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Ein Deal führt sie in die Arme eines Drachen
Briar Rose hat schon als kleines Mädchen gelernt, dass kein Prinz auf einem weißen Pferd auftauchen wird. Stattdessen muss sie sich selbst retten. Daher geht sie, um ihrem gewalttätigen Ehemann zu entfliehen, einen Deal mit einem Dämon ein: Sie wird sieben Jahre in seinem Reich dienen und danach frei und nicht mehr in Gefahr sein. Was Briar dabei nicht erwartet hat, ist eine Auktion voller Monster, bei der sie an den Höchstbietenden versteigert wird. Doch Sol, König der Drachen, scheint netter zu sein, als er aussieht, und weckt verbotene Gefühle in ihr ...
"Eine wunderbare Liebesgeschichte - zugleich superromatisch und höchst prickelnd!" ANGEL READS
Auftakt der spicy A DEAL WITH A DEMON-Reihe von Bestseller-Autorin Katee Robert
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Seitenzahl: 296
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
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Epilog
Die Autorin
Die Romane von Katee Robert bei LYX
Leseprobe
Impressum
KATEE ROBERT
The Dragon’s Bride
Roman
Ins Deutsche übertragen von Ulrike Gerstner
Briar Rose hat schon als kleines Mädchen gelernt, dass kein Prinz auf einem weißen Pferd auftauchen wird. Stattdessen muss sie sich selbst retten. Daher geht sie, um ihrem gewalttätigen Ehemann zu entfliehen, einen Deal mit einem Dämon ein: Sie wird sieben Jahre in seinem Reich dienen und danach frei und nicht mehr in Gefahr sein. Was Briar dabei nicht erwartet hat, ist eine Auktion voller Monster, bei der sie an den Höchstbietenden versteigert wird. Doch Sol, Herrscher der Drachen, scheint netter zu sein, als er aussieht, und weckt verbotene Gefühle in ihr …
Für Jack Harbon. Dieses Buch existiert nicht ohne Seine Schönheit, die sich in meine Seele eingeprägt hat. Ich danke dir!
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.
Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.
Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.
Euer LYX-Verlag
Vor drei Tagen noch hätte ich nicht an die Existenz von Dämonen geglaubt.
Jetzt bin ich gerade dabei, einen Vertrag mit einem zu unterschreiben.
Manchmal geht es schneller, als man denkt!
Mein Körper ist ein einziger pulsierender Schmerz, während ich versuche, mich auf die Worte zu konzentrieren, die vor meinen Augen verschwimmen. »Ich will das eigentlich gar nicht.«
»Das ist mir durchaus bewusst. Menschen gehen erst Deals mit mir ein, wenn sie verzweifelt sind.« Der Dämon sieht gar nicht wie ein Dämon aus. Aber andererseits: Was weiß ich schon? Vielleicht sind alle Dämonen gut aussehende, dunkelhaarige Typen, deren Schatten nicht ganz zu ihren Körperformen passen wollen.
Ich presse mir die Hand gegen den Kopf; mein Hirn fühlt sich so an, als würde es in meinem Schädel hin und her rutschen. »Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
Er zuckt mit den Schultern. »Verzweiflung hat einen ganz bestimmten Geschmack. Einer meiner Leute ist letzte Woche über deinen gestolpert und hat mich auf dich aufmerksam gemacht.«
Letzte Woche hatte ich mein Bestes gegeben, um heimlich einen Fluchtplan zu entwickeln, von dem mein Mann Ethan nichts mitbekommen würde, bis es schlussendlich zu spät wäre. Der Plan bestand darin, abzuhauen, während er auf der Arbeit war, und dann spurlos von der Bildfläche zu verschwinden. Ich hatte geglaubt, ich hätte alle Faktoren berücksichtigt, aber ich hatte auch so verflucht große Angst.
Ich habe immer noch Angst.
»Ich dachte, ich würde endlich da rauskommen.« Es fühlt sich ziemlich naiv an, diesen Satz jetzt laut auszusprechen. Vor drei Tagen noch hätte ich diesem Fremden ins Gesicht gelacht, hätte mich vehement dagegen entschieden, mich der Kontrolle eines anderen Mannes zu unterwerfen, ob Mensch oder nicht. Wer klopft denn auch bitte mitten am Tag an die Tür von jemandem und bietet einen Dämonendeal an? Azazel tut das offensichtlich. Es schien alles so normal und gleichzeitig so seltsam, aber wie hätte ich mir Sorgen um diesen angeblichen Dämon machen sollen, wenn mein ganz persönliches Monster so viel näher und bedrohlicher war?
Ich hatte mich auf dem Weg in die Freiheit befunden. Zumindest dachte ich das. Das war, noch bevor Ethan herausgefunden hatte, in welchem Hotel ich mich aufhielt. Bevor er hierherkam und … Ich schüttle den Kopf, was die Übelkeit nur noch schlimmer macht. »Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich eine Gehirnerschütterung habe. Diese Art von Deal wird dann vor Gericht nicht rechtsgültig sein.«
Azazels dunkler Blick wandert über die rechte Seite meines Gesichts. Ich weiß, wie ich aussehe. Blutergüsse über Blutergüsse, was eigentlich nicht sein kann, da Ethan mich nur einmal geschlagen hat, ehe einer der anderen Hotelgäste den Flur entlangkam und ihn aufhalten konnte. Ein guter Samariter, der mir wahrscheinlich das Leben gerettet hat.
Das nächste Mal werde ich vermutlich nicht so viel Glück haben.
Ich schließe die Augen und atme mehrmals langsam durch. Es hilft nicht, aber ich bin mir nicht sicher, ob im Moment überhaupt irgendetwas helfen kann. Mir sind alle Möglichkeiten ausgegangen. Meine Situation ist hoffnungslos, wie der Dämon sagt. Vielleicht wäre es anders, wenn ich eine Familie hätte, zu der ich mich flüchten könnte. Aber selbst wenn ich eine hätte, würde ich sie nur in Gefahr bringen. Ich könnte mir auch eine Waffe zulegen, aber ich glaube nicht, dass ich zu einem Mord fähig wäre, geschweige denn, dass die Justiz sich auf meine Seite schlagen würde. Ihre ganze Nachsicht scheint sie für die Täter selbst aufzusparen.
»Möchtest du, dass ich dir den Vertrag vorlese?« Ich bin überzeugt, dass dieser Dämon nicht in der Lage ist, sanft zu klingen, aber er ist so absurd ruhig geworden, dass mir die Haare im Nacken zu Berge stehen.
Ich öffne die Augen und bemerke, dass er immer noch auf mein Gesicht starrt. Auch wenn ich noch so sehr versuche, es nicht zu tun, drücke ich meine Hand auf die geschwollene Haut um mein Auge herum. »Das käme dir sicherlich sehr gelegen. Dann kannst du weglassen, was du willst.«
Er seufzt, ein fast unhörbarer Laut. »Deals sind heilig, Briar Rose. Ich scheue mich zwar nicht, unfaire Mittel anzuwenden, um an solche Verträge zu kommen. Aber im Kleingedruckten gibt es keine Tricks. Es ist in unser aller Interesse, dass sich meine … Klienten … offenen Auges auf die Sache einlassen.«
Das entsetzliche Gefühl, dass es nicht genug Luft in diesem schmuddeligen Hotelzimmer gibt, wird noch schlimmer. »Hast du ihm verraten, wie er mich finden kann?«
Azazel verengt die Augen. »Das brauchte ich nicht. Er hat von deiner geheimen Kreditkarte gewusst. Nachdem du verschwunden bist, hat er die Abbuchung zu diesem Ort hier nachverfolgen können und die Rezeptionistin überredet, ihm deine Zimmernummer zu geben. Er hat ihr erzählt, er wolle dich zu eurem Hochzeitstag überraschen.«
Ich hake nicht nach, woher er das weiß. Er scheint eine Menge Dinge zu wissen, die er nicht wissen sollte. Ich starre auf meine Finger hinunter, die Nägel sind bis zum Nagelbett abgeknabbert. Eine schreckliche Angewohnheit von mir, die in den letzten Tagen nur noch schlimmer geworden ist. »Anfängerfehler.«
»Angst macht uns alle zu Narren.«
Er ist nicht unbedingt nett, aber er ist auch nicht besonders aufdringlich. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück und zeige auf den Vertrag. »Dann leg mal los.« Nicht dass ich eine Wahl hätte. Ich werde gleich Ja sagen, und wir beide wissen das.
Azazel klaubt den Vertrag vom Schreibtisch und setzt sich auf die Kante des abgenutzten Betts. Er wirft mir einen kurzen Blick zu und beginnt dann zu lesen. Es ist genau das, was ich erwartet habe. Er hatte die Details bereits vor drei Tagen abgesteckt.
Sieben Jahre Dienst müssen im Voraus bezahlt werden, bevor er das in die Tat umsetzt, was ich brauche. Ein Handel, den ich freiwillig eingegangen bin, bei dem ich nicht gezwungen werde, etwas zu tun, was ich nicht tun will. Ich lache angesichts dieser Klausel. Es gibt viele Möglichkeiten, den Gehorsam von jemandem zu gewährleisten, ohne »Zwang« anzuwenden. Das ist ja der Grund, weshalb ich in diesen Schlamassel geraten bin.
»Warte, lies das noch mal.«
Azazel hält inne. »Wenn du schwanger wirst, wird das Kind nach Beendigung des Vertrags nicht mit dir in dieses Reich zurückkehren.«
Ich starre ihn an. »Das hast du vergessen zu erwähnen, als du das letzte Mal über das Angebot gesprochen hast.«
»Ich wollte nicht, dass du einen falschen Eindruck bekommst.«
Einen falschen Eindruck. Sicher doch. Nichts an diesem Deal schien zu schön, um wahr zu sein, dennoch lauerte irgendwo im Hinterkopf die Frage, wann das dicke Ende denn noch kommen würde. Und jetzt ist das Ende so dick, dass es mir schwindlig wird. »Darum geht’s also? Das ist nichts anderes als ein Zuchtprogramm.«
»Ich decke lediglich sämtliche Eventualitäten ab.«
Ich glaube ihm nicht eine Sekunde lang. Natürlich war mir bewusst, dass Sex ein Teil des Deals sein könnte. Azazel sieht menschlich genug aus – auch wenn ich das Gefühl habe, dass es sich nur um eine zweckmäßige Erscheinungsform handelt und nicht unbedingt um seine wirkliche Gestalt. Der Gedanke bringt mich fast zum Lachen. Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich das menschliche Gehirn anpassen kann, wenn es keine anderen Auswege mehr gibt. »Und wenn ich keinen Sex mit jemandem haben will?«
Wieder zuckt dieser undeutbare Blick in meine Richtung. »Wie schon gesagt, du brauchst nichts zu tun, was du nicht willst. Du wirst allerdings einer Person meiner Wahl die Möglichkeit gewähren, dich zu verführen.«
Dieser Satz birgt so viele Facetten. Es gibt absolut keinen Grund, ihm zu vertrauen, aber ich habe auch keine andere Wahl. Trotzdem kann ich nicht anders, als ihn hinzuhalten. Nur ein bisschen. »Warum sieben Jahre?«
»Die Magie ist ein seltsames Ding.« Er zuckt mit den Schultern. »Bestimmte Dinge verstärken sie und machen das Unmögliche möglich. Zahlen haben eine Bedeutung. Vor allem die Sieben ist in allen Reichen mächtig. Also verhandeln wir über sieben Jahre.«
Das ergibt nicht wirklich viel Sinn, aber was ergibt für mich schon noch Sinn? Am Ende ist es eh egal. Ich habe keine andere Wahl. »Ach, gib schon her.«
Azazel reicht mir den Vertrag und zaubert einen Stift von irgendwoher, wahrscheinlich aus seiner perfekt geschnittenen schwarzen Jacke. Das Papier ist dicker, als ich erwartet habe, fast wie Pergament. Ich kann mich nicht wirklich davon abhalten, meine Finger darüber zu reiben. »Nur das Beste für Dämonendeals, nicht wahr?«
Ich lasse mir keine Zeit zum Nachdenken, halte meine Gedanken davon ab, durch das Labyrinth meiner Ängste zu preschen. Ich bin verdammt, wenn ich unterschreibe und ich bin verdammt, wenn ich es nicht tue. Ich habe kein Geld, keine Familie, keinen Ort, an den ich fliehen kann, damit Ethan mich nicht findet. Er hat verflucht deutlich gemacht, dass ich das nächste Mal, wenn er mich in die Finger bekommt, diese Begegnung nicht überleben werde.
Wenn ich meinen Namen unter diesen Vertrag setze, könnte das für mich noch schlimmer enden. Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass es nichts Schrecklicheres als den Tod gibt, trotzdem ist das hier die bessere Alternative. Vielleicht wird Azazel sein Wort halten. Vielleicht aber auch nicht.
Zumindest wird Ethan nicht mehr am Leben sein, um mir oder anderen noch einmal wehzutun.
In sieben Jahren … Wie viele Menschen wird er bis dahin noch verletzen?
»Was ist mit …« Ich habe keine Familie. Alle meine Freunde haben mir innerhalb des ersten Beziehungsjahres mit Ethan den Rücken zugewandt. Und die erzwungenen Nettigkeiten, die ich mit den Ehefrauen seiner Freunde austauschen muss, würde ich nicht als Freundschaft bezeichnen. Abgesehen von diesen unangenehmen Abendessen verkehren wir nicht miteinander. Trotzdem. Ich schlucke schwer. »Sieben Jahre lang zu verschwinden wird einige Fragen aufwerfen.«
»Du wirst nicht sieben Jahre lang weg sein.« Als ich ihn verwirrt ansehe, atmet er bedächtig aus. »Die Zeit vergeht in den einzelnen Reichen unterschiedlich. Sie verläuft nicht wirklich einheitlich, und wir Feilscherdämonen können Dinge ein bisschen gezielter manipulieren. Aber sieben Jahre im Dämonenreich bedeuten in dieser Welt, dass zwischen einer Stunde und ein paar Monaten vergangen sind, je nachdem.«
Ich blinzle. »Ich kehre also in einer Stunde oder ein paar Monaten wieder zurück, bin dafür aber sieben Jahre älter.« Was für eine Art, sein Leben zu vergeuden.
»Nein.« Er schüttelt knapp den Kopf. »Der Alterungsprozess ist …« Azazel macht eine frustrierte Geste mit der Hand. »Es hat mit der Magie zu tun, die in jedem Atom meines Reiches steckt. Selbst Menschen, die dort ansässig sind, leben länger als hier. Du wirst nicht unsterblich sein, aber wenn du den Rest deines Lebens dort verbringst, würdest du wahrscheinlich mindestens hundertfünfzig Jahre alt werden. Du wirst in diesen sieben Jahren altern, aber nicht so schnell wie in der Menschenwelt.«
Das scheint mir alles ein bisschen zu bequem, aber es ist ja nicht so, als hätte ich eine Wahl. Wenn Ethan Zugriff auf meine geheime Kreditkarte hat, wird er mich schnell finden, egal, wohin ich gehe. Ich muss mich auf diesen Deal einlassen.
Ich schlucke meine Angst hinunter und unterschreibe mit zitternden Fingern. In dem Augenblick, als die Stiftspitze sich von dem Papier löst, durchzuckt mich ein sonderbares Gefühl. Ich keuche und presse die Hand auf meine Brust.
»Die Magie eines verbindlichen Vertrags.« Azazel erhebt sich und deutet mit der Hand auf den Schreibtisch. Schatten rauschen aus den Zimmerecken heran, und das Dokument verschwindet. Azazel rückt sein Jackett zurecht. »Normalerweise erfolgt die Zahlung vor Erfüllung des Vertrages. Aber ich bin geneigt, diesmal eine Ausnahme zu machen.«
»Was?« Er will doch wohl damit nicht andeuten, was ich vermute?
Er mustert mich aus schmalen Augen. »Komm nicht auf dumme Gedanken. Du bist jetzt Ware, Briar, und das bedeutet, dass dein Ehemann beschädigt hat, was mir gehört. Darüber hinaus scheinst du nicht der Typ zu sein, der untreu wird. Darum möchte ich nicht irgendwelche offenen Probleme hinterlassen, die meinem Ziel schaden.«
Bevor ich ihn fragen kann, was das bedeuten soll, verschwindet er in einer weiteren Woge aus Schatten. Meine Haut kribbelt vor Angst, aber mein Körper ist zu müde, um etwas anderes zu tun, als zu zittern. Vielleicht stehe ich unter Schock. Was nicht wirklich überraschend wäre, wenn man bedenkt, was heute alles passiert ist.
Ich sinke in dem Stuhl zusammen, und ein hysterisches Kichern entschlüpft mir. »Der Dämon wollte nicht mal meine Seele. Wie enttäuschend.«
Sieben Jahre in seinem Dienst.
Was für eine lange Zeitspanne, und gleichzeitig doch nur ein flüchtiger Augenblick. Fünfzehn Sekunden überlege ich, was ich tun könnte, wenn meine Strafe verbüßt ist und ich sowohl Azazel als auch Ethan los bin. Mein Verstand scheut davor zurück, zu intensiv darüber nachzudenken – fast so, als würde es Unglück bringen, wenn ich mir erlaube zu träumen.
Ich rappele mich hoch und gehe zu der Tasche, in der sich alle meine weltlichen Besitztümer befinden. Ich weiß nicht, wie lange Azazel brauchen wird. Eigentlich kann ich mich kaum noch auf den Beinen halten, aber ich wage es nicht, zu duschen oder zu schlafen. Er hat mir zwar nichts getan, aber das heißt nicht, dass ich ihm vertraue.
Schlussendlich habe ich gerade noch genug Zeit, um ein paar Ibuprofen zu nehmen, bevor sich die Schatten in der Ecke des Raumes zusammenballen und sich dann auflösen, um den Dämon zu enthüllen. Er sieht … anders aus. Ich blinzle und frage mich, ob meine Kopfverletzung der Grund dafür ist, dass es für einen Moment so wirkt, als hätte er Hörner. Ich blinzle noch einmal, und das Gefühl verschwindet.
»Zeit zu gehen.« Er wischt sich die Hände mit einem Taschentuch ab, aber es gelingt ihm nicht, damit die roten Flecken ordentlich zu entfernen. Er bemerkt meinen Blick und zuckt mit den Schultern. »Manchmal habe ich Lust, mir die Hände schmutzig zu machen. Du verstehst, was ich meine.«
Das ekelerregend schwammige Gefühl kehrt zurück, dieses Mal sogar noch ausgeprägter. »Ist das …« Ich muss innehalten, um Atem zu schöpfen. »Ist das Ethans Blut?«
»Was wohl sonst? Ich begehe schließlich nicht nur so aus Spaß einen Mord.« Er stopft das Taschentuch in die Innentasche seiner Jacke. »Obwohl ihr Menschen alle ziemlich zerbrechlich seid, weshalb manchmal Unfälle passieren.«
Ich weiß nicht, wie ich das verarbeiten soll, genauso wenig wie die Tatsache, dass ich immer noch die Blutflecken an seinen Händen sehen kann. Hände, die … flackern … je länger ich sie beobachte. Blasse Haut, die tiefrot wird und dann wieder blass. Ich presse die Hand gegen meine Schläfe, aber dieses Gespräch hat mir eindeutig den Rest gegeben. »Ich glaube, ich werde ohnmächtig«, sage ich mit schwacher Stimme.
Der Raum dreht sich, und ich falle.
Azazel stand ganz am anderen Ende des Zimmers, doch er fängt mich auf, noch bevor ich zu Boden gehe. Er nimmt mich auf seine Arme, die sich viel breiter anfühlen als sie aussehen. »Ich kann nicht zulassen, dass du dich umbringst, wenn du dir noch mal den Kopf anschlägst.«
Ich versuche zu sprechen. Glaube ich. Vielleicht, um zu protestieren. Vielleicht, um ihm dafür zu danken, dass er das getan hat, wozu ich allein nie in der Lage gewesen wäre. Am Ende ist es egal. Eine tiefe Schwärze umfängt mich und verschluckt mich vollständig.
Ich wache in einem fremden Bett auf. Sofort übernehmen meine Instinkte die Kontrolle; ich bleibe ganz ruhig liegen, mit geschlossenen Augen, und atme gleichmäßig.
Es ist ein gutes Bett, die Matratze unter mir ist so seltsam weich, dass man sich nur noch hinlegen und nie wieder aufstehen will. Die Decke über mir ist leicht, aber sie hält die schwache Kälte des Raumes hervorragend ab. Sie gleitet seidig über meine Haut, während ich mich bewege.
Meine nackte Haut.
Wo zur Hölle sind meine Klamotten?
»Du kannst aufhören, so zu tun, als ob du schläfst, Briar.«
Ich erkenne die Stimme wieder, obwohl es erst ein paar Tage her ist, dass ich ihn getroffen habe. Azazel. Ich setze mich auf – und muss mir einen Schrei verkneifen. Die Stimme ist das Einzige, was an ihm gleich geblieben ist. Ich blicke mich hastig im Zimmer um, um eine andere Erklärung zu finden. Ganz gewiss sind der grüblerisch aussehende Dämon, der den Deal mit mir geschlossen hat, und diese riesige gehörnte Bestie mit blutroter Haut, die sich auf einem Stuhl auf der anderen Seite des Raums ausstreckt, nicht dieselbe Person?
Mein Gehirn stolpert, erschaudert und wird leer.
Das ist in Ordnung. Es ist besser als die Alternative. Ich atme tief durch und dann noch mal. Beim dritten Mal höre ich mich nicht mehr so an, als würde ich gleich hyperventilieren. Gut. Das ist gut. »Azazel.«
Er mustert mich aus dunklen Augen, die zwar anders aussehen mögen als die, die ich bislang kannte, aber die beißende Belustigung auf meine Kosten ist dieselbe geblieben. »Du trägst das hier mit Fassung.«
»Hysterisches Schreien ändert auch nichts.«
»Hmmm.« Er beugt sich nach vorn und schnippt mit den Fingern an eines seiner Hörner. »Ich trage meine menschliche Gestalt nur, wenn ich mich in eurem Reich befinde. Jetzt sind wir in meinem, also gibt es dafür keine Notwendigkeit mehr.«
Ich hatte mir das Angebot angehört und ihm gestattet, mir den Vertrag vorzulesen. Irgendwie hatte ich bei all dem nicht wirklich begriffen, dass andere Reiche existieren, geschweige denn, dass ich in eines davon reisen würde. Es fühlt sich zu unermesslich an, um es zu erfassen, also konzentriere ich mich auf etwas anderes. »Wo sind meine Kleider?«
»Sie werden dir zurückgegeben, wenn dein Vertrag erfüllt ist, zusammen mit deinen anderen persönlichen Gegenständen.«
Ich schaue mich im Zimmer um, hauptsächlich um mir Zeit zu geben, das Ganze zu verarbeiten. Ich habe nicht viel, worum es sich zu kämpfen lohnt, aber in meinem Koffer sind die Fotos von meiner Gran, und das sind die einzigen, die ich noch habe. »Wird das alles sicher aufbewahrt?«
»Ja.«
Im Prinzip habe ich keinen Grund, ihm zu glauben, doch das ist ein Kampf, den ich nicht gewinnen kann. Wobei ich keine Ahnung habe, ob es jemals einen Kampf gab, bei dem ich eine Chance auf den Sieg hatte. Ohne nachzudenken, drücke ich die Hand auf mein Gesicht. Erst da merke ich, dass der pochende Schmerz nirgends zu spüren ist. Ich pikse meine Haut vorsichtig an, aber auch die Schwellung scheint verschwunden zu sein. »Wie lange war ich bewusstlos?«
»Ein paar Stunden. Der Übergang von einem Reich zum anderen ist nicht einfach, selbst wenn man mit mir reist.« Er hält inne, bis ich ihn ansehe. »Ein Heiler hat sich um deine Verletzungen gekümmert.«
»Oh.« Ich lasse meine Hand sinken. »Danke.«
»Du bist eine meiner Trumpfkarten für eine bessere Zukunft. Meinerseits besteht also kein Interesse daran, dass du blutig und zerschlagen unter den Hammer kommst.« Er steht langsam auf, und das ist genau der Moment, in dem mir bewusst wird, wie riesig er ist. Er muss zwei Meter groß sein. Mindestens. »Im Schrank dort sind Kleider. Eines davon sollte passen. Du hast eine Stunde Zeit.« Er dreht sich um und geht aus dem Zimmer.
Ich starre einen Moment lang auf die Tür, um zu verarbeiten, was er gesagt hat. Unter den Hammer kommen. Ich war tatsächlich davon ausgegangen, er wolle mich für sich selbst behalten, aber das ist offenbar nicht der Fall.
Spielt das wirklich eine Rolle? Es gibt nicht viel, was du jetzt noch tun kannst.
Panik droht, meine künstlich gewahrte Ruhe zu durchbrechen, aber ich ringe sie nieder. Wenn ich jetzt anfange zu weinen, wird es lediglich darauf hinauslaufen, dass ich mich in mich zusammenrolle und schluchze, bis ich keine Luft mehr kriege. Und es wird an allem nichts ändern. Wenn ich versteigert werden soll, werde ich nicht das Geringste über die Person wissen, die mich kauft, bis es vorbei ist. Azazel hat versprochen, dass ich zu nichts gezwungen werde oder zu Schaden komme, aber wie weit reicht dieses Versprechen, wenn ich mich außerhalb seiner Kontrolle befinde?
Bewegung hat immer geholfen. Es verhindert, dass meine Ängste mich in Schockstarre gefrieren lassen. Hoffentlich ist das auch jetzt so.
Ich kämpfe mich aus dem unglaublich weichen Bett und schlinge mir – nachdem ich mich selbst zur Räson gebracht habe – das Laken um meinen Körper und tappe zum Kleiderschrank. Er hat in etwa die Ausmaße von Azazel, sodass ich nach oben reichen muss, um den Griff zu packen und die schwere Tür aufzureißen. Drinnen finde ich eine ganze Regenbogenpalette an Kleidungsstücken vor. Einige der Stoffe erkenne ich, andere nicht, allerdings scheinen sie alle entsetzlich teuer zu sein. Ich streiche mit den Fingern über das weiche Material und kaue dann gedankenverloren auf meiner Unterlippe herum.
Natürlich sind die Kleider teuer. Azazel will mich schließlich versteigern. Ich sollte wohl dankbar sein, dass er mich nicht nackt und in Tränen aufgelöst zur Auktion schleppen will. Der Gedanke daran lässt mich erschaudern, und ich greife wahllos nach einem Kleid.
Es ist nicht das raffinierteste Design, aber es hat eine Art Mieder, das unter meinen Brüsten ansetzt. Es bedarf einer Menge Flüche und wilder Drehungen, bis alles an Ort und Stelle ist. Ich raffe den langen Rock zusammen und trete vor den großen verzierten Spiegel, der in der Nähe der Tür hängt.
Ich werfe einen Blick hinein …
Und starre ausdruckslos auf mein Spiegelbild. Vorbei sind die Zeiten meiner geliebten übergroßen Sweatshirts und lockeren Jeans. Das weiße Kleid schmiegt sich um meine Taille und meine Rippenbögen, während das Mieder meine Brüste viel größer erscheinen lässt als sie sind. Es drückt sie so weit nach oben, dass die Rüschen des Oberteils sich gefährlich eng an die Rundungen klammern müssen. Die Rocklagen sind nicht so bauschig, wie sie sich anfühlen, der fließende Stoff streift die Spitzen meiner nackten Füße.
Zögernd blicke ich in mein Gesicht. Die Schwellung ist natürlich verschwunden. Aber nicht nur das, dieser Heiler hat etwas mit mir gemacht. Meine Haut hat noch nie so taufrisch und makellos ausgesehen – nicht einmal mit Anfang zwanzig. Und mein Haar …
Ich hätte es abschneiden sollen. Es ist zu rot, zu wellig, zu auffällig. Die Jahre und mangelnde Pflege hatten es stumpf werden lassen, was wiederum Männer davon abhielt, mich anzuschauen; etwas, das Ethan ärgerte, obwohl ich niemals um Aufmerksamkeit gebettelt hatte. Jetzt ist mein Haar nicht mehr stumpf und kraus. Sondern es sieht aus, als käme ich gerade aus einem Frisiersalon.
Ich sehe schlichtweg nicht aus wie ich.
Als ich daraufhin kurz den restlichen Raum erkunde, entdecke ich eine unauffällige Tür, die zu einem Badezimmer führt. Ich muss ein wenig herumexperimentieren, denn nichts sieht so aus, wie ich es gewohnt bin, aber ich bin sehr erleichtert, dass in diesem Reich Innentoiletten existieren.
Kaum bin ich zurück im Raum, geht die große Tür, durch die Azazel gegangen ist, mit einem Knarren auf. Ich erstarre, aber niemand ist zu sehen. Sekunden werden zu Minuten, bevor ich meinen Körper dazu bringen kann, sich zu bewegen. Und selbst dann ist es ein Kampf gegen mich selbst, um zur Tür zu gehen und hinauszuspähen. »Hallo?«
Der Flur ist doppelt so breit, wie ich es gewohnt bin, weit über drei Meter hoch und biegt an seinem Ende nach rechts ab. Eine Reihe von Beistelltischen ist an einer Wand entlang aufgestellt, und vier Türen liegen zwischen mir und jener Biegung.
Diese schwingen ohne ein Geräusch auf. Ich bin angespannt, bereit, mich in mein Zimmer zu verkriechen, als eine Frau aus der nächstgelegenen Tür tritt. Sie ist fast so blass wie ich und hat einen sportlichen, aber wohlgerundeten Körper. Ihr braunes Haar ist hochgesteckt, und ihr dunkelblaues kurzes Kleid umschmeichelt ihre Kurven. Sie wendet sich mir zu, und ich bemerke gedankenverloren, dass ihre Nase schief ist.
Auf der anderen Seite von ihr tritt eine weitere Frau heraus. Sie ist groß, schlank und leicht gebräunt. Sie trägt ein enges lila Kleid mit einem Schlitz an der Seite. Ihr schwarzes Haar fällt in Wellen um ihr hübsches Gesicht, aber die Art, wie sie sich umsieht, ist nicht so verwirrt oder zaghaft, wie ich mich fühle. Sie sieht aus wie eine Soldatin, die in den Krieg zieht.
Die nächste ist eine kurvige Frau mit hellbrauner Haut und dicken dunklen Locken, die sie zu einem Pferdeschwanz gebunden trägt. Sie hat ein tiefrotes Kleid an, das sich um ihre Brüste schmiegt und sich um sie herum bauscht. Sie sieht uns an und lacht hell. »Wow, wir sehen gut aus.«
Durch die letzte Tür tritt zögernd eine Frau in Gelb, das einen runden und weichen Körper umfängt. Ihr blondes Haar ist zu einem glänzenden Bob geschnitten, und sie wirkt völlig verängstigt. Ihrem Gesicht ist jegliche Farbe abhandengekommen.
Die Frau in Lila mustert uns einen Moment lang und zuckt dann mit den Schultern. »Wir können es genauso gut hinter uns bringen.« Sie dreht sich um und schreitet den Flur hinab.
Der Herdentrieb entfaltet seine Wirkung, und wir setzen uns gemeinsam in Bewegung, um ihr zu folgen. Vielleicht will aber auch nur niemand allein bleiben, jetzt, wo wir auf andere gestoßen sind. Abgesehen von der Frau in Gelb scheint keine von ihnen so panisch zu sein, wie es mir zumute ist unter der zerbrechlichen Schicht aus Ruhe, die ich gerade noch so aufrechterhalten kann. Ich weiß nicht, ob ich mich dadurch besser oder schlechter fühle, also schiebe ich es beiseite und lasse mich zurückfallen, um mir etwas Zeit zum Verarbeiten zu geben.
Die Frau in Rot plappert munter vor sich hin, und es scheint sie nicht zu kümmern, dass sie nur einsilbige Antworten erhält. Die Frau in Lila, die das Rudel anführt, beschleunigt offenbar ihre Schritte. Und es ist schwer zu sagen, ob sie versucht, sich vom Rest von uns zu distanzieren, oder ob sie auf der Jagd nach etwas ist. Ihre Bewegungen sind raubtiergleich, und wenn sie so auf mich zukommenwürde, würde ich auf dem Absatz kehrtmachen und um mein Leben rennen.
Der Flur endet an einer weiteren Tür. Die Frau in Lila zögert nicht. Sie reißt sie auf und gleitet hindurch. Der Rest von uns tauscht einen Blick aus, dann folgt die Frau in Rot ihr nach. Eine nach der anderen gehen wir durch die Tür. Das schwache Licht macht es schwierig, etwas zu sehen, aber es reicht aus, unser Ziel zu erkennen.
Ein Podium an der Stirnseite des Raumes.
Wir treten weiter in den Raum hinein und bilden eine Reihe. Hier ist es etwas heller, was es nur noch schwieriger macht, den Rest der Räumlichkeiten zu erkennen. Ich nehme grobe Formen wahr, aber keinerlei Details.
Ich erkenne jedoch Azazels Stimme wieder, als er sagt: »Jetzt treffen wir unsere Wahl.«
Ich hatte erwartet, dass diese Auktion eine Falle sein würde. Das Dämonenreich mag sich derzeit nicht im Krieg befinden, aber wir sind nie weit davon entfernt. Entlang der Grenzen kommt es immer wieder zu Scharmützeln, und gelegentlich eskalieren diese zu größeren Konflikten. Zwar nicht in letzter Zeit, allerdings …
Die Tatsache, dass Azazel es geschafft hat, alle vier Anführer dazu zu bringen, hierherzukommen, ist an sich schon ein Kunststück. Vielleicht verlangt es sie genauso verzweifelt nach der Macht, die Azazel nach Lust und Laune verteilen kann, wie ich es tue. Das ist kein angenehmer Gedanke. Mein Leben wäre wesentlich einfacher, wenn ich eine der geeigneten Drachenfrauen aus meinem Territorium heiraten würde. Wäre ich nicht der Herr über dieses Territorium, hätte ich genau das längst getan. In meinen eigenen Gefilden gibt es viele schöne Frauen, mit denen ich hätte glücklich werden können. Vielleicht hätten wir dann sogar schon Kinder.
Leider muss ich die Verantwortung für das Allgemeinwohl tragen, und das bedeutet, wenn Azazel mir eine Menschenbraut vorschlägt, muss ich das Angebot annehmen. Gegen Menschen ist grundsätzlich nichtseinzuwenden. Aber die Teilnahme an dieser Auktion, bei der ich mir eine Braut aussuchen darf, die von einem Feilscherdämon angeboten wird, bringt mich in eine gefährliche Lage.
Ich weiß, wie Feilscher arbeiten. Jede dieser fünf Menschenfrauen wird ihren Vertrag freiwillig eingegangen sein. Azazel mag ein Scheißkerl durch und durch sein, aber er kann die wesentlichen Grundsätze seiner Dämonenart nicht einfach abschütteln. Der Vertrag hat immer Priorität.
Nein, Azazel denkt eher langfristig und behält das große Ganze zu sehr im Blick, um heute Abend eine unmittelbare Bedrohung darzustellen.
Nicht so wie Rusalka, die sich nur ein paar Meter entfernt rekelt. Feuer flackert unter ihrer Haut, die aus Rauch zu bestehen scheint, und ihr langer Schwanz zuckt rhythmisch. Sie beobachtet die Frauen mit einem Hunger, bei dessen Anblick ich mich zusammenreißen muss, um nicht zu fauchen. Es ist noch nie etwas Gutes dabei herausgekommen, wenn die Sukkubi auf die Jagd gehen. Und diese Auktion ist nichts anderes als eine Jagd.
Auf ihrer anderen Seite hat Bram die Flügel eng an seinen Körper angelegt, so als würde er jeden Moment mit einem Angriff rechnen. Der Gargoyle ballt fortwährend seine Klauen; und so finster, wie er Rusalka anstarrt, hat er nicht vergessen, dass vor ein paar Jahren nur eine Intervention in letzter Minute einen Krieg zwischen ihren Territorien verhindern konnte. Ich bezweifle, dass er ihr in den letzten Jahrzehnten so nahe gekommen ist. Das hier könnte eine Chance sein, auch wenn der Preis zu hoch ist, als dass einer von uns das Risiko eingehen würde.
Hoffentlich.
Azazel und sein Volk sind die Einzigen, die in das Reich der Menschen hinüberwechseln können. Vor Generationen waren die Schleier zwischen den Welten dünner und in bestimmten Momenten leichter zu durchdringen. Es war jedoch nie einfach, da die Zeit in jedem Reich anders verläuft. Nur die Feilscherdämonen können diesen Faktor manipulieren, und auch das nur in begrenztem Maße. Dennoch war es für andere möglich, die Grenze nach Belieben zu überschreiten.
Jetzt jedoch nicht mehr.
Beim leisen Plätschern von Wasser drehe ich mich halb um, um Thane im Blick zu behalten. Er ist hier in einer Wanne, in der seine Tentakel kaum Platz haben, nicht gerade in Bestform, aber ich habe mich schon oft genug mit ihm angelegt, um trotzdem Vorsicht walten zu lassen. Er ist vielleicht nicht in der Lage, mich in die dunklen Tiefen zu reißen, aber er kann jemanden festhalten und erwürgen, ohne ihn ertränken zu müssen.
Ich hatte in letzter Zeit keinen Anlass, die Burg der Feilscherdämonen aufzusuchen, zumal ich es nach wie vor äußerst beunruhigend finde, wenn sich Gänge um mich herum verschieben und Türen erscheinen, wo es vorher keine gab. Es ist ohne Frage ein hervorragender Verteidigungszauber, der jeden Feind in den Mauern gefangen hält, bis sich die Feilscher um ihn kümmern können. Doch ich werde das Gefühl nicht los, dass der Zauber Veränderungen nach Lust und Laune anstößt, nur um die Leute zu verarschen, die sich durch die Räumlichkeiten bewegen.
Stein bewegt sich nicht. Stein soll beständig und zuverlässig sein und alles andere als unheimlich.
Ich muss mich anstrengen, damit sich mein Schuppenkamm angesichts der Bedrohung um mich herum nicht aufstellt. Ich bin kein Jungdrache mehr. Ich regiere lange genug, als dass ich mich davon beeindrucken lassen würde, mit den vier anderen gefährlichsten Anführern unseres Reiches in einem Raum zu sein.
Das Risiko ist hoch, aber das ist es wert. Die Feilscher bewachen ihre Vertragnehmenden genau, und obwohl es diesen Menschen gelegentlich erlaubt ist, sich mit Gästen von Azazel zu amüsieren, sind diese Begegnungen immer begrenzt. Im Nachhinein betrachtet, ist das ein brillanter Schachzug. Er bietet einen Vorgeschmack, eine Versuchung, eine Möglichkeit, die nur er befriedigen kann. Und dazu ist er bereit … für einen Preis.
Wenn es nur um Sex ginge, hätte ich die Einladung zu dieser Auktion getrost ignoriert. Sex mit Menschen ist vergnüglich, aber kaum wert, dafür mein gesamtes Territorium aufs Spiel zu setzen. Azazel ist zu gerissen, um das anzubieten. Er legt so viel bessere Köder aus, um uns in die Falle zu locken. Unsere Blutlinien haben sich einst großzügig mit den Menschen vermischt. Erst als die Fähigkeit, zwischen den Welten zu wandeln, für den Rest von uns unmöglich wurde, erkannten wir, was wir verloren hatten. Zumindest diejenigen von uns, die nicht zu den Feilschern gehören.
Rusalka rutscht nach vorne, ihre Augen flammend rot. »Ich will die in Rot.«
Azazel bewegt keinen Muskel. »Und stimmst du im Gegenzug dem Vertrag und der Bezahlung zu.«
»Ja, ja.« Sie winkt ab. »Ich werde den Vertrag schon unterschreiben. Mach dir mal nicht ins Hemd.«
»Ich nehme Gelb.«
Azazel schüttelt knapp den Kopf. »Such dir eine andere aus.«
Bram grollt leise, seine Flügel breiten sich aus, so als wolle er den Feilscherdämon herausfordern, aber schließlich zuckt er mit den Schultern. »Sind eh alle gleich für mich. Dann Lila.«
»Nun gut.« Azazels Grinsen wird einen Moment lang messerscharf, bevor er sich in meine Richtung dreht.
Ich wechsele einen Blick mit Thane. Für Bram mögen diese Frauen alle gleich sein, aber die mit den leuchtend roten Haaren gefällt mir am besten. Es ist eine auffällige Farbe, und so, wie sie in den Raum hineinblickt, obwohl die Lichter das meiste von unserer Erscheinung überstrahlen müssen, scheint sie keine Angst zu haben.
Richtig oder falsch?
Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.
»Warum stellst du Gelb zur Wahl, wenn du sie doch für dich behalten willst?«
Azazel starrt auf den Kraken hinunter. »Ich habe meine Gründe. Such dir eine andere aus.«
»Blau.« Thane bewegt sich in seinem Becken, die Tentakel unter Wasser rollen übereinander. Die Tentakel auf seinem Kopf – dort, wo bei Menschen die Haare sitzen – verhalten sich größtenteils normal, aber die Art und Weise, wie sie über seine Schultern gleiten und sich in einem Luftzug bewegen, den es nicht gibt, lässt auf seine Anspannung schließen.
Ich atme nicht gerade erleichtert aus, aber die Versuchung ist trotzdem da. »Weiß.«
»Perfekt.« Azazel klatscht in die Hände, und das Licht geht an. »Kümmern wir uns um den Papierkram.«
Alles geht so schnell.
Fünf unterschiedliche Stimmen, die sich die Farben schnappen, die mit unseren Kleidern übereinstimmen. Ich habe kaum Zeit, mich mit der hellen seidenweichen Stimme auseinanderzusetzen, die zuerst »Rot« ruft – und dann ist es auch schon vorüber. Ich weiß, dass ich jemanden »Weiß« habe sagen hören, aber das Rauschen in meinem Gehirn sorgt dafür, dass ich die Stimme nicht beschreiben könnte, selbst wenn man mir eine Pistole an den Kopf hielte.
Doch letzten Endes spielt das keine Rolle.
Die Lichter gehen an, und ich kann einen ersten Blick auf die kleine Gruppe werfen, die sich versammelt hat, um Anspruch auf uns zu erheben. Ich fand Azazel mit seiner blutroten Haut und den riesigen Hörnern schon monströs. Doch er ist nichts im Vergleich zu den anderen, die anwesend sind.
Eine Kreatur mit steinern wirkender Haut und riesigen Flügeln, die sie an ihren Körper geschmiegt hat. Eine bizarr große, gertenschlanke Frau, die aus Rauch und Flammen zu bestehen scheint. Ein … Ich habe keine Ahnung, wie ich ihn beschreiben soll, denn ich kann mich kaum auf etwas anderes konzentrieren als auf die Tentakel.
Und ein waschechter Drachenmann.