Tango für einen Hund - Sabrina Janesch - E-Book
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Tango für einen Hund E-Book

Sabrina Janesch

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Beschreibung

Ab in die Pampa? Nicht ohne Leuchtraketen, Pistolen und Hundefutter!

Unschuldig des Feuerlegens bezichtigt, von Freunden und Familie im Stich gelassen: Eigentlich will Ernesto Schmitt nur seine Sozialarbeit ableisten und dann bloß weg hier. Nichts hasst er so sehr wie das platte Land. Doch dann steht Besuch vor der Tür: Onkel Alfonso aus Argentinien, und mit ihm Astor Garcilaso de la Luz y Parra, ein furchteinflößender Rassehund mit einem Herz aus Karamell. Und bei der Mission, ihn auf die Hundeausstellung nach Bad Diepenhövel zu schaffen, kann nur einer helfen: Ernesto.

Gemeinsam begeben sich die drei auf eine Odyssee durch ein wildes Stück Deutschland. Aus Fremden werden Freunde, aus Schafshirten wackere Gauchos und aus der Heide die große, weite Prärie. Ein 17-Jähriger und sein exzentrischer Onkel sind auf der Flucht durch die Lüneburger Heide – vor den Bullen, der Vergangenheit, vor sich selbst ...

Ein rasantes Roadmovie mit Riesenköter.

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Seitenzahl: 361

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Sabrina Janesch

Tango für einen Hund

Roman

Inhaltsübersicht

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

Dank

Informationen zum Buch

Über Sabrina Janesch

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

für meinen Bruder Jeremie

1

Am Anfang war die Musik, klar? Der Typ, der meinte, am Anfang sei das Wort, der hatte definitiv keine Ahnung. Jedenfalls, wenn man mich fragt. Klarer Fall von schlechtem Drehbuch.

Denn am Anfang kommt immer, immer die Musik, zumindest, wenn’s ein guter Film werden soll. Wenn’s ein guter Film werden soll, bleibt die Leinwand für einen Moment noch schwarz.

Dann die Musik. In diesem Fall hier: Ziemlich leise, dann immer lauter werdend. Irgend so ein Westerngeklimper. Pling-Pling. Pling-Pling. Von dem man zuerst noch glaubt, dass es von einer kleinen Glocke kommt. Oder einem Stück Metall, das irgendwo gegen schlägt. Aber dann wird es lauter, und man kriegt mit: Da steckt ja ein System dahinter. Mit Noten und allem. Dann so ein träges, bedrohliches Quietschen von einer Mundharmonika. Noch bevor das Bild einsetzt, merkt man: Das hier wird brenzlig. Ungewöhnlich. Und es spielt nicht in der Stadt, sondern auf dem Land. Auf dem richtig platten Land. Wenigstens in diesem Fall hier. Könnt ihr euch gleich mal drauf einstellen: Das hier ist der wildeste Teil des Westens. Also, wenn wild heißen soll, dass es hier keine richtigen Städte gibt, bloß ein paar Eisenbahnlinien, die das Land durchkreuzen, und nicht besonders viel Bevölkerung, außer ein paar Eingeborenen, einer Handvoll Desperados und ein paar Greenhorns. Die Greenhorns nimmt aber niemand richtig ernst, die sind bloß hierher gezogen, um ihr Glück zu machen, was auch immer das heißen soll. Greenhorns unterscheiden sich von den Desperados, indem sie meistens irgendwas von Landleben faseln. Von biologischem Grünkohlanbau und den Sonnenaufgängen über dem Moor. Die Desperados faseln nie was, fast so wie die Eingeborenen, die ja nie auch nur ein Wort verlieren. Die Desperados, die haben schon vor dem Frühstück eine halbe Flasche Korn intus und wohnen draußen am Waldrand in abgewrackten Wohnwagen. Die sind auch voll back to nature, aber mehr, weil die keine Wahl haben. Die wissen, wie scheiße die Natur sein kann, kalt und nass, jedenfalls hier.

Das hier, haltet euch fest, ist die Lüneburger Heide. Und was hier alles los ist, zeigt gleich die allererste Einstellung:

(Mundharmonika quietscht, leise klimpernde Musik im Hintergrund, ein heiserer Wind kommt dazu.)

Nichts.

Also so richtig: Nichts.

Dazu, im Hintergrund: Plattes Land. Prärie. Nur, dass es hier keine Cowboys und schon gar keine Cowgirls gibt, hier gibt’s bloß ein bisschen dürres Heidekraut, ein paar armselige Schafe und eine winzige Anhöhe in der Mitte. Also keine richtige Anhöhe jetzt, bloß ein Fleck, der nicht ganz so platt ist wie der Rest ringsum und der deswegen von allen Semmenberg genannt wird. Zieht mir jedesmal die Schuhe aus, wenn das jemand ernsthaft sagt. Ehrlich, wenn man im Winter versucht, den runterzurodeln, muss man sich schon verdammt anstrengen, nicht nach hinten wieder hochzurutschen, so anti-steil ist der.

Ganz hinten rechts kann man Semmenbüttel erkennen. Also einen Haufen Strommasten und einen Kirchturm und eine Tangente, auf der aber nie ein Auto zu sehen ist. Warum auch, gibt ja nicht viel zu holen in Semmenbüttel. Gegenüber, fast schon am Horizont, beginnt der Wald. Eine Million Fichten in Reih und Glied, keine größer als die andere, jedes Wildschwein hat eine Nummer, und der Semmenbütteler Jägerverein stimmt jährlich darüber ab, welche Sau diesmal abgeknallt werden darf.

So ungefähr.

Genau an der Grenze zwischen Semmenbüttel und der Heide, da liegt der Heidesee. Den sieht man auch in der Einstellung. Und am Heidesee, da stehen so ein paar total traurige Gebäude rum. Alte Windmühlen und Sägewerke und ein altes Bauernhaus. Soll im Sommer Touristen anlocken. Nur, dass jetzt Sommer ist und keiner da. Tja. Nur vor der neugebauten orthodoxen Kirche stehen ein paar Leute rum. Russen, Baptisten, sieht man gleich. Die Frauen tragen immer knöchellange beige Röcke und Tücher auf dem Kopf, und die Männer dafür so ganz billige Hemden und Hosen mit Bügelfalte.

Etwas abseits von den Windmühlen, dem Bauernhaus und der orthodoxen Kirche steht noch ein Gebäude. Das ist das Altersheim von Semmenbüttel. Und trauriger als das Altersheim von Semmenbüttel ist bloß die Hütte auf seinem Gelände, direkt am See. Na ja, und bei der ersten Einstellung sieht man diese Hütte auch im Bild, ganz klein, im Hintergrund. Die soll wohl charmant oder romantisch aussehen. In Wirklichkeit gammelt die natürlich nur so rum.

Der Wind in unserem Film weht noch immer. Das sieht man daran, dass so ein Steppenläufer durchs Bild rollt. Ihr wisst schon, so ein Busch, total vertrocknet und verreckt, weil es schon seit Ewigkeiten nicht mehr geregnet hat. Spätestens wenn so ein Busch auftaucht, ist klar: Das ist eine ganz miese Gegend. Für Menschen. Für Büsche.

Dann aber, Überraschung: Kameraschwenk. Und jetzt gibt es auch was zu gucken. Jetzt geht nämlich die Handlung los. Und der ganze Käse von wegen Protagonisten vorstellen und foreshadowing. Die Musik ist jetzt auch aus. Nur der Wind weht noch.

Aber nur so laut, dass man mich noch fluchen hören kann. Der Typ da ganz links im Bild, mit dem orangefarbenen Clownskostüm und der Kappe im Nacken, das bin nämlich ich. Und jetzt geht’s los.

2

Ich fluche und ziehe mir meine Kappe in die Stirn.

»Un nu geiht dat los«, ruft Texas Joe rüber, aber ich wehre erfolgreich jeden Impuls ab, mich zu bewegen. Da haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen.

Ich glotze lieber weiter zu der kleinen Hütte hinten auf dem Gelände.

Zu 50Prozent bin ich mir sicher, dass das die Hütte ist. Also jetzt die Hütte, von der letzten Sommer alle geredet haben. Nonstop. Die Hütte. Jens und Frida. Die ganze Nacht. Ich könnte kotzen.

Irgendwie riecht es plötzlich nach Bifi, aber dann bemerke ich, dass ich bloß auf einem vertrockneten Maulwurf stehe. Hunger bekomme ich trotzdem.

»Ernie!«

Ich tue so, als würde ich nichts hören.

»Ernie!«

Dann stelle ich mir vor, wie der Che gestorben ist: Bam, Bambam, Bambambam, Bambambam, ganz genau neun Schüsse, erst in Arme und Beine, dann erst in die Brust und schließlich in die Kehle. Ein grausamer Tod. So wie ich ihn jedem wünsche, der mich Ernie nennt. Ist in 17Jahren die beste Taktik, die ich gefunden habe, um nicht total auszurasten. Wenn jemandem eine bessere einfällt, kann er sich gerne bei mir melden: Ernesto Schmitt, Gladiolenweg24, 38517Semmenbüttel. Meine E-Mail-Adresse gebe ich nicht raus, dann kommen bloß so E-Mails, wo drin steht, dass ich in der Lotterie gewonnen habe oder dass ich einem nigerianischen Prinzen helfen soll, sein Vermögen zu retten.

»Eeeernie!«

Und ein paar Sekunden später: »Ernestodamminochmol!«

Das ist zwar auch nicht mein Name, aber dieses Mal schaue ich auf. Vor allem, weil die Blätter, die ich gerade zusammenkehre, sich Hilfe geholt haben bei einem Haufen Hundekacke und die Zinken meiner Harke verkleben. Richtig gehört: Meiner Harke. Als gäbe es auf dieser Welt keine Laubbläser, Rechen oder wenigstens professionelle Gärtner, denen man diesen Job aufdrücken könnte. Als gäbe es nur mich und Texas Joe, der schon wieder Pause macht und mich anstiert.

»Ja, Mann«, sage ich. »Was.«

Texas Joe stiert mich immer noch an. »För’n Verbreker büst du bannig langsam.«

Ich betrachte die Blätter. Die Blätter betrachten mich. Dann drängt sich Texas Joe zwischen uns. Sein Atem riecht nach den Käsebrötchen, die mir meine Mutter immer geschmiert hat. Für die große Pause. Und die ich zwei Wochen lang im Ranzen gelassen habe.

»Ich bin nicht langsam«, sage ich. Und in Gedanken füge ich hinzu: Ich bin reaktionär. Aber das sage ich lieber nicht laut. Dann müsste ich es Texas Joe nämlich erklären. Ich hasse es, wenn ich Dinge erklären muss. Oder wenn wer anders Dinge erklärt. Die Sache, die man erklärt, verliert sofort an Bedeutung. Als würde man mit einer Stecknadel in einen Luftballon hineinstechen. Alles Wesentliche macht sich dünn, und zurück bleibt nur ein schrumpeliges Häutchen.

Apropos schrumpeliges Häutchen: Texas Joe heißt gar nicht Texas Joe, sondern Joachim Niendorf, und das einzig Originelle, was ihm in seinem Leben passiert ist, war die Geburt in Groß Oesingen, Ortsteil Texas. Das Kaff heißt wirklich so. Jedenfalls macht mich Joe mit seinem Greisengesicht echt fertig. Das nächste Mal, wenn ich mich zu zweihundert Stunden Sozialdienst verknacken lasse, werde ich auf alle Fälle dafür sorgen, dass ich zu einem richtigen Sklaventreiber komme, keinem, der beinah hundert ist, einen Buckel hat und so einen zentnerschwer belastenden Dackelblick. Und bei dem man froh sein kann, wenn man ihn überhaupt versteht. Klar kann der auch Hochdeutsch. Will der olle Düwel aver nich.

»Schmitt«, sagt Texas Joe. Fast hätte ich mich schon wieder nicht angesprochen gefühlt. Wenn man Ernesto heißt, nennen einen die Leute nicht oft beim Nachnamen.

»Wetst du, woför de hier büst?«

Sicher nicht, um die hohe Kunst der rhetorischen Fragen zu lernen. Oder ordentliches Platt. Ich schweige total souverän. Texas Joes Augenbrauen wandern ein klein wenig in die Höhe, seine hellblauen Pupillen bleiben, wo sie sind. Ich nehme an, das ist sein Standpaukengesicht. Dann weht mich wieder der Käsebrötchengeruch an.

»Buße, Dösbaddel.«

»Nein, Mann«, sage ich. »Gartenarbeit.« Das hatte ich genau gehört. Richter Ohsoling hat zwar genuschelt, war aber trotzdem klar rauszuhören: »Zweihundert Stunden Sozialarbeit« – nuschelnuschel –» Landschaftspflege« – nuschelnuschel– »Niendorf«. Von Buße war da keine Rede. Kein Ton.

»Hebb ick mir allens dörchlest. Hest Füür leggt dröven in’t Möhl. Büst’n schofliger Keerl. ’n Füürpüüster, un dat in dien Öller.«

Er scheint zu überlegen, wie er weitermachen soll, und mümmelt dabei auf dem Stück Knäckebrot rum, das er sich vorhin in den Mund geschoben hat.

»Woför hest du dat egens makt, he?«

Ich gehe einen Schritt nach hinten und nehme meine Kappe ab. »Ich habe kein Feuer gelegt«, sage ich. Schnell versuche ich, mich an die Legende zu erinnern. Ach ja: War zwar alles angeblich meine Schuld, war aber gar nicht so gemeint. Ist bloß so gekommen. Wenn ich das nicht durchziehe, war alles umsonst. Das ganze Training: Wie ich die Geschichte allen erzähle und dabei total glaubwürdig wirke. Und auch ein bisschen durchgeknallt und irgendwie labil. Das kaufen einem die Erwachsenen immer sofort ab. Vor allem, weil ja jetzt sowieso alle wissen, dass ich heimlich in Frida verknallt war. War deshalb, weil’s jetzt nicht mehr heimlich ist. Der Witz ist: Trotz der ganzen Aktion bin ich immer noch in sie verknallt. Und das macht mich zur Witzfigur.

»Wat? Kniepst du nu?«

»Nein. Is’ bloß so, ich weiß selber nicht so genau, wie’s passiert ist. Müssen die Hormone sein.« Ich versuche, ein bisschen durchgeknallt zu klingen, höre mich aber bloß an wie einer aus so einer total schlecht gespielten Daily Soap. Da kommt mir aber schon jemand zu Hilfe. Im Erdgeschoss des Altersheims steht eine alte Frau am Fenster, bestimmt zum dritten Mal heute, und winkt uns zu.

»Ihre Verehrerin«, sage ich. Texas Joe zögert, dann schaut er tatsächlich rüber. Der Sklaventreiber wird fahrig, zieht seine Mütze vom Kopf und wischt sich die Hände an der Hose ab. Dann winkt er zurück. Original wie ein Fünftklässler. Zum Totlachen.

»Ach, dat Frollein Mettmann«, sagt Texas Joe.

Da hätt’s mich beinah umgehauen: Frollein Mettmann. Frollein Mettmann ist mindestens neunzig Jahre alt und trägt beige Rüschenkleider, dass man meinen könnte, im Semmenbütteler Altersheim wird gerade irgendein Historienschinken gedreht. In gewisser Weise stimmt das ja auch. Bloß ohne Kamera. Und ohne Script.

Eigentlich dachte ich ja, mit dem Alter verschwindet die Schüchternheit irgendwie, so wie das Gedächtnis oder das Zahnfleisch. Aber sie bleibt, und das ist eine schlechte Nachricht. Denn wenn ich mir den Niendorf so anschaue, scheint seine Verklemmtheit noch gewachsen zu sein. Wie seine Nase. Oder seine Ohren. Biologie ist eine Bitch. Plötzlich stelle ich mir vor, wie Texas Joe an Fräulein Mettmann rummacht. Manchmal macht mein Gehirn so was. Ich schwöre, ich habe damit nichts zu tun. Mein Gehirn ist einfach pervers. Und wer leidet am meisten darunter? Ich. Vielleicht hätte Richter Ohsoling mich besser nach Prinsenloh geschickt.

Prinsenloh ist ein Kaff ein paar Kilometer weiter weg, und die Klapse dort soll eine der schlechtesten der Bundesrepublik sein, das haben die in der Schule bei Papa immer gesagt, und die müssen es wissen. Von Papas hundert Förderschülern war bestimmt schon über die Hälfte mal in der Klapse, aber gebracht hat es nicht wahnsinnig viel, kann man ja schon daran sehen, dass die immer noch auf seine Schule gehen müssen.

Nach Prinsenloh, hat Papa einmal gesagt, komme er bestimmt auch einmal, aber mehr wegen mir als wegen seinen Schülern.

Ich glaube, das war, als ich bei den JuLis eingetreten bin, aber ganz sicher bin ich mir da gerade nicht. Die FDP jedenfalls, das sagt Papa auch, die ist noch schlimmer als Prinsenloh, aber was heißt das schon von jemandem, der seit dreißig Jahren Mitglied der DKP ist. Und der seinen Sohn Ernesto genannt hat.

Wahrscheinlich hat wirklich nicht viel gefehlt, und ich wäre in Prinsenloh gelandet. Dann hätte ich denen jeden Tag fünfmal alles erzählen dürfen. Also warum ich denn nun genau in der Mühle den Joint geschmissen hatte, ob ich irgendwie lebensmüde wäre oder vielleicht doch gemeingefährlich. Und irgendwann wären die bestimmt draufgekommen. Dass das alles gar nicht stimmt, meine ich.

»Ick sull woll beter mol…« Herr Niendorf kratzt sich an der Stirn. Die ist gerötet, da, wo vorher die Mütze drüberlag.

»Klar«, sage ich. »Unbedingt. Die ist ganz scharf auf Sie. Gehen Sie hin und bringen Sie ihr Pralinen. Oder ’n Gedicht.«

Da schaut er aber schon wieder zu mir rüber, es ist, als würde er aufwachen und sich seiner extrem wichtigen Position als Sklaventreiber bewusst werden. Er dreht sich um seine Achse, schneller, als man es ihm zutrauen würde.

»Dat allens, Schmitt« –er zeigt vom Altersheim runter zum Heidesee und weiter nach hinten zu den Windmühlen– »mutt du meihen. De Rabatten geten. Un de Aantenhütt püükfein feudeln. Den Steg schrubben. Dat Reet utrieten. Givt rieklich to doon.«

»Entenhütte mach ich aber nicht«, sage ich gleich. Schnell überlege ich, ob man gegen Entenscheiße allergisch sein kann. Aber gegen Federn doch bestimmt. Verdammt, ich weiß es nicht. Was ich jedenfalls weiß, ist, wie es in so einer Federviehhütte stinkt. Und das habe ich nicht verdient. Nicht mal ich.

Ich schaue auf die Uhr. Es ist Viertel vor zehn. Das sind keine guten Neuigkeiten. Denn von zweihundert Stunden sind erst fünfzehn Minuten um. Also doch Buße, denke ich, und harke wieder in den Blättern herum. Warum auch nicht. Bin zwar kein Krimineller. Aber ein Gehirnamputierter. Und wer hat’s mir amputiert? Frida.

Frida und Ernesto. Mit uns hätte es so ein gutes Ende nehmen können. Zum Beispiel in Acapulco. An der Copacabana. Irgendwo. Aber statt einem guten Ende gab es eine fette Mehlexplosion in der Semmenbütteler Mühle. Und alles, alles, was ich für diesen Sommer geplant hatte, fuhr zur Hölle.

3

Der Plan war nämlich: Südamerika. Also jetzt kein Selbstfindungstrip oder so, nein, eine knallharte Doku, ganz ohne Romantik, Panflötenmusik und Kondore am Himmel. Das ganz einfache und stinknormale Leben der ganz einfachen und stinknormalen Leute. Und wer hätte sie gedreht? Ich, Mann. Diese Doku hätte mich nämlich in die Filmhochschule bringen sollen. Und weil Südamerika erst mal so was von auf Eis liegt, ist hier der einzige Film, der gerade läuft, der in meinem Kopf. Ich brauche ein neues Thema. Einen neuen Inhalt. Leider wachsen neue Drehbücher nicht auf Heidekraut.

Ach ja, falls ich das noch nicht gesagt habe: Ich bin Regisseur. Weil aber alle bloß denken, das wäre so ein postpubertäres Gequatsche, muss ich noch dieses Studium durchziehen. Hat nämlich keiner geglaubt, dass ich das wirklich packe: mich bei der Filmhochschule zu bewerben. Nicht mal meine eigenen Eltern. Der erste Schritt war so einen Kurzfilm einsenden, fünf Minuten, freies Thema. Zack, Kamera eingepackt, raus zum Schlachthof, bisschen auf dem Gelände rumgegurkt, zack, Film im Kasten. Meine Eltern dachten, damit wäre das Thema erledigt.

Bis kaum eine Woche später ein Brief von der Filmhochschule bei uns im Briefkasten lag. Und das konnte nur eines heißen: einen Schritt weiter. Die Filmhochschule, das ist nicht einfach irgendeine. Das ist Filmhochschule. Da, wo sie alle hinwollen. Jeder picklige Teenager, der sich zehnmal hintereinander »Fight Club« angeguckt hat, der Indiana Jones besser kennt als seinen eigenen Vater und der jeden einzelnen Satz bei »Star Wars« mitsprechen kann. Also wirklich jeden, nicht bloß Den kennt sogar Frithjof, mein bester und einziger Freund. Der hat sich sein Gehirn so gründlich mit Gras abgeschossen, dass er sich sonst gar nichts merken kann. Also so richtig nichts. Nada. Ich bin da aber tolerant. Okay, Frithjof merkt sich zwar nie was, also auch nicht Verabredungen und Versprechen, dafür vergisst er aber auch, wenn man ihn irgendwie verarscht oder sitzengelassen hat. Frithjof will übrigens nicht an die Filmhochschule. Frithjof will zum Bund, weil der Sold ziemlich hoch ist. Jedenfalls, wenn man ins Ausland geht. Er meint, mit seiner Vergesslichkeit extrem gegen Kriegstraumata gefeit zu sein.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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