Neon Gods - Ariadne & Minotaurus - Katee Robert - E-Book

Neon Gods - Ariadne & Minotaurus E-Book

Katee Robert

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Beschreibung

ER IST IHR SCHLIMMSTER ALBTRAUM. DOCH SIE KANN IHM NICHT WIDERSTEHEN ...

Ariadnes einzige Chance zu überleben, ist eine Zweckehe. Denn nachdem sie ihren Vater Minos verraten hat, ist sie auf die Gnade der Olympier angewiesen und bereit, das leidenschaftslose, aber sichere Bündnis mit Dionysos einzugehen. Doch es dauert nicht lange, bis ihre Vergangenheit sie einholt und der Mann, den Ariadne gleichermaßen fürchtet wie begehrt, wieder auftaucht: der Minotaurus. Bereits einmal zuvor hat sie sich an dem zwischen ihnen lodernden Feuer verbrannt. Und dennoch bringt jeder seiner Blicke, jede einzelne seiner Berührungen sie in Versuchung - auch wenn ihre Liebe den Untergang von Olympus bedeuten könnte ...

»Eine leidenschaftliche Geschichte über Verrat, Rache, Vergebung und Liebe.« THE READING CAFE

Band 7 in der DARK-OLYMPUS-Reihe der NEW-YORK-TIMES-Bestseller-Autorin Katee Robert

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Seitenzahl: 458

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INHALT

Titel

Zu diesem Buch

Leser:innenhinweis

Widmung

Musewatch

1

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Epilog

Die Autorin

Die Romane von Katee Robert bei LYX

Impressum

Katee Robert

Neon Gods

ARIADNE & MINOTAURUS

Roman

Ins Deutsche übertragen von Anika Klüver

ZU DIESEM BUCH

Als Tochter von Minos weiß Ariadne, wie sie sich zu verhalten hat: unauffällig, gehorsam und vor allem loyal. Trotzdem verrät sie ihren Vater und ist daraufhin auf die Gnade der Olympier angewiesen. Um zu überleben und dem tödlichen Zorn ihres Vaters und seiner Armee zu entkommen, lässt sich Ariadne auf eine leidenschaftslose, aber sichere Zweckehe mit Dionysos ein. Allerdings dauert es nicht lange, bis ihre Vergangenheit sie einholt und der Mann, den Ariadne gleichermaßen fürchtet wie begehrt, wieder auftaucht: der Minotaurus. Als Adoptivsohn von Minos und einer seiner engsten Verbündeten bedroht seine reine Existenz Ariadnes Sicherheit, für die sie so viel geopfert hat. Bereits einmal zuvor hat sie sich an dem zwischen ihnen lodernden Feuer verbrannt. Und dennoch bringt jeder seiner Blicke, jede einzelne seiner Berührungen sie in Versuchung. Doch ihre Liebe könnte den Untergang von Olympus bedeuten.

Liebe Leser*innen,

Neon Gods – Ariadne & Minotaurus enthält Elemente, die triggern können.

Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer LYX-Verlag

Für Sara Douglass.

Du warst ein entscheidender Teil meiner Entwicklung zur Leserin und ohne die Reihe The Troy Game hätte ich mich niemals in eine so verfluchte Paarung wie die zwischen Ariadne und dem Minotauros verliebt.

MUSEWATCH

Zuvor in Olympus …

OLYMPUS’ LIEBLING AUSSER RAND UND BAND!

Persephone Dimitriou schockt alle, indem sie vor einer Verlobung mit Zeus flieht, nur um in Hades’ Bett zu landen!

ZEUS STÜRZT IN DEN TOD!

Perseus Kasios wird nun den Titel des Zeus übernehmen. Wird es ihm gelingen, die Stelle seines Vaters auszufüllen?

APHRODITE IN UNGNADE GEFALLEN

Nachdem sie Psyche Dimitriou öffentlich bedroht hat, weil diese ihren Sohn Eros geheiratet hat, wird Aphrodite von den Dreizehn in die Verbannung geschickt. Sie wählt Eris Kasios als Nachfolgerin für ihren Titel.

ARES IST TOT …

Man wird einen Wettkampf abhalten, um den nächsten Ares zu bestimmen … und Helena Kasios ist der Preis.

… LANG LEBE ARES

Helena Kasios hat sich in einer verblüffenden Wendung der Ereignisse dazu entschieden, um ihre eigene Hand zu wetteifern … und sie hat gewonnen! Nun haben wir drei Kasios-Geschwister unter den Dreizehn.

NEUES BLUT IN DER STADT!

Nachdem sie den Kampf um den Titel des Ares verloren haben, haben Minos Vitalis und sein Haushalt die olympische Staatsbürgerschaft erhalten … und feiern dieses Ereignis mit einer erinnerungswürdigen Privatparty. Wir haben eine Gästeliste, und ihr werdet niemals erraten, wer alles eingeladen ist!

HAT APOLLON ENDLICH DIE LIEBE GEFUNDEN?

Nachdem sie für den Großteil ihres Erwachsenenlebens von Olympus geächtet wurde, hat sich Kassandra Gataki einen der Dreizehn ganz für sich allein gesichert!

Sie und Apollon wirkten bei einem Besuch im Dryad sehr vertraut miteinander.

MORD IST MIT DEN TAPFEREN

Was für eine Tragödie! Hephaistos wurde von Theseus Vitalis ermordet, wodurch ein kaum bekanntes Gesetz in Kraft getreten ist, das Theseus zum neuen Hephaistos macht. Die Möglichkeiten sind … faszinierend.

HEPAHISTOS UND APHRODITE SIND RAUS!

Unser neuer Hephaistos und unsere neue Aphrodite sind unerwartet zurückgetreten! Aber kann eine Katze das Mausen tatsächlich lassen? Wir rechnen nicht damit, dass Eris Kasios und Theseus Vitalis Olympus’ Politik vollständig den Rücken zukehren … nicht einmal Pandora und Adonis zuliebe.

DER WEG IN DIE UNTERSTADT IST VERSPERRT

Nach einer Reihe von Angriffen in der Unterstadt hat Hades die Barriere, die entlang des Styx verläuft, verstärkt! Es gibt zwar eine offizielle Stellungnahme bezüglich des Grundes dafür, aber einer internen Quelle zufolge wird er die Barriere erst dann wieder senken, wenn die Dreizehn eine geeinte Front bilden. Wir hoffen, dass er darauf vorbereitet ist zu warten …

1

Ariadne

Zehn Wochen zuvor

Mein Vater erteilte mir die strikte Anweisung, an diesem Nachmittag voller Blut und Tod im Haus zu bleiben. Das ist die kluge Vorgehensweise. Egal was sonst noch auf mich zutreffen mag, ich will leben. Ich habe sämtliche Informationen, die ich preisgeben konnte, auf die einzige mir bekannte Weise geteilt, und nun ist es an Apollon und Kassandra, den Rest herauszufinden. Seltsamerweise sorgt diese Gewissheit nicht dafür, dass ich mich besser fühle.

Allerdings bin ich schon immer ein Feigling gewesen.

Anspannung scheint in die heiße und stickige Nachmittagsluft hineinzusickern die sich gegen meine Haut presst, als ich zur Hintertür hinausschlüpfe und die Außenanlagen betrete. Wäre ich mutiger, würde ich versuchen, die Partygäste meines Vaters vor dem, was ihnen bevorsteht, zu warnen. Ich würde mich zwischen sie und die Gefahr stellen.

Stattdessen gehe ich auf das Labyrinth zu. Es ist ein monströses Gebilde, das schon hier stand, bevor mein Vater das Haus kaufte. Die frühere Besitzerin war unglaublich exzentrisch – oder ist es vermutlich immer noch, denn Hermes befindet sich jetzt gerade auf dieser Party. Dieses Haus und das gesamte Anwesen fühlen sich wie etwas aus einem Roman an, aus einer Fantasywelt, in der das Beschreiten des falschen Weges dazu führen kann, dass man durch ein Portal in eine andere Welt gelangt. Ich bin viel zu alt, um an derartigen Unsinn zu glauben, aber das hält mich nicht davon ab, das Labyrinth zu betreten und mir einen Weg durch die hohen grünen Heckenwände zu bahnen.

Seit uns mein Vater aufs Land und damit in die Außenbezirke von Olympus gebracht hat, suche ich das Labyrinth immer öfter auf. Heute muss ich die Abzweigungen nicht einmal zählen. Meine Füße kennen den Weg auswendig. Innerhalb von Minuten erreiche ich die Mitte.

Niemand in meiner Familie macht sich die Mühe, herzukommen. Meinem Vater ist nicht mal aufgefallen, dass ich mich mit mehreren Gartenstühlen davongemacht habe und sogar so weit gegangen bin, Blumen zu pflanzen. Ich bezweifle, dass ich nächstes Jahr noch hier sein werde, um sie blühen zu sehen, aber das Gärtnern beruhigt mich dennoch. Diesen Bereich für mich zu beanspruchen ist eine winzige Rebellion gewesen – nichts im Vergleich zu dem, was ich auf der Party selbst machte, doch ich kann nicht umhin, eine gewisse Aufregung zu verspüren, als ich mich auf meinen Stuhl sinken lasse. Dieser Ort stellt für jemanden wie mich das Maximum an Privatsphäre dar. Nun ja, abgesehen von …

Ich höre ihn, lange bevor er mich findet. Er gibt sich nicht die geringste Mühe, das Gewicht seiner Schritte zu verbergen. Obwohl ein geheimer Teil von mir in seiner Gegenwart erwacht, kann ich nichts gegen den Schauer des Grauens ausrichten, der mich überkommt. Alles hat sich verändert. Dass das irgendwann passieren würde, war mir stets klar, aber das bringt mir keinen Frieden. Mein Vater hatte über ein Jahrzehnt lang Zeit, die Grundlagen für seinen Plan aufzubauen und zwei unaufhaltsame Mörder zu trainieren, damit sie die Drecksarbeit für ihn erledigen.

Einer von ihnen jagt mich gerade. Er verfolgt meine Route durch das Labyrinth, als hätte ich einen roten Faden hinterlassen, der ihn zu mir führt. Die Wahrheit ist deutlich weniger magisch. Asterion taucht beinahe ebenso oft beim Labyrinth auf wie ich. Nicht einmal an diesem Zufluchtsort kann ich ihm entkommen.

Nicht dass ich mir besonders große Mühe geben würde.

Doch ausgerechnet heute will ich ihn nicht sehen. Nicht wenn er endlich den Plan umgesetzt hat, den mein Vater für ihn ausgetüftelt hat. Er soll einem Mitglied der Dreizehn das Leben nehmen, damit er dessen Platz einnehmen und den Titel für sich beanspruchen kann. Irgendwo auf dem Anwesen macht Theseus das Gleiche. Alles im Dienste der Destabilisierung von Olympus. Wenn sich zwei Mitglieder des Haushalts meines Vaters unter den mächtigsten Positionen der Stadt befinden, kann die Schreckensherrschaft wahrhaftig beginnen.

Ich kann mich nicht dazu durchringen, aufzuschauen, als sein Schatten auf mich fällt und die Sonne verdeckt. Der Minotauros. Eine so schreckliche Präsenz, dass ihn mein Vater nicht bei seinem Namen nennt. Das macht niemand. Laut den meisten, die mit ihm zu tun haben, ist er mehr Monster als Mann.

Für mich ist er immer Asterion gewesen. Zumindest bis heute.

Ich mag ein Feigling sein, aber ich kann hier nicht sitzen und die Wahrheit auf unbestimmte Zeit ignorieren. Ich atme tief ein. Die Luft fühlt sich auf meiner Zunge zu heiß und zu klebrig an. Dann schaue ich ihn an. Ich verstehe, warum ihn jeder fürchtet. Mit seinem gewaltigen Körper, seinen Narben und dem leeren Ausdruck in seinen dunklen Augen ist er furchteinflößend. Allerdings ist er auf seine ganz eigene Weise auch schön. Er hat langes rotes Haar und mittelbraune Haut, starke Hände, mit denen er ebenso gut Dinge bauen wie eine Waffe halten kann, und sein Mund ist … sinnlich und dekadent.

Jetzt gerade sind seine Augen nicht ausdruckslos. Sie sind so heiß, dass ich überrascht bin, dass ich nicht auf der Stelle verbrenne. Ich mag seine Gestalt betrachtet haben, wie ich es immer tue, wenn wir beide miteinander allein sind, aber er macht genau das Gleiche. Er mustert mich und saugt meinen Anblick in sich auf, als würde er keine weitere Gelegenheit dazu erhalten. In der Chemie, die zwischen uns herrscht, liegt eine gewisse Verzweiflung. Es darf niemals sein.

Er ist die perfekte Waffe meines Vaters, und ich bin die perfekte Tochter, die dazu bestimmt ist, eine Ehe einzugehen, die der Familie einen politischen Vorteil verschafft. Mein Vater würde mich auf keinen Fall einer mordlüsternen Waise überlassen, ob sie nun Teil seines Haushalts ist oder nicht.

Gegen meinen Willen lecke ich mir über die Lippen. »Ist es erledigt?«

»Ariadne.« Seine Stimme ist ebenso vernarbt wie sein Körper, rau und schartig. Er macht einen langsamen, lauernden Schritt auf mich zu und dann einen weiteren. Er überwindet den Abstand zwischen uns mit langen Schritten, bis er sich nach unten lehnen und seine Hände links und rechts von mir auf die Armlehnen des Sessels stützen kann. Ich bin keine kleine Frau. Was meinem Körper an Höhe fehlt, macht er durch jede Menge üppige Kurven wett. Ich werde niemals das zierliche kleine Püppchen sein, das sich mein Vater wünscht, aber wenn ich in Asterions Augen starre, fühle ich mich immer begehrt.

Er ist mir so nah. Ich kann den Schweiß sehen, der seine Haut bedeckt und dafür sorgt, dass sein dunkles Hemd fest an seinem wie gemeißelten Oberkörper klebt. Die Götter mögen mir beistehen, aber ich atme tief ein und nehme diesen Duft in mich auf, der einzig und allein zu ihm gehört. »Beantworte meine Frage«, flüstere ich.

»Ich habe sie entkommen lassen.« Er löst eine Hand vom Stuhl, um sie locker um meine Kehle zu legen. »Deinetwegen. Ich werde mich dem Zorn deines Vaters stellen. Deinetwegen.«

Ich bekomme keine Luft, und das hat nichts damit zu tun, dass er mir den Hals zuschnürt. Das tut er nicht. Aber in all den Jahren, die wir einander nun schon kennen, hat er stets unglaublich sorgfältig darauf geachtet, mich niemals zu berühren. Nicht so. Nicht mit dieser Absicht und diesem … Besitzanspruch. »So darfst du nicht reden.«

»Ach nein?« Er lehnt sich sogar noch näher an mich heran, bis er mir die Sicht auf den Himmel komplett versperrt. Bis seine Wange meine streift, als er mir direkt ins Ohr flüstert. »Nun haben wir ihn beide verraten.«

Er weiß es.

Aber das ist unmöglich. Er kann auf gar keinen Fall wissen, dass ich Informationen hinterlassen habe, damit Apollon sie findet. Dies wäre der Zeitpunkt, ihn wegzustoßen und zu verlangen, dass er nicht vergessen sollte, wo er steht. Mich zurückzuziehen und einen sicheren Abstand einzunehmen, um ihn daran zu erinnern, dass ich ihm niemals gehören werde.

Ich rühre mich nicht vom Fleck. Ich sage kein Wort. Ich scheine kaum atmen zu können. Denn er hat recht. Ich habe meinen Vater auf dieser Party verraten. Und im bevorstehenden Konflikt werde ich es wahrscheinlich wieder tun, sofern ich der Ansicht bin, dass ich den Verlust von Leben dadurch verringern kann. Aber ihn jetzt zu verraten? Auf diese Weise? Das ist einfach nur egoistisch.

Ich weiß nicht, ob mich das kümmert.

»Sag Nein, Ariadne.«

»Was?«

»Sag. Nein.« Dass er auch die andere Hand vom Stuhl gelöst hat, merke ich erst, als er den vorderen Teil meines Kleids packt. Seine rauen Knöchel pressen sich gegen die empfindliche Haut meiner Brüste und senden einen Schwall aus reinem Verlangen durch meinen Körper.

So langsam dämmert mir, was er vorhat, und sofort wallen widersprüchliche Gefühle in mir auf: Angst und Begierde. »Wir sollten das nicht tun.« Ich protestiere lediglich um des Protestierens willen, aber es ist die Wahrheit.

Mein Vater mag in Bezug darauf, wie mich Asterion anschaut, und auch hinsichtlich der seltsamen Beinahefreundschaft, die sich zwischen uns entwickelt hat, und der Tatsache, dass wir offenbar immer wieder zueinander hingezogen werden, ein Auge zudrücken. Aber das hier wird er uns nicht vergeben. Wenn wir diese Grenze überschreiten, wird er Asterion die Kehle aufschlitzen. Und ich wage es gar nicht, über die Strafe nachzudenken, die er für mich bereithalten könnte. »Wir dürfen das nicht«, zwinge ich mich zu sagen.

»Doch, wir dürfen. Was ist schon ein Verrat mehr?«

»Asterion …«

»Sag Nein.« Das Grollen seiner Stimme sorgt dafür, dass ich die Schenkel fest zusammenpresse. »Sonst werde ich dir dieses Kleid vom Leib reißen.«

Das ist der Zeitpunkt, um genau das zu tun. Wenn ich Nein sage, wird er aufhören. Asterion mag in vielerlei Hinsicht ein Monster sein, aber mir gegenüber verhält er sich nicht wie eines. Nicht so.

Was ist schon ein Verrat mehr?

Ich sage nicht Nein.

Er hält erst eine Sekunde lang inne und dann noch eine. Ich rechne damit, dass er mein Kleid in der Mitte entzweireißen wird, dass die altmodischen Knöpfe nur so fliegen. Stattdessen öffnet er den obersten. Und dann den nächsten. Und dann den nächsten. Er entblößt mich Zentimeter für quälenden Zentimeter. Und die ganze Zeit über weicht er kein bisschen zurück und bringt keinerlei Abstand zwischen uns. Das soll mir nur recht sein. Wenn einer von uns Gelegenheit hätte, das hier zu überdenken, würde der gesunde Menschenverstand zweifellos wieder übernehmen. Wir würden uns daran erinnern, wem wir alles verdanken. Ich durch Blutsverwandtschaft und er durch die Umstände.

Als er mich bis zur Taille entblößt hat, zittere ich so heftig, dass der metallene Stuhl auf dem Kies klappert. Asterion fährt mit den Knöcheln an der Mitte meines Körpers entlang nach oben, um mein Kinn zu packen. Er hat immer noch meine Kehle umfasst und tut nach wie vor nicht mehr, als mit seinem Griff Anspruch auf mich zu erheben. Nun lehnt er sich endlich zurück, damit er mir in die Augen schauen kann. »Du gehörst mir, seit ich dich zum ersten Mal sah. Dein Vater mag dich den Olympiern vor die Nasen gehalten haben, wie eine besonders verlockende Frucht, aber wir beide kennen die Wahrheit. Du gehörst mir, Ariadne.«

Mein Magen vollführt einen Salto, und ich will seine Worte hassen und mich dagegen wehren, dass noch ein weiterer Mann Anspruch auf mich erhebt und mich besitzen will. Seit meiner Geburt habe ich mir nicht selbst gehört. Ich hatte nie eine Chance. Egal was sonst zutreffen mag, wenn mich Asterion für sich beansprucht, wird das alles verändern. »Du irrst dich.«

Er fährt grob mit dem Daumen über meine Unterlippe. »Ich irre mich nicht.« Dann greift er nach unten, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, und schiebt die untere Hälfte meines Kleides hoch. »Aber falls ich mich irre, dann sag Nein.« Er lässt einen Finger unter den Bund meines Höschens gleiten und ballt sie um den Stoff herum zur Faust. »Denn wenn du nicht jetzt sofort Nein sagst, werde ich mir das nehmen, von dem wir beide wissen, dass es mir gehört.«

Niemand hat mich je zuvor auf diese Weise berührt. Andere Leute in meinem Alter, die an Sex interessiert sind, haben eine Menge ausprobiert, ob nun öffentlich oder im Geheimen. Für meinen Bruder gilt das definitiv. Er hat eine Spur aus gebrochenen Herzen hinterlassen. Aber ich hatte diese Gelegenheit nicht. Nicht als Minos’ kostbare, unschuldige Tochter. Ihm und Leuten wie ihm zufolge hängt mein Wert von meiner Jungfräulichkeit ab. Ich halte das für Schwachsinn, aber ich habe eben keine Macht über mein Leben.

Allerdings … fühlt es sich jetzt gerade so an, als hätte ich die Macht.

Ich mag am ganzen Körper zittern und überwältigt sein, doch Asterions Hand bebt an der Stelle, an der seine Knöchel gegen mein Zentrum drücken, ganz leicht. Es braucht nur ein einziges Wort, nur vier kleine Buchstaben, und das hier wird sofort aufhören. Was ist Macht, wenn nicht das?

Ich greife mit einer Hand zaghaft nach oben und packe die Vorderseite seines Hemds. Wenn ich mich hierauf einlasse, werde ich damit uns beide verdammen, aber ich bin mir nicht sicher, dass mich das kümmert. Wir waren schon von dem Augenblick an verdammt, in dem mein Vater entschied, uns an diesen Ort zu bringen. Jegliche Tode, die sich heute ereignen, sind nur der Anfang. Das Blut klebt stellvertretend an meinen Händen. »Du hast heute niemanden getötet?«

»Das habe ich nicht.«

Vielleicht bin ich eine Närrin, weil ich glaube, dass er meinetwegen darauf verzichtet hat. So sei es. Ich hole tief Luft. »Hör nicht auf.«

Er fragt mich nicht noch mal. Er reißt mir das Höschen mit einer Gewalt vom Körper, die mich zusammenzucken lässt. Und dann ist sein Mund auf mir und er legt die Finger ein klein wenig fester um meine Kehle, während er mich mit seiner Zunge und seinen Zähnen bearbeitet.

Ich mag für den Großteil meines Lebens eine passive Beifahrerin gewesen sein, aber ich entscheide mich hierfür. Ich entscheide mich für ihn, selbst wenn es nur um diesen einen Moment geht. Es kann nicht für immer sein. Doch das sage ich nicht, als er unseren Kuss unterbricht, um sich das Hemd auszuziehen und aus seiner Hose zu schlüpfen. Sein Schwanz ist groß genug, um mir ein wenig Angst einzujagen, die mein Verlangen sofort dämpft. Aber Asterion lässt sich auf die Knie sinken und vergräbt sein Gesicht zwischen meinen Beinen, bevor ich entscheiden kann, ob ich nicht doch lieber Nein sagen will.

Als er das erste Mal mit der Zunge über mich fährt, stockt mir der Atem. Ich habe davon gelesen. Ich habe Spielzeuge gekauft, die diese Empfindung nachahmen sollen. Was für ein Witz. Nichts ist mit dem Gefühl seiner Zunge an meinem intimsten Körperteil vergleichbar. Er gräbt die Finger in meine Hüften und zieht mich mehrere Zentimeter weit über die Kante des Stuhls, damit ich die Beine weiter für ihn spreizen kann. Als ich die Hände in seinem Haar vergrabe und die Hüften auf der Suche nach mehr anhebe, ist das keine bewusste Entscheidung. Mein Körper hat meinen Verstand überschrieben. Seine breiten Schultern stellen eine perfekte Ablagefläche für meine Schenkel dar, und er verwöhnt mich, als könnte er niemals genug bekommen.

Was wir hier machen, ist streng verboten, und wir haben noch nicht mal den Anstand, es im Schutz der Nacht zu machen. Die Sonne bezeugt meinen aufkommenden Orgasmus. Asterion presst mir eine Hand flach auf die Lippen, um meine Schreie zu dämpfen, als ich auf seinem Gesicht komme. Er fährt noch einmal lang und ausgiebig mit der Zunge über mich und dann noch ein weiteres Mal. Dann entsteht eine Pause, und es fühlt sich an, als würde er vielleicht weitermachen, als würde er nicht aufhören, bis ich erneut komme. Als würde er niemals aufhören.

Doch dann dreht er sein Gesicht zu meinem Oberschenkel herum und beißt mich. Fest. Ich schreie an seiner Handfläche, und der Schmerz vermischt sich mit Lust. Das verwirrt mich. Das Gefühl wird nur noch komplexer, als ich nach unten schaue und Blut sehe. Er hat mich so fest gebissen, dass er meine Haut verletzt hat. Heftig.

Er erhebt sich und legt eine riesige Hand um seinen Schwanz. »Möglicherweise wärst du in Versuchung geraten, das hier zu vergessen. Das wird nun nicht mehr passieren.«

Er positioniert seinen Schwanz und schaut mich an. Dabei beobachtet er die eine Träne, die mir aus dem Augenwinkel rinnt. Asterion nimmt seine Hand lange genug von meinem Mund, um zu sagen: »Sag Nein. Sag jetzt sofort Nein, verdammt noch mal, sonst werde ich dir deine Jungfräulichkeit nehmen und sie für mich beanspruchen. Für immer.«

»So funktioniert Jungfräulichkeit nicht.« Ich weiß nicht, warum ich das sage. Mein Oberschenkel pocht schmerzhaft, und auch wenn ich mich bereits leer fühle und mich nach mehr Lust sehne, kann ich nicht so tun, als hätte mein Orgasmus all die Gründe fortgewischt, warum wir das hier nicht tun sollten. Dafür hat sein Biss gesorgt.

»Für uns schon.«

Irgendein Instinkt übernimmt meinen Körper, und ich schnelle vor und versenke meine Zähne in dem Bereich zwischen seinem Daumen und seinem Zeigefinger. Er beobachtet, wie ich zubeiße. Seine dunklen Augen funkeln durchdringend. Statt seine Hand zurückzuziehen, presst er sie nur noch fester in meinen Mund hinein und gegen meine Zähne. Gleichzeitig dringt er mit seinem Schwanz in mich ein. Er geht nicht besonders schnell vor, doch mir bleibt keine Zeit, mich an seine schiere Größe zu gewöhnen. Es tut weh. Oh verdammt, es tut weh.

»Du kannst das aushalten.« Er schlingt einen Arm um meine Hüften und zieht mich dichter an sich heran, um noch tiefer in mich einzudringen. »Hinterlasse ein Mal, Sweetheart.«

Ich beiße aus reiner Verzweiflung zu. Der kupferne Geschmack seines Blutes trifft genau in dem Moment auf meine Zunge, in dem mich sein Schwanz komplett ausfüllt. Schmerz und Lust tanzen zusammen und verwirren meine Sinne. Erst als die Lust die Führung übernimmt, wird mir klar, dass er sich nicht bewegt. Dass er sich nicht mehr bewegt hat, seit er vollständig in mich eingedrungen ist.

Meine Anspannung verwandelt sich in reines Verlangen, als ich mich ruhelos an ihm bewege. Erst dann setzt auch er sich in Bewegung. Mit langen, harten Stößen trifft er etwas in meinem Inneren, das alles um mich herum verschwimmen lässt. Ich habe mich schon oft genug selbst zum Orgasmus gebracht. Ich habe unterschiedliche Spielzeuge und Methoden benutzt und meinen Körper erforscht, um herauszufinden, was für mich funktioniert.

Nichts hat sich je so angefühlt.

Als sich mein Orgasmus diesmal ankündigt, fühlt es sich an, als würde die Welt enden. Das hier können wir nicht mehr rückgängig machen. Ich will es nicht rückgängig machen. Ich könnte um nichts auf der Welt aufhören. Ich beiße fester in seine Hand, während ich nach seinen Hüften greife und ihn tiefer ihn mich hineinziehe. Er knurrt, und das wilde Grollen vibriert durch seinen Körper und in meinen hinein. Das bringt mich zum Höhepunkt. Mein Orgasmus hält an und wird in immer neue Höhen getrieben, die ich niemals für möglich gehalten hätte. Und dann hämmert er in mich hinein, und alles fängt noch mal von vorne an. Erst als er erstarrt, wird mir klar, dass er mir über den Abgrund folgt.

Er zieht seine Hand weg und ersetzt sie durch seinen Mund. Unser Kuss schmeckt nach Blut und Sex und einem Versprechen, bei dem ich mir nicht sicher bin, dass ich es halten kann. In diesem Moment spielt nichts eine Rolle. Nichts außer uns.

Er stößt noch ein letztes Mal in mich hinein und zieht sich dann zurück. Wir beide schauen nach unten, wo das Ergebnis seiner Lust aus mir herausläuft. Ganz entfernt schreit ein Teil von mir, dass ich das bereuen werde. Wir haben kein Kondom benutzt. Mir kam nicht mal in den Sinn, um eins zu bitten. Und selbst wenn ich daran gedacht hätte, weiß ich nicht, ob das ausgereicht hätte, um mich davon abzuhalten, ihn ohne etwas zwischen uns zu wollen.

Das Einzige, was zwischen uns steht, ist die Unmöglichkeit einer Beziehung mit ihm.

Asterion packt meinen Schenkel oberhalb der Stelle, an der er mich gebissen hat, und drückt fest zu. »Du gehörst mir, Ariadne. Das ist ein Versprechen. Wenn du anfängst, das zu hinterfragen, dann schau dir das hier an. Erinnere dich.« Er nimmt sich die Zeit, mein Kleid zuzuknöpfen, während ich ihn anstarre. Dann zieht er mit schnellen, effizienten Bewegungen seine Kleidung an. Er küsst mich noch ein letztes Mal auf besitzergreifende Weise. Dann macht er kehrt und stapft auf dem gleichen Weg aus dem Labyrinth, auf dem er es betreten hat.

Mein Höschen hat er mitgenommen.

Was in aller Welt habe ich getan?

2

Der Minotauros

Zwei Wochen zuvor

Sobald ich durch die Tür komme, weiß ich, dass etwas anders ist. Ich bin niemand, der vor Schatten erschrickt oder zulässt, dass vage Gefühle die Realität überschreiben, aber ich weiß, dass Ariadne nicht hier ist. Dieser Ort fühlt sich ohne sie leer an. Tot.

Ikarus ist nirgends zu sehen, während ich durch den Flur zu Ariadnes Zimmer gehe. Auf den ersten Blick sieht es genauso aus wie gestern. Seit dem Tag im Labyrinth habe ich ihr Raum gegeben. Die Sache hat sie offensichtlich heftig verstört, auch wenn sie in mir etwas gefestigt hat. Minos kann weiterhin so tun, als wäre sie zu haben. Sie weiß, dass sie es nicht ist. Das genügt mir. Ich kann warten, bis sie ihren Frieden damit macht. Mein Mädchen ist in letzter Zeit verflucht nervös gewesen, und ihr die Zeit zu geben, sich mit der neuen Situation abzufinden, ist ein kleines Opfer, das ich gern bringe.

Ich schaue mich in ihrem Zimmer um. Es ist mir so vertraut wie mein eigenes, auch wenn ich mich hier in letzter Zeit nicht oft aufgehalten habe. Die Matratze des Himmelbetts ist lächerlich weich, und überall liegen willkürlich verteilte Klamotten und irgendwelcher Kram herum. Allerdings beharrt sie immer nachdrücklich darauf, dass in ihrem Zimmer keine Unordnung herrscht. Sie weiß, wo alles ist. Ich muss aufpassen, wo ich hintrete.

Irgendetwas fehlt in diesem Zimmer. Instinktiv bewege ich mich auf den Schrank zu und schiebe die Kleidung beiseite. Und tatsächlich, die stets gepackte Tasche, die sie dort drinnen versteckt, ist fort.

Was bedeutet, dass sie fort ist.

Sie ist zu klug, um irgendetwas hinterlassen zu haben, mit dem man sie aufspüren könnte, also gehe ich in mein Zimmer. Ich werde meine Ausrüstung brauchen, bevor ich sie verfolgen kann. Als ich einen Blick auf ein Stück blasslilafarbenes Papier erhasche, das unter mein Kopfkissen gestopft wurde, halte ich inne. Sie hat sich nicht die Mühe gemacht, die Nachricht gut zu verstecken, aber sie weiß, dass niemand außer mir dieses Zimmer betritt. Nicht einmal Minos.

Ich starre das Papier an, als wäre es eine verdammte Schlange. Ich wusste, dass mit Ariadne etwas nicht stimmte. Sie verhält sich schon seit Tagen merkwürdig. Zumindest merkwürdiger als normalerweise. Sie ist noch nervöser gewesen, erschrickt vor Schatten und zieht die Schultern hoch, um sich zusammenzukauern, als würde sie damit rechnen, dass sie jemand schlägt. Als würde ich nicht jedem, der das versucht, den Arm abreißen.

Ich dachte, dass diese Veränderung daher käme, dass sie mit Eurydike Dimitriou herumgeschlichen ist und der gegnerischen Seite heimlich Informationen zugespielt hat. Ariadne hat ein zu großes Herz und zu viele Schuldgefühle. Sie ist verdammt noch mal zu gut für diese Welt und ganz sicher zu gut für diese verfluchte Familie. Ihr alter Herr hat keine Ahnung, was sie vorhat. Für mich spielt das keine Rolle. Ich habe mit diesem Kampf nichts zu tun, und diese Stadt oder ihre Bewohner kümmern mich nicht im Geringsten. Abgesehen von ihr.

Und nun ist sie fort.

Ich ziehe die Nachricht unter meinem Kissen hervor und lese sie durch. Jede Zeile facht meine Fassungslosigkeit und meine Wut weiter an. Ich wusste, dass ihr dieser Mist auf der Party zugesetzt hat. Ich habe ganz bewusst darauf geachtet, im Labyrinth nicht die Beherrschung zu verlieren und mich unter Kontrolle zu halten. Aber diese Sache zwischen uns köchelt schon seit einer ganzen Weile vor sich hin – einen Großteil unserer beider Leben lang –, und sie wollte es ebenso sehr wie ich. Wir haben noch ewig Zeit. Ich habe es nicht eilig gehabt, sie erneut zu bedrängen. Ich dachte, dass sie zu mir kommen würde, wenn sie so weit sein würde. Sie denkt gern über alles nach und zermartert sich regelrecht das Hirn, aber ich wusste, dass sie irgendwann zu dem gleichen Schluss kommen würde, den ich schon vor Jahren zog.

Sie gehört mir. Ich gehöre ihr. Alles andere spielt keine Rolle.

Aber das steht nicht in dieser verdammten Nachricht. Ich lese sie erneut, als würden sich die Worte dieses Mal in eine Reihenfolge begeben, die Sinn ergibt. Das tun sie nicht.

Asterion,

du verdienst mehr als einen Brief, in dem ich dir das mitteile, aber wenn ich es dir ins Gesicht sage, werde ich nicht in der Lage sein, das zu tun, was nötig ist. Ich weiß, wie loyal du meinem Vater gegenüber bist. Ich respektiere dich zu sehr, um dich zu bitten, dich zwischen uns zu entscheiden. Aber ich kann nicht einfach danebenstehen und tatenlos zuschauen, während noch mehr Leute wegen kleinlicher politischer Ränkespiele und Machtillusionen sterben.

Nein. Das ist die Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit.

Die eigentliche Wahrheit ist, dass ich Angst habe, Asterion. Ich habe schreckliche Angst. Ich sitze im Bad und starre auf zwei pinkfarbene Striche, und ich kann das einfach nicht. Wenn er herausfindet, dass ich schwanger bin, wird er mir selbst das bisschen Entscheidungsfreiheit nehmen, das ich habe. Und was dich betrifft … Du magst mir etwas bedeuten, aber ich mache mir hinsichtlich dessen, was für ein Mann du bist, keine Illusionen. Du würdest mich vor der Welt wegsperren, um mich zu beschützen. Aber dann könntest du mich ebenso gut töten, denn meine Seele würde unter derartigen Umständen verkümmern und sterben. Das kann ich nicht riskieren. Nicht einmal für dich. Ich werde eine Abtreibung vornehmen lassen, Asterion. Es tut mir leid. Ich erwarte nicht, dass du mir das oder das, was ich danach tun werde, verzeihst.

Ich weiß, dass mich das jetzt zu deiner Feindin macht. Und ich bin gerade so egoistisch genug, um dich um Gnade zu bitten, die ich nicht verdiene, falls wir uns je wieder begegnen sollten.

Lebe wohl

Ariadne

Ich setze mich auf die Bettkante, um die Informationen zu verarbeiten. Sie ist zu denen gegangen, zu den Olympiern. Sie hat ein Problem und braucht Hilfe. Aber Ikarus traute sie das nicht zu, denn auch wenn ihr Bruder sie sehr liebt, hat er mir und ihrem Vater nichts entgegenzusetzen. Sogar jetzt versucht sie noch, ihn zu beschützen. Mein Mädchen hat ein zu gutes Herz. Sie kann die Vorstellung, dass Unschuldige sterben, nicht ertragen. Sie wird versuchen, mit den Olympiern zusammenzuarbeiten, um Menschen zu retten. Ich hätte ihr sagen können, dass das ein aussichtsloses Unterfangen ist. Egal welche Informationen sie ihnen zur Verfügung stellt, es ist bereits zu spät, um das, was kommt, noch aufzuhalten.

Die Olympier haben keinen Grund, die Versprechen, die sie ihr geben, zu halten. Egal wo sie herkommen, mächtige Leute denken immer, dass die Regeln für sie nicht gelten. Wie lange zögert Minos sein Versprechen an mich nun schon hinaus? Er sagt, dass es daran liegt, dass ich meinen Teil der Abmachung nicht erfüllt habe, aber die Wahrheit ist, dass er mich niemals in die Nähe seiner Tochter lassen wird. Und die Olympier werden ganz sicher nicht zur Seite treten und zulassen, dass ich sie zurückhole.

Ich zerknülle die Nachricht in meiner Faust. Dass sie schwanger ist und eine Abtreibung vornehmen lässt, ist mir vollkommen egal. Das ist ihre Entscheidung. Es ist immer ihre Entscheidung gewesen. Aber sie läuft vor mir weg, vor uns, und das werde ich ihr nicht verzeihen.

Ariadne kennt mich. Sie sollte verdammt noch mal wissen, dass es nichts bringt, mich um Gnade zu bitten. Was ich vor all diesen Wochen im Labyrinth sagte, war mein Ernst. Sie gehört mir. Ich werde sie niemals gehen lassen.

Selbst wenn ich Jagd auf sie machen muss, um es ihr zu beweisen.

3

Ariadne

Jetzt

Von dem Moment an, in dem ich mich auf den Handel mit Hades einließ – ich gebe ihm jegliche Informationen, die ich habe, im Austausch für einen Zufluchtsort und eine Abtreibung –, wusste ich, dass ich verdammt sein würde. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Olympier ihr Wort halten würden. Welche Motivation hatten sie, den Feind zu schützen? Mein einziger Wert besteht darin, eine Gefangene zu sein. Aber mein Vater wird kein Problem damit haben, mich brennen zu sehen, sobald er herausfindet, was ich getan habe.

Für Minos gibt es keine Vergebung.

Ich hatte allerdings nicht mit der Fürsorge gerechnet, die mir Eurydike und die anderen nach meiner Abtreibung entgegengebracht haben. Sie haben keinen Grund, sich mir gegenüber freundlich zu verhalten, und obwohl ich versuchte, wachsam zu bleiben, gelang es mir nicht. Ich bin … so müde. Ich habe das Gefühl, dass ich schon seit Jahren davonlaufe und mich zur Wehr setze, obwohl es erst ein paar Wochen sind. Als ich meine Abmachung mit Eurydike traf, habe ich nicht damit gerechnet, das Ganze zu überleben.

Vielleicht werde ich das auch nicht.

Dieser Gedanke sollte mich mit der Entschlossenheit zu kämpfen erfüllen, aber ich habe hier keine Macht. Ich denke, dass ich noch nie Macht hatte.

Meine aktuellen Umstände verdeutlichen diese Tatsache nur umso mehr. Ich sitze zusammen mit zwei Mitgliedern der Dreizehn in einem Zimmer. Sie streiten sich über meine Zukunft. Keiner von ihnen hat nach meiner Meinung gefragt, weil sie sie nicht kümmert. Ich bin ein Bauer, den man nach Belieben über das Schachbrett bewegen kann. Eine politische Gefangene, die sich selbst bereitwillig auslieferte.

Aphrodite ist eine zierliche Person mit mittelbrauner Haut, kurzem schwarzem Haar und Gesichtszügen, die sich perfekt auf dem Titelblatt einer Zeitschrift machen würden. They tigert hin und her, und jede Bewegung strotzt nur so vor Zorn.

Die Quelle dieses Zorns sitzt neben mir und ist ein perfektes Beispiel für einstudierte Gleichgültigkeit. Hera ist eine umwerfende weiße Frau mit langem braunem Haar und der Art von Energie, der ich aktiv aus dem Weg gehen würde, wenn ich eine Wahl hätte. Sie ist auf eine Weise gefährlich, die mich an Asterion erinnert.

Aber an ihn darf ich jetzt nicht denken. Ich habe getan, was ich tun musste, und dadurch zerstörte ich jegliche Chance auf eine gemeinsame Zukunft für uns. Nun stehen wir auf unterschiedlichen Seiten des bevorstehenden Krieges, und die Schuld dafür liegt allein bei mir. Ich vermisse ihn, wie ich einen Arm oder ein Bein vermissen würde. Das hatte ich nicht erwartet. Wir hatten nie eine Chance, zusammen zu sein, aber das scheint für mein Herz keine Rolle zu spielen. Es ist ein törichtes Organ mit unerfüllbaren Wünschen.

Die Götter mögen mir beistehen, doch ich würde alles noch mal genauso machen, ohne lange darüber nachzudenken.

»Das ist nicht der Plan, Hera.« Aphrodite wirbelt mit vor Wut funkelnden dunklen Augen zu uns herum. »Ich habe eine Liste mit akzeptablen Verehrern, genau wie Hades es von mir verlangte. Jeder Einzelne von ihnen würde sie sicher auf dem Land unterbringen. Das war die Abmachung.«

»Betrachte die Abmachung als geändert.« Hera begutachtet ihre langen Fingernägel. Sie sind schwarz, haben goldene Spitzen und sehen scharf genug aus, um jemanden aufzuspießen. »Ich gehe davon aus, dass ausgerechnet du verstehst, wie entscheidend eine Ehe als Waffe sein kann, wenn es um politische Gegner geht. Ariadne ist die Tochter unseres Feindes. Wie könnten wir besser demonstrieren, dass sie nun auf unserer Seite steht, als dadurch, dass wir sie mit jemandem verheiraten, den das Volk liebt?«

Vielleicht sollte mich mehr kümmern, mit wem sie mich verheiraten wollen, aber ich kann die nötige Energie einfach nicht aufbringen. Zu viel ist in zu kurzer Zeit passiert, und ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, irgendetwas davon zu verarbeiten. Von dem Moment an, in dem ich diesen positiven Schwangerschaftstest sah, gab es kein Zurück mehr. Dass Asterion und ich meinen Vater in diesem Labyrinth verrieten, ist schon schlimm genug. Aber ein Baby – Asterions Baby – in die Welt zu setzen, nur damit es ebenfalls zu einem Bauern werden kann, den mein Vater benutzt, um sicherzustellen, dass wir tun, was er verlangt? Es wäre noch weniger als ein Bauer. Ein Gefangener. Undenkbar.

Jemanden zu heiraten, den die Olympier für mich auswählen, wird vermutlich bedeuten, dass ich mit dieser Person Kinder bekommen werde, aber darüber kann ich jetzt nicht nachdenken. Ich kann über gar nichts nachdenken. Ich brauche meine ganze Energie, um einen Fuß vor den anderen zu setzen und meine Verzweiflung nicht in den Himmel hinaufzuschreien.

Aphrodite sieht aus, als wollte they Hera irgendwas an den Kopf werfen. »Deine Ambitionen spielen keine Rolle – und denk ja nicht, dass ich das hier fälschlicherweise für irgendetwas anderes als ein Greifen nach Macht halte. Er wird dem niemals zustimmen.«

»Er hat bereits zugestimmt.« Hera lässt die unbeeindruckte Fassade fallen und zieht die Augen zusammen, um Aphrodite anzustarren. »Also sollten wir keine Zeit mehr verschwenden und uns all deine kleinlichen Proteste sparen. Du bist doch nur aufgebracht, weil ich das alles arrangierte und nicht du.«

»Nein, ich bin …«

»Weswegen du die Person sein wirst, die es verkündet. Immerhin bist du Aphrodite. Ehen sind dein Brotverdienst. Da ergibt es nur Sinn, dass du diejenige sein würdest, die diesen Coup arrangiert hat. Dionysos zu verheiraten, der es das ganze letzte Jahrzehnt über geschafft hat, jeder vorangegangenen Aphrodite auszuweichen, ist eine Leistung, die man unmöglich ignorieren kann. Darüber werden die Leute trotz der ständigen Mordanschläge reden.«

Aphrodite stemmt die Hände in die Hüften. »Warum würdest du mich den Ruhm einheimsen lassen?«

»Ich habe meine Gründe.« Hera steht langsam auf. Ich verspanne mich unwillkürlich und reagiere automatisch auf die Bedrohung, die ich nicht ignorieren kann. Sie wirft mir einen amüsierten Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Aphrodite richtet. »Es ist ganz einfach: Ich gebe dir diesen Sieg, und du schuldest mir etwas. Einen Gefallen, den ich wähle, und zwar zu einem von mir bestimmten Zeitpunkt.«

Das ist ein brillanter Schachzug. Genau wie der Rest meiner Familie habe ich die olympische Politik nun schon jahrelang studiert. In den letzten sechs Monaten hat es mehr Titelwechsel gegeben als im letzten Jahrzehnt. Die Person, die nun die Rolle der Aphrodite ausfüllt, ist ein Neuzugang, obwohl they für die letzten zwei Leute arbeitete, die den Titel innehatten. They ist darauf aus, Furore zu machen. Eine Ehe mit einem der beliebtesten Mitglieder der Dreizehn zu arrangieren – einem Mann, der schwor, als Junggeselle zu leben und zu sterben – würde genau das bewirken. Was ist schon ein offener Gefallen, wenn es darum geht, die eigene Position so sehr zu festigen?

Dieser Augenblick demonstriert außerdem sehr deutlich, wie gefährlich die neue Hera ist. Die letzten drei Leute, die den Titel innehatten, waren kaum mehr als Platzhalterinnen, Ehefrauen des letzten Zeus. Er ermordete zwei von ihnen, und bei der dritten versuchte er es ebenfalls. Er hätte die Sache zu Ende bringen sollen. Nun wird ganz Olympus den Preis für sein Versagen zahlen.

Kirke hat es auf sie abgesehen, und sie wird keine Gnade zeigen.

Aphrodite denkt nur kurz über Heras Angebot nach und nickt dann. »Meinetwegen. Ein offener Gefallen. Betrachte es als erledigt.«

»Wundervoll. Es war mir eine Freude, Geschäfte mit dir zu machen.« Sie wendet sich mir zu, und obwohl in ihren grünbraunen Augen keine Gnade liegt, sind sie nicht unfreundlich. »Dionysos ist ein Chaot, aber er ist kein schlechter Mann. Meine Schwester hält dir gegenüber ihr Wort – und Hades ebenfalls. Du wirst bei deinem neuen Ehemann in Sicherheit sein, und er wird nicht die ehelichen Privilegien von dir erwarten, was andere womöglich erwarten würden.«

Eheliche Privilegien. Sie meint Sex. Mein Magen verkrampft sich beim Gedanken daran. Ich habe Asterion bereits auf tausend verschiedene Arten betrogen, also was ist eine mehr? Als ich einwilligte, jemanden zu heiraten, den die Olympier für mich auswählen, wusste ich, dass Sex Teil der Abmachung sein würde. Kinder ebenfalls. Beides gehört bei derartigen Dingen so oft dazu. Das war ein Problem für ein zukünftiges Ich, das vielleicht nicht einmal lange genug überleben würde, um damit zurechtzukommen.

Aber wenn Hera die Wahrheit sagt … Wenn Dionysos das nicht von mir erwarten wird … Auch wenn ich es besser weiß, keimt ein winziger Funken Hoffnung in meiner Brust auf. Ich hole tief Luft. »Danke.«

»Wir werden einander schon sehr bald wiedersehen, Ariadne.« Aus ihrem Mund klingt das wie eine Drohung.

Aphrodite und ich schweigen mehrere Sekunden lang, nachdem sie den Raum verlassen hat. Schließlich flucht they leise vor sich hin. »Sie ist eine Bedrohung.«

»Ich glaube, ich mag sie.« Ich will es gar nicht laut sagen, aber sobald ich es ausgesprochen habe, kann ich es nicht mehr zurücknehmen. Sie jagt mir eine Heidenangst ein, doch das gilt heutzutage für die meisten Leute. Ich bin daran gewöhnt. Ich wische meine schweißnassen Handflächen an meiner Jeans ab. »Was passiert jetzt?«

Their Handy bimmelt. Es ist eine beschwingte, fröhliche Melodie. They zieht die perfekten Augenbrauen zusammen, als they die Textnachricht liest. »Offenbar ist dein Verlobter hier, um dich zu sehen.«

Angst zuckt durch meinen Körper, und ich glaube nicht, dass es mir besonders gut gelingt, sie zu verbergen. Nur gut, dass Aphrodite gerade abgelenkt zu sein scheint. Ich räuspere mich. »Oh. Toll.«

Für mehr bleibt mir keine Zeit, denn ein weißer Mann mit zerzaustem dunklem Haar und einem wirklich beeindruckenden dunklen Schnurrbart kommt durch die Tür. Auf der Party, die mein Vater vor zehn Wochen veranstaltete, habe ich nicht viel mit Dionysos gesprochen. Aber soweit ich weiß, war er die ganze Zeit über betrunken. Als sein Gast Pan angegriffen und ins Krankenhaus gebracht wurde, verließ Dionysos die Party nicht mit ihm. Abgesehen davon weiß ich nur das, was auch der Rest von Olympus weiß. Er erhielt seinen Titel vor etwa einem Jahrzehnt, als der letzte große Wechsel bei den Dreizehn stattfand, und ist auf Alkohol, Drogen und alle möglichen Dinge spezialisiert, über die man besser Stillschweigen bewahrt. Außerdem hütet er Geheimnisse ebenso gut wie Hermes, was schon etwas heißen will.

Er sieht aus, als hätte er seit unserer letzten Begegnung nicht mehr geschlafen. Er hat abgenommen, dabei war er ohnehin bereits recht dünn. Seine Augen sind eingefallen, und seine Züge von Erschöpfung gezeichnet. Er würdigt mich kaum eines Blickes, als er den Raum durchquert und sich auf den Stuhl neben meinem sinken lässt. »Mein Assistent hat den Ehevertrag rübergeschickt. Ich gehe davon aus, dass du einige Anmerkungen dazu hast, Aphrodite. Lass uns das schnell hinter uns bringen.«

They wischt auf their Handy herum und runzelt die Stirn immer stärker. »Das ist Halsabschneiderei. Du kannst doch nicht ernsthaft vorhaben, dem zuzustimmen. Ich weiß, dass du den Trottel spielst, aber niemand ist tatsächlich so vertrottelt.«

Zuerst denke ich, dass they mit mir redet, also öffne ich den Mund, um zu sagen, dass ich mich nicht in der Position befinde, irgendwelche Ansprüche zu stellen. Ich heirate nicht des Geldes wegen und habe bezüglich meines Partners keine Wahl. Ich bringe ganz sicher keine Mitgift mit in diese Ehe. Mein einziges Faustpfand habe ich bereits verspielt – Informationen.

Doch Dionysos ist derjenige, der antwortet. »Wenn man uns beide in diese Ehe zwingt, kann ich wenigstens dafür sorgen, dass sie gleichberechtigt ist.«

Aphrodite flucht erneut und reicht mir their Handy. »Du kannst dir den Vertrag ebenso gut durchlesen. Ich gehe nicht davon aus, dass du Widerspruch einlegen wirst.«

Was Verträge angeht, ist dies ein recht einfacher. Er besteht nur aus einer einzigen Seite Text. Mein Entsetzen nimmt zu, als ich ihn durchlese und dann noch einmal zum Anfang zurückkehre, um ihn erneut zu lesen. Aphrodite hat recht. Das ist eine Katastrophe. Oder eine Falle. So oder so kann ich dem Vertrag nicht zustimmen. »Das ist zu viel. Du gibst mir ein Haus?«

»Eigentlich zwei Häuser. Eins in der Innenstadt und eins draußen auf dem Land. Ich gehe davon aus, dass es Veranstaltungen geben wird, die unser beider Anwesenheit erfordern werden, aber du kannst es dir ebenso gut in deinen eigenen vier Wänden gemütlich machen. Genauso wie ich es mir in meinen gemütlich machen werde.«

Das kann nicht echt sein. Mein Leben ist relativ privilegiert gewesen, aber ich lernte schon sehr früh, dass in einem Vakuum nichts Gutes passiert. Jeder führt etwas im Schilde, und wenn sich jemand großzügig zeigt, dann will er im Austausch etwas dafür haben. »Du legst fest, dass Sex nicht zur Debatte steht.«

Er zieht die Augenbrauen hoch. »Hast du ein Problem damit?«

»Nein, natürlich nicht.« Ich erröte. »Ich hätte nur nicht erwartet, diesen Punkt tatsächlich im Vertrag stehen zu sehen.« Ein Vertrag, der besagt, dass bei einem Verstoß dagegen eine gewaltige Summe Geld auf das Konto des Opfers eingezahlt wird – und die Ehe als beendet gilt. Wenn dieser Vertrag bindend ist – und alle Anzeichen deuten darauf hin, dass das der Fall sein wird –, blufft er nicht. Was bedeutet, dass Hera die Wahrheit sagte, als sie meinte, dass man von mir nicht erwarten würde, an »ehelichen Privilegien« teilzunehmen.

»Natürlich erwarte ich von dir nicht, dass du auf Sex verzichtest, falls das etwas ist, das du benötigst. Solltest du dir einen Liebhaber nehmen wollen, verlange ich lediglich, dass du dich mit mir absprichst, damit wir vor der Öffentlichkeit eine geeinte Front sicherstellen können.«

Ich verstehe, wie wichtig es ist, aus einer starken Position heraus in eine Verhandlung zu gehen, aber ich habe das Gefühl, dass der Boden unter meinen Füßen wegbricht. Nichts läuft so, wie ich es erwartet habe, und ganz sicher nicht von einem Mitglied der Dreizehn. Wenn man meinen Vater – oder Kirke – von ihnen sprechen hört, dann klingen sie wie die schlimmsten Menschen überhaupt. Menschen, die von der Macht, die sie ausüben, komplett verdorben sind. Monster, die bereit sind, jeden zu zerstören, der ihnen in die Quere kommt. Eigentlich hätten sie mich in eine Zelle werfen und für die nächsten paar Jahrzehnte vergessen sollen.

Sie hätten mich töten sollen. Mein Tod würde meinem Vater schaden. Ich bin nicht dumm genug zu denken, dass dadurch seine Pläne vereitelt werden könnten. Dafür ist bereits zu viel passiert, und das, was kommt, lässt sich nicht mehr aufhalten.

»Du kannst dir den Vertrag so oft durchlesen, wie du willst, aber letztendlich hast du kaum eine Wahl.« Aphrodite scheint immer noch sauer zu sein, weil Hera them in eine Ecke gedrängt hat.

Aber they hat recht. Dieser Vertrag hätte mir alles Mögliche abverlangen können, und ich hätte dennoch zugestimmt. Ich habe keine andere Möglichkeit. »Wie unterschreibe ich das hier?«

»Gib mir zwei Minuten, um es auszudrucken.« Aphrodite reißt mir das Telefon aus den Händen und verlässt den Raum. Ich bleibe allein mit Dionysos zurück. Unangenehme Stille macht sich breit. Er scheint nicht sonderlich erpicht darauf zu sein, sie zu durchbrechen, also bleibe ich einfach mit gefalteten Händen sitzen und warte auf die nächste Hiobsbotschaft.

Aphrodite kehrt mit dem Vertrag und einem teuren Füller zurück und reicht mir beides. Der Füller fühlt sich in meiner Hand seltsam an. Ich schreibe meinen Namen auf die gepunktete Linie, bevor ich es mir anders überlegen kann. Vielleicht kann ich mich hiernach ausruhen. Von dem Moment an, in dem ich von meiner Schwangerschaft erfuhr, habe ich mich in einem Zustand der Panik befunden und einfach hastig gehandelt, ohne einen Gedanken an die langfristige Zukunft zu verschwenden. Ich bin … müde. Wirklich, wirklich müde.

Dionysos wirft mir einen langen Blick zu, nimmt aber den Füller von mir entgegen und unterschreibt den Vertrag ebenfalls. Aphrodite schnappt sich das Dokument vom Tisch, als würde they denken, dass einer von uns es anzünden könnte. They wirft einen Blick auf die Unterschriften und nickt. »Auch wenn ich verstehe, dass ihr vorhabt, in unterschiedlichen Wohnsitzen zu leben, weißt du, wie das funktioniert, Dionysos. Ihr müsst mindestens bis zur Hochzeit zusammen sein.«

Er sieht aus, als wollte er widersprechen, zuckt aber schließlich mit den Schultern. »Also gut.« Er steht auf und streckt eine Hand aus. Seine Finger sind mit Ringen bedeckt. »Sollen wir?«

Keine Wahl. Keine Wahl. Keine Wahl. Mir war niemals vorherbestimmt, glücklich zu sein. Das weiß ich schon seit meiner frühesten Kindheit. Letztendlich erscheint mir dieser Mann wünschenswerter als jeder, den mein Vater ausgewählt hätte. Er mag nicht derjenige sein, den ich wählen würde, aber … Darüber nachzudenken hat jetzt keinen Zweck. Ich hoffe einfach nur, dass die Zuneigung, die Asterion mir gegenüber empfunden haben mag, ausreicht, um ihn davon abzuhalten, Jagd auf mich zu machen und mir das Herz herauszuschneiden.

Mittlerweile würde ich das beinahe begrüßen.

Wenigstens würde es dann vielleicht aufhören, wegen seines Verlusts zu schmerzen.

4

Der Minotauros

»Dieses kleine Miststück!«

Ich zucke nicht zusammen, als Minos die nächstbeste Lampe ergreift und sie dann quer durchs Zimmer schleudert. Ikarus hingegen sieht aus, als wollte er die Flucht ergreifen. Er hat die schmalen Schultern hochgezogen, und seine Haut ist vor Angst ganz grau geworden. In all den Jahren hat er nie gelernt, seinen Schrecken vor seinem Vater zu verbergen. Mittlerweile sollte er wissen, dass Angst Minos nur noch zu weiterer Gewalt anspornt.

Mir selbst ist aktuell ebenfalls nach Gewalt zumute.

Sie hat mich verlassen. Nicht damit sie diese verfluchte Stadt verlassen konnte. Das könnte ich ihr zumindest vergeben. Ich weiß, wie sehr sich Ariadne nach Freiheit sehnt und dass ihre Träume immer weit über ihre derzeitigen Umstände hinausgingen. In Aiaia hatte sie ein geheimes Notizbuch, das mit Zeitschriftenausschnitten über all die Orte gefüllt war, die sie besuchen will. Sie war sogar so weit gegangen, Reisepläne zu erstellen. Mir bereitete das immer fürchterliche Kopfschmerzen, aber sie hatte stets diesen verträumten Ausdruck auf dem Gesicht, wenn sie mir eine ihrer Fantasiereisen beschrieb.

Allerdings ist sie jetzt nicht weggelaufen, um einen dieser Träume auszuleben. Wenn dem so wäre, hätte ich meine Aufgaben hier in Olympus erledigt und wäre dann losgezogen, um sie zu finden. Sie lud mich nie ausdrücklich dazu ein, sie zu begleiten, aber was sollten all diese verdammten Reisepläne sonst darstellen, wenn nicht eine Einladung?

Aber nein, sie rannte nur weit genug, um den Styx zu überqueren. Um sich den Feinden ihres Vaters auszuliefern. Selbst das hätte ich vergeben können. Aber nicht das hier. Ich starre auf das Display meines Handys, als würde mein Hass ausreichen, um die Worte, die ich lese, zu verändern.

Liebe liegt in der Luft! Aphrodite hat eine Ehe zwischen Dionysos und Olympus’ neuestem Zuwachs, Ariadne, arrangiert. Weitere Einzelheiten werden folgen!

Eine Ehe. Mit einem von denen. Mit jemandem, der nicht ich bin.

Minos rauft sich die Haare. Er ist ein großer Mistkerl, beinahe so groß wie ich, und das Alter hat seine Kraft nicht geschmälert. Das Wohnzimmer ist ein Trümmerfeld, abgesehen von dem Sessel, auf dem Ikarus kauert, und der Couch, an der ich lehne.

Er atmet langsam aus. »Wir müssen davon ausgehen, dass sie ihnen alles erzählt hat, was sie weiß. Das sollte nicht ausreichen, um uns zu vernichten. Nicht wenn wir bereits Leute in der Stadt haben. Kirke versammelt ihre Kriegsflotte, also müssen wir nur noch die Barriere ausschalten. Meine verräterische Tochter weiß nicht, wie wir das bewerkstelligen wollen.«

Ich bin mir nicht mal sicher, ob Minos weiß, wie sie das bewerkstelligen wollen. Seine Wohltäterin hat sich die ganze Zeit über sehr bedeckt gehalten und kaum Informationen herausgerückt. Wenn man bedenkt, wie die Dinge gelaufen sind, kann ich ihr keinen Vorwurf machen. Selbst in einer Gruppe aus fünf Leuten sickern Informationen durch – und wir verlieren schnell Verbündete. Theseus hat die Seiten gewechselt und Pandora mitgenommen. Keiner von ihnen wusste genug, um uns zu schaden, aber Minos unterschätzt seine Tochter ernsthaft. Das war schon immer so.

Nicht dass mich das kümmern würde. Nicht mehr. Ich lasse das Handy in meine Hosentasche gleiten. »Wie sieht der Plan aus?«

Er wirbelt herum, um mich böse anzustarren. Seine dunklen Augen funkeln vor Zorn. »Wie in aller Welt kommst du darauf, dass ich mich in Bezug auf die nächsten Schritte auf dich verlassen würde? Du hast mich immer wieder enttäuscht. Du konntest dir den Titel des Ares nicht sichern. Du hast versagt, als es darum ging, Artemis zu töten. In den Wochen, die seitdem vergangen sind, hast du keinen einzigen Anschlag auf ein Mitglied der Dreizehn verübt.«

Ich werde nicht so tun, als wäre die Niederlage im Wettkampf um den Titel des Ares irgendetwas anders als katastrophales Versagen gewesen. Hätte ich die Streitkräfte der Stadt unter meiner Kontrolle, wären die letzten paar Monate deutlich anders verlaufen. Ja, als Ares hätte ich mich mit Helena als Ehefrau abgeben müssen, aber Ehefrauen kann man leicht aus dem Weg räumen. Das hat der letzte Zeus mehr als einmal bewiesen. Artemis zu verschonen war meine Entscheidung, und auch wenn uns gerade alles um die Ohren fliegt, bereue ich sie nicht. Ariadne hätte sich mir an diesem Tag im Labyrinth niemals hingegeben, wenn ich mit Blut an den Händen zu ihr gekommen wäre. Aber genau das ist der entscheidende Punkt – sie gab sich mir hin. Sie gehört mir. Sie hat verdammt noch mal kein Recht, einfach wegzulaufen und irgendein Arschloch zu heiraten. »Ich werde Dionysos töten.«

»Er steht nicht auf Kirkes Liste.« Minos schüttelt ruckartig den Kopf. »Letztendlich wird das keine Rolle spielen. Ariadne kann ihn heiraten, aber das wird sie nicht schützen. Olympus wird fallen, und sie wird mit ihm fallen.«

Ich mag so wütend auf Ariadne sein, dass ich kaum klar denken kann, aber das bedeutet nicht, dass ich zulassen werde, dass sie irgendjemand anders anrührt. Ich habe nicht vor, die Strafe, die sie verdammt noch mal verdient, tödlich enden zu lassen. Sie gehört mir. »Ich werde mich darum kümmern.«

»Diese Entscheidung triffst nicht du.« Er dreht sich herum und tritt mit voller Wucht gegen ein Bruchstück der kaputten Lampe. »Nun, da der Weg über den Fluss versperrt ist, werden wir unsere Bemühungen auf die Oberstadt konzentrieren müssen. Triff dich mit Aiakos, und besprich unsere Optionen. Ich will bis heute Abend einen vollständigen Bericht haben.«

Ich beäuge ihn. »Und Ariadne?«

Minos grinst höhnisch. »Na schön. Wie du willst. Wenn du derjenige sein willst, der es erledigt, dann betrachte das hier als Befehl. Töte meine verräterische Tochter. Statuiere ein Exempel an ihr.«

Das sorgt dafür, dass Ikarus aufspringt. Wurde auch verdammt noch mal Zeit, dass er so etwas wie Rückgrat zeigt. »Das ist Schwachsinn! Sie ist nur weggelaufen, weil sie Angst vor dir hat, Vater. Das ist deine Schuld. Du darfst sie nicht für deine Fehler bestrafen.«

Der Blick, den Minos seinem Sohn zuwirft, ist so hasserfüllt, dass er sogar mich trifft. Ikarus weicht tatsächlich einen Schritt zurück. Das höhnische Grinsen seines Vaters wird noch bösartiger. »Du bist eine Enttäuschung, seit du deinen ersten Atemzug genommen hast. Denk ja nicht, dass die Tatsache, dass du von meinem Blut bist, ausreicht, um dich zu schützen, wenn du weiter so mit mir redest. Geh mir verdammt noch mal aus den Augen.«

Ikarus schafft es, für einen einzigen Herzschlag standzuhalten. Dann macht er kehrt und eilt aus dem Arbeitszimmer. Wenn uns die Vergangenheit irgendetwas gezeigt hat, dann wird er sich in seinem Zimmer verkriechen und seine Wunden lecken. Der Mann ist keine Bedrohung und ist nie eine gewesen. Wenn er eine wäre, hätte sich Minos nicht auf die Suche nach zwei gewalttätigen, brutalen Waisen gemacht, um seine Zwecke zu erfüllen. Nicht dass das mit Theseus besonders gut funktioniert hätte. Allerdings war Theseus schon immer launisch. Seine neue Ehefrau musste nur ein wenig Druck auf seine geliebte Pandora ausüben, und schon knickte er ein.

Meine einzige Schwäche versucht, vor mir wegzulaufen und einen anderen Mann zu heiraten.