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Drachen, Kobolde, Profikiller: Elijahs Team sucht gegen alle Widerstände die Waffe des Taddeus’, die Mackenzies Leben beenden wird. Verdammt zur Hilflosigkeit kann er nichts tun als warten. Können Hu und ein Plopp ihre Rettung sein? Ca. 48.000 Wörter Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte einen Umfang von ungefähr 235 Seiten
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Drachen, Kobolde, Profikiller:
Elijahs Team sucht gegen alle Widerstände die Waffe des Taddeus’, die Mackenzies Leben beenden wird. Verdammt zur Hilflosigkeit kann er nichts tun als warten.
Können Hu und ein Plopp ihre Rettung sein?
Ca. 48.000 Wörter
Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte einen Umfang von ungefähr 235 Seiten
Ähnlichkeiten mit lebenden, toten, untoten oder überirdischen Persönlichkeiten sind rein zufällig!
Inhalt
Kapitel 1:
Kapitel 2:
Kapitel 3:
Kapitel 4:
Kapitel 5:
Kapitel 6:
Kapitel 7:
Kapitel 8:
Kapitel 9:
Kapitel 10:
Kapitel 11:
Kapitel 12:
Kapitel 13:
Kapitel 14:
Kapitel 15:
Kapitel 16:
Epilog:
Index:
Vorwort von Brigitte Melchers
Die beiden Autorinnen baten mich um ein Vorwort. Ich fühle mich sehr geehrt und nach reiflicher Überlegung komme ich zu dem Schluss, die Leser vielleicht besser vor dieser Geschichte zu warnen, denn …
… dieses Buch übernimmt keine Gewähr für:
- Den Humor, der einfach nur genial und genau richtig platziert ist, um immer wieder laut aufzulachen und somit eventuell etwaige Mitmenschen im Umkreis auf sich aufmerksam machen könnte.
- Den erhöhten Taschentuchverbrauch, der durch die Tränen der Freude oder der Trauer entstehen kann, von den Lachtränen mal ganz zu schweigen.
- Die Atemnot, weil der Leser vor Spannung über die schicksalhaften Erlebnisse der Protagonisten das Atmen vergisst.
- Und zuletzt, die eventuelle Vernachlässigung seiner Mitmenschen durch den Zeitverlust, weil Sandra Gernt und Sandra Busch mit dieser liebenswerten Geschichte in fantastische Welten und Begebenheiten entführen, sodass man alles um sich herum gerne vergisst.
Es macht mich stolz, zwei meiner Lieblingsautorinnen Unterstützung zukommen zu lassen. Gerne helfe ich dabei, ihre wunderbaren Bücher noch lesenswerter, weil fehlerfreier zu machen (hauptsächlich der Dativ scheint in Norddeutschland einen schwierigen Stand zu haben). Es gibt da schon den einen oder anderen Verschreiber, über den ich mich amüsieren kann. Beispielsweise erfreuen sich die Protagonisten über „Gefühlstürme“ statt „Gefühlsstürme“. Genauso kann es passieren, dass „er auf der Seite lieben blieb“, Liebe kann wirklich so manches. Aber am meisten erfreuen mich Sätze, die von Yoda kommen könnten, da grammatikalisch etwas verdreht. Korrigieren kann also durchaus Spaß machen.
Nun aber genug geschwatzt. Genießt die Geschichte. Es lohnt sich. Viel Spaß.
Brigitte Melchers
„Irgendwelche Vorschläge, Hurry?“
Calvin beobachtete schmunzelnd, wie Hu erschrocken zusammenfuhr. Der Kurze konnte Augen und Ohren nicht vom Nachbarzelt lassen, in dem sich Elijah mit seinem Beauty vergnügte. Die zwei waren ein schönes Pärchen …
Es tat weh zu wissen, dass Beauty bereits bald sterben musste. Nicht nur, weil Elijah daran kaputt gehen würde, der Herz und Seele an Mackenzie „Beauty“ Kerr verloren hatte. Nein, der Schönling hatte bewiesen, dass er mehr war als lediglich eine hübsche Hülle.
Im Moment war diese Hülle lustig blau gepunktet, was insofern gut war, dass die Dämonen Beauty nicht aufspüren konnten. Es hatte ihnen Zeit gegeben, den Gipfel des Chimborazo zu erreichen. Hier, inmitten von Schnee und Gestein in luftigen 6267 Metern Höhe, sollte der arme Kerl in einem Schutzkreis ausharren, bis sich eine Lösung für sein Problem gefunden hatte. Eine Lösung, die bislang darin bestand, die zugehörige Waffe zu dem Artefakt zu finden, das Taddeus von Nicaea einst geschaffen hatte. Mit dieser Waffe und selbigem Artefakt sollte Mack sich selbst erschießen und schon war alles bestens, denn dann konnte das Artefakt nicht mehr missbraucht werden, wahlweise Himmel oder Hölle vollständig zu vernichten. Prima Sache! Ein Leben geopfert, Milliarden andere gerettet.
Elijah würde vermutlich anschließend Selbstmord begehen, was die Bilanz auf zwei zu zig Milliarden verschlechterte. Das war eigentlich immer noch ein netter Schnitt, sofern man nicht zu den Beteiligten gehörte.
Calvin hatte nicht vor, das zuzulassen. Mack war sein Freund, ein guter Mann! Und Hurry, der wie ein Babyküken an Elijahs Hintern klebte und ihm überallhin folgte, sollte gefälligst mehr tun, als bloß auf das unterdrückte Stöhnen und Keuchen der verzweifelt Liebenden zu lauschen.
„Was soll ich vorschlagen?“, murmelte Hu geistesabwesend. „Wir sollen eine Waffe finden, die seit Jahrhunderten von Himmel, Hölle und allem dazwischen vergeblich gesucht wurde. Beauty ist der einzige, der von dem Ding angezogen werden könnte. Der muss brav hier oben bleiben. Ich hab keine Ahnung, wo wir überhaupt anfangen sollen!“
„In Quito“, murmelte Ozzy ungefragt. Hurry sprang sofort hoch, bereit, sich auf den Telepathen zu stürzen. Er würde es dem armen Kerl wohl nie vergeben, dass der einen Mordanschlag auf Mack und Elijah verübt hatte; sobald Ozzy das Wort ergriff, drohten dem Kurzen die Sicherungen durchzuknallen. Dabei hatte Ozzy es doch wirklich gut gemeint und wollte den beiden das Leid ersparen, noch länger von jedem Dämonen der Hölle gejagt zu werden, bis Mack erwischt und gezwungen wurde, die Waffe gegen den Himmel einzusetzen. Routiniert schnappte Calvin sich den Kurzen mit seinen schaufelartigen Pranken und hielt ihn davon ab, Ozzy zu massakrieren. Der konnte sich zwar selbst verteidigen, aber Calvin liebte es, diese niedliche kleine Windhose im Arm zu halten.
„Lass mich los, du Riesenbaby!“, knurrte Hurry und versuchte vergeblich sich loszureißen.
„Nun schau, wer da von Babys spricht.“ Gnadenlos kitzelte er Hurry aus, bis der sich vor Lachen am Boden wand.
„Warum Quito?“, fragte Liz derweil.
„Der Boss will, dass wir dorthin gehen. Der telepathische Empfang ist hier oben aufgrund der magischen Interferenzen leicht gestört, ich kann nicht genauer sagen, warum oder was wir dort tun sollen.“
„Dir ist aber bekannt, dass Quito mal so eben hundertvierzig Meilen entfernt liegt?“, fragte Rhett kopfschüttelnd. „Mit unseren paar Lamas und ohne vernünftige Ausrüstung würde das einige Wochen oder länger dauern.“
„Wenn wir vom Chimborazo runter sind, kann ich wieder besser empfangen und senden und Hilfe anfordern. Wir können jedenfalls nicht mehr ewig faul im Schnee liegen.“
„Wir können Mack aber auch nicht allein zurücklassen“, sagte Vicky und wies zu Elijahs Zelt hinüber, in dem es mittlerweile still geworden war. Alle blickten auf die im Wind leise flatternde graue Plane und plötzlich trat Elijah heraus. Trotz der Kälte trug er nichts weiter als seine Hose, die dazu noch halb offen stand und viel zu tief auf seinen Hüften saß. Sein Haar stand wirr vom Kopf ab, als wäre es eben noch von einer Hand zerzaust worden. Mit ernster Miene blieb er vor seinem Team stehen und musterte einen nach dem anderen.
„Ich werde bei Mackenzie bleiben“, sagte er leise. Alle nickten und hatten dafür Verständnis, dass er bis zum bitteren Ende bei seinem Liebsten bleiben wollte.
„Wir werden uns aufteilen müssen“, fuhr Elijah fort. „Die Dämonen könnten uns trotz Schutzkreis angreifen und erneut versuchen, Mack zu entführen. Ihr wisst, dass das nicht passieren darf.“
Natürlich war das jedermann klar. Aufteilen bedeutete jedoch, ihre Truppe zu schwächen.
„Wer von euch ist bereit, das Artefakt zu suchen?“, fragte Elijah leise.
„Ich!“ Die Windhose trat sofort einen Schritt vor, spontan wie immer. Calvin seufzte und gesellte sich an Hurrys Seite. Er würde den Kleinen nicht aus den Augen lassen. Wer sollte ihn sonst von Dummheiten abhalten? Dankend nickte ihm Elijah zu.
„Ich gehe ebenfalls mit“, erklärte Helga mit ihrer rauen Stimme. „Und es wäre gut, wenn wir jemanden dabei hätten, der es mit der Schwerkraft nicht so hat.“
„Bin schon da.“ Ron gesellte sich zu ihnen. Auch Liz trat vor, ihren Bogen über der Schulter. Dieses Mal allerdings schüttelte Elijah den Kopf. „Dich brauchen wir hier. Stattdessen würde ich es begrüßen, wenn Ozzy mitgeht.“
Zögernd tauschten die beiden die Plätze.
„Der da?“ Prompt ging die Windhose in die Luft. „DER DA?“
*Komm mal wieder runter, du Zwerg unter den Bonsais.* Ozzys offenes Senden sorgte dafür, dass sich Hurry sofort auf ihn stürzte, die Fäuste geballt und das Gesicht eine grimmige Maske. Ein heftiger Luftstrom brachte Calvin ins Taumeln, als der ihn abfangen wollte. Gegen Elijah wagte der Wicht seine magischen Tricks nicht einzusetzen, sodass der ihn festhalten konnte.
„Dem trete ich in den Arsch, bis der Fuß stecken bleibt!“, schrie der Kleine wütend.
„Reg dich ab, Hu. Ihr braucht ihn.“
„Niemand braucht ihn. Er wollte dich umbringen!“ Zornig funkelte Hurry den Telepathen an, der mit vor der Brust verschränkten Armen dastand. „Und Beauty ebenfalls“, fügte er aufgebracht hinzu.
*Ich habe einen Fehler gemacht. Dazu stehe ich. Und ich habe mich entschuldigt.*
„SIE HÄTTEN TOT SEIN KÖNNEN!“, brüllte Hurry, woran auch Elijahs mahnendes Kopfschütteln nichts änderte. Auf einmal legte sich eine Hand auf Hurrys Schulter. Grün-braune Iriden schauten ihn freundlich an.
„Hu, ihr werdet ihn brauchen“, sagte Mackenzie sanft und hängte Elijah eine Decke um, bevor er ihn in seine Arme schloss, um ihn zu wärmen.
„Ich kann mein eigenes Grab schaufeln. Wozu sollte ich ihn benötigen?“ Feindselig funkelte Hurry Ozzy an, der weiterhin ruhig blieb.
„Um die Verbindung zu uns und dem Boss zu halten“, erklärte Mackenzie und schmiegte seine Wange an Elijahs Bart. „Wir würden nicht vor Sorge um euch vergehen, wenn er uns regelmäßig Bericht erstatten kann.“
„Aber er …“
„Schluss jetzt!“ Elijah machte sich von Mackenzie los und sah seinen Zögling strafend an. „Wenn Mack und ich Ozzy vergeben kann, dann erwarte ich von dir zumindest professionelles Verhalten gegenüber einem Teammitglied. Wenn dir das nicht gelingt, kehrst du sofort zum Hauptquartier zurück und kannst die Schuhe vom Boss putzen. Verstanden?“
Mit offenem Mund starrte Hurry ihn an. „Du … du würdest mich ausschließen?“
„Ohne zu zögern. Es geht in diesem Fall um mehr als um deinen verfluchten Stolz, Hu Chow.“ Elijah griff nach Mackenzies Hand, um sie zu drücken. Calvin konnte verfolgen, wie es in dem Gesicht seiner kleinen Windhose arbeitete. Schließlich drehte sich Hurry auf dem Absatz um und verbeugte sich knapp vor Ozzy.
„Ich entschuldige mich in aller Form“, sagte er, wenn er auch noch an seinem Ton hätte arbeiten können. Ozzy war klug genug, um lediglich stumm zu nicken.
„Wann sollen wir aufbrechen?“, fragte Helga. Sie würde sich sicherlich von Rhett verabschieden wollen, ebenso wie sich Vicky und Ron Lebewohl sagen würden. Nun, wenigstens konnte er selbst bei dem Mann bleiben, der ihm im Laufe der Jahre wichtig geworden war. Schade nur, dass Hurry ihn bloß als Kraftprotz und menschliche Mauer sah. Calvin seufzte leise und schüttelte mühsam die aufkommende Melancholie von sich.
„Morgen früh“, antwortete Elijah. „Geht morgen früh. Du hast das Sagen, Helga.“
Sie errötete, denn sie war sich ihrer Verantwortung bewusst. „Ich werde dich nicht enttäuschen“, versprach sie. „Euch beide nicht.“
„Das weiß ich“, murmelte Elijah.
„Danke“, fügte Mackenzie hinzu.
Es tat weh, die beiden Liebenden zu beobachten. Calvins Herz war angesichts dieser innigen Zuneigung neidisch. Nicht, dass er Elijah und Beauty ihr Glück nicht gönnte. Sein Blick glitt zurück zu Hurry, der schmollend an der Seite stand. Du liebe Güte! Der Winzling hatte doch wohl nicht gehofft, selbst den Anführer spielen zu dürfen?
„Pass auf ihn auf, ja?“
Erschrocken zuckte Calvin zusammen. Elijah befand sich direkt vor ihm. Wann war er auf ihn zugegangen?
„Äh … ja … klar …“
„Calvin, ich zähle auf dich. Bring Hurry heil zu mir zurück.“
„Natürlich“, flüsterte er angesichts der eindringlich auf ihn gerichteten eisblauen Augen. Elijah schaute ihn an, als wüsste er etwas. Etwas, das er eigentlich hatte verbergen wollen, um sich nicht lächerlich zu machen. Der kleine Bonsai und er, der Schrank. Ach was, komplette Schrankwand. Eine solche Beziehung konnte nur lächerlich enden …
Hu schlich im Windschatten seines Vormannes vor sich hin. Calvins breiter Körper schützte ihn ein wenig vor dem Schneesturm, der sie beim Abstieg vom Berg überfallen hatte. Am liebsten würde er sich magisch gegen die Eiswinde wehren, die ihm die Luft zum Atmen nahmen und jegliches bisschen Wärme stahlen, doch Helga wollte es nicht erlauben. Sollte jemand von ihnen abstürzen, würde seine Kraft gebraucht werden, um Ron zu unterstützen.
Es war ihm auf der anderen Seite auch durchaus Recht, von den Elementen gebeutelt zu werden. Das hinderte ihn daran zu viel zu grübeln und sich einsam zu fühlen.
Ohne Elijah hatte er Angst. Angst vor Dämonen, Angst vor dem Tod. Angst vor dem Leben. Zu wissen, dass er seinen besten Freund, großen Bruder, Mentor und Beschützer schon bald gänzlich verlieren würde, riss ihn innerlich in Stücke. Diese entsetzlichen Minuten, als er fest überzeugt gewesen war, Elijah und Beauty wären von Ozzys verfluchter Bombe getötet worden … Es war Wahnsinn, was machten sie hier eigentlich? Wollten sie tatsächlich das Werkzeug suchen, mit dem Mack sein Leben zu beenden hatte?
Vermutlich würden sie es nicht finden, schließlich wäre Mack der einzige, der überhaupt die Chance dazu hätte. Hu sah sich selbst mit weißen Haaren und zehenlangem Bart, wie er tattrig und altersblind durch den Dschungel von Borneo irrte, während Calvins dröhnender Bass ihn darüber belehrte, dass sie das Artefakt diesmal garantiert entdecken würden: „Nur noch wenige Schritte, halt durch, Kleiner!“
„Nur noch wenige Schritte, halt durch, Kleiner!“
Hu zuckte zusammen, als Traum und Wirklichkeit zusammenprallten und er sich plötzlich in Calvins Armen wiederfand. Babyblaue Augen musterten ihn besorgt.
„Lass mich runter, verdammt!“, brüllte er wütend. „ Ich kann allein laufen!“
„Das hab ich gemerkt, du torkelst wie besoffen! Ich hab dich gerade noch vom Abgrund weggeholt!“ Calvins Stimme schaffte es kaum bis zu seinem Ohr, so stark heulte der Sturm mittlerweile.
Es war viel dunkler um sie herum als noch vor einigen Minuten. Erschrocken wurde Hu bewusst, dass er anscheinend tatsächlich kurzfristig die Kontrolle über sein Bewusstsein verloren haben musste. Außerdem fiel es ihm schwer die Augen offenzuhalten, er war müde und seltsam schwach. Diese verdammte Kälte und viel zu dünne Höhenluft!
Obwohl es gut tat, von Calvin gehalten und somit vor den nadelspitzen Schneeflocken bewahrt zu werden, die der Wind in sein ungeschütztes Gesicht prasseln ließ, zappelte Hu sich frei. Wenn er von den anderen anerkannt werden wollte, durfte er sich nicht bemuttern lassen. Jedenfalls von niemandem außer Elijah. Der durfte schließlich alles.
*Dort vorne ist eine Höhle, da können wir den Sturm aussitzen*, sendete Ozzy. Hu war zu erschöpft, um Wut beim Klang dieser Stimme zu empfinden. Kein verheißungsvolles Zeichen … Wenigstens wirkten die anderen genauso geschlagen wie er sich fühlte, was seinem ständig zerbröselndem Ego half.
Calvin stand Ron bei, der von einer besonders starken Bö beinahe umgeworfen wurde. Seltsam, für einen Moment verspürte Hu Enttäuschung, dass nicht er es war, dem Cals Aufmerksamkeit galt. Im nächsten Moment betrat er die Höhle, von der Ozzy gesprochen hatte und atmete erleichtert auf, sobald der Sturm schlagartig ausgesperrt wurde. Hastig arbeiteten sie Hand in Hand, um den Felsspalt mit einer Plane zu verhängen und ihre Zelte aufzustellen. Helga brachte mittels ihrer Feuermagie Vulkanschlacke zum Glühen. Das weiche geschmolzene Gestein lag überall herum und bot ihnen Wärme und dämmriges Licht. Aus diversen Spalten in den umliegenden Wänden drangen warmer Lufthauch und schwefeliger Gestank zu ihnen vor. Letzteres war eher unangenehm, aber nicht zu stark, um Grund zur Sorge zu geben. Der Chimborazo war ungefähr um 550 nach Christus zum letzten Mal ausgebrochen und es gab keine Hinweise, dass er das in naher Zukunft ändern wollte.
„Es ist nicht mehr weit, wir sollten die Untergrenze des Gletschers bald erreicht haben“, sagte Ron, der sich mittlerweile aus seinem Schneeanzug geschält und in seine Wolldecke gehüllt hatte. „Sobald der Sturm vorbei ist, müssten wir es in einem Rutsch bis nach unten schaffen.“
„Großartig. Das heißt, wir haben in über fünf Stunden kaum zwei Kilometer bewältigt“, knurrte Helga, die mittels ihrer Magie Schnee in einem Topf schmolz und zum Sieden brachte. Wenige Minuten später hielten sie alle ihre Tassen mit heißem Tee in den Händen. Hu beteiligte sich nicht an der Diskussion der anderen, die darüber spekulierten, ob sie den Abstieg wohl heute noch packen würden. Wozu die Eile?
Nach einer Weile fiel ihm auf, dass auch Ozzy ungewöhnlich schweigsam blieb und nicht einmal seine Gedanken sendete. Die rotbraunen Haare leuchteten seltsam in der Steinglut, während die grün-blauen Augen nahezu tot wirkten. Die lange Narbe an Ozzys Mund unterstrich den kränklichen Eindruck, den der Telepath bot. Widerwillig ließ Hu das Mitleid zu. Ozzy war nie sein Freund gewesen, er hatte ihn stets als unheimlich und gefährlich empfunden und ihm die Vertrautheit geneidet, die Elijah ihm gewährte. Noch immer war er unglaublich wütend und entsetzt über das, was Ozzy getan hatte und dennoch, es musste schrecklich sein, wenn einem die engsten Freunde nicht mehr trauen konnten und man eher geduldet als erwünscht war.
*Meine Einsamkeit ist selbst verschuldet, Hu. Im Gegensatz zu deiner.*
Ich bin nicht einsam!, dachte Hu, noch immer zu müde, um wütend zu reagieren. Die Kälte wich bloß langsam aus seinen Knochen, auch wenn der Tee wohltuend war.
*Du bist einsam, seit deine Mutter dich zurückgelassen hat. Seitdem suchst du jemanden, der deine Liebe erwidert. Da Elijah es nicht kann, bist du ununterbrochen wütend, eifersüchtig und eben einsam. Vielleicht solltest du irgendwann mal erwachsen werden.*
Hu atmete scharf ein, wobei er sich fast an seinem Tee verschluckt hätte. Dieser Scheißkerl!
Er schottete seine Gedanken konzentriert ab, um Ozzy zu zeigen, dass er an weiteren Gesprächen nicht interessiert war. Das hatte man davon, wenn man mit solchen Idioten Mitgefühl zeigte!
Plötzlich brach das Lachen ab, mit dem Ozzy ihn telepathisch belästigte. Ruckartig fuhren sie alle herum, als sie leises Kratzen und Poltern hinter sich vernahmen.
Irgendjemand oder –etwas kam auf sie zu!
Eine Gestalt kam aus dem Dunkeln gestolpert. Ein seltsames Knarzen wie von ungeölten Scharnieren begleitete den Ankömmling, der von Calvin aufgefangen wurde, ehe er stürzen konnte. Etwas schepperte zu Boden und rollte goldfunkelnd bis vor Hurrys Füße. Unwillkürlich hob er es auf und stellte fest, dass er einen herrlichen Kopfschmuck mit roten Federn hielt. Dünne, knöcherne Finger rissen ihm die Kostbarkeit aus den Händen und setzten sie auf langes, schwarzes Haar.
„Inka …!“, stotterte Ron.
„Ich bin der Sohn von Huayna Cápac …“
„Sehr erfreut dich kennenzulernen, Atahualpa“, unterbrach Helga den unheimlichen Fremden schroff, während Calvin sich verstohlen die Hände an der Hose abwischte. Er hatte einen Toten angefasst, bäh!
„Erkläre mir bitte, weshalb ein Geist wie du in dieser Höhle herumwandert, wo er doch eigentlich in einem Tempel spuken sollte“, wollte Helga wissen.
„Aaaaaah“, hauchte es ihnen staubig entgegen. „Euer Gefährte hat euch von mir berichtet.“
„Genau.“ Helga stemmte ihre Hände in die Hüfte und musterte die trockene Erscheinung ungerührt.
„Ihr seid nicht sicher“, wisperte Atahualpa. „Nicht an einem Ort wie diesem.“
„Was ist an diesem Platz verkehrt?“, fragte Calvin und rückte in Hurrys Nähe vor. Sollte tatsächlich ein Angriff erfolgen, würde er den Kleinen beschützen.
„Eine Opferstätte.“ Atahualpa deutete auf Helgas Teetopf. „Genau dort, wo ihr euer Gebräu erwärmt. Das Feuer weckt es auf. Die Flammen locken das Böse an und es kommt, während die Stürme toben. Stürme wie dieser …“
„Er mag damit nicht Unrecht haben. Ich kann spüren, dass uns etwas belauert.“ Ozzy wirkte angespannt. „Da befindet sich eine Präsenz am Rande meines Bewusstseins.“
„Das wir hätten totschlagen sollen“, murrte Hurry, allerdings derartig leise, dass bloß Calvin es hören konnte. Was Hurrys Glück war, denn wenn Helga das mitbekam, konnte sich sein kleiner Freund warm anziehen.
„Du rätst uns also demnach, wieder hinaus in dieses grässliche Unwetter zu gehen?“, erkundigte sich Helga bei dem toten Inka. „Und in Gefahr zu laufen, abzustürzen oder in einen Felsspalt zu rutschen?“
„Ihr könnt euch auch mir anvertrauen“, wisperte das mumienhafte Geschöpf. „Ich führe euch an Yggdrasils Wurzeln entlang bis nach Quito.“
„Kriecht da nicht der Drache herum?“, fragte Calvin skeptisch.
„No risk, no fun“, entgegnete Atahualpa mit einem undeutbaren Funkeln in den leblosen Augen. „Sagt man nicht so in eurer Zeit?“
Helga wirkte unentschlossen, daher schaute sich Calvin unter den Gefährten um. Ron musterte den Geist mit deutlicher Abneigung. Hurry wirkte wie stets abenteuerlustig. Er selbst war unsicher. Am aufmerksamsten musterte er daher Ozzy. Der wirkte sehr konzentriert und schien auf etwas zu lauschen, dass nur er hören konnte.
„Ozzy?“
Er reagierte gar nicht, sondern stand starr und still vor dem Felsklotz, auf dem er ein wenig abseits ihrer Gruppe gesessen hatte.
„Der Mann kann es hören“, sagte Atahualpa.
„Was?“, fragte Hurry und vergaß offenbar in seiner Neugierde den Hass auf Ozzy.
„Die Manifestation des Bösen.“ Der Inka kicherte. Es klang wie trockenes Gras, durch das der Wind streicht. Calvin trat noch einen Schritt näher zu Hurry. „Helga, du musst eine Entscheidung treffen“, sagte er leise.
„Beauty hat der Mumie vertraut.“ Hurry schien es nicht erwarten zu können, sich der Führung des Inkas zu überlassen.
„Er hatte allerdings zu diesem Zeitpunkt auch keine andere Wahl. Da war immerhin Elijah mit einer tickenden Bombe …“, knurrte Calvin. Im nächsten Moment wurde ihm bewusst, dass diese Bemerkung nicht allzu klug war, denn der Kleine ballte schon wieder die Fäuste. Wäre Helga nicht plötzlich zu Ozzy gegangen … Calvin malte sich diese Vorstellung lieber nicht aus. Sein kleiner Bonsai wäre einmal mehr ausgetickt.
„Ozzy? Kannst du mich hören?“
Ihr Gefährte nickte kurz.
„Können wir ihm trauen?“ Sie nickte in Richtung des Inkas, der sich mit einem langen Fingernagel in den Zähnen herumstocherte.
„Hier sollten wir jedenfalls nicht bleiben“, antwortete Ozzy. Calvin merkte, dass Hurry hin- und hergerissen war. Einerseits wollte er gerne das Abenteuer Inka annehmen, andererseits schlichtweg Ozzy widersprechen. Er selbst fühlte sich hin- und hergerissen. Die Option, erneut durch den Sturm zu laufen, lockte ihn nicht gerade. In der Höhle zu sitzen und darauf zu warten, dass etwas angriff, war ebenfalls nicht lustig.
„Es zieht sich was zusammen“, murmelte Ozzy abwesend, was umso unheimlicher war.