Teilhabe leben mit intellektueller Beeinträchtigung - Melanie Knaup - E-Book

Teilhabe leben mit intellektueller Beeinträchtigung E-Book

Melanie Knaup

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Beschreibung

Das Buch rückt Teilhabebereiche, in denen erwachsene Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (noch) immer vielfältigen Teilhaberisiken ausgesetzt sind, in den Mittelpunkt der Darstellung. Besondere Aufmerksamkeit finden dabei die Bereiche Mobilität und Barrierefreiheit, Gesundheit, Sicherheit und Schutz, Familien und soziale Beziehungen, Berufliche Bildung, Arbeit und Beruf, Wohnen, Lebenslanges Lernen und inklusive Erwachsenenbildung, Kultur, Freizeit sowie Digitale Teilhabe durch Social Media. In den Beiträgen werden neben den aktuellen rechtlichen Aspekten zudem Teilhabepotenziale sowie Best-Practice-Beispiele vorgestellt und mit konkreten Anregungen für die Umsetzung entfaltet.

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Seitenzahl: 372

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Inhalt

Cover

Titelei

1 Einleitung

Zum Verständnis der Teilhabe

Zum Aufbau des Buches

Terminologische Überlegungen

Literatur

2 Mobilität und Barrierefreiheit

2.1 Bedeutung

2.2 Rechtliche Aspekte

2.2.1 UN-Behindertenrechtskonvention

2.2.2 Bundesteilhabegesetz

2.2.3 Nationaler Aktionsplan (NAP)

2.2.4 Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und Personenbeförderungsgesetz

2.3 Teilhaberisiken

2.3.1 Verkehrsunfälle

2.3.2 Barrieren

2.4 Teilhabechancen

2.4.1 Barrierefreiheit

2.4.2 Mobilitätsbildung

2.4.3 Best-Practice-Beispiele/Handlungsoptionen

2.5 Fazit

Literatur

3 Gesundheit

3.1 Bedeutung

3.2 Rechtliche Aspekte

3.3 Teilhaberisiken

3.3.1 Gesundheitsstatus bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

3.3.2 Syndromspezifische Erkrankungen

3.3.3 Gesundheitsindikatoren für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

3.3.4 Teilhabebarrieren

3.4 Teilhabechancen

3.4.1 Barrierefreiheit

3.4.2 Gesundheitsbildung

3.4.3 Bewegung/Mobilität

3.4.4 Erwachsenenbildung/Best-Practice-Beispiele

3.5 Fazit

Literatur

4 Sicherheit und Schutz vor Gewalt für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in Einrichtungen der Behindertenhilfe

4.1 Bedeutung

4.1.1 Das universelle menschliche Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz

4.1.2 Gewaltprävalenzen und ihre Auswirkungen

4.2 Teilhaberisiken in Einrichtungen der Behindertenhilfe

4.2.1 Zu den Ursachen der Entstehung von Gewalt

4.2.2 Zur Identifizierung von Risikofaktoren und ihrer komplexen Wechselbeziehungen

4.3 Teilhabechancen am Gewaltschutz und Umsetzung

4.3.1 Auf dem Weg zu einem wirksamen Gewaltschutz

4.3.2 Zum Gestaltungsauftrag in unterschiedlichen Feldern und zur geteilten Verantwortung

4.4 Fazit

Literatur

Rechtsnormen

5 Familie mit Angehörigen mit Beeinträchtigung in sozialen Beziehungsnetzen

5.1 Zur Bedeutung von sozialen Beziehungsnetzen und Familie

5.1.1 Soziale Beziehungsnetze

5.1.2 Familie

5.2 Teilhabechancen und -risiken in Familie und sozialen Beziehungsnetzen

5.2.1 Leben in der Familie

5.2.2 Leben an verschiedenen Lebensorten

5.3 Fazit

Dank

Literatur

Quellen

6 Berufliche Bildung

6.1 Bedeutung

6.1.1 Berufswahl

6.1.2 Bildungsabschlüsse

6.1.3 Berufsvorbereitender Unterricht

6.2 Rechtliche Aspekte

6.3 Teilhaberisiken

6.3.1 Fehlende Bildungsabschlüsse

6.3.2 Fehlende Verdienstmöglichkeiten

6.3.3 Automatisierte Bildungswege

6.4 Teilhabechancen

6.4.1 Umfassende Vorbereitung auf gelingende Übergänge

6.4.2 Best-Practice-Beispiele

6.5 Fazit

Literatur

7 Arbeit und Beruf

7.1 Bedeutung

7.1.1 Arbeit und Beruf im Wandel

7.1.2 Funktionen von Arbeit und Beruf

7.1.3 Zugang zum Arbeitsmarkt

7.2 Rechtliche Aspekte

7.3 Teilhaberisiken

7.3.1 Geringe oder fehlende Bildungsabschlüsse

7.3.2 Systembedingte Benachteiligungen

7.3.3 Alternativlose Beschäftigungen

7.4 Teilhabechancen

7.4.1 Unterstützte Beschäftigung (SGB IX § 55)

7.4.2 Budget für Arbeit (SGB IX § 61)

7.4.3 Best-Practice-Beispiele

7.5 Fazit

Literatur

8 Wohnen

8.1 Bedeutung

8.2 Rechtliche Aspekte

8.2.1 UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)

8.2.2 Bundesteilhabegesetz

8.3 Teilhaberisiken

8.3.1 Teilhabeberichte der Bundesregierung

8.3.2 Anspruch und Wirklichkeit

8.4 Teilhabechancen

8.4.1 Autonomie und Empowerment

8.4.2 Wohntraining

8.5 Fazit

Literatur

9 Lebenslanges Lernen und inklusive Erwachsenenbildung

9.1 Bedeutung

9.1.1 Lebenslanges Lernen

9.1.2 Erwachsenenbildung

9.2 Rechtliche Aspekte

9.3 Teilhaberisiken

9.4 Teilhabechancen

9.4.1 Das Bewegungsarchiv von Katja Heitmann

9.4.2 Best-Practice Beispiele

9.5 Fazit

Literatur

10 Kultur

10.1 Bedeutung

10.1.1 Vielfalt der Kulturbegriffe

10.1.2 Kulturelle Teilhabe

10.1.3 Lebensqualität und Selbstbestimmung

10.1.4 Soziale Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe

10.2 Rechtliche Aspekte

10.3 Teilhaberisiken

10.3.1 Statistische Datenlage kultureller Praxis in Deutschland

10.3.2 Stigmatisierung und Vorurteile

10.3.3 Zugangsbarrieren

10.4 Teilhabechancen

10.4.1 Förderung kultureller Teilhabe

10.4.2 Vielfalt (inklusiver) kultureller Angebote

10.4.3 Kooperationen und Vernetzung

10.5 Fazit

Literatur

11 Freizeit

11.1 Bedeutung

11.1.1 Definitorische Annäherungen

11.1.2 Freizeitbedürfnisse und -funktionen

11.1.3 Freizeitpädagogik – zwischen Angebotsvielfalt und Optionslast

11.2 Rechtliche Aspekte

11.3 Teilhaberisiken

11.3.1 Statistische Datenlage zur Freizeitgestaltung

11.3.2 Einflussfaktoren und Teilhabebarrieren

11.4 Teilhabechancen

11.4.1 Freizeitangebote und -situationen

11.4.2 Barrierefreie Informationen zur Freizeitgestaltung

11.4.3 Barrierefreie und offene Gestaltung von Freizeitangeboten

11.4.4 Angemessene Freizeitaktivitäten

11.4.5 Freizeitautonomie

11.5 Fazit

Literatur

12 Digitale Medien

12.1 Bedeutung von digitalen Medien

12.1.1 Mediennutzung

12.1.2 Digital Divide

12.2 Rechtliche Aspekte

12.3 Teilhaberisiken

12.3.1 Cybergrooming

12.3.2 Cybermobbing

12.4 Teilhabechancen

12.4.1 Medienkompetenz

12.4.2 Handlungsempfehlungen

12.5 Fazit

Literatur

Die Autorinnen und Autoren

Die Herausgebenden

Dr. Melanie Knaup ist Regierungsrätin in der Hessischen Lehrkräfteakademie als ständige Vertretung der Leitung des Sachgebiets ›Qualitätsentwicklung zweite Phase sowie phasenübergreifende Kooperation‹.

Dr. Heiko Schuck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Förderpädagogik und Inklusive Bildung, Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Geistigbehindertenpädagogik an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Prof. Dr. Reinhilde Stöppler ist Leiterin der Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Geistigbehindertenpädagogik am Institut für Förderpädagogik und Inklusive Bildung an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Melanie Knaup, Heiko Schuck,Reinhilde Stöppler (Hrsg.)

Teilhabe leben mit intellektueller Beeinträchtigung

Risiken und Chancen

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-041874-5

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-041875-2epub: ISBN 978-3-17-041876-9

1 Einleitung

»Warum noch ein Buch zur Teilhabe von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung? Dazu ist doch schon so viel publiziert und gesagt worden.« Diese und ähnliche Gedanken mögen aufkommen beim Betrachten des Buchdeckels. Und ja, es passiert was im Bereich der Teilhabe in gesellschaftliche Lebensbereiche von marginalisierten Menschen. Es hat sich ein Aktionsbündnis Teilhabeforschung e.V. gegründet (https://www.teilhabeforschung.org/startseite), mit hoch dekorierten Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Teilhabebereichen. Die Bundesregierung hat mittlerweile den dritten Teilhabebericht veröffentlicht, der aufzeigt, welche Fortschritte bereits erzielt werden konnten. Er zeigt jedoch auch eindrucksvoll auf, welche Defizite im Bereich der umfänglichen Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen noch bestehen und für die es seit Jahren keine wirklichen Lösungsansätze zu geben scheint. Insbesondere die Teilhabechancen der Gruppe der Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung werden durch vielfältige Aspekte beeinflusst. Hinzu kommt die gegenwärtige gesellschaftliche und politische Situation in Deutschland: ein Finanzloch, das durch Einsparungen gestopft werden muss, eine scheinbar größer werdende Akzeptanz gegenüber Rechtspopulismus und den damit verbundenen menschenverachtenden Ansichten gegenüber Minderheiten. Die Inklusion und Teilhabe von Menschen mit (intellektueller) Beeinträchtigung wird von politischen Akteur*innen offen diffamiert und in Frage gestellt. Dagegen gilt es einmal mehr aufzubegehren, weswegen gar nicht oft genug davon gesprochen werden kann mit der Hoffnung, dass daraus konkretes Handeln entsteht.

Zum Verständnis der Teilhabe

Die Gesellschaft und sozialpolitische Ansprüche spielen zur Umsetzung von Teilhabe eine entscheidende Rolle. Der Begriff Teilhabe ist in der Sozialpolitik – insbesondere in Bezug auf Beeinträchtigungen – zu einem zentralen Leitbegriff geworden, der darauf abzielt, allen Menschen Zugang zu gesellschaftlichen Lebensbereichen und Handlungsfeldern zu ermöglichen. In diesem Sinne ist es gesellschaftlicher und politischer Auftrag, Menschen in benachteiligten Lebenslagen dieses Recht zu wahren und sie zu sozialen und lebensweltlich bedeutsamen Aktivitäten zu befähigen.

»Teilhabe ist etwas, was der einzelne Mensch erfährt und erlebt. Die jeweiligen Lebensumstände und ihr Wandel im Lebensverlauf prägen die Bewertung dessen, was Gleichheit in der Teilhabe für den Einzelnen ausmacht. Der einzelne Mensch erlebt und beurteilt die Zustände in der Gesellschaft aus seinem eigenen Blickwinkel heraus« (BMAS 2016, S. 1).

Die Bedeutung der Gesellschaft führt auch Bartelheimer (2007) an, wenn er sagt, dass mit dem Begriff der Teilhabe zwei Fragen verhandelt werden: »Wie wird gesellschaftliche Zugehörigkeit hergestellt und erfahren, und wie viel Ungleichheit akzeptiert die Gesellschaft?« (ebd., S. 8). Um sich mit diesen Fragen beschäftigen zu können, ist eine begriffliche Konkretisierung von Teilhabe, wie folgend vorgeschlagen, notwendig:

1.

Teilhabe beschreibt ein Verhältnis zwischen Individuum und gesellschaftlichen Bedingungen: Sie ist zu verstehen als »eine positiv bewertete Form der Beteiligung an einem sozialen Geschehen bzw. eine positive Norm gesellschaftlicher Zugehörigkeit« (Bartelheimer et al. 2020, S. 43). In Anlehnung an die Sozialgeschichte von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung bedeutet die Anforderung hinsichtlich einer historischen Relativität von Teilhabe, dass Teilhabe an den jeweils geltenden Sichtweisen einer gegebenen Gesellschaft zu messen ist und diese in Wechselbeziehung zu persönlichen Faktoren steht.

2.

Teilhabe nimmt eine subjektorientierte Perspektive ein: »Das Verhältnis zwischen Individuum und gesellschaftlichen Bedingungen wird (...) aus der Perspektive des Individuums erfasst. Gesellschaftliche Bedingungen, Strukturen der Umwelt, sozialstaatliche Leistungen etc. werden danach beurteilt, welche Möglichkeiten sie dem Individuum in seiner Lebensführung eröffnen« (ebd., S. 44). In (vergangenen) Zeiten einer gesellschaftlich akzeptierten defizitorientierten Sichtweise auf Beeinträchtigung waren fehlende Initiativen und Maßnahmen, Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben zu lassen, nicht zu erwarten, da sie nicht der vorherrschenden und akzeptierten Sicht der jeweiligen Gesellschaft zu dieser Zeit entsprachen.

3.

Teilhabe zielt auf Möglichkeiten der Lebensführung: »Nicht jede Funktion der Lebensführung verlangt ein hohes Maß an Aktivität, aber Teilhabe setzt stets ein (selbstbestimmt) handelndes Subjekt voraus; sie kann weder durch stellvertretendes Handeln anderer noch durch fremdbestimmt vorgegebenes Handeln erreicht werden« (ebd., S. 44). Dazu ist eine wohlwollende Zurückhaltung von Betreuungspersonen von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung nötig und eine Fremdeinschätzung einer angemessenen aktiven Teilhabe zu vermeiden. Das darf jedoch nicht bedeuten, dass dem Personenkreis Unterstützungsleistung und Assistenz entsagt wird.

4.

Teilhabe impliziert Wahlmöglichkeiten: »Die enge Verbindung von Teilhabe und Selbstbestimmung ist mit Blick auf das Individuum mit der handlungsleitenden Vorstellung von Mündigkeit, Emanzipation und Selbstbestimmungsfähigkeit verknüpft« (ebd., S. 45). Insbesondere Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen sollten in die Lage versetzt werden, zwischen Alternativen auswählen zu können. Überforderungstendenzen durch zu hohe Erwartungen hinsichtlich der Selbstverantwortung müssen dabei jedoch vermieden werden.

5.

Teilhabe ist mehrdimensional: »Es gibt keinen zentralen gesellschaftlichen Ort, an dem über Teilhabe allumfassend entschieden wird, sondern vielfältige, ausdifferenzierte Lebensbereiche mit je unterschiedlichen Teilhabebedingungen und Funktionen für die Lebensführung eines Menschen« (ebd., S. 45). Um die Teilhabe von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung an der Gesellschaft bewerten zu können, muss davon ausgegangen werden, dass sich Teilhabe erst durch das Zusammenwirken verschiedener Teilhabeformen ergibt. Dies können beispielsweise die Teilhabe am System über Erwerbsarbeit sein, die Teilhabe durch soziale Beziehungen, die zugesagte Teilhabe durch Rechtsgrundlagen sowie die kulturelle Teilhabe durch den Erwerb von Kompetenzen und damit einhergehende geteilte gesellschaftliche Wertorientierungen.

6.

Möglichkeitsräume der Teilhabe als Währung sozialer Gerechtigkeit: »Alle sollen die Möglichkeit haben, sich für Optionen der Lebensführung, für Handlungspraktiken zur Verfolgung von Interessen zu entscheiden«. (...) Dabei »findet Verschiedenheit von Menschen Anerkennung; unterschiedliche persönliche Charakteristika, Präferenzen und Lebensentwürfe werden als gleichwertig angesehen« (ebd., S. 46). Durch Abhängigkeitsverhältnisse oder institutionell geprägte Lebensformen, wie sie im Kontext einer intellektuellen Beeinträchtigung häufig vorkommen und nicht gänzlich zu vermeiden sind, dürfen subjektive Bedürfnislagen und individuelle Heterogenität nicht verloren gehen oder unberücksichtigt bleiben.

7.

Teilhabe markiert einen zu schützenden Spielraum der Lebensführung: »Teilhabe und Nicht-Teilhabe als einfachen Gegensatz (Dichotomie) zu verstehen, wird der tatsächlichen Differenzierung individueller Lebenssituationen und -chancen nicht gerecht. Teilhabe im Sinne von Verfügungsräumen impliziert unterschiedliche Ausprägungen, die im konkreten Verwendungszusammenhang einer genaueren Bestimmung und Vermessung bedürfen« (ebd., S. 47). Wird die Teilhabe eines Menschen an der Gesellschaft bewertet, darf nicht nur eine statische Momentaufnahme geltend gemacht werden. Individuumszentrierte und bedürfnisgerechte Teilhabe setzt die Berücksichtigung biografischer Muster oder ggf. der gesamte Lebenslauf eines Menschen mit Beeinträchtigung voraus.

Es wird deutlich, dass gesellschaftliche Teilhabe durch vielfältige intra- und interpersonelle Faktoren auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen beeinflusst wird, dem sozialpolitisch Rechnung zu tragen ist. Durch den Nationalen Aktionsplan in Deutschland implementiert, ist die zentrale rechtliche Begründungslinie für die Teilhabe an gesellschaftlichen Lebensbereichen von Menschen mit Beeinträchtigung u. a. die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Wichtigster Grundsatz ist die »volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft« (Artikel 3c). Die UN-BRK ist dementsprechend entscheidende Grundlage, die in allen Beiträgen dieses Buches zum Tragen kommt. Grundlegende Voraussetzung ist, die Anerkennung des Rechts »aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und (...) den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft« zu gewährleisten (Artikel 19).

In weiteren rechtlich verbindlichen Dokumenten werden solche Rechte ebenfalls gesichert, z. B. in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) aus dem Jahre 2000, die über Artikel 6 des EU-Vertrages von Lissabon aus dem Jahre 2007 nunmehr offizielle und bindende Vertragsgrundlage für die Europäische Union ist. Dort heißt es in Artikel 26: »Die Union anerkennt und achtet den Anspruch von Menschen mit Behinderung auf Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer Eigenständigkeit, ihrer sozialen und beruflichen Eingliederung und ihrer Teilnahme am Leben der Gemeinschaft« (Artikel 26 GRCh).

In Deutschland wird versucht, den Anforderungen und Zielen von Artikel 19 UN-BRK und Artikel 26 GRCh der EU mit dem Sozialgesetzbuch 9 (SGB IX) Rechnung zu tragen. So bestimmt § 9 Absatz 3 SGB IX, dass Leistungen, Dienste und Einrichtungen den Leistungsberechtigten möglichst viel Raum zu eigenverantwortlicher Gestaltung ihrer Lebensumstände lassen und ihre Selbstbestimmung fördern. Eine umfassende rechtliche Regelung der Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung an allen Bereichen der Gesellschaft findet sich seit Dezember 2016 im »Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen« (Bundesteilhabegesetz, BTHG):

»Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken« (BTHG, Kap.1, § 1, Absatz 1).

Gemäß § 4 BTHG umfassen Leistungen zur Teilhabe u. a.: »notwendige [...] Sozialleistungen, um [...] die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern« (BTHG, Kap.1, § 4, Absatz 4).

Nicht von Seiten der Vereinten Nationen gefordert, sondern von der Bundesregierung initiiert, ist der erstmals im Jahr 2011 vorgestellte Nationale Aktionsplan (NAP) als eine Reaktion auf die Ratifizierung der UN-BRK zu werten. Mit dem NAP wird von der Bundesregierung ein Handlungsplan herausgegeben, der konkrete Maßnahmen für die Bundesrepublik vorstellt. In dem Dokument werden Maßnahmen aufgeführt, die beschreiben, in welcher Form Deutschland auf die Forderungen der UN-BRK zu reagieren gedenkt (vgl. NAP 2.0, BMAS 2016). Im Jahr 2016 verabschiedete das Bundeskabinett die zweite Auflage des NAP zur UN-BRK, der die Bemühungen um eine inklusive Gesellschaft weiter vorantreiben soll.

Ergänzend wurden bisher insgesamt drei Teilhabeberichte (2013, 2016, 2021) der Bundesregierung verabschiedet, die die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen systematisch und ausführlich beleuchten. Der erste Teilhabebericht von 2013 stellte erstmals Lebensbereiche von Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen vor, um auszuführen, welche Teilhabechancen sie haben, wo sie ausgeschlossen und benachteiligt werden und mit welchen Hürden sie zu kämpfen haben. Der zweite Teilhabebericht aus dem Jahr 2016 führte die Untersuchungen des Teilhabeberichts 2013 fort und beschreibt Entwicklungen der Teilhabe im Zeitraum von 2005 bis 2013 mit dem Ergebnis, dass die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung in den ausgewählten Lebensbereichen noch immer stark eingeschränkt ist. Daran anknüpfend erschien 2021 schließlich der dritte Teilhabebericht.

Um die Maßnahmen der Inklusionspolitik wirksamer auszurichten und die Rolle der Teilhabeforschung in der Sozialberichterstattung zu stärken, wurde darüber hinaus eine im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstellte Repräsentativbefragung zur Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung durchgeführt. Die Befragung von Menschen, die vielfachen Barrieren ausgesetzt sind, dient auch dazu, eklatante Datenlücken quantitativ und qualitativ zu schließen. Auf die Ergebnisse der Repräsentativbefragung wird in einigen Beiträgen des vorliegenden Buches eingegangen.

Eine intellektuelle Beeinträchtigung wird gesellschaftlich mit einer besonders ungünstigen und lebensqualitätsmindernden Lebenssituation verbunden. Durch meist lebenslange Abhängigkeitsverhältnisse und Unterstützungsbedarfe ist die Teilhabe und Inklusion des Personenkreises von vielfältigen Faktoren abhängig und gefährdet. Dabei gilt uneingeschränkt, dass Inklusion in allen Lebensbereichen ein Menschenrecht ist und zur Verbesserung der Lebensqualität aller Menschen einer Gesellschaft beiträgt. Sie bedeutet, »dass jeder Mensch in seiner Individualität als Teil der Gesellschaft akzeptiert wird und gleichberechtigt sowie selbstbestimmt die Möglichkeit hat, vollumfänglich an ihr teilzuhaben« (Aguayo-Krauthausen 2023, S. 15, H. i. O.).

Leider ist der fokussierte Personenkreis der erwachsenen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (noch) immer vielfältigen Teilhaberisiken in verschiedenen Lebensbereichen ausgesetzt. In Anlehnung an die Teilhabeberichte der Bundesregierung sowie die Repräsentativbefragung sollen im vorliegenden Buch diesbezüglich insbesondere folgende Teilhabebereiche fokussiert werden:

Mobilität und Barrierefreiheit

Gesundheit

Sicherheit und Schutz

Familien und soziale Netzwerke

Berufliche Bildung

Arbeit und Beruf

Wohnen

Lebenslanges Lernen und inklusive Erwachsenenbildung

Kultur

Freizeit

Digitale Medien.

Aus tiefer Überzeugung, dass eine vollumfängliche Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft keine unerreichbare Utopie darstellt, aber – wie oben beschrieben – von vielfältigen Faktoren abhängig ist, und der fokussierte Personenkreis besonderen Teilhaberisiken unterliegt, ist es ein Anliegen dieses Buches, darauf einen genauen Blick zu werfen. Dabei werden in den einzelnen Beiträgen zu o. g. Bereichen Teilhaberisiken aufgezeigt, die mitunter weitläufige Konsequenzen für den fokussierten Personenkreis mit sich bringen. Aus Risiken und Herausforderungen erwachsen jedoch Chancen und Möglichkeiten, die ergriffen werden sollen respektive bereits ergriffen wurden.

Zum Aufbau des Buches

Aus den oben genannten Teilhabebereichen ergibt sich die folgend vorgestellte Buchstruktur.

Den Anfang bilden die Beiträge von Reinhilde Stöppler, die sich mit den grundlegenden Voraussetzungen von Mobilität und Barrierefreiheit sowie Gesundheit für gelingende Teilhabe befassen. Kapitel zwei (▸ Kap. 2) zeigt auf, wie – basierend auf den beiden Säulen »Barrierefreiheit« und »Mobilitätsbildung« – eine sozial gerechte und individuelle Mobilität für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung ermöglicht werden kann. Neben der Sensibilisierung für die Gefahren der Verkehrsteilnahme werden vielfältige Chancen und Best-Practice-Mobilitätsangebote für den angesprochenen Personenkreis aufgezeigt. Das Thema Mobilität wird – wie kaum ein anderes – zunehmend in gesellschaftspolitischen Diskussionen fokussiert, insbesondere unter ökologischen und sozialen Aspekten. Der überwiegende Anteil der Menschen ohne Beeinträchtigungen macht sich jedoch keine Gedanken darüber bzw. weiß nicht, wie schwer und aufwändig es für Menschen mit Beeinträchtigungen sein kann, von A nach B zu kommen. Mobilität ist nicht nur ein Menschenrecht, sondern stellt die Voraussetzung zur Teilhabe an den hier im Buch beschriebenen Teilhabebereichen dar.

Über die Bedeutung des Teilhabebereiches Gesundheit bedarf es keiner besonderen Worte. In Kapitel drei (▸ Kap. 3) wird aufgezeigt, dass Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung bei diesem »höchsten Gut« eine besonders vulnerable Gruppe mit vielen existierenden Teilhaberisiken sind. Neben vielfältigen Barrieren in der Zugänglichkeit von Gesundheitsangeboten wird der dringende Bedarf an Gesundheitsbildung und -förderung mit Ideen und Vorschlägen zur Verbesserung des individuellen Gesundheitsstatus vorgestellt, die neue Teilhabechancen unterstützen können.

Der Beitrag von Ingeborg Thümmel widmet sich dem Thema Sicherheit und Schutz vor Gewalt für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in Einrichtungen der Behindertenhilfe. Die Autorin konkretisiert anhand von aktuellen Daten die unveränderte Gefährdungslage für Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe, die seit 2012 in allen drei Teilhabeberichten der Bundesregierung ausführlich beschrieben und beanstandet wurde. In Kapitel vier (▸ Kap. 4) wird die Bedeutung von Sicherheit und Schutz für die Nutzer*innen von Einrichtungen herausgestellt. Schutzlücken in den Einrichtungen werden aufgedeckt und neue Wege aufgezeigt, wie eine übergreifende und wirksame Gewaltschutzstrategie auf unterschiedlichen Ebenen und unter Berücksichtigung der Beteiligungsrechte von Nutzer*innen realisiert werden kann.

Im Beitrag von Barbara Jeltsch-Schudel werden die sozialen Beziehungsnetze von Familien mit Angehörigen mit Beeinträchtigung in ihrer Bedeutung bezüglich Teilhabechancen und Teilhaberisiken thematisiert. Menschen sind soziale Wesen, die aufeinander angewiesen sind und deshalb an sozialen Beziehungsnetzen partizipieren. Im Laufe des Lebens verändern sich die Rollen der gegenseitigen Unterstützung und die Kontexte, in denen diese erhalten oder gegeben werden. In Kapitel fünf (▸ Kap. 5) werden Erkenntnisse aus dem fachlichen Diskurs in Beziehung gesetzt mit Episoden aus einem Langzeitprojekt, das die Situation von Familien mit Angehörigen mit Trisomie 21 untersucht. Unterschiedliche Perspektiven von verschiedenen Familienmitgliedern und von an den sozialen Beziehungsnetzen Beteiligten und deren Veränderungen in der Zeit verdeutlichen sowohl die Singularität der Erfahrungen wie auch deren Ähnlichkeiten, sehr oft bedingt durch gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen. Dies verweist darauf, dass Implikationen für die Praxis nicht verallgemeinert in einer Rezeptform gegeben werden können, sondern zum einen in Verbesserungen der Rahmenbedingungen und zum andern in einem sorgfältigen und respektvollen Umgang zu sehen sind. Das im Beitrag vorgenommene differenzierte Verständnis von Partizipation, das auf gesellschaftlichen und individuellen Aspekten beruht, ist dabei wesentlich und vermag wichtige Implikationen für Bildung und Unterstützung sozialer Beziehungsnetze von Familien mit Angehörigen mit Beeinträchtigung zu geben. Dabei wird deutlich, dass Rahmenbedingungen, also auf der makrosoziologischen Ebene, ebenso berücksichtigt werden müssen wie mikrosoziologisch die Perspektivenvielfalt der an sozialen Beziehungsnetzen Beteiligten. Kurz: sollen Teilhabechancen die Exklusionsrisiken übersteigen, sind differenzierte Zugänge, basierend auf sorgfältigen Analysen, Voraussetzung.

Die Beiträge von Heiko Schuck fokussieren zwei stark miteinander verknüpfte Teilhabebereiche für alle (jungen) Erwachsenen: Berufliche Bildung sowie Arbeit und Beruf. In Kapitel sechs (▸ Kap. 6) wird aufgezeigt, dass eine umfassende und uneingeschränkte Berufliche Bildung und Berufsvorbereitung durch entsprechende Bildungsmaßnahmen insbesondere für junge Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung obligatorisch für deren Teilhabechancen auf dem Arbeitsmarkt sind und sie darüber hinaus auf eine selbstbestimmte und unabhängige Lebensführung vorbereitet. Zunächst wird die generelle Bedeutung dieses Bildungsbereiches aufgezeigt, der durch entsprechende rechtliche Aspekte abgesichert und curricular vorgeschrieben ist. Insbesondere im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (FsgE) ergeben sich jedoch spezifische Teilhaberisiken, die sich u. a. durch fehlende Bildungsabschlüsse, mangelnde Verdienstmöglichkeiten und automatisierte Bildungswege negativ auf die Teilhabemöglichkeiten im Arbeits- und Berufsleben des Personenkreises auswirken. Um diesen vorzubeugen, sind zielgruppenspezifische Lern- und Bildungsangebote als umfassende Vorbereitung auf gelingende Übergänge für junge Menschen im FsgE nötig, damit Teilhabechancen verbessert und berufliche Perspektiven erschlossen werden können. Zum Abschluss werden Best-Practice-Beispiele aufgeführt, die diesen Anspruch fokussieren und die Ausgangslage der betreffenden jungen Menschen optimieren. A priori schließt sich diesem Beitrag Kapitel sieben (▸ Kap. 7) zum Teilhabebereich Arbeit und Beruf an, in dem die Bedeutung von gesellschaftlicher Anerkennung, Inklusion und Teilhabe durch Arbeit und Beruf im Vordergrund steht. Die Berufstätigkeit ist in einer leistungsorientierten Gesellschaft wie Deutschland hochgeachtet und gilt als fundamentale Bedingung für eine ökonomische und subjektive Wohlstandssicherung. Daher sind die Partizipation und Teilhabe durch Arbeit und Beruf von entscheidender Bedeutung für die Inklusion von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in die Gesellschaft. Der Beitrag beginnt mit einer definitorischen Auseinandersetzung und der Zugangsvoraussetzungen zum Arbeitsmarkt. Der Rahmen hierfür wird gesteckt durch rechtliche Aspekte, die die Teilhabe- und Inklusionschancen von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung sichern sollen. Leider ist der Arbeits- und Berufssektor an vielfältige Bedingungen geknüpft, aus denen sich zahlreiche Teilhaberisiken ergeben, sofern diese Bedingungen nicht erfüllt werden (können). Im Beitrag werden Aspekte der geringen oder fehlenden Bildungsabschlüsse, systembedingten Benachteiligungen und alternativlose Beschäftigungen diskutiert, die jedoch keinesfalls statisch und unveränderbar anzusehen sind, wie die abschließenden Teilhabechancen und Best-Practice-Beispiele aufzeigen.

Der Beitrag von Simon Orlandt fokussiert den Teilhabebereich des Wohnens. In Kapitel acht (▸ Kap. 8) werden gelungene Anwendungsbeispiele sowie Handlungsempfehlungen im Kontext des Wohnens bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung aufgezeigt, welche unter anderem auf Basis der Ergebnisse des dritten Teilhabeberichtes beruhen. Wohnen stellt ein essenzielles Grundbedürfnis des Menschen dar. Für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen existieren unterschiedliche Wohnlandschaften in der Bundesrepublik Deutschland, die zur Realisierung des individuellen Wohnanspruches beitragen sollen. Dabei sollte das Prinzip ambulant vor stationär bei der Umsetzung bzw. Realisierung entsprechender Angebote im Vordergrund stehen. Wie dieser Beitrag hingegen aufzeigt, offenbaren die Ergebnisse des dritten Teilhabeberichtes hingegen ein ambivalentes Bild, indem Anspruch und Wirklichkeit voneinander differieren. Als Gegenmaßnahme für diese Entwicklung werden Best-Practice-Beispiele vorgestellt und durch pädagogische Handlungsempfehlungen ergänzt, welche die Teilhabechancen des inklusiven Wohnens verbessern können.

Der umfängliche und lebenslange Bildungsanspruch wird durch den Beitrag von Jonas Metzger aufgegriffen. Angebote des Lebenslangen Lernens und der Erwachsenenbildung sind wesentlich für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, gerade im Alter. Entsprechende Angebote sind Situationen, in denen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung nicht nur wichtige Kompetenzen, um an der Gesellschaft teilzuhaben, erwerben und erhalten, sondern sie sind konkrete Situationen, in welchen sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigung begegnen können. Auch bieten Lebenslanges Lernen und Erwachsenenbildung die Chance, dass Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung nicht nur als Rezipient*innen von Angeboten vorkommen, sondern als Lehrende und Wissende. Analog zu den anderen Beiträgen in diesem Buch werden in einem ersten Teil des Kapitels neun (▸ Kap. 9) die Konzepte des Lebenslangen Lernens und der Erwachsenenbildung vorgestellt und auf deren Bedeutung für die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung eingegangen. Anschließend werden zentrale rechtliche Rahmenbedingungen in diesem Kontext betrachtet und Teilhaberisiken dargelegt. Abschließend werden Teilhabechancen aufgezeigt und diese anhand von Best-Practices-Beispielen konkretisiert.

Die Beiträge von Melanie Knaup befassen sich mit den gesellschaftlichen Lebens- und Teilhabebereichen der Kultur und Freizeit. In Kapitel zehn (▸ Kap. 10) werden Faktoren, die die kulturelle Teilhabe für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung beeinflussen, beschrieben und notwendige Schritte zur Überwindung dieser Herausforderungen erörtert. In dem Beitrag wird ausgehend von der definitorischen Einordnung verschiedener Kulturbegriffe und der generellen Bedeutung von Kultur ebenfalls rechtliche Aspekte aufgezeigt, die menschenrechtliche Rahmenbedingungen darstellen. Dennoch führen diese nicht dazu, dass Teilhaberisiken in Gänze überwunden werden, wie im entsprechenden Abschnitt aufgezeigt wird. Abschließend werden Teilhabechancen erörtert, die Möglichkeiten der barrierefreien kulturellen Teilhabe eröffnen können.

Der Wunsch nach einer Erhöhung der Lebensqualität bestimmt in den vergangenen Jahren auch die Freizeitgestaltung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. In der schier unermesslichen Vielfalt von Freizeitaktivitäten findet sich Raum für persönliche Entfaltung, individuelle Interessen und soziale Begegnungen. Doch wie gestaltet sich dieser Freiraum für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung? Kapitel elf (▸ Kap. 11) zum Thema Freizeit erörtert ausgehend von rechtlichen Aspekten und einer statistischen Datenlage, Teilhaberisiken, aber vor allem die Chancen in der Freizeitgestaltung und thematisiert nicht nur Barrieren, sondern auch Handlungsoptionen zu einer umfassenden Teilhabe in und durch Freizeit.

Der Beitrag von Nils Seibert greift ein hoch aktuelles Thema in einer digitalisierten Gesellschaft auf und darf deswegen nicht in diesem Buch fehlen. Spätestens die Corona-Pandemie verdeutlichte die Wichtigkeit von digitalen Medien in unserer Gesellschaft. Weiterhin sind sie mittlerweile für bedeutende kulturelle und soziale Prozesse verantwortlich. Dadurch entsteht die Notwendigkeit, Teilhabe an und mit digitalen Medien sowie durch digitale Medien bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung zu forcieren. In Kapitel zwölf (▸ Kap. 12) wird die Bedeutung von digitalen Medien näher betrachtet und in die Theorie des Digital Divide eingeführt. Im Anschluss werden rechtliche Grundsätze im Bezug zu digitalen Medien erläutert, um die rechtliche Grundlage einer Teilhabe an digitalen Medien zu erfassen. Danach werden zwei Teilhaberisiken (Cybergrooming/Cybermobbing) des Gebiets vorgestellt und deren Bedeutung für den Personenkreis beleuchtet. Dem werden Teilhabechancen gegenübergestellt, in diesem Fall das Konzept der Medienkompetenz und daraus resultierend drei Handlungsempfehlungen für pädagogische Fachkräfte und Erziehungsberechtigte von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und weiterführende Überlegungen angestellt.

Terminologische Überlegungen

Wir möchten darauf hinweisen, dass wir in dem vorliegenden Buch den Begriff der Beeinträchtigung wählen und uns entsprechend der Empfehlungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte dafür entschieden haben, die Formulierung Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung zu nutzen. Damit wird sich am englischen Originalwortlaut der UN-Behindertenrechtskonvention (»intellectual impairments«) orientiert und dem Wunsch von Selbstvertretungsorganisationen nach Vermeidung des Begriffs Geistige Behinderung entsprochen; das scheint im Kontext des Buches mehr als angemessen zu sein. Nichtsdestotrotz sind uns der terminologische Diskurs und die begriffliche Problematik bewusst, möchten an dieser Stelle jedoch nicht die fachspezifische und interdisziplinäre Begriffsdiskussion weiter aufgreifen, sondern verweisen u. a. auf den Beitrag von Sappok, Georgescu & Weber (2023)1.

Zudem haben wir uns dafür entschieden, eine genderneutrale Schreibweise aus Respekt gegenüber menschlicher Diversität und Heterogenität zu verwenden. In allgemeinen Texten der Rechtsprechung oder öffentlichen Berichten sowie Statistiken werden die jeweils verwendeten Begriffe und Schreibweisen übernommen.

Literatur

Bartelheimer, P. et al. (2020): Teilhabe – eine Begriffsbestimmung. Wiesbaden: Springer VS.

Bartelheimer, P. (2007): Politik der Teilhabe. Ein soziologischer Beipackzettel. In: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Fachforum. Analysen & Kommentare. Onliner verfügbar unter: https://library.fes.de/pdf-files/do/04655.pdf

BMAS (2016): Zweiter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen. Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung. Online verfügbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/a125-16-teilhabebericht.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Endnoten

1Sappok, T, Georgescu, D. & Weber, G. (2023): Störungen der Intelligenzentwicklung – Überlegungen zur Begrifflichkeit. In: T. Sappok (Hrsg.): Psychische Gesundheit bei Störungen der Intelligenzentwicklung. Ein Lehrbuch für die Praxis. Stuttgart: Kohlhammer, S. 17 – 23.

2 Mobilität und Barrierefreiheit

Reinhilde Stöppler

Mobilität ist im Kontext des aktuell global vorherrschenden Mobilitätsparadigmas von aktueller und zentraler Bedeutung und befindet sich im ständigen Diskurs und Wandel. Insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels entstehen innovative Mobilitätskonzepte, zu deren Adressat*innen bislang Menschen mit (intellektueller) Beeinträchtigung nicht gehören. Sie scheinen keine Rolle zu spielen bei Überlegungen und Diskussionen über Smart Mobility, Seamless Mobility, Shared Mobility. Sie sind keine »High-Frequency-Commuters«, für die Maßnahmen des Remote work in Frage kämen. Es handelt sich weder um Premiumkund*innen noch spielen sie in den Überlegungen zur AGORA-Verkehrswende eine Rolle; bei dem viel diskutierten 9 €-Ticket in 2022 sowie dem 49 €-Ticket in 2023 werden ihre Bedarfe nicht mitgedacht.

Auch aus den oben angegebenen Gründen ist es unerlässlich, diesen – von vielfältigen exkludierenden Risiken betroffenen – Teilhabebereich in den Fokus zu nehmen.

2.1 Bedeutung

Der Begriff der Mobilität impliziert vielfältige Bedeutungen und weist stets auf (geistige, kulturelle, soziale, virtuelle) Positionsveränderungen hin. In diesem Kontext handelt es sich primär um räumliche Mobilität, bei der es um die Überwindung räumlicher Distanzen sowie den Wechsel von Orten geht.

Mobilität ist eine der zentralsten Voraussetzungen für die selbstbestimmte Teilhabe an gesellschaftlichen Teilsystemen, aus denen sich moderne differenzierte Gesellschaften bilden (vgl. Luhmann 1994). Mobil sein trägt maßgeblich zur Lebensqualität bei und stellt ein Grundbedürfnis aller Menschen dar. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass Mobilität gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht sowie dass die Potenziale von Mobilität für ein »gutes Leben« entscheidend sind (vgl. Daubitz 2021, S. 78). Notwendig dazu sind die zur Verfügung stehenden Infrastrukturen sowie individuelle Fähigkeiten der Akteur*innen.

Das Teilhabepotenzial von Mobilität ist enorm, ermöglicht sie doch den Zugang zu vielen Lebensbereichen, wie z. B. Arbeit, Wohnen, Freizeit, Sport, Gesundheit etc. (vgl. Stöppler 2011, S. 14; Stöppler 2015, S. 136; Stöppler 2017, S. 15 ff.), um nur einige exemplarisch zu nennen.

Mobilität stellt eine zentrale Voraussetzung zur Teilhabe am Arbeitsleben (▸ Kap. 7), ob in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung2 (WfbM) oder auf dem ersten Arbeitsmarkt, dar. Die selbständige Bewältigung des Arbeitsweges ermöglicht den Arbeitenden, ihre Aktivitäten, Arbeitszeiten und auch den Feierabend selbstbestimmt und unabhängig von Fahrdiensten zu gestalten.

Auch die Teilhabe an Freizeit (▸ Kap. 11) wird durch eine selbstbestimmte Mobilität erleichtert; so belegen Studien zu Freizeiteinschränkungen und Teilhaberisiken bei Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, dass fehlende Mobilität zu den größten Teilhaberisiken gezählt werden muss. Hier spielen neben Beeinträchtigungen in der persönlichen Mobilität auch nicht vorhandene Barrierefreiheit der Freizeitangebote und -orte eine wesentliche Rolle.

Durch aktuelle Dezentralisierungstendenzen, Schaffen von selbstständigeren Wohnformen, Zunahme von quartiersbezogenen Konzepten (vgl. Haveman & Stöppler 2021, S. 123 ff.) sowie Veränderungen in der Wohnsituation bei erwachsenen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung gewinnt das Wohnumfeld zunehmend an Bedeutung. Die Orientierung im Wohnumfeld und Sozialraum wird notwendiger (▸ Kap. 8).

Teilhabe am Gesundheitssystem setzt die Erreichbarkeit der Einrichtungen der Gesundheitsförderung, -versorgung, -prävention und Rehabilitation voraus (▸ Kap. 3).

Abb. 2.1:Entwicklung des Verkehrs nach Wegezwecken (Nobis & Kuhnimhof 2019, S. 61)

Mobilität stellt also eine entscheidende, leider oft verkannte Voraussetzung zur Teilhabe und Inklusion dar. Deutlich werden weitere und sämtliche Bereiche im Nationalen Aktionsplan (NAP 2.0), in dem Mobilität als Querschnittsthema und Kernkompetenz dargestellt wird.

Wie wichtig Mobilität für unseren Alltag ist, belegen auch die Studien bzgl. der Nutzung des Verkehrssystems; z. B. zeigt die bundesweite Erhebung »Mobilität in Deutschland 2017« (MiD) das 85 % der befragten Personen an einem normalen Wochentag das Verkehrssystem nutzen und dabei 3,1 Wege zurücklegen. Abb. 2.1 (▸ Abb. 2.1) belegt, dass die Wege den Bereichen Freizeit (28 %), Einkaufen (16 %), Arbeit (16 %), Erledigungen (14 %), Begleitung (8 %), Ausbildung (7 %) sowie dienstlichen/geschäftlichen Zwecken (11 %) dienen (vgl. BMVI 2019, S. 17).

Die Beteiligung im Straßenverkehrsraum ist mehr als nur ein Zurücklegen von Strecken. Es handelt sich um einen Erlebnis-‍, Erfahrungs- und Sozialisationsraum, der auch als Kontaktzone gesehen werden kann, als Chance zu disruptiven Kontakterfahrungen (vgl. van Essen 2020, S. 297).

2.2 Rechtliche Aspekte

Zahlreiche Paradigmen der aktuellen Geistigbehindertenpädagogik sowie aktuelle rechtliche Bestimmungen weisen auf die Bedeutung der Mobilität hin, und zwar jeweils auf die zwei Säulen Barrierefreiheit und Mobilitätsbildung.

2.2.1 UN-Behindertenrechtskonvention

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) stellt klar, dass Menschen mit Beeinträchtigungen ein uneingeschränktes Recht auf Teilhabe besitzen. Für eine »volle wirksame und gleichberechtigte Teilhabe« an der Gesellschaft ist die individuelle Mobilität von Menschen mit Beeinträchtigungen grundlegende Voraussetzung (vgl. auch § 1 SGB IX und Art. 20 UN-BRK). Sie geht mit den Artikeln 9 sowie 20 und ihren Forderungen nach »Zugänglichkeit« auf dieses zentrale Partizipationsfeld ein (vgl. Stöppler 2015, S. 11 f.). In Artikel 9 heißt es unter dem Stichwort ›Zugänglichkeit‹, dass die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um »Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, [...]«. Das Ziel sei es, »für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation [...], sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten« (Artikel 9 – Zugänglichkeit, UN-BRK).

Ähnlich verhält es sich mit § 8 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG), der auf die Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr verweist. So heißt es im Abschnitt 2 »Sonstige bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes barrierefrei zu gestalten.«

2.2.2 Bundesteilhabegesetz

Im Einklang mit der UN-BRK hat das Bundesteilhabegesetz (BTHG) zum Ziel, die »Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung zu verbessern«. Assistenzleistungen und Leistungen zur Mobilität sind nun im Leistungskatalog zu finden. Wesentlich ist, dass sich die Unterstützung der Menschen mit Behinderungen nicht mehr an einer bestimmten Wohnform, sondern ausschließlich am notwendigen individuellen Bedarf orientiert. D. h., dass auch der Bereich der Mobilität neu behandelt wird (§83 SGB IX).

Das BTHG fordert nun einen ganzheitlichen Blick auf den aktuellen Funktionszustand eines Menschen. Es orientiert sich damit an der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Hier werden Umweltfaktoren, personenbezogene Faktoren und Gesundheitsprobleme der jeweiligen Person berücksichtigt. Der komplexe Blick auf mögliche Wechselwirkungen zeigt, dass Behinderung im Sinne einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit kein feststehendes Merkmal, sondern ein wandelbares System darstellt. Aus diesem ganzheitlichen Blick auf die Bedarfslage ergibt sich der individuelle Leistungsanspruch. Auch hier wird ersichtlich, dass Mobilität eine der zentralen Kernkompetenzen in allen Lebensbereichen darstellt. Die individuelle Bedarfsplanung muss sich nun daran orientieren und individuelle Ressourcen einsetzen, fördern und ausgleichen.

2.2.3 Nationaler Aktionsplan (NAP)

Das Bundeskabinett verabschiedete am 28. Juni 2016 die zweite Auflage des Nationalen Aktionsplans zur UN-Behindertenrechtskonvention – kurz NAP 2.0.

Barrierefreiheit stellt ein Querschnittsthema und einen zentralen Aspekt (S. 130 ff.) der Handlungsfelder des Nationalen Aktionsplans (NAP 2016) dar.

2.2.4 Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und Personenbeförderungsgesetz

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz fordert, dass seit Januar 2022 der öffentliche Personennahverkehr vollständig barrierefrei sein muss. Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung sagt aus:

»Wir verpflichten in dieser Wahlperiode private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, innerhalb einer angemessenen Übergangsfrist zum Abbau von Barrieren oder, sofern dies nicht möglich oder zumutbar ist, zum Ergreifen angemessener Vorkehrungen« (Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und FDP).

Seit dem 1. Januar 2022 muss nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz der öffentliche Personennahverkehr vollständig barrierefrei sein; jedoch gibt es keinen (Zeit-)‌Plan für die Umsetzung des Gesetzes. Dieses wurde bereits schon im Personenbeförderungsgesetz 2013 verabschiedet.

Zusammenfassend weisen viele rechtlichen Bestimmungen, die UN-BRK, die ICF, das Teilhabestärkungsgesetz etc. auf die Bedeutung und das Recht der Mobilität hin. Einige/viele Gesetze, die Mobilität und Barrierefreiheit für alle fokussieren, werden jedoch nur in »Trippelschritten« (Reichert 2022, S. 40) umgesetzt. Daher gibt es aktuell noch viele Teilhaberisiken.

2.3 Teilhaberisiken

Menschen ohne Mobilitätsbehinderungen verfügen oftmals über eine breite Mobilitätsbiografie, die ›fahrplanmäßig‹ mit zunehmendem Alter und Rollenspektrum wächst. Sie können wahlweise zu Fuß, mit dem Fahrrad, Bus, Bahn, Motorrad, PKW etc. im Straßenverkehr unterwegs sein. Mobil sein wird überwiegend positiv bewertet und hat in allen Lebensphasen einen sehr hohen Stellenwert. So stellt Mobilität und Bewegung in der Jugendkultur einen zentralen Baustein dar; der aktuelle Jugendjargon zeigt die positive Konnotation für Bewegung und Schnelligkeit mit Termini wie »läuft«, »boarden«, »abgefahren«, »abgehen« etc. (vgl. Stöppler 2017, S. 12).

Bei Menschen mit Mobilitätsbehinderungen wird die Mobilitätsbiografie und Wahlfreiheit eingeschränkt. In der Regel fahren sie nicht selbständig mit dem PKW; ihre Optionen bestehen zumeist aus zu Fuß gehen, Benutzung von Bus und Bahn, Rad fahren (vgl. Haveman & Stöppler 2021, S. 167).

Für sie und weitere schwächere Verkehrsteilnehmer*innen (Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Beeinträchtigungen) ergeben sich unterschiedliche Gefährdungspotenziale. Bei der Betrachtung der unterschiedlichen Rollen der Verkehrsteilnahme sollen auch exemplarisch die besonderen Unfallrisiken und Gefahrensituationen fokussiert werden, um häufigen Unfallursachen präventiv zu begegnen.

2.3.1 Verkehrsunfälle

Es gibt kaum statistische Angaben über Häufigkeit und Ursachen von Verkehrsunfällen bei Menschen mit Beeinträchtigungen. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) stellte in eine der wenigen Studien die Art der Verkehrsbeteiligung beim Unfallzeitpunkt fest. Die meisten Unfälle von Menschen mit Beeinträchtigungen ereignen sich mit 35,7 % beim Zufußgehen; gefolgt von der Beförderung mit Behindertentransportwagen (27,4 %) und beim Radfahren (22,8 %). Die häufigste Unfallursache sind die sogenannten SRS-Unfälle (Unfälle durch Stolpern-Rutschen-Stürzen) (vgl. BGW 2023, S. 12).

Die Bedeutung des Fußverkehrs wird gesellschaftlich und politisch unterschätzt. Die meisten Menschen nehmen täglich zu Fuß am Straßenverkehr teil, z. B. zur nächsten Haltestelle, vom Parkplatz zum Ziel. In den letzten Jahren kamen in Deutschland bei Unfällen mehr zu Fuß-Gehende ums Leben als Radfahrende.

Die Hauptunfallursachen beim zu Fuß gehen sind:

Falsches Verhalten beim Überqueren der Fahrbahn, vor allem an ungesicherten Stellen (Unterschätzen von Geschwindigkeit und Entfernung herannahender Fahrzeuge, plötzliches Hervortreten zwischen Sichthindernissen, Nichtbeachtung von Fahrzeugen etc.) (vgl. Stöppler 2017, S. 86; DVR 2020).

Benutzung des Smartphones (Telefonieren, Verfassen von Textnachrichten, Hören von Musik etc.) bei der Teilnahme am Straßenverkehr (vgl. DVR 2020; vgl. Stöppler 2017, S. 87).

Die häufigsten Unfallursachen beim Radfahren sind:

Falsche Straßennutzung

Fehler beim Abbiegen

Verletzung von Vorfahrt- oder Vorrangregelungen

Falsche Geschwindigkeiten

Falsche Abstände zum Vorausfahrenden (vgl. Heß 2014, S. 32).

Auch hier gibt es – analog zum zu Fuß gehen – eine Erhöhung des Unfallrisikos bei Handynutzung auf dem Fahrrad (vgl. KBV 2016).

Beim Fahren mit Bus und Bahn stellen das Anfahren und Bremsen für stehende Mitfahrer*innen eine Gefahr dar. Weitere Gefahren können dadurch entstehen, dass Personen eilig zur Haltestelle/Bahnhof laufen und dabei nicht auf den Straßenverkehr achten.

2.3.2 Barrieren

Ein Gegenstand oder eine Situation gilt dann als Barriere, wenn bestimmte Fähigkeiten oder Funktionsweisen vorausgesetzt werden, das Individuum diese Voraussetzung aber nicht erfüllt und »sie selektiv den Zugang zu oder die Nutzung von etwas für diejenigen Individuen erschweren oder verwehren, die (z. B. wegen einer Sinnesschädigung oder funktioneller Einschränkungen) aus dem ›Normalitätsspektrum‹ herausfallende psychische, kognitive oder körperliche Eigenschaften aufweisen« (Dederich 2012, S. 102).

Dabei gehen die Einschränkungen der Mobilität weit über räumliche Barrieren hinaus. Menschen mit Beeinträchtigung können auch durch sprachliche, soziale, sozioökonomische und personenbezogene Barrieren in ihrem Mobilitätsverhalten eingeschränkt werden. Hinsichtlich der personenbezogenen Barrieren ist es wichtig anzumerken, dass neben Menschen mit einer Beeinträchtigung auch ältere Menschen, Menschen mit fehlender Ortskenntnis, Menschen mit vorübergehenden Unfallfolgen, einer Reisebehinderung oder mit fehlender Mobilitätsbildung mobilitätsbehindert sein können.

Bei den Behinderungsformen gilt es, zwischen Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung, Körper-‍, Sprach- oder Lernbehinderung, Menschen mit einer Hör- oder Sehschädigung, Menschen mit Taubblindheit, einer Autismus-Spektrum-Störung, schwersten Behinderungen (Mehrfachbehinderung) und Verhaltensstörungen zu differenzieren. Für die praktische Realisierung mobilitätsfördernder Angebote lassen sich daraus vier Bedürfnisgruppen bilden:

Bewegen

Sehen

Hören

Verstehen/Orientieren.

Bringt man die zuvor dargestellten Barrieren in Verbindung mit den Bedürfnisgruppen, ergibt sich daraus folgende Darstellung (▸ Abb. 2.2):

Abb. 2.2:Hindernisse im öffentlichen Raum bezogen auf ausgewählte Beeinträchtigungsformen (BMAF 2021a, S. 358)

Zwar sind im »Bereich des öffentlichen Personenverkehrs viele Verbesserungen sowohl bei den Bussen und Bahnen als auch bei den Haltestellen erreicht worden. Beispielsweise sind rund 78 % der Bahnhöfe stufenlos erreichbar, rund 53 % aller Bahnsteige sind mit taktilen Leitsystemen ausgestattet, 61 % der Linienbusse sind als Niederflurbusse im Einsatz. Barrieren bestehen dennoch fort« (BMAS 2021a, S. 13). So verweist der Dritte Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen auf ein ausgeprägtes Stadt-Land-Gefälle. »Das weist darauf hin, dass Menschen mit Beeinträchtigungen in ländlichen Gegenden schlechtere Bedingungen für ihre Mobilität vorfinden« (ebd.). Die Umsetzung der Vorgaben des Artikels 9 UN-BRK hinsichtlich der Gestaltung des öffentlich zugänglichen Raums ist eine Aufgabe, die insbesondere auch die Kommunen betrifft. So müssen Wohnquartiere so umgestaltet beziehungsweise umgebaut werden, dass Menschen mit Beeinträchtigungen eine möglichst selbstständige Lebensführung in der Wohnumgebung möglich ist; dazu gehört das Erreichen aller dem Gesundheitswesen zugehörigen Teilsysteme.

Im Forschungsprojekt MogLi wurde eine Vielzahl von Barrieren für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung evaluiert (vgl. Stöppler 2018a, S. 141). Bei der Teilnahme am ÖPNV bestehen die größten Barrieren für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung in:

Nicht einheitlichen Fahrgastinformationskonzepten

Unsicheren Straßenquerungen

Orientierungsschwierigkeiten beim Umsteigen

Informationen ausschließlich aus Zahlen und Text

Verweigerung der Mitnahme wegen Überfüllung

Ausfall eines Busses

Gefahr, falsch auszusteigen

Gefahr, in den falschen Bus einzusteigen

Lage bzw. Ausstellung von Aushangfahrplänen in einer ungünstigen Höhe

Falscher, unklarer oder fehlender Zielbeschilderung von Fahrzeugen

Zu langem Schulweg mit ÖPNV (vgl. Monninger 2011, S. 25 ff.).

2.4 Teilhabechancen

2.4.1 Barrierefreiheit

Barrierefreiheit ist neben Inklusion einer der zentralen Begriffe in der öffentlichen Debatte um die Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigung.3 Studien zufolge steigt mit Anstieg des Grades der Behinderung die Bedeutsamkeit der Barrierefreiheit (BMAS 2013, S. 225). Eine barrierefreie Gestaltung des öffentlich zugänglichen Raums, des Straßenverkehrs und des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sind damit wesentliche Voraussetzungen für Mobilität und damit dem Zugang zu allen notwendigen Gesundheitsleistungen. Barrierefreiheit ist nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) NRW § 4 »(...) die Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der gestalteten Lebensbereiche für alle Menschen. Die Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit müssen für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe möglich sein«.

Bezüglich der Barrierefreiheit in deutschen Städten ergaben repräsentative Befragungen der Aktion Mensch aus den Jahren 2012, 2016 und 2017, dass aus Sicht von ca. 80 % der Antwortenden ein großer Handlungsbedarf beim Abbau von Barrieren bei der Zugänglichkeit von Gebäuden und Plätzen, öffentlicher Infrastruktur, privatem Wohnen, Mobilität (ÖPNV) sowie des Arbeitsmarkts besteht (BMAS 2021a, S. 350).

Maßnahmen der Barrierefreiheit

Bezogen auf die zuvor dargestellten Hindernisse und Barrieren, denen Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungsformen im öffentlichen Raum begegnen, sollen im Folgenden Maßnahmen der Barrierefreiheit aufgezeigt werden (▸ Tab. 2.1).

Tab. 2.1:Entwicklungsbereiche, Unterstützungsmöglichkeiten und Maßnahmen der Barrierefreiheit (Quelle: eigene Darstellung)

Beeinträchtigung

Mögliche betroffene Entwicklungsbereiche

Unterstützungs-möglichkeit (exemplarisch)

Maßnahmen der Barrierefreiheit

Motorik(Bewegen)

z. B. Muskeltonus, Koordination von Bewegungsabläufen

technische Hilfsmittel

personelle Unterstützung

barrierefreie/-arme Umgebung

→ »Fuß-Rad-Prinzip«

Wahrnehmung/‌Sinnesbeeinträchtigungen(u. a. Sehen, Hören)

Aufnahme von Reizen, Reizunterscheidung, Reizempfinden, Körper-/Raumorientierung, Beeinträchtigung einzelner Wahrnehmungsbereiche (auditiv, visuell, taktil)

technische Hilfsmittel

mediale Aufbereitung von Informationen (deutliche Figur-Grundwahrnehmung, Vergrößerung/‌Verstärkung der Reize, etc.)

→ »Zwei-Sinne-Prinzip«

Kognition(Verstehen, Orientieren)

z. B. Merkfähigkeit, Konzentration, Transferfähigkeit, Gedächtnis

Merkhilfen (Bildkarten, Schrift)

reduzierte Komplexität von Angeboten/‌Aufgaben

Strukturierungs-hilfen

→ »KISS-Regel«

Verstehen/Orientieren

Zur Bedürfnisgruppe Verstehen/Orientieren zählen Menschen mit Lernbehinderungen und intellektueller Beeinträchtigung. Diese Personengruppe kann bei der Bewältigung von kognitiven Aufgaben geringe, mäßige, große oder sehr große Probleme haben. Auswirkungen auf die Mobilität zeigen sich durch

eine rasche Ablenkbarkeit,

kürzere Aufmerksamkeitsspannen,

Wahrnehmungsstörungen,

Sprachbeeinträchtigungen,

Motorische Beeinträchtigungen, etc.

Eine zentrale Maßnahme der Barrierefreiheit stellt die Regel »KISS« dar: »Keep it short and simple«. Die Regel impliziert, dass relevante Informationen durch kurze und einfache Texte, bspw. in Leichter Sprache und oder durch Bildsprache (Piktogramme), übersetzt und vermittelt werden. Leichte Sprache verzichtet auf längere Sätze und komplexe grammatikalische Strukturen sowie auf Fremdwörter, Metaphern, Sonderzeichen und Abkürzungen. Entsprechende Texte mit serifenloser und großer Schrift sind besonders gut lesbar. Piktogramme können den Text ergänzen oder ersetzen. Bildsprache kann international verständlich komplexe Inhalte durch einfache grafische Darstellung vermitteln. Insbesondere Piktogramme eignen sich auch für die taktile Gestaltung, wodurch sie auch für blinde und sehbehinderte Menschen nutzbar sind. Piktogramme (und auch Leichte Sprache) sind vorteilhaft, um ebenfalls Kindern und Menschen mit Leseschwächen oder geringen Deutschkenntnissen den inhaltlichen Zugang zu erleichtern (vgl. Stöppler & Knaup 2023).

Die Orientierung an Orten des öffentlichen Raumes und konkret auch im Straßenverkehr gestaltet sich für erwachsenen Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung oftmals erschwert. Deshalb sollten Leit- oder Informationssysteme, die sich der Signaletik bedienen, bei der Orientierung eines Menschen an unbekannten Orten unterstützen. Dabei wird sowohl mit Schrift als auch mit Piktogrammen und Pfeilen gearbeitet. Schilder sollten in erster Linie eindeutig sowie möglichst groß und blendfrei dargeboten werden; zusätzlich könnten Informationen an Hinweistafeln ertastbar sein.

Bei einer Studie zur Ermittlung von Relevanz und Erlernbarkeit von Barrieren wurde deutlich, dass es Barrieren gibt, die mit adäquatem Training und pädagogischen Maßnahmen erlernbar sind und demzufolge eine geringe Relevanz haben:

Kleidung und Zeitplanung bei Witterung

Ein- und Aussteigen aus dem Bus

Weg zur Haltestelle

Sicherheitsabstand an der Haltestelle einhalten

Erkennen der richtigen Ausstiegshaltestelle.

Dagegen sind folgende Barrieren von hoher Relevanz, da sie nur schwer zu beheben sind:

Mangelnde Festhaltemöglichkeiten im Bus

Unbeleuchtete Fußwege

Umgang mit Übergriffen

Mangelnde Bereitschaft des Fahrpersonals zu Auskünften

Fehlende Haltestellendurchsagen/-anzeigen

Information und Verfügbarkeit im Internet (vgl. Stöppler 2018a, S. 144).

Kann eine umfassende bauliche Barrierefreiheit infrastrukturell nicht gewährleistet werden, ist es im Sinne einer größtmöglichen Mobilität wichtig, dass durch digitalisierte Techniken nicht barrierefreie Objekte ausgemacht und gemieden werden können. So sind Informationen über die Barrierefreiheit von öffentlich zugänglichen Orten für Menschen mit Beeinträchtigungen mittlerweile über moderne Informationstechnologien abrufbar. Menschen mit Mobilitätseinschränkungen können bereits seit dem Jahr 2010 über die vom Berliner Verein Sozialhelden e.V. entwickelte Wheelmap – eine Karte für rollstuhlgerechte Orte – prüfen, welche Orte in ihrer Umgebung rollstuhlgerecht sind.4

Die gesetzliche Weichenstellung hin zu einem barrierefreien öffentlichen Raum ist gelegt, die Umsetzung benötigt aber Geduld.

2.4.2 Mobilitätsbildung

Im Kontext des Artikels 20 der UN-BRK stellt eine umfassende Mobilitäts- und Verkehrsbildung die Voraussetzung für eine selbständige und sichere Mobilität von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung dar.

Förderung der mobilitätsspezifischen Kompetenzen

Im Kontext der Mobilität wird der Förderung der Mobilitätskompetenzen bei Menschen mit (intellektueller) Beeinträchtigung eine zentrale Rolle zugesprochen (vgl. Stöppler 2015, S. 41 ff.; Stöppler 2002, S. 208 ff.). Dazu gehören:

Visuelle Wahrnehmung: Aktivierung der Okulomotorik; Blickbewegungen im fovealen und parafovealen Bereich; Reaktion auf periphere Reize; Einsatz des Gesichts- und Blickfeldes durch Kombination und Koordination von Kopf- und Augenbewegungen; Kopf- und Blickbewegungen; Schätzen von Geschwindigkeiten und Entfernungen; Form-‍, Farb- und Größenwahrnehmung; Wahrnehmung der Stellung im Raum; Wahrnehmungskonstanz

Auditive Wahrnehmung: Erkennen, Differenzieren und Lokalisieren von Verkehrsgeräuschen; auditive Diskriminierung; Entfernungshören

Motorik: Stabilisierung der Haltungsregulation und des Gleichgewichts; Generalisierung des Bewegungsmusters »Gehen«; Bewegungs- und Handlungsunterbrechung; Geschwindigkeiten wechseln; Hindernissen ausweichen