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Tofu und Tempeh sind in aller Munde, aber viele essen sie mehr aus Überzeugung als aus Genuss. Höchste Zeit, dass das Geschmackspotenzial der eiweißreichen Stars der pflanzenbasierten Küche so richtig ausgekostet wird. Denn sie sind nicht nur mit Blick auf Klima, Tier- und Menschenwohl gut, sie schmecken auch richtig gut. Extrem lecker sogar, wenn man weiß, wie man sie richtig zubereitet. Der erste Schritt zu maximalem Genuss: Tofu und Tempeh als eigenständige Zutaten betrachten, nicht nur als Fleischersatz. Erfolgsautor Martin Kintrup zeigt in 55 Rezepten die ganze kulinarische Bandbreite von Tofu und Tempeh auf. Ausgehend von den traditionellen Zubereitungsarten und Garmethoden in den asiatischen Ursprungsländern erklärt er, wie man Tofu und Tempeh richtig vorbereitet, würzt und zubereitet. Die herzhaften und süßen Ideen sind von der asiatischen Küche ebenso inspiriert wie von beliebten Gerichten aus aller Welt. Die Rezepte sind praktisch gegliedert in die Kapitel Seidentofu, fester Tofu, Tofu-Specials, Tempeh und Desserts. Tofu und Tempeh sind offen für alles und jeden – nicht nur, was die Aromenvielfalt betrifft: Das Buch richtet sich nicht ausschließlich an Menschen, die sich rein pflanzenbasiert ernähren, sondern an alle, die Tofu und Tempeh mögen. Neben vielen veganen und vegetarischen Rezepten finden sich auch Gerichte mit Fisch und Fleisch. Wie diese rein pflanzlich variiert werden, verrät der Autor in Tipps. Alles, was man zum Nachkochen braucht – Basiswissen und die besten Tofu- und Tempehsorten – findet sich auf einen Blick in der Einleitung. Und auf alle, die beim Kochen Lust auf mehr bekommen haben, warten im Manufaktur-Kapitel detaillierte Step-Anleitungen zum Selbermachen von Tofu und Tempeh, spannende Varianten, vielseitige Marinaden und Kurzrezepte. Ein Must-have für alle Tofu- und Tempehfans!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Vorwort
Tofu – Geschichte & Sorten
Tempeh – Geschichte & Wissen
SEIDENTOFU & mittelfester Tofu
FESTER TOFU – robuster Genuss
TOFU-SPECIALS – unbekannte Köstlichkeiten
TEMPEH – Feines mit dem Fermentierten
SWEETS & DESSERTS – Süßes mit Tofu
DIE MANUFAKTUR – Grundrezepte für Tofu, Tempeh & mehr
Impressum
willkommen in der Welt von Tofu und Tempeh! Ab jetzt wird es „tasty“, also wunderbar geschmackvoll. Das mag bei den relativ neutralen Sojablöcken verwundern. Warum also Tofu und Tempeh lieben lernen? Nun, beide sind wie leere Leinwände, die nur darauf warten, mit euren Lieblingsaromen und Gewürzen „bemalt“ zu werden. Sie lassen sich wunderbar marinieren oder nehmen ganz nebenbei beim Garen jeden gewünschten Geschmack auf. Das macht sie so vielseitig wie kaum ein anderes Lebensmittel. Und auch die Konsistenz variiert je nach Version: von seidig-zart bis knusprig-knackig. Gerade Tofu ist ein Meister der Anpassungsfähigkeit, quasi ein kulinarisches Chamäleon.
Trotzdem haben Tofu und Tempeh hierzulande immer noch einen zweifelhaften Ruf. Gerade Tofu gilt vielfach als geschmacklos, gummiartig und optisch unattraktiv. Diese Einschätzung habe ich einige Jahre sogar geteilt. Shame on me! Doch spätestens seit meiner ersten Misosuppe mit softem Tofu als Einlage oder knusprig gebratenem, zuvor mit Sojasauce, Ingwer und Knoblauch mariniertem festem Tofu weiß ich, dass sehr viel mehr in den unscheinbaren Blöcken steckt. Es ist also Zeit, mit den Vorurteilen aufzuräumen.
Verantwortlich für das Tofu-Bashing ist ein Missverständnis der westlichen Küche: Hierzulande hat der Tofu unglücklicherweise das Label „Fleischersatz“ verpasst bekommen, dabei sind weder Konsistenz noch Geschmack damit vergleichbar. Ein Blick nach Ostasien öffnet dagegen die Augen. In vielen Ländern und Regionen wird Tofu seit Jahrhunderten als wertvoller Eiweißspender und eigenständiges Lebensmittel anerkannt. Unterschiedlichste Varianten mit ganz speziellen Eigenschaften sind erhält-lich und eine begehrte Zutat in einer Vielzahl von schmackhaften Gerichten. Diese sind nicht notwendigerweise vegetarisch oder vegan, vielfach wird Tofu auch mit Fleisch kombiniert, etwa beim berühmten Mapo-Tofu aus dem westchinesischen Sichuan (Seite 36 bis 39) oder mit Eiern, wie beim Tahu Telur (Seite 27) aus Indonesien. Vegane Gerichte sind natürlich auch in großer Zahl bekannt und beliebt. Sie sind mit markiert, vegetarische mit . Die zeigt die Arbeitszeit, die die Wartezeit.
In diesem Buch möchte ich beide Welten miteinander verbinden. Ich stelle zahlreiche ikonische Tofu- und Tempehgerichte aus Ost- und Südostasien vor und präsentiere bei vielen dieser Rezepte auf anschauliche Art den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte. Gleichzeitig möchte ich zeigen, dass die beiden tollen Ts auch in der westlich geprägten Küche, in größtenteils veganen Rezepten, äußerst geschmackvoll präsentiert werden können. Mit Anleitungen zum Selbermachen unterschiedlichster Varianten werdet ihr zudem selber zu gefeierten „Tofu- & Tempeh-Artists“. Dieses Buch ist also eine Liebeserklärung an zwei unterschätzte Stars der Kulinarik, die mit ein bisschen Know-how und Fingerspitzengefühl im Handumdrehen von weißen Leinwänden zu aufregenden kleinen Kunstwerken werden können.
Viel Freude beim Stöbern und Nachkochen!
Seine Vergangenheit liegt im Dunkeln, doch die Zukunft ist glorreich: Der Proteinblock aus Soja hat schon so manches Hindernis überwunden und schleicht sich allmählich auch in die westlichen Herzen.
Irgendwo im heutigen Nordchina um das Jahr 600 könnten die Ursprünge des Tofus liegen: Eine pürierte Sojasuppe wurde mit unraffiniertem Meersalz gewürzt. Das darin enthaltene Magnesiumchlorid, das heute noch als Nigari für die Tofuproduktion genutzt wird, sorgte für eine Gerinnung des SojaEiweißes. Durch Abgießen der Brühe und leichtes Pressen der Eiweißmasse könnte der erste Tofublock entstanden sein. Diese Theorie der zufälligen Gerinnung gilt vielen als die wahrscheinlichste, die Technik könnte aber auch aus Indien oder der Mongolei nach China gelangt sein, wo Käse auf ähnliche Weise zubereitet wurde. Dass der südchinesische König und Philosoph Liu An schon vor über 2100 Jahren Sojamilch und Tofu für seine kranke, alte Mutter entwickelt hat, gehört dagegen eher ins Reich der Legenden. Insgesamt war es bis zur Entwicklung des Tofus ein weiter Weg, denn kaum eine Nutzpflanze wird vom Menschen länger angebaut als die Sojabohne Glycine Max. Erste Belege für die Nutzung der Wildform lassen sich bereits auf etwa 7000 v. Christus datieren. Seit rund 5000 Jahren wird die Zuchtform in Japan angebaut und verbreitete sich von dort erst nach Korea und dann nach China. Die Pflanze erreichte schnell eine große Bedeutung, in China gehört sie sogar zu den fünf heiligen Körnern, da sie vielfältig nutzbar ist, etwa zur Gewinnung von Öl, und zudem als wertvoller pflanzlicher Eiweißspender gilt. Im Gegensatz zu den meisten anderen pflanzlichen Eiweißquellen weist die Sojabohne nämlich ein Aminosäureprofil auf, welches qualitativ mit tierischen Quellen locker mithalten kann und für den Menschen optimal verwertbar ist.
Tofu und tofuähnliche Produkte sind in ganz Ost- und Südostasien seit mehreren Jahrhunderten bekannt. Einen einheitlichen Begriff dafür gibt es jedoch erst seit wenigen Jahren. Hier konnte sich die japanische Bezeichnung gegenüber chinesischen Varianten wie „Dou-Fu“, „Tau-Fu“ oder „Tau-Hu“ durchsetzen. Nachdem man es im Zuge der Einführung in die westliche Küche zunächst mit beschreibenden Begriffen wie „Tofuquark“ (Bean Curd), „Sojakäse“ (Soy Cheese) oder „Sojakuchen“ (Soy Cake) versucht hatte, verwendeten die ersten erfolgreichen westlichen Autoren, die in den 1970er-Jahren über das Thema schrieben, den japanischen Begriff „Tofu“. Dieser setzte sich weltweit als leicht zu merkender und zu vermarktender Standard durch.
Vor dem Hintergrund der Jahrhunderte währenden Geschichte erscheint es heute umso skurriler, dass die Herstellung von Tofu in Deutschland lange Zeit verboten war. Die ersten Produzenten hatten es schwer, denn zum „Schutz“ der hiesigen Bauern waren sogenannte „Milchimitate“, also auch Sojamilch und damit der Grundstoff des Tofus, verboten worden. Erst seit 1989, nach einer Klage vor dem europäischen Gerichtshof, dürfen Tofu und Sojamilch ohne rechtliche Konsequenzen produziert und vertrieben werden. Doch damit nicht genug: Den Zusatz „Milch“ musste die Sojamilch im Handel auf Druck der Agrarlobby im Jahr 2013 wieder abgeben und darf seitdem nur unter alternativen Bezeichnungen wie „Sojadrink“ vertrieben werden. Der Erfolgsgeschichte der Sojaprodukte hat diese Intervention allerdings keinen Abbruch getan.
Noch heute hat man allerdings den Eindruck, dass es dem Tofu und anderen Sojaprodukten schwer gemacht werden soll. Immer wieder werden gesundheitliche Bedenken gestreut, immer wieder auf die Problematik des Sojaanbaus, etwa in Brasilien, hingewiesen. Diese Bedenken sind bei genauerer Betrachtung unberechtigt. Viele der im Soja enthaltenen Stoffe haben sogar eine positive Wirkung auf den Körper. Soja-Isoflavone sollen laut medizinischen Studien etwa vor Brust- und Hodenkrebs schützen und beispielsweise Regelschmerzen lindern sowie die Knochen stärken. Die Ängste, durch Sojakonsum unfruchtbar zu werden, oder die Befürchtung, dass sich der Hormonspiegel bei Männern verändert, erscheinen laut Studien unbegründet. Regelrecht zynisch ist in Bezug auf Sojaverzehr dagegen der Hinweis auf den problematischen Anbau. Denn über 80 Prozent des weltweit angebauten Sojas, etwa gentechnisch verändertes aus gerodeten Urwaldflächen Südamerikas, wird als Tierfutter, beispielsweise für Geflügel oder Schweine, verwendet oder findet als Öl seinen Weg in sogenannte Bio-Kraftstoffe. Nur knapp fünf Prozent der weltweiten Sojaproduktion werden dagegen für Tofu oder Sojamilch verwendet. Aus europäischem Anbau – etwa aus Österreich – übrigens garantiert gentechnikfrei.
Tofu ist nicht gleich Tofu
Während hierzulande die Tofuwelt noch klein und überschaubar ist, machen sich in China und Japan mindestens 1000 Jahre Vorsprung bemerkbar. Dort ist Tofu seit langem integraler Bestandteil der Esskultur. Damit einher ging die Entwicklung unterschiedlichster Rezepte und Varianten. Um Konfusion beim Tofukauf zu vermeiden und Ordnung in die Vielfalt der Begriffe zu bringen, folgt auf den nächsten Seiten ein Überblick über die wichtigsten Sorten.
In Asien wird dem Tofu mit viel Liebe begegnet. Hier ein kleiner Überblick über die reiche Sortenvielfalt.
Oben: Seidentofu
Mitte: fester Tofu
Unten: Räuchertofu
Fester Tofu
Je länger der Tofubruch gepresst wird, umso mehr Flüssigkeit tritt aus und umso fester (engl. firm) wird der Tofu. Fester Tofu hat durch den geringen Flüssigkeitsanteil den höchsten Proteingehalt und lässt sich beispielsweise in Würfeln wunderbar anbraten oder frittieren. So ist er z. B. als Topping für Suppen und Salate ein Genuss. Ein Großteil der hierzulande im Supermarkt oder Biomarkt erhältlichen Produkte fällt in diese Kategorie. Es finden sich zudem zahlreiche marinierte Versionen. In die Kategorie „Fester Tofu“ fällt natürlich auch der beliebte Räuchertofu, der sich als Einlage für Suppen und Eintöpfe schnell zu einem Favoriten für all diejenigen gemausert hat, die es vegetarisch oder vegan, aber besonders herzhaft mögen.
Mittelfester Tofu
Dieser Tofu ist schnittfest, hat aber einen höheren Wassergehalt und ist dadurch weicher und etwas cremiger. Diese Version ist in Asien besonders beliebt, etwa als kalte Vorspeise oder als Einlage von Saucen, Suppen und Eintöpfen. Von den bekannten hiesigen Herstellern ist dieser Tofu aktuell noch nicht erhältlich. Im Asia-Shop ist die Auswahl jedoch groß, allerdings sind die Bezeichnungen verwirrend. Man findet ihn beispielsweise unter dem Namen „Pressed Tofu“ oder „Yakko Tofu“. Wer das Glück hat, eine Tofu-Manufaktur in der Nähe zu haben, dürfte ebenso fündig werden. Etwas verwirrend: Im Asia-Shop gibt es auch Seidentofu (Silken Tofu), der schnittfest ist und dem mittelfesten Tofu sehr nahe kommt. Beim Einkauf ist also etwas Fingerspitzengefühl gefragt. Ebenfalls in die Kategorie „mittelfest“ fällt Eiertofu.
Seidentofu
Eine japanische Spezialität! Für seine Herstellung wird in der Regel nicht Nigari, sondern Gypsum (Calciumsulfat) verwendet. Dieser Tofu tropft nicht ab, die angerührte Mischung stockt stattdessen in speziellen Formen. Die unterschiedliche Festigkeit resultiert dann aus dem variierenden Proteingehalt der verwendeten Sojabohnen. Asiatische Sorten können durchaus schnittfest sein, die meisten hiesigen Sorten sind sehr weich und behalten beim Schneiden nicht die Form. Dieser Tofu eignet sich besonders für Desserts, Saucen oder als Guss für vegane Varianten von Quiche, Flammkuchen und Co.
Yuba und Okara
Beide sind hierzulande kaum bekannt, da die Tofuproduktion zu Hause hier keine Tradition hat. Yuba ist die dünne Haut, die sich bildet, wenn die ausgepresste Sojamilch längere Zeit auf etwa 80 bis 90° C gehalten wird. Sie besteht vor allem aus Eiweiß und ein wenig Fett und hat einen leicht nussigen Geschmack. Die Haut wird von der Oberfläche abgehoben und gefaltet. Anschließend genießt man sie frisch – etwa in Brühe oder mit ein wenig Shoyu, japanischer Sojasauce – oder trocknet sie für eine spätere Verwendung. Die wieder eingeweichten Yubahäute können wie Reispapier zum Einwickeln von Gemüse und Co. verwendet und anschließend gebraten oder frittiert werden. Auch als proteinreicher Nudelersatz in Suppen oder Stir-Frys sind sie perfekt geeignet. Getrocknete Yubarollen sind hierzulande in gut sortierten Asia-Shops erhältlich. Okara ist der Pressrest, also analog zur Weinproduktion der „Trester“ des Tofus. Die Masse ist reich an Proteinen, Ballaststoffen und Vitaminen und ein wertvolles Lebensmittel. Bei der Tofuproduktion entstehen etwa die gleichen Mengen Okara und Tofu. Okara kann mit Gemüse gedünstet werden, als „Unohana“ ist diese Variante in Japan eine beliebte Beilage. Es dient auch als Basis für Bratlinge und kann in Brotteige eingearbeitet werden. In der Landwirtschaft wird der Pressrest zudem als stickstoffreicher Dünger verwendet, der gleichzeitig die Bodenstruktur verbessert.
Tofu-Specials
In Asia-Shops finden sich noch weitere Tofu-Besonderheiten. Vorfrittierte feste Tofublöcke (Deep-fried-firm-Tofu) sind eine beliebte Zutat verschiedener chinesischer Regionalküchen und werden als Einlage für Suppen, Saucen und Wokgerichte verwendet. Das Besondere ist die durch das Frittieren sehr luftige Oberfläche: Dadurch nimmt der Tofu sehr gut Saucen auf. Frittierte dünne Taschen aus Tofu (Aburaage) sind die Basis für japanisches Inarizushi, lassen sich aber auch anders füllen. Auch fermentierte Tofuprodukte sind erhältlich, etwa chinesischer „Furu“, der dem in China äußerst beliebten „Stinky Tofu“ entspricht, japanischer „Tofuyo“ oder vietnamesischer „Chao“. Traditionell wird der Tofu zunächst mit Schimmelpilzen geimpft und reift etwas. Dann wird er in eine gewürzte Salzlake eingelegt und fermentiert darin, von wenigen Tagen bis zu Monaten, bis er eine weiche, cremige Konsistenz hat. Es entsteht ein einzigartiger Geschmack: scharf, cremig und salzig, wie gereifter Schimmelkäse. Später entfalten sich auch süßliche Noten. Für mutige Gaumen definitiv einen Versuch wert. Im Supermarkt gibt es unter dem Namen „Feto“ eine Light-Variante: milchsauer vergorener Tofu mit einer salzigen, leicht säuerlichen Note. Er kann analog zu festem Tofu verwendet werden.
Während fast alle kunstvollen Produkte auf Sojabasis, etwa Tofu, Sojasaucen oder Natto, ihren Ursprung in China oder Japan haben, haben beim Tempeh eindeutig die Bewohner des heutigen Indonesiens, genauer gesagt der Insel Java, die Nase vorn.
Grundlage für die Produktion von Tempeh sind meist gekochte Sojabohnen. Diese werden mit einer giftfreien Schimmelpilzkultur, meist Rhizopus oligosporus „geimpft“. Anschließend wächst der Schimmelpilz bei einer konstanten Temperatur von etwa 28 bis 33 °C unter Luftzufuhr innerhalb von 36 bis 40 Stunden, selten länger, zu einem dichten, weißen Geflecht heran. Klassischerweise werden die Bohnen dafür in Bananenblätter eingeschlagen, heute übernehmen meist perforierte Plastikbeutel diese Aufgabe. Die Fermentation wird unterbrochen, bevor die schwarzen Sporen entstehen, etwa durch starkes Abkühlen, Einfrieren oder Blanchieren. Das Ergebnis ist ein fester Block, in dem die Bohnen durch das Schimmelgeflecht miteinander verbunden sind. Der Tempeh kann nun in Scheiben oder Würfel geschnitten und beispielsweise gebraten oder frittiert werden, ohne dass sich einzelne Bohnen daraus lösen. Durch die Fermentierung entsteht ein angenehm nussiges Aroma, das an den Edelschimmel von Käse, beispielsweise Camembert erinnert. Außerdem werden die Bohnen dadurch besser bekömmlich und viele der enthaltenen Nähstoffe für den Körper deutlich besser verfügbar.
Ganz ohne Einfluss der beiden großen Soja-Kulturnationen China und Japan konnte Tempeh, wie wir ihn heute kennen, jedoch nicht entstehen. Die Sojabohne wurde vermutlich zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert von reisenden und Handel betreibenden Chinesen im malayischen Archipel eingeführt. Sie ist in West-Java heute aber unter dem Namen „Japan-Bohne“ bekannt, was gleichzeitig für eine japanische Herkunftsgeschichte spricht. Ob die Reisenden auch die Fermentationstechniken mitgebracht haben, ist unklar. Das Fermentieren von Reis und Sojabohnen durch sogenanntes „Koji“ – das sind Schimmelpilze wie Aspergillus flavus – war in China und Japan nämlich schon lange bekannt. Sojabohnen wurden durch Fermentieren zum Beispiel zu Natto, aus dem fermentierten Reis wurden unter anderem Reisschnaps (Sake) und Reiswein (Mirin) hergestellt. Eventuell wurde diese Technik adaptiert und mit einheimischen Schimmelpilzkulturen so modifiziert, dass am Ende ein ganz eigenes Produkt entstand. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Technik schon vorhanden war und so etwa Kokos- und Erdnusspresskuchen (siehe Tempe Bongrek oder Oncom, Seite 13) oder andere Hülsenfrüchte des malayischen Archipels fermentiert wurden und diese Technik später einfach auf die neuen Hülsenfrüchte übertragen wurde. Da die Sojabohne sehr nährstoffreich ist, problemlos und in großen Mengen angebaut werden konnte, im Gegensatz zu einigen einheimischen Hülsenfrüchten nach dem Garen keine Giftstoffe enthält und sich wunderbar in einen Tempehblock verwandeln lässt, war der Siegeszug vorprogrammiert. Erstmals erwähnt wird Tempeh allerdings erst im 19. Jahrhundert im literarischen Werk Serat Centhini. Die dort dargestellten Ereignisse spielen aber im 16. Jahrhundert. Vermutlich war Tempeh also schon in diesem Jahrhundert oder auch deutlich früher integraler Bestandteil der Ernährung.
Das Klischee des Arme-Leute-Essens für alle, die sich kein Fleisch leisten können, das in Indonesien in den 1960er-Jahren aufgekommen war, hat Tempeh längst abgelegt und wird – frittiert, gebacken, gebraten oder geschmort – in zahlreichen traditionellen Gerichten serviert. Inzwischen wird auch der kulturelle Wert hoch geschätzt, so steht Tempeh mittlerweile auf der indonesischen Vorschlagsliste für das immaterielle Kulturerbe der UNESCO. Noch heute wird er in tausenden Manufakturen von Hand zubereitet und auf den Märkten feilgeboten, auch wieder vermehrt auf die klassische Art im Bananenblatt. Tatsächlich ist er so beliebt, dass die indonesischen Sojabohnen schon lange nicht mehr ausreichen und Bohnen aus dem Ausland, etwa den USA, importiert werden. Kein Wunder bei 274 Millionen Einwohnern und einem Jahresverbrauch von etwa 6,5 Kilogramm pro Person!
Klassischerweise fermentieren die Bohnen in Bananenblätter eingeschlagen.
Nach Europa gelangte der Tempeh schließlich über die Niederlande, die lange Zeit Kolonialmacht waren und in Batavia, der heutigen indonesischen Hauptstadt Jakarta, einen ihrer wichtigsten Handelsstützpunkte hatten.
Größere Bekanntheit erreichte Tempeh allerdings erst in der Bio-Bewegung und Naturkostwelle der 1970er-Jahre. Und seit vegane Ernährung in den 2000ern endgültig aus der Nische getreten ist, wird die Schar der Tempeh-Fans und auch die Vielfalt der Produkte (Seite 12 bis 13) auch hierzulande immer größer. Als proteinreiches Lebensmittel mit einem äußerst geringen CO2-Fußabdruck ist Tempeh zudem eine willkommene Alternative für alle, die Wert auf größere Nachhaltigkeit in der Ernährung legen.
Hierzulande noch ein Nischenprodukt, gibt es in Indonesien eine Vielfalt an Varianten zu entdecken.
Der Klassiker mit Sojabohnen
Die weltweit mit Abstand beliebteste und am weitesten verbreitete Version des indonesischen Fermentations-Wunders ist zweifellos diejenige, in der gegarte und geschälte Sojabohnen die Basis bilden, die mit den Pilzen, etwa Rhizopus oligosporus oder Rhizopus oryzae, geimpft werden und anschließend rund 36 bis 40 Stunden zu voller Pracht heranreifen. Doch auf dem malayischen Archipel gibt es noch allerlei Tempeh-Ableger zu entdecken, die mal mehr, mal weniger für westliche Gaumen geeignet sind – und auch nicht immer den hiesigen Ansprüchen an Lebensmittelsicherheit genügen.
Tempe gembus – Okara-Tempeh
Ebenfalls aus Sojabohnen wird „Tempe gembus“ hergestellt. Dafür ist Okara, der Pressrest aus der Tofuproduktion die Basis. Sehr clever, denn aus einer Portion Sojabohnen wird somit sowohl Tofu als auch Tempeh gewonnen. Damit der Pilz gut wachsen kann, ist es wichtig, das Okara sehr kräftig auszupressen, was zu Hause nicht so leicht ist. Achtung: Nur gegartes Okara verwenden, da rohe Sojabohnen unbekömmlich sind. Weil in diesem Buch bei der Tofuherstellung bereits die rohen Sojabohnen ausgepresst werden, erhalten wir rohes Okara. Dieses müsste vor der Weiterverarbeitung noch gegart werden, zum Beispiel 30 Minuten in einer hitzebeständigen Glasbox über dem heißen Wasserbad. Wer das ausprobieren möchte, kann sich nach dem Garen an der Herstellung des klassischen Tempeh orientieren (ab Step 3). Okara-Tempeh hat eine sehr weiche Konsistenz und eignet sich besonders zum Frittieren.
Roter Oncom reift mit roten Schimmelpilzkulturen der Gattung Neurospora.
Grüner Mungbohnen-Tempeh
Dieser äußerst schmackhafte Tempeh unterscheidet sich in der Produktion nicht vom klassischen Tempeh. Besonders in der Region um Yogyakarta auf Java wird er sehr geschätzt. Die Bohnen haben nach dem Fermentieren einen äußerst angenehmen Geschmack und werden beim Braten wunderbar knusprig. Eine Anleitung zur Herstellung zu Hause findet sich auf Seite 158. Auf dieselbe Art kann auch Tempeh aus den hübschen Augenbohnen (Black Eyed Peas bzw. Cow Peas) hergestellt werden.
Indonesische Specials
Verschiedene hierzulande nicht erhältliche Hülsenfrüchte werden ebenfalls zu Tempeh verarbeitet, etwa die Samen der Weißkopfmimose (Lamtoro), der besonders großen Jackbohne (Koro) oder der Juckbohne (Benguk). Die beiden letzteren enthalten giftige Inhaltsstoffe, die aber während des sorgfältig ausgeführten Produktionsprozesses komplett abgebaut werden sollen. Diese Sorten können nur vor Ort auf einem Indonesientrip probiert werden. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn „Tempe bongrek“ angeboten wird. Diese Sorte ist seit 1969 sogar verboten, wird aber wohl immer noch hergestellt und ist besonders in Zentral-Java beliebt. Sie besteht aus Kokosnuss-Presskuchen, der etwa bei der Produktion von Kokosmilch oder Kokosöl anfällt. Dieser kann mit Bakterien – Burkholderia gladioli – kontaminiert sein, die sich bei der typischen Tempeh-Reifetemperatur ebenfalls stark vermehren können. Die Bakterien produzieren zwei Gifte, das Atemgift Bongreksäure sowie Toxoflavin, die bei Verzehr zu tödlichen Vergiftungen führen können. Vom „Tempe bongrek“ also unbedingt Abstand halten.
Roter Oncom
Ein dem Tempeh ähnliches Fermentationsprodukt und Grundnahrungsmittel der sundanesischen Küche ist roter „Oncom“, der aber im Gegensatz zum Tempeh mit verschiedenen roten Schimmelpilzkulturen hergestellt wird. Dafür werden Produktionsreste von Sojabohnen, Erdnüssen, Maniok und Kokosnüssen verwendet. Das Ergebnis ist mit den üppigen, roten Schimmelausblühungen optisch für die westlich geprägte Lebensmittelästhetik eine echte Herausforderung. Sind Kokosnüsse enthalten, ergibt sich zudem dieselbe Problematik wie beim „Tempe bongrek“. Enthaltene Erdnüsse können zudem andere Schimmelpilze enthalten, die giftiges Aflatoxin produzieren. Grundsätzlich ist also Vorsicht geboten, eine Produktion zuhause daher nicht zu empfehlen, obwohl Startersets im Internet erhältlich sind. Wird Oncom unter hygienischen Bedingungen hergestellt, ist er ein eiweißreiches Lebensmittel mit kräftigem Umami-Geschmack, das ähnlich wie Tempeh verwendet werden kann. Beim schwarzen Oncom handelt es sich schlicht um eine Tempeh-Variante, da dieser ebenfalls mit Rhizopus oligosporus als Starterkultur zubereitet wird.
Im Westen viel Neues
Hierzulande sorgen erste Tempeh-Manufakturen für Abwechslung auf dem Teller – und das garantiert lebensmittelsicher! Neben Tempeh aus Süßlupinen finden sich beispielsweise auch herzhafter Black-Bean- oder Wachtelbohnen-Tempeh, milder Kicher-erbsen-Tempeh oder allerlei brat- oder grillfertig marinierte Varianten der klassischen Version. Erhältlich sind diese größtenteils in gut sortierten Bioläden oder Biosupermärkten. Anleitungen zur Herstellung weiterer Varianten, etwa dem besonders herzhaften Black-Bean-Tempeh, aber auch von hülsenfruchtfreien Sorten wie Hirse- oder Quinoa-Tempeh, finden sich auf Seite 158 und 159.
& MITTELFESTER TOFU
Die „Softies“ sind besonders mild im Geschmack und zergehen regelrecht auf der Zunge. In Asien schon länger absolute Lieblinge, finden sie auch hierzulande immer mehr glühende Verehrer.
mit Koriander
Außen knusprig, innen wunderbar saftig – so werden die Soft-Tofu-Bällchen, wenn sie vor dem Ausbacken in Panko gewendet werden. Die japanische Version des Paniermehls wird aus Weißbrot ohne Kruste hergestellt und ist daher in der Regel etwas heller als die hiesige Version. Seine luftige, gröbere Struktur sorgt für besonders knackige Krusten und den allseits beliebten Crunch.
4 Personen 30 min
Fritters
1 rote Paprikaschote
2 Zwiebeln
2 EL Öl
Salz | Pfeffer aus der Mühle
3 EL Limettensaft
1 Dose Zuckermais (280 g Abtropfgewicht)
1 Bund Koriandergrün
300 g mittelfester Tofu (aus dem Asia-Shop)
2 Knoblauchzehen
½ TL gemahlener Kreuzkümmel
½ TL gemahlener Koriander
½ TL Chilipulver
Kala Namak (nach Belieben)
80 g Reismehl
2 TL Backpulver
100 g Panko (asiat. Paniermehl)
Außerdem
Öl zum Ausbacken
Für die Fritters die Paprikaschote längs halbieren, entkernen, waschen und in kleine Würfel schneiden. Die Zwiebeln schälen und ebenfalls in kleine Würfel schneiden. Das Öl in einer Pfanne erhitzen, Paprika- und Zwiebelwürfel darin rundherum anbraten. Das Gemüse mit Salz und Pfeffer würzen, mit 2 EL Limettensaft ablöschen, diesen verkochen lassen und die Pfanne anschließend vom Herd nehmen.
Den Mais abtropfen lassen. Koriander waschen und trocken tupfen, die Blätter abzupfen und grob hacken. Den Tofu in einer Schüssel mit einer Gabel fein zerdrücken. Die Paprika-Zwiebel-Mischung, Mais und Koriandergrün dazugeben. Knoblauch schälen und dazupressen. Den übrigen Limettensaft, die Gewürze und nach Belieben 2 Miniprisen Kala Namak hinzufügen. Reismehl und Backpulver mischen, beides unterheben und alles gut vermengen. Die Masse mit Salz und Pfeffer würzen.
Zum Fertigstellen in einem Topf 8 cm hoch Öl erhitzen. Panko auf einem Teller verteilen. Aus der Tofumasse 16 Bällchen mit einer glatten Oberfläche formen und ganz leicht flach drücken. Jeweils durch den Panko rollen, sodass die Bällchen rundherum gleichmäßig überzogen sind.
Mit einem Holzstäbchen testen, ob das Öl heiß genug ist. Steigen daran beim Hineinhalten sofort Bläschen auf, ist die richtige Temperatur erreicht.
Die Bällchen portionsweise etwa 5 Minuten bei nicht zu starker Hitze rundherum goldbraun ausbacken. Mit dem Schaumlöffel herausheben und auf Küchenpapier abtropfen lassen. Gegebenenfalls bei 100 °C Ober-/Unterhitze im Ofen warm halten, bis alle Fritters gebacken sind. Noch warm genießen.
Dazu passen mexikanische Salsa, Guacamole oder Sweet Chili Sauce. Die Fritters sind auch als Füllung für Tacos oder Burritos ein Genuss.
Das Prinzip „weicher, cremiger Tofu mit Sauce bzw. in Brühe und mit allerlei Toppings“ ist bereits seit dem 17. Jahrhundert – der sogenannten Edo-Zeit – in Japan äußerst beliebt. Auch heute sind diese Gerichte ein gern bestellter Snack in Japans Restaurants und Izakayas, speziellen Sake-Kneipen mit umfangreicher Speisekarte. Neben dem umwerfenden Geschmack gibt es dafür vor allem zwei Gründe: die sehr einfache Zubereitung und die Vielseitigkeit der Präsentation.
Denn insbesondere beim gekühlten „Hiyayakko“, aber auch beim knusprig ausgebackenen „Agedashi“, der nach dem Frittieren in würzige Dashi-Brühe eingelegt wird, kommen zahlreiche unterschiedliche Toppings zum Einsatz. Klassiker sind Frühlingszwiebeln, Sesamsamen und Bonito-Flocken, sogenannte „Katsuobushi“. Genauso beliebt sind geriebener Ingwer, Daikonrettich oder geröstete Noristreifen. Neuere Varianten sind verführerische Toppings aus Kimchi, Edamame, Okraschoten, Avocado oder Natto, den berühmten fermentierten Sojabohnen, denen ein fädenziehender Schleim anhaftet.
So ist Abwechslung auf dem Teller garantiert und Langeweile ausgeschlossen. Während Hiyayakko auch dem Namen nach – „hiya“ bedeutet kalt oder gekühlt – das perfekte Gericht für die heißen japanischen Sommer ist, wird die warme Variante auch gerne im Winter serviert.
Ob heiß oder kalt – Abwechslung ist garantiert!