplitterte Gartenzäune und ausgerissene Pflanzen wiesen den Männern den Weg.

»Der Tierarzt ist unterwegs!«, rief der Wastl plötzlich hinter ihnen her. Dann verschwand er wieder im sicheren Schutz des Spritzenhauses. Er wollte auf gar keinen Fall dabei sein, schließlich konnte man nie wissen, auf welche merkwürdigen Gedanken der Hans noch kommen würde. Da war es besser, sich gar nicht zu zeigen, fand der Wastl.

Hans hatte unterdessen überprüft, welche Seile sich am besten für sein Vorhaben eigneten. Lang und fest mussten sie sein, hatte er überlegt.

»Wir müssen ihn auf den Kirchplatz treiben«, erklärte er den anderen Helfern. »Dort können wir ihn zwischen dem Kirchenschiff, der kleinen Kapelle und dem Pfarrhaus einkesseln. Dann werfen wir so viele Seile um seinen Kopf und die Beine, bis der Tierarzt ihm eine Beruhigungsspritze geben kann.«

Der Windacher Werner tippte sich gegen den Kopf und schaute Hans ein wenig mitleidig an.

»Bist jetzt vollkommen deppert geworden?«, erkundigte er sich betont freundlich. »Da können wir doch alle gleich unser Testament machen. Hast am End noch nie einen wilden Bullen gesehen?«

»Ich hab’ auf genau die gleiche Art in Wiesenheim zusammen mit nur drei Leuten einen Ochsen gefangen, der aus dem Schlachthaus ausgebrochen war«, gab Hans ruhig zurück.