The Revenge Kiss - The Hall Brothers I - Ewa A. - E-Book

The Revenge Kiss - The Hall Brothers I E-Book

Ewa A.

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Beschreibung

*** Eine süße, freche College Romance über die Tücken des Verliebtseins *** Okay, ich gebe es zu, ich schwärmte heimlich für Declan Hall, einen der heißesten Typen meines Colleges. Als mich meine Freundin zu einer seiner angesagten Partys mitschleppte, hatte ich keine Ahnung, welchen Verlauf der Abend nehmen und in was für einem Schlamassel alles enden würde. Schuld daran war dieser eine Kuss und Camden, Declans älterer Bruder, der mir mit seinen grasgrünen Augen und diesem Wahnsinnsmund noch viel gefährlicher wurde. Plötzlich befand ich mich im Mittelpunkt eines Wettstreits der Hall-Brüder, von denen jeder eine Sünde wert war. Leserstimmen: "Obwohl ich glücklich verheiratet bin beginne ich mich in Camden zu verlieben. Und das in meinem Alter …" "Man ist so nah bei den Protas, dass man ihre Gefühle spürt, sie atmen hört und mittendrin ist." "Ich liebe einfach das Geplänkel zwischen Camden und Lynn!" Lesealterempfehlung: 16+ Enthält erotische Szenen und derbe sexuelle Sprache Textauszug: »Nein«, bellte ich ihn an. »Wir können uns kennenlernen als Freunde. Dinge zusammen unternehmen als Freunde. Nicht als Fake-Lover.« Damit wischte ich Camden das Grinsen aus dem Gesicht. Ruckartig richtete er sich auf. Angepisst kaute er auf seiner Wangeninnenseite oder seiner Zunge herum. Keine Ahnung auf was genau, vielleicht auch auf beidem. Wütend schüttelte er den Kopf. »Nein. Vergiss es. Auf keinen Fall friendzonest du mich. Wenn ich mit dir abhänge, dann nicht, um dein verfickter Kumpel zu werden. Scheiße noch mal.« Sein Gesichtsausdruck wurde immer finsterer. Drohend beugte er sich mir wieder entgegen. »Zweifle bloß keine einzige Sekunde daran, dass ich dich nicht auf der Stelle küssen würde, wenn ich wüsste, dass du es zulassen würdest.«

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Seitenzahl: 531

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Ewa A.

The Revenge Kiss - The Hall Brothers I

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Epilog

Ein paar Worte

Weitere Werke der Autorin

Impressum neobooks

Impressum

TheRevenge Kiss

- The Hall Brothers -

von

Ewa A.

Text:

Copyright © Ewa A.

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung:

VercoDesign, Unna

https://www.vercopremadebookcover.de/

Korrektorat:

https://korrektoratia.jimdosite.com/

Verlag:

E. Altas

Bundesstr. 6

79423 Heitersheim

[email protected]

https://www.facebook.com/EwaA.Autorin

Die Geschichte sowie die Personen und die Orte in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit Begebenheiten, Orten, lebenden oder toten Personen sind in keiner Weise beabsichtigt und wären purer Zufall.

1. Kapitel

Alles begann mit einem Kuss. Einem Kuss aus Rache, der dazu gedacht war, einem Unbeteiligten wehzutun. Und doch war er der Anfang von so viel mehr.

***

»Hey, Amy. Nur damit du es weißt: Wir gehen heute Abend auf eine Party.« Mias blonde Locken hüpften munter in ihren kleinen Freudesprüngen mit.

Es war Freitagnachmittag und ich hatte noch eine Stunde meiner Schicht vor mir, als meine beste Freundin neben mir im Campus-Café auftauchte. Wir kannten uns bereits von der Highschool und seit Semesteranfang teilten wir uns eins der begehrten Zwei-Zimmer-Appartements, die das Glassman College in Bellham zur Verfügung stellte.

»Heute?«, wiederholte ich unglücklich und bereitete einen Soja-Latte-Macchiato für einen Gast zu.

Nicht, dass es etwas Außergewöhnliches wäre, freitags auf eine Party zu gehen. Nur waren Partys seit einiger Zeit nicht mehr mein Ding. Die schwere Krankheit und der Tod meiner Mutter, der nun zwei Jahre zurücklag, hatten meine Prioritäten als Sechszehnjährige ziemlich gerade gerückt. Ja, im Angesicht des Todes eines wichtigen Menschen, den man über alles liebte, verloren Alkohol, Feiern und Flirten schnell ihren Reiz.

Die Anzahl meiner Freunde war deswegen zügig auf eins gesunken. Vieles hatte sich seitdem geändert und manches nicht zum Guten. Das betraf auch meinen Dad. Aber selbst wenn mich diese innere Taubheit, die mich seit dem schlimmsten Tag meines Lebens quälte, nicht mehr völlig im Griff haben würde, so hatte ich mir für diesen Freitag vorgenommen, meine Hausarbeit endlich fertigzuschreiben.

»Ja. Es geht nicht anders. Wir müssen dahin.« Mias Augen glänzten vor Aufregung.

Guter Gott, warum war sie denn so aus dem Häuschen?

»Und warum müssen wir das?« Ich nahm den Kaffee, angelte einen Schoko-Cupcake aus der Theke und machte mich mit den Leckereien zu dem Tisch auf, an dem man sie bestellt hatte.

Munter schnatternd lief Mia hinter mir her. »Weil die Party im Haus der Hall-Brüder stattfindet und ich eine Einladung bekommen habe.«

Überrascht starrte ich sie an. Die Hall-Brüder waren berühmt und berüchtigt auf dem Campus. Ihr Vater war Senior Senator Jason Hall. Sie stanken vor Geld und bildeten die Spitze der gesamten Upper-Class-Elite-Studenten, zu denen Mia und ich ganz gewiss nicht gehörten. Der Ältere von ihnen, Camden, galt als Einzelgänger. Ob im Campus-Café, in der Bibliothek oder in der Dining Hall – man sah ihn nur selten mit anderen abhängen. Lediglich beim Eishockey schien er sich als Teil des Collegeteams wohlzufühlen. Im Gegensatz dazu war sein Bruder Declan ständig in einer Clique von reichen Schnöseln oder mit seinen Footballkumpels unterwegs. Das war allerdings nicht das Einzige, was die beiden Söhne des Senators voneinander unterschied. Während man dem dunkelhaarigen Camden nachsagte, ein drogendealender Schlägertyp zu sein, eilte dem blonden Declan der Ruf eines ambitionierten Sonnyboys voraus, der seine Freundinnen schneller wechselte als seine Boxershorts, wenn er denn welche trug.

So verschieden die Brüder auch waren, die Mädchen hielten jeden von ihnen für einen absolut heißen Fang. Und ja, auch ich träumte von ihnen heimlich. Es war wirklich schwer, nicht in ihren Sog zu geraten. Sie sahen beide verboten gut aus, waren mit schönen Gesichtern und Körpern gesegnet. Es war schon lachhaft. Sobald die zwei irgendwo auftauchten, zogen sie die Aufmerksamkeit auf sich wie ein verdammtes schwarzes Loch. Zumindest passierte das immer, wenn sie während einer meiner Schichten einen Fuß ins Campus-Café setzten. Die zwei Halls spielten also weit über Mias und meiner Liga.

Umso verblüffter war ich nun, weil keine von uns in den Kreisen der Halls verkehrte und solch eine Einladung erhalten hätte.

»Welcher von den Halls hat dich eingeladen?«

Grinsend zuckte sie mit ihrer Schulter. »Declan.«

»Declan?«, echote ich ungläubig.

Wobei … Klar, Camden, der Einsiedler, würde wohl keine Party schmeißen. Außer seine Eishockeykumpels würden ihn dazu zwingen. Aber … normalerweise gelangte man vor lauter Reihen von Declan-Groupies nicht mal in dessen Hör-, geschweige denn in seine Sichtweite. Nicht, dass Mädchen wie Mia oder ich überhaupt sichtbar für Declan und seinen Bruder wären. Dazu waren wir viel zu unscheinbar, zu normal, zu arm. Deswegen träumte ich ja von ihnen. Sie waren unerreichbar. Mia und ich stammten beide aus sozial schwachen Verhältnissen. Wir konnten am Glassman College nur studieren, weil wir in dessen Unterstützungsprogramm aufgenommen worden waren. Keine von uns konnte sich teure Designerklamotten, Extensions oder Schönheitsoperationen leisten, wie jene Mädchen, mit denen sich die Brüder abgaben.

»Sicher, dass Declan dich gemeint hat?«, fragte ich deswegen spöttisch.

»Na ja«, entgegnete Mia gedehnt und folgte mir zum nächsten Tisch, wo ich eine Bestellung aufnahm. »Er hat mich nicht persönlich eingeladen. Ich unterhielt mich gerade mit einem Mädchen, mit dem ich im BWL-Kurs bin. Sie ist eine von Victorias Freundinnen und wir standen gerade neben ihr, als Declan in die Runde rief, dass heute Abend eine Party bei ihm steigen würde und alle kommen sollten.«

Victoria war Declans derzeitige Freundin. Jeder, der ihn kannte, kannte auch den Namen seines angesagten Betthäschens. Das war ein unausgesprochenes Gesetz des Campus.

Kopfschüttelnd wandte ich mich von Mia ab, um zur Theke zu huschen und den frisch aufgenommenen Gästewunsch auszuführen. »Das kann nicht dein Ernst sein. Sie werden uns rausschmeißen, wenn wir dort aufkreuzen. Falls wir es überhaupt ins Haus schaffen sollten.«

Mia wuselte mir nach. »Oh, komm schon, Amy. Sei kein Angsthase. Das ist die Gelegenheit, endlich mal ein paar wirklich scharfe Typen kennenzulernen. Das sollten wir uns nicht entgehen lassen. Wer weiß, ob wir jemals wieder zu den Halls eingeladen werden?«

Ich seufzte. »Wir passen doch gar nicht in deren Beuteschema.«

Mias Augenbrauen zogen sich verärgert zusammen. »Hey, du versteckst dich da hinter ein paar ganz schön fiesen Vorurteilen. Vielleicht haben Declan und seine Jungs gar kein Beuteschema?«

Auch wenn Mia möglicherweise recht hatte, weigerte ich mich strikt, wegen meiner unterstellten Vorurteile ein schlechtes Gewissen zu haben. Leider hatte ich Erfahrungen gesammelt mit solchen Leuten wie den Halls.

»O bitte. Declans endlose Serie an Ex-Freundinnen könnten Klone sein. Ich erkenne bloß an ihren Haarfarben, dass er wieder mal eine Neue hat.«

Obgleich ich heimlich für Declan Hall schwärmte, war ich weder blind noch doof. Ich gab mich keiner Illusion hin, dass ich irgendeine Chance bei ihm hätte.

»Genau aus diesem Grund müssen wir zu der Party. Zeigen wir Declan, dass es noch andere Mädchen gibt.«

Ich schaute von dem Caramel-Frappuccino auf, den ich fertig zubereitet hatte. »Du lässt nicht locker, oder?«

»Auf keinen Fall. Und wenn ich dich bewusstlos schlagen und an den Haaren dorthin schleifen muss.«

Mit einem tiefen Atemzug gab ich auf. »Also gut. Obwohl ich nichts zum Anziehen habe, was den Hall-Ansprüchen gerecht sein wird.«

»Ja, ja!«, sprudelte es freudig aus Mia heraus. Auf und ab hüpfend klatschte sie in die Hände. »Mach dir darüber keine Sorgen, wir werden bestimmt etwas in unseren Schränken finden, das sie von den Socken haut.« Sie umarmte mich. »Danke, Amy.« Mit einem Winken verschwand sie aus dem Café.

»Gott sei Dank hast du jetzt endlich nachgegeben.« Verwundert blickte ich zu Kate, meiner Chefin, die das Campus-Café leitete und an der Theke die Kunden bediente. Grinsend schüttelte sie den Kopf. »Ansonsten hätte ich dich nämlich gezwungen, mit ihr zu dieser Party zu gehen.«

»Und wie hättest du das angestellt?«, fragte ich schmunzelnd.

»Ganz einfach, Amy-Lynn. Ich hätte dir den Lohn gestrichen.« Lachend ließ sie mich stehen.

***

Drei Stunden später stand ichfrisch geduscht, in Unterwäsche mit Mia vor meinem Schrank. Sie hatte sich bereits für ein Outfit entschieden. Doch ich war immer noch auf der Suche. Ein Wust aus Kleidern lag auf meinem Bett und auf dem Boden um uns herum.

»Ehrlich, ich habe keine Ahnung, was ich anziehen soll.« Hoffnungslos schob ich die noch wenig belegten Bügel auf der Kleiderstange hin und her. »Ich habe kein sexy Partykleidchen. Nichts Schickes. Verdammt.«

Grübelnd betrachtete ich das beige Trägershirt und meine abgetragene, mit Löchern versehene Lieblingsjeans, die vor meinen Füßen dümpelten. Der Farbton des Shirts würde meinem braunen Teint schmeicheln, den ich samt dunkelbrauner Augen und Haare den mexikanischen Wurzeln meiner Mutter verdankte. Eilig drängte ich die schmerzenden Erinnerungen an sie beiseite. Zwei Jahre waren seit jenem schrecklichen Thanksgiving vergangen, das sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt hatte. Zusammen mit den großen Creolen würden das Shirt und die Jeans meinen üblichen einfach gehaltenen Look bilden. Ich hob die Sachen auf.

»Nein!« Entschieden riss Mia mir die Klamotten aus den Händen. »Das wirst du ganz sicher nicht heute Abend anziehen. Denk gar nicht daran.« Sie warf die beiden Teile beiseite.

Meine Schultern sackten nach unten. »Was dann?«

»Das hier.« Sie schnappte sich eins meiner wenigen Sommerkleider vom Bett und hielt es in die Höhe.

Es war das letzte Kleid, das ich mit meiner Mutter an unserem letzten gemeinsamen Shoppingtag im Sommerurlaub gekauft hatte. Ich liebte das enganliegende Korsagenoberteil, das dünne Träger an Ort und Stelle hielten, und ebenso den angenähten, schwingenden, kurzen Rock, dessen drei Stufen Volants zierten. Ohne Zweifel, das Kleid bedeutete mir viel und es war hübsch … für ein Teekränzchen, einen Spaziergang im Park oder so. Aber nicht für eine wilde Collegeparty im Haus der Hall-Brüder.

»Sieht das nicht zu brav aus?«, fragte ich unsicher.

»Quatsch. An dir sieht das supersexy aus. Außerdem kannst du Weiß wie keine andere tragen.«

Nachdenklich nahm ich ihr das Kleid ab, hielt es vor mich hin und betrachtete mich im Spiegel neben dem Schrank. Ich nahm meine Locken am Hinterkopf zusammen. »Vielleicht wenn ich die Haare hochstecke? Dann sieht es nicht mehr nach Kleinmädchen aus.«

»Jap, das sieht super an dir aus«, begeisterte sich Mia. »Dann kann ich ja jetzt an mein Make-up gehen.« Damit schwebte sie aus meinem Zimmer.

»Okay, dann wird es das weiße Hängekleidchen.«

Nicht ganz überzeugt schlüpfte ich in das kurze Teil. Allerdings ragte mein BH zum Rückenausschnitt heraus, weswegen ich ihn letztlich auszog. Danach frisierte ich meine langen Haare zu einem lockeren Messy Bun und zupfte rundum noch ein paar Strähnen heraus. Nachdem ich mich mit Mascara und einem bronzenen Lipgloss aufgepimpt hatte, war ich mit meinem Spiegelbild einigermaßen zufrieden. Um meinem Look wenigstens ein bisschen Glanz zu verleihen, entschied ich mich, silberne Ohrringe und eine feine, doppelreihige Kette anzulegen. Ja, das war gar nicht mal so schlecht. Ich warf noch einen letzten Blick in den Spiegel, bevor ich Mia aufsuchte und mit ihr zum Haus der Halls schlenderte.

Mir fiel die Kinnlade herunter, als wir bei dem modernen Bungalow ankamen, der in der Nähe des Campus lag. Das Teil war kein Haus, es war ein luxuriöser, feuchter Traum aus Glas, Stahl und Beton. Im Dunkeln wiesen uns große, kugelrunde Gartenlaternen den Weg zum Eingang. Die gepflegte Außenanlage und die zwei identischen roten Sportwagen, das ganze Anwesen, alles schrie nach Geld und Macht.

Einen Atemzug später bemerkte ich das blitzende, schwere Motorrad. Ich kannte es gut. Es war der Beweis, dass wir tatsächlich vor dem Haus der Hall-Brüder standen. Denn es gehörte Camden, der damit oft zum Campus-Café fuhr.

Bereits vor der Tür tummelten sich schon die Gäste. Sie tranken, grölten und tanzten. Die Bässe donnerten zu jedem Fenster hinaus, die alle hell erleuchtet waren.

Mia und ich schlängelten uns zwischen den feiernden Studenten hindurch ins Haus. Der halbe Campus schien hier zu sein.

»Los, holen wir uns etwas zu trinken«, schrie Mia mir über den Lärm hinweg zu. Die Musik dröhnte im Haus noch lauter. Staunend folgte ich ihr durch das Partygetümmel und die imposante Eingangshalle. Wir überquerten einen scheinbar endlosen Flur und landeten in einem riesigen Wohnzimmer. Es war vollgestopft mit Menschen.

Auf dem gigantischen Sofa hätte eine zehnköpfige Familie mit zwei Hunden, fünf Katzen und eine Herde Rinder samt Cowboys Platz gefunden. Doch an diesem Abend lümmelten sich dort Mädchen und Jungs in Horden, die aufeinandergestapelt oder nebeneinander knutschten, soffen, redeten oder zockten. Auf dem Monster-Sofa wurden vermutlich mehr Körperflüssigkeiten ausgetauscht als in einem Dialysezentrum.

Überall um uns herum wurde getanzt und getrunken. Die Party war in vollem Gange und ich spürte, wie meine Schuhsohlen am Parkettboden von den verschütteten Getränken bereits kleben blieben. Viele der Gesichter kannte ich vom Campus-Café, aber auch aus den Kursen und Clubs, die ich besuchte.

Doch die Hall-Brüder waren nicht darunter. Zum Laufen oder Tanzen gab es nur wenig Platz. Die Bude war so überfüllt, dass man nicht mal zu der großen Fensterfront hinausschauen konnte.

Irgendwann kamen wir zu einem Esstisch, der die Länge einer Bowlingbahn hatte. Und genau dort entdeckte ich Declan. Groß, blond und Aufsehen erregend. Er hielt sich mit ein paar seiner Kumpels am gegenüberliegenden Ende des Tisches auf. Inmitten einer Schar giggelnder Mädchen spielten sie lautstark Beer Pong.

Mir entging nicht, dass sich Declans schwarzes T-Shirt beeindruckend um seine breiten Schultern und trainierten Arme spannte. Ehrlich, ich konnte nichts dafür, ich wollte es nicht. Doch ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihm lösen. Ohne Scheiß, er hatte die Augen eines Engels. Ihr Azurblau strahlte dermaßen aus seinem gebräunten Gesicht hervor, dass es schon unheimlich war. Seinen sanft geschwungenen Mund umgab ein leichter Bartschatten. Und ich wäre jede Wette eingegangen, dass er dessen Wirkung genau kannte. Ohne ihn hätte er nämlich nicht nur jünger gewirkt, sondern auch zu schön, zu perfekt. Declan war ein Sophomore, was hieß, dass er im vierten Semester, eine Jahrgangsstufe über mir war und demnach um die neunzehn Jahre alt sein musste. Doch dieser ebenmäßige Hauch eines Bartes verlieh ihm eine raue, ältere Note. Daran gab es nichts zu rütteln, er war heiß. Heißer als gut für mich war. Shit!

Gerade als ich mich so weit im Griff hatte und meine Augen von Declan abwenden wollte, kreuzten sich unsere Blicke.

2. Kapitel

Vollkommen voneinander gefesselt starrten wir uns gegenseitig an. Raum und Zeit gefroren ein. Die Party um uns verschwamm zu einem trüben Schleier. Musik und Stimmen verstummten. Es gab nur noch Declan und mich … und seine Freunde, die ich plötzlich rufen hörte.

»Hey, das ist doch die Kleine aus dem Campus-Café? Was hat die denn hier verloren? Hast du sie eingeladen, Declan?«

»Schau mal, sie hat sich auch richtig fein gemacht. Das Teil sieht ja aus wie ein Hochzeitskleid.«

»Ja, Mann. Sie ist ja auch ’ne Braut.«

Sie grölten über ihre blöden Witze und schubsten sich gegenseitig herausfordernd mit den Schultern an. Auch Declan wurde angestoßen und fing an zu lächeln. Allerdings verwandelte es sich immer mehr in ein Auslachen.

»Keinen Schimmer, wer sie eingeladen hat. Ich war es jedenfalls nicht. Aber Mann, sie sieht echt aus wie ’ne Braut, oder?«, stimmte er ihnen zu.

Ihre Worte, ihr Gelächter waren spitze Pfeile, die mich durchbohrten. Und besonders Declans ätzten sich tief in meine Brust. Obwohl sein Blick noch an mir hängen blieb, eilte ich so schnell wie möglich in dem Gedränge voran. Ich schluckte den sengenden Schmerz hinunter, wollte verschwinden und die Idioten nicht merken lassen, wie sehr sie mich verletzt hatten.

Mittlerweile war mir Mia davon gehuscht und ich holte sie erst in der Küche ein, wo sie sich an einer übergroßen Schüssel kirschrotem Punsch bediente. Sie händigte mir den bis zum Rand gefüllten Pappbecher aus. »Hier. Hoffentlich schmeckt das Zeug auch.«

Schnell nippte ich an dem Punch und hoffte, dass der Alkohol mich meine Erniedrigung schnell vergessen lassen würde. Zum Glück hatte Mia nichts von dem Vorfall mitbekommen, sodass ich tun konnte, als wäre nichts geschehen. Doch zu meinem Pech schlenderte sie den gleichen Weg wieder zurück, den wir gekommen waren. »Los, lass uns nach ein paar leckeren Typen Ausschau halten.«

Wieder kamen wir an dem Esstisch vorbei und als ich dessen Ende umrundete, traf etwas voller Wucht meinen gut gefüllten Pappbecher. Es war einer der Bälle von dem blöden Beer Pong. Vor Schreck griff ich den Becher fester, damit er mir nicht entglitt. Allerdings hatte das zur Folge, dass die Scheißpappe unter meinem Griff nachgab. In hohem Bogen schwappte der rote Punsch auf mein Kleid. Im Reflex, um noch Schlimmeres zu verhindern, ließ ich den Becher los, um ihn gleich wieder aufzufangen. Leider glückte mir das nur, indem ich ihn an mich presste. So landete nun auch wirklich das letzte Schlückchen des knallroten Gebräus auf dem weißen Korsagenoberteil.

Entsetzt starrte ich an mir hinab. Ein Tropfen hing mir noch an meiner Nase. Ich spürte auch welche auf meiner Wange, an meinem Hals und ein ganzer Stall lief auf meiner Brust spazieren. Mein Kleid pappte völlig durchnässt an mir. Irres Gelächter und Gegröle setzte am anderen Tischende ein und breitete sich wie ein Lauffeuer schnell im ganzen Raum aus.

»Declan, Alter, du hast die Braut abgeschossen!«

»Ja, Mann, jetzt sieht sie aus, als hätte sie ihren Bräutigam gekillt.«

»Wie aus ’nem Horrorfilm.«

Declan und seine Kumpel krümmten sich vor Lachen. Sie zeigten mit den Fingern auf mich und klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Alle Umstehenden gafften mich an und lachten lauthals. Declans Beer Pong Cheerleaders kicherten sich halbtot. Mia stand bewegungslos mit offenem Mund da und befand sich im gleichen Schockzustand wie ich.

Ohne es zu wollen, begann ich zu zittern. Mein ganzer Körper bebte, während das Gelächter um mich immer lauter in meinen Ohren schrillte. Tränen brannten mir in den Augen. Mein Hals wurde enger und enger. Ich konnte nicht mehr schlucken. Hastig rannte ich davon.

Scheiße! Scheiße! Das konnte nicht wahr sein. Das konnte mir nicht passiert sein.

Meine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Ich wollte Declan und seine Kumpels töten, für ihren boshaften Spott. Ich wollte Mia töten, weil sie mich hierhergeschleppt hatte. Und ich wollte mich töten, weil ich mich so dämlich angestellt und den Punsch über mich geleert hatte. Auf mein schönes weißes Kleid. Verdammt. Es war mein Lieblingskleid, weil es mich an Mommy erinnerte. Mir war scheißegal, was die Idioten darüber gesagt hatten. Ich liebte es … und nun hatte es einen Megaflecken, den ich sicherlich nicht mehr rausbekommen würde, wenn ich den Scheißpunsch nicht sofort auswusch. Ich musste auf der Stelle ein Bad finden. Nur so war mein Kleid noch zu retten.

Blind von den Wuttränen in meinen Augen stürmte ich in den endlosen Flur und wollte die erstbeste Tür öffnen und mich verstecken. Aber die war zugesperrt. Die Leute, die um mich herumstanden, kümmerten mich nicht, bis sie mich anpflaumten.

»Hey, wenn du aufs Klo willst, musst du dich hinten an der Schlange anstellen wie alle anderen.«

Ich taumelte weiter zur nächsten Tür, doch die ging ebenso nicht auf. Ein weibliches Schluchzen drang aus dem verschlossenen Zimmer. »Lass mich in Ruhe, Dylan. Ich rede nicht mehr mit dir.«

Okay, hier hatte noch jemand einen Scheißabend. Das warein kleiner Trost. Irgendwann würde ich in dem verflixten Haus doch ein Waschbecken finden, das nicht in der Küche und somit in Declans Nähe war, oder?

Ich versuchte die Tür eins weiter. Endlich, ich hatte Glück. Die Tür ging auf und ich fand mich auf der Schwelle eines Wäscheraums wieder. Das Licht brannte. Allerdings war ich nicht allein. Wir waren zu dritt.

Ich brauchte einen Moment, um zu kapieren, was ich da vor mir sah. Eine junge Frau mit langer schwarzer Mähne hockte auf einer Waschmaschine. Ihr Rock war bis zur Hüfte hochgeschoben, was ihre langen, schlanken Beine entblößte. Die Träger ihres Kleides waren von den Schultern hinuntergerutscht. Man sah ihren BH, aus dem ihre Brüste samt Nippel quollen. Vor ihr stand ein Kerl, dessen offene Jeans auf Kniehöhe hing. Sie hatte ihre Beine um seine Hüften geschlungen und etwas, das wie ein Höschen aussah, baumelte an einer ihrer Fesseln. Ihren Kopf hatte sie anmutig in den Nacken zurückgelegt, während der Typ sein Gesicht tief im Tal zwischen ihrer Hupen vergrub.

Meine Wangen fingen Feuer, denn allmählich kam mein Gehirn in Schwung und ich begriff, was die zwei da trieben.

In derselben Sekunde vernahm ich rücklings aus dem Flur ein Rufen. »Hey, Café-Mädchen. Jetzt warte doch mal.« Schnell kam die Stimme mit dumpfen Schritten näher und blieb unmittelbar hinter mir stehen. »Ich will mich bei dir entschuldigen. Ich wollte dich nicht mit dem Ball treffen. Das war echt …« Die letzten Worte verloren sich in einem Gemurmel. »… keine Absicht.« Ein Atemzug Stille folgte. Dann ein »Victoria?«.

War das Declan, der mir gefolgt war? Überrascht drehte ich mich um. Tatsache. Da stand er. Aber … Victoria war doch seine Freundin? Hastig starrte ich wieder zu dem Waschmaschinenpärchen zurück. Jap, das war Victoria. Und irgendein Kerl zwischen ihren nackten Schenkeln, der es ihr – Holy Shit – ordentlich besorgte und eindeutig nicht Declan war.

Schluckend wandte ich mich um. Ich wollte jetzt lieber nicht Zeuge von dem werden, was gleich passieren würde. Flucht war angesagt. Doch Declan stand mir im Weg. Erstarrt zur Salzsäule glotzte er völlig entgeistert seine Freundin an, die ihn im eigenen Haus betrog.

»Honey, das ist nicht das, was du denkst«, jammerte Victoria auch schon hinter mir.

Aha, sicher.

»Ohw, Shit. Mann! Declan. Das … das ist alles nur ein Missverständnis!«, stammelte nun auch Victorias Lover hinter meinem Rücken.

Klar doch.

Für wie dumm hielten die ihn? Das war ja mal echt peinlich. Ich schämte mich fremd für die beiden.

Hilflos versuchte ich, Declan nicht ins Gesicht zu schauen. Aber ich versagte.

Schmerz. Tiefer Schmerz und bodenlose Enttäuschung trübten auf einmal seine Engelsaugen. Das Azurblau wurde grell. Declans ungläubiger Blick landete auf mir und schlagartig spürte ich all seine Qualen, als wären es meine eigenen. Mein Herz zog sich zusammen.

Ein Zittern lief durch Declans Körper. Sein Gesicht war kreidebleich geworden. Ruckartig drehte er sich um und stürzte davon.

Ich weiß nicht, was mich dazu trieb. Aber ehe ich mir darüber bewusst war, stellte ich den Pappbecher auf einem Regal neben mir ab und rannte ihm hinterher. »Declan?«

Doch er hörte nicht. Stur rannte er durch den Flur weiter, zu einer Tür hinaus, die ins Freie führte. Ich folgte ihm. Ohne anzuhalten, raste er über die Terrasse auf eine hüfthohe Mauer zu. Dort angelangt stützte er sich mit seinen Fäusten auf und beugte sich leicht vornüber.

Langsam näherte ich mich ihm. Zwei abgelegene Gartenlaternen hüllten nur Teile der Terrasse in gedämpftes Licht.

Declans Schultern waren angespannt und hoben sich heftig unter seinen Atemzügen. Leise flog sein Fluchen durch die milde Abendluft zu mir heran. »Wie konnte sie mir das antun? Ich dachte, sie … Gott, verflucht. Und dann noch mit Parker, diesem Arsch.«

Keine Ahnung warum, aber ich hatte das Verlangen, Declan zu trösten. Ich hob meine Hand, um seinen Rücken zu berühren. Vorsichtig tippte ich ihn an. »Hey.«

Zögernd schaute er über seine Schulter. »Was?«, zischte er. Aber dann richtete er sich mit einem Seufzer auf und drehte sich zu mir um. »Was machst du denn hier?« Seine Stimme klang matt und genervt.

Ich zuckte mit den Schultern und schüttelte gedankenverloren den Kopf. »Frag mich was Leichteres. Ich dachte nur, … ich sollte dich trösten.«

Declans Blick wanderte neugierig über mein Gesicht, flog für einen Moment über meinen Kopf in die Ferne, um danach wieder auf mir zu landen. Und dann geschah etwas, auf das ich nicht vorbereitet war und mit dem ich nie im Leben gerechnet hätte. Declans Hände schossen nach vorne, schnappten mich an den Armen und zerrten mich zu ihm. Gleichzeitig beugte er den Kopf und ließ unsere Münder zielstrebig aufeinanderprallen.

Heilige Scheiße, das war ein Kuss!

In mir begannen sämtliche Glocken zu läuten und Lichter zu blinken. Declan Hall küsste mich. Mich!

Seine Lippen waren warm und angespannt, genauso angespannt wie ich. Doch das schreckte ihn nicht ab. Obwohl ich steif wie ein Brett dastand, zog er mich an der Taille noch näher an sich. Sein Körper lag hart und weich zugleich an meinem. Die Hitze seiner Umarmung hüllte mich ein und ließ jegliche Anspannung hinfort schmelzen. Ergeben lehnte ich mich an ihn und schlang meine Arme um seinen Nacken. Und mit einem Mal ändert sich auch unser Kuss. Er war nicht mehr harsch. Declans Lippen gaben nach, öffneten sich und spielten zärtlich mit meinen. Sanft und süß nahm er sie zwischen seine, leckte an ihnen.

Gott, noch nie war ich so von einem Jungen geküsst worden. Es war das erste Mal, dass ich dieses Gefühl von Schmetterlingen im Bauch hatte. Das, von dem immer alle anderen gesprochen hatten und ich selbst noch nie erlebt hatte. Ein unterdrücktes Stöhnen summte in meiner Brust und Declan kicherte leise. Seine Lippen bewegten sich auf meinen und quälend langsam beendete er den Kuss. Er ließ seinen Mund jedoch an meinem liegen. Er grinste, ich spürte es. Seine Stirn ruhte an meiner.

Ein lautes Keuchen gefolgt von einem Rumpeln ertönte irgendwo hinter meinem Rücken und dann … eine abweisende, tiefe Stimme.

»Du kannst jetzt aufhören, Amy-Lynn zu küssen. Victoria ist weg. Ich tippe mal, sie hat alles gesehen, was sie sehen sollte.«

Eine eiskalte Welle erfasste mich und drückte mir die Luft ab. Die Schmetterlinge in meinem Bauch verwandelten sich in Eiszapfen. Steif stemmte ich mich von Declans Brust fort und machte einen Schritt zurück. Ich starrte ihn an, fragend, entsetzt. Vielleicht auch bittend, dass es nicht stimmte, was der Unbekannte hinter mir behauptete. Dass er mich nicht benutzt hatte. Dass der Kuss nicht aus Rache, sondern aus Leidenschaft geschehen war.

Doch Declans Blick sagte mir alles. Mitleid huschte über seine Züge, bis sie sich zu einer starren Maske verschlossen. Da war keine Leidenschaft, keine Zärtlichkeit mehr. Nichts. Außer eiserner Gleichgültigkeit.

Sein Schweigen war ein eisiger Dolchstoß – direkt in meine Brust. Die Schmach zerriss mich in tausend Fetzen. Ein Schluchzen drang aus meiner Kehle, als ich Declan mit ganzer Kraft einen Schlag auf die Wange verpasste. Meine Hand brannte wie Hölle. Doch das war mir scheißegal.

Ich machte auf den Hacken kehrt und entdeckte, wer der Unbekannte war, der mir die Augen über Declans Falschheit geöffnet hatte. Es war Camden, sein älterer Bruder, der sich aus dem Schatten der Hauswand gelöst hatte. Wie üblich in weißem T-Shirt und seiner schwarzen Lederjacke gekleidet. Mit den Händen in den Hosentaschen verharrte er wenige Schritte vor mir. Wir starrten uns stumm an. Seine Stirn unter den wuschelig kurzen schwarzen Haaren zeigte Sorgenfalten. Mein Herz stolperte schmerzhaft über das Mitleid, das in seinen Augen glomm. Sein rauer Dreitagebart ließ ihn heute Abend noch düsterer wirken als sonst. Camden hatte nichts Engelmäßiges oder Jungenhaftes an sich wie Declan und doch fühlte ich mich keinesfalls von ihm bedroht. Eher das Gegenteil.

Das Danke lag mir auf der Zunge, doch ich brachte es nicht heraus. Der Kloß in meinem Hals würgte mich. Schon wieder brannten Tränen in meinen Augen. Drängender und stärker als zuvor. Ich musste fort von hier. Weg von Declan und von Camden. Weg von meiner Demütigung. Ich biss mir fest in die Unterlippe und verbat mir zu weinen. Nicht hier. Nicht jetzt.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte ich mich und rannte linker Hand in den dunklen Garten hinein. Camdens flehendes »Amy-Lynn« und Declans »Hey, warte« ließ ich hinter mir.

Ich konnte nicht in das Haus zurück, wo mich jeder im befleckten Kleid weinen sehen würde. Nein, einmal vom halben College ausgelacht zu werden, reichte. Auf ein zweites Mal konnte ich verzichten. Erst wenn ich mich wieder einigermaßen im Griff hätte, würde ich mich in der Menge davonstehlen. Aber vielleicht fand ich auch durch den Garten einen Ausweg, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Da Mia nicht auf der Terrasse aufgetaucht war, vermutete sie mich wahrscheinlich ohnehin schon auf dem Heimweg. Um sie brauchte ich mir keine Gedanken machen.

In der Dunkelheit suchte ich mir einen Weg durch die Büsche und Sträucher, bis ich einen großen, erleuchteten Pool ausmachte. Lautes Stimmengewirr und Plätschern verrieten mir, dass die Party auch hier stattfand. War ja klar.

Ich machte einen weiten Bogen um den Pool und gelangte nach ein paar Hecken und Bäumen zu einer weiteren Terrasse, die auf der Rückseite des rechten Hausflügels lag. Zu meinem Glück war sie menschenleer. Ich ließ die Lounge-Möbel außer Acht und setzte mich auf die breite, steinerne Umrandung eines großen Wandbrunnens. Halb seitlich, mit einem angewinkelten Knie beobachtete ich die wechselnden Farblichter auf den Felsen und das unaufhörliche Strömen der breiten Kaskade.

Im Rauschen und Plätschern des Wasserfalls ging der Partylärm unter. Langsam beruhigte sich meine Atmung und ich konnte wieder einen klaren Gedanken fassen. Mit einer Handvoll Brunnenwasser begann ich den Flecken aus meinem Kleid vorsichtig herauszuwaschen. Doch das Ergebnis war genauso frustrierend wie dieser Abend. Es blieb ein roter Schatten zurück. Deprimiert schloss ich die Augen.

Gott, ich war so dumm gewesen zu glauben, dass Declan mich küssen wollte. Dass ich ihm gefiel. Dabei war ich für ihn nur ein Werkzeug gewesen, um es seiner Freundin heimzuzahlen. Er hätte jede geküsst. Ihm war es nicht um mich gegangen, sondern bloß um Victoria. Hatte ich Mia nicht selbst gesagt, dass ich nicht seinem Beuteschema entsprach? Jeez, ich war so ein Einfaltspinsel. Wie hatte ich nur annehmen können, dass Declan jemanden wie mich anziehend finden würde?

Überwältigt von meiner eigenen Dummheit schlug ich mir die Hände vors Gesicht und sank zu einem Häufchen Elend zusammen. »Dumm, richtig dumm bist du«, jammerte ich leise.

Plötzlich knirschten Schritte neben mir. »Nein, das bist du nicht.«

Lahm linste ich zwischen meinen Fingern hindurch. Weiße Turnschuhe. Jeans. Eine Lederjacke. Oh, Scheiße. Camden!

Stumm nahm er neben mir Platz. Schüchtern zog ich die Hände von meinem Gesicht und hob langsam meinen Kopf. Camden musterte mich. Doch diesmal nicht voller Mitleid, sondern Interesse.

Oh my … Was hatte er denn für Wahnsinnsaugen bitte schön? Sie waren grün, hellgrün wie frisches Moos. Nicht braun, wie ich wegen seiner fast schwarzen Haare immer vermutet hatte. Ein dunkler Ring umgab seine Regenbogenhaut, der den Kontrast zwischen dem Hell und Dunkel noch verstärkte. Das war mir noch nie aufgefallen. Denn wenn ich im Campus-Café seine Bestellung aufnahm, starrte er entweder auf sein Smartphone oder zum Fenster hinaus. Wenn, hatten wir uns stets nur für Bruchteile von Sekunden angeschaut.

Schlagartig wurde mir klar, dass ich Camden zuvor noch nie so nahe gekommen war. Ein Kribbeln kroch mir den Rücken hinauf und eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen.

Er sagte noch immer kein Wort und ich verlor mich in der Bewunderung seiner langen Wimpern. Die berührten tatsächlich den Ansatz seiner dichten Brauen. Die lagen wiederum tief über seinen Augen und ich wusste, er konnte sich mit ihnen richtig grimmig aussehen lassen, wenn er es darauf anlegte. Seine markant ausgeprägte Nase verlief gerade und äußerst schmal. Mit den kräftigen Bartstoppeln auf seinem kantigen Kiefer wirkte er wesentlich älter als Declan. Was mich jedoch jedes Mal aufs Neue am meisten an Camden fesselte, war sein Mund. Im Ganzen schien er einen Hauch zu breit geraten, wohingegen seine Lippen fast schon etwas zu dünn wirkten. Dennoch war dieser ebenmäßige Mund das Faszinierendste und Beunruhigendste, was ich jemals an einem Mann gesehen hatte. Wie es sich wohl anfühlen würde, von ihm geküsst zu werden?

»Hier«, meinte er unerwartet und zog seine Lederjacke aus. »Zieh sie an. Du frierst.«

Fassungslos stierte ich ihn an. War das sein Ernst? Anscheinend. Er lachte nicht, sondern deutete dezent mit dem Kinn auf meine Arme. Erst da bemerkte ich, dass ich mich selbst umarmte.

Ohne noch länger auf meine Reaktion zu warten, legte Camden mir schließlich die Jacke über die Schultern. Sofort hüllte mich eine wohlige Wärme und ein himmlischer Duft nach würzigem Holz und Moschus ein. Zusammen mit ihrer ungewohnten Schwere fühlte es sich an, als würde ich in Camdens Armen liegen. Hitze fuhr mir bei dem Gedanken in die Wangen und hastig wich ich seinem eindringlichen Blick aus. »Das musst du nicht tun, wirklich nicht.«

»Nein, glaub mir. Ich sollte es. Denn …« Seine Augen züngelten an meinem Hals entlang bis zu meinem Ausschnitt, um dann blitzartig abseits von mir ins Nirwana zu driften. »Dein Kleid ist noch immer nass, Amy-Lynn, und ich tippe, so durchsichtig, wie es jetzt ist, willst du nicht, dass das irgendwer sieht.« Eine seiner Augenbrauen hob sich, als sein Blick wieder auf mein Gesicht traf. »Auch wenn ich die Aussicht genieße. Ehrlich gesagt.«

Entsetzt schaute ich hinab auf mein Oberteil. Oh, verdammt, es stimmte. Der feuchte, rotgefärbte Stoff klebte auf meiner Haut. Meine aufgestellten Brustwarzen zeichneten sich erschreckend deutlich darunter ab. »O Gott! Tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung …« Schnell zog ich seine Jacke über meiner Brust zusammen, schlüpfte durch die Ärmel und verschränkte die Arme, um sie verschlossen zu halten. »Danke«, murmelte ich und wagte es, Camden einen kurzen Blick zuzuwerfen.

O mein Gott, war das etwa ein Grinsen, das da gerade über das Gesicht des stetig ernsten Camden flackerte?

»Nichts zu danken. Soll ich dich nach Hause fahren?«

Verdattert blinzelte ich ihn an. »Warum willst du das tun? Du bist mir nichts schuldig.«

»Mein Bruder hat sich wie ein Arsch verhalten und das, als du Gast in unserem Haus warst. Ich fühle mich schuldig.«

Hatte es zuvor nur an meiner Wirbelsäule gekribbelt, so überflutete nun eine ganze Ameisenarmee meinen Körper. Camden sorgte sich um mich? Ich sollte mit ihm nach Hause fahren? Zur Hölle ja. Ja, das wollte ich.

»Okay«, wisperte ich atemlos und bemühte mich, mir das dämliche Grinsen zu verkneifen.

Camden nickte. »Gut, dann komm.« Er erhob sich und wartete, bis auch ich auf meinen Füßen stand. Und als wäre es das Natürlichste auf der Welt, legte er seine Hand auf meinen unteren Rücken. Schweigend, bloß mit sanftem Druck manövrierte er mich von der Terrasse durch ein paar Sträucher Richtung Vorgarten.

Gosh, ich war allein mit Camden in der Dunkelheit. Das war verrückt. Mein Herz klopfte in wildem Takt und meine Hände waren feucht vor Aufregung. Für meinen Geschmack erreichten wir viel zu schnell unser Ziel. Doch dann schloss Camden in dem gepflasterten Hof zu mir auf, lief dicht neben mir her, sodass mein Arm stetig seine Brust berührte und mir damit Atembeschwerden bereitete. Ohne Umschweife dirigierte er mich zu seinem Motorrad.

3. Kapitel

Camden trat an das Motorrad, löste den Helm, der am Lenker befestigt war, und übergab ihn mir. »Hier, nimm meinen. Leider besitze ich keinen zweiten.«

»Sicher?«, fragte ich.

Er bejahte stumm. Mit zittrigen Fingern setzte ich den Helm auf und fummelte mit den Riemen erfolglos unter meinem Kinn herum.

»Warte«, murmelte er und nahm sie mir aus den Händen. »Lass mich dir helfen.«

Unsere Finger streiften sanft aneinander vorbei und mir ging die Luft aus. Ruckzuck klickte der Verschluss der Riemen ein. Doch er hing lose hinunter, weshalb Camden ihn enger einstellte. Dabei strichen seine Knöchel zart über die Unterseite meines Kinns. Seine Berührungen waren total unschuldig, dennoch sendete jede einzelne von ihnen elektrisierende Funken über meine Haut. Mein Atem ging schneller und unregelmäßiger als zuvor, obwohl ich cool bleiben wollte. Ich versuchte, meinen Blick auf seine Brust gerichtet zu halten. Aber das Spiel seiner Muskeln unter dem engen T-Shirt machte mich nur noch nervöser, weswegen ich ihm schließlich doch ins Gesicht sah. Umso überraschter bemerkte ich, dass auch Camden mich während seines Tuns genau beobachtete. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er den Helm festgesurrt hatte, aber ich versank meilenweit und für eine Ewigkeit in Camdens grünen Tiefen. Bis er sich räusperte und einen Schritt von mir zurückwich.

»So, das hätten wir. Dann kann es jetzt losgehen. Wo muss ich dich eigentlich abladen?« Damit schwang er sich auf sein Motorrad.

»Am Appartement-Gebäude des Colleges. Wenn dir das was sagt.«

»Jap, kenne ich.« Mit einem Blick über die Schulter fügt er an: »Auf was wartest du? Steig auf und halte dich gut an mir fest.«

Unbeholfen beäugte ich den Rücksitz. Ich war noch nie auf einem Motorrad mitgefahren. Dennoch schaffte ich es irgendwie, einigermaßen elegant hinter Camden aufzusteigen. Und ja, ich genoss es, meine Arme um ihn zu legen und meine Hände vor seinem harten Bauch zu verschränken. Ich klebte wie ein Saugnapf an seinem Rücken und gönnte mir eine Nase voll reines Camden. Es war, als würde ich den Himmel umarmen und am Paradies schnuppern. Gott, was war ich für ein Glückspilz.

Bis ein leises, tiefes Kichern von Camden kam, das in ein gekünsteltes Husten überging. »Huh, okay, anscheinend haben wir hier ein kleines Klammeräffchen. Du brauchst mich nicht gleich zu erdrücken, Amy-Lynn.« Er trennte meine Hände und platzierte sie seitlich an seinen Hüften. »Falls du Angst bekommst, kannst du dich an meinem T-Shirt oder meiner Jeans festkrallen. Aber ich verspreche dir, ich fahre vorsichtig. Dir wird nichts passieren.«

»Okay«, nuschelte ich beschämt.

Super, nun hielt er mich nicht nur für einen Tollpatsch, sondern auch noch für eine Klette. Sehr cool, Amy. Im Stillen betete ich, dass das Glühen meiner Wangen sich verflüchtigt haben würde, wenn ich Camden in wenigen Minuten den Helm zurückgeben musste.

Mit einem kräftigen Kick startete er die Maschine und die Fahrt ging los. Das tiefe Dröhnen des Motors vibrierte durch meinen Körper und die Nacht flog an uns vorüber. Wir jagten die Straßen dahin und die bunten Lichter der Stadt verflüssigten sich zu einem uns endlos begleitenden Strom. Kühle Luft wirbelte unter den Rock meines Kleides und strich sanft über meine Beine. Ein Rausch von Glück braute sich in meiner Brust zusammen. Ich gab mich ihm hin, lachte und seufzte zugleich. Noch nie hatte ich mich so frei, so wild und ungebunden gefühlt.

Leider ging die Fahrt viel zu schnell vorbei und ich bedauerte, dass ich nicht außerhalb der Stadt wohnte. Camden parkte das Motorrad unter einer Straßenlaterne und stellte den Motor aus.

Mit pochendem Herzen stieg ich ab und öffnete den Verschluss des Helms, den ich Camden in die Hände drückte. »Wow, das war echt toll. Ich bin zuvor noch nie mit einem Motorrad gefahren. Danke.«

»Gern geschehen«, entgegnete er und nickte mir cool zu. Seine Wangen waren vom Fahrtwind leicht gerötet und seine kurzen schwarzen Haare standen noch verstrubbelter ab als sonst. Oh, er war zum Anbeißen süß. »Also dann. Wir sehen uns«, setzte er zum Abschied an.

Aber ich wollte Camden noch nicht gehen lassen und doch musste ich es. Verlegen strich ich mir einzelne Strähnen aus dem Gesicht, weil ich nicht wusste, wie ich seinen Abgang hinauszögern konnte, bis mir etwas einfiel. »Ach, warte, ich trage ja noch deine Lederjacke.« Eilig schlüpfte ich aus ihr hinaus und überreichte sie ihm. Sofort vermisste ich ihre Wärme und Camdens Duft. »Danke noch mal.«

»Naah, kein Ding. Die hätte ich jetzt fast vergessen«, erwiderte er mit einem schwachen Grinsen und zog sie an. »Sie steht dir ausgesprochen gut.« Verwirrt schüttelte er den Kopf, als würde er einen unsinnigen Gedanken vertreiben, der ihm gerade gekommen war. Er richtete den Kragen, stutzte einen Moment und roch dann an ihm. »Mhm, sie riecht jetzt nach dir. Was ist das? Kokosnuss?«

Meine Wangen wurden von Hitze geflutet. »Ja. Tut mir leid.«

Er kicherte. »Nope, alles gut … Ich mag es.« Zum ersten Mal wurde ich Zeuge, dass so etwas wie ein Strahlen über Camdens Gesicht huschte. Oder war das nur eine Sinnestäuschung gewesen? Camden und Lachen? Irgendwie hatte das für mich nie zusammengehört. Aber seine Zähne hatten hell aufgeblitzt. Das konnte doch nur bedeuten, dass er gelacht hatte. Oder hatte er nur mit den Zähnen gefletscht? Nein, ich bin mir sicher, es war ein kurzes Mikro-Makro-Lächeln gewesen.

Schlagartig loderte sinnlose Freude in meiner Brust auf. Boah, warum reagierte ich dermaßen heftig auf eine solch nebensächliche Andeutung von ihm? Das war doch nicht normal.

»Ich fahre dann jetzt wohl besser«, unterbrach er meine Gedanken.

»Ja, klar.« Unbeholfen hob ich die Hand, um ihm zu winken, und wandte mich halbherzig von ihm ab. Ich hatte bereits ein paar Schritte zum Eingang unseres Hauses zurückgelegt, als mir eine Frage durch den Kopf schoss. Jäh blieb ich stehen und drehte mich wieder zu ihm um. »Camden? Woher kennst du eigentlich meinen Namen?«

Überrascht hüpften seine Brauen in die Höhe. »Ähm …« Er zuckte mit den Schultern. »Woher kennst du meinen?«

Ein Schneeball plumpste in meinen Magen. Gute Frage, Camden, und eine gefährliche dazu. Diesmal war ich es, die die Unschuldige spielte. »Keine Ahnung, jeder auf dem Campus weiß doch, wie du heißt.«

Jetzt machte er mit seinen Augenbrauen auf grimmiger Wolf. »Ach, ist das so?« Er setzte den Helm auf und dumpf tönte seine Stimme zu mir herüber. »Ich kenne deinen aus dem Café. Deine Chefin ruft ziemlich oft nach dir, weißt du?«

Mir fehlten die Worte. Camden Hall bemerkte, wie meine Chefin mich rief? Ich dachte immer, er würde sich in seiner Ecke nur auf sein Telefon oder seine Lernsachen konzentrieren. Tja, falsch gedacht, Amy.

»Bis dann, Amy-Lynn.« Mit einer lässigen Handbewegung verabschiedete er sich und brauste im nächsten Moment auch schon davon.

Nach einer Minute stand ich immer noch wie ein begossener Pudel da und konnte mich nur mühevoll aus meiner Schockstarre befreien.

Samstagnachmittag schuftete ich wieder in einer Schicht im Campus-Café. Seit Mommy nicht mehr lebte, gab es nur noch meinen Dad und mich – nur noch sein Einkommen. Als Hausmeister verdiente er nun mal nicht so viel, dass er unsere zwei Mieten und dazu noch mein College hätte bezahlen können. Auch wenn wir dank des Unterstützungsprogramms lange nicht das übliche Schulgeld berappen mussten wie die Großverdiener, die ihre Kinder hier studieren ließen, war es noch immer ein hübsches Sümmchen. Deswegen musste ich für meine Miete und meinen Unterhalt selbst aufkommen. Doch das war kein Problem. Ich hätte es ohnehin nicht anders gewollt. Die Arbeit machte mir Spaß, man lernte neue Leute kennen und ich wollte Dad einfach nicht noch mehr Sorgen bereiten, indem ich ihm auf der Tasche lag. Er hatte mit unserer demenzkranken Granny genug am Hals, um das er sich neben seinem Job kümmern musste. Abgesehen davon war er seit Mommys Tod nicht mehr der offene, ständig Witze reißende Dad, der er einst mal gewesen war. Mit ihr starb auch ein Teil von ihm. Auch wenn ich ihm nie so nahegestanden hatte wie Mommy, so hatte sich zwischen uns eine Kluft aufgetan, die keiner von uns beiden zu überbrückenwusste. Ich war eine einsame Insel geworden und er eine andere, obwohl wir im selben tiefen dunklen Meer aus Trauer trieben.

Der übliche samstägliche Ansturm von Gästen war gerade abgeflaut, als ich die Tische abwischte und ein neues Rudel Mädchen hereinkam. Da Kate in der Backstube und im Lager unterwegs war, um Nachschub für Kuchentheke und Kaffeemaschinen zu besorgen, wuselte ich eilig hinter die Theke.

Der Schrecken fuhr mir in die Glieder, als ich erkannte, wer da vor mir stand. Es war Victoria, Declans Victoria. Nach gestern Abend auch bekannt als Waschmaschinen-Victoria. Und sie war nicht allein. Sie hatte ihre Freundinnen mitgebracht. Eine Schar aufgetakelter Hühner. Wallende Mähnen. Knappe Kleidchen. Lange, schlanke Beine. Riesenhupen, die allesamt gleich irgendwo heraushüpfen würden. War das ein Gang-Ding? Musste man diese Attribute aufweisen, um in ihren Hühner-Club eintreten zu können?

Während sich Victoria bemühte, mich mit ihren Augen tot zu lasern, giggelten ihre vier Freundinnen munter um sie herum. Ihr Flüstern war kaum hörbar und doch laut genug.

»Die hat Declan geküsst? Was hat er sich denn dabei gedacht?«

»Vielleicht braucht er eine Brille?«

»Ach was. Es war dunkel und Dec war sicher bloß betrunken.«

»Pff, Victoria, die ist doch keine Konkurrenz für dich.«

Ich atmete tief durch. Den Teufel würde ich tun, mich von ihnen fertigmachen zu lassen. Ohne mich, Mädels. Überfreundlich lächelte ich Victoria und ihrer Truppe entgegen. »Hi, was möchtet ihr bestellen?«

Victoria legte ihren Kopf schief und grinste genauso übertrieben falsch wie ich. »Nur ich bekomme etwas. Bitte einen mittleren Mochaccino, aber mit viel Milchschaum. Und einen von diesen Schoko-Cupcakes.«

Ich nickte ihr zu und griff nach dem nächstgelegenen Cupcake, doch sofort schrie Victoria auf. »Nein. Doch nicht den dort hinten bei dir. Der ist viel zu hässlich und zu eklig. Der hier vorne bei mir, der Schöne, der ist perfekt.« Sie lächelte durchtrieben und ihre Freundinnen kicherten gehässig im Chor.

Mir war schon klar, dass das eine Scheißmetapher sein sollte. Ich, der hässliche Cupcake, und sie, der schöne. Pff … Blöde Schnepfe. Wenn sie meinte.

»Sicher.« Grinsend fischte ich ihr den gewünschten Cupcake heraus und packte ihn in eine Serviette. Danach bereitete ich ihr den Mochaccino mit viel Milchschaum zu. Beides platzierte ich vor ihr auf der Theke.

»O nein«, quietschte sie schrill. »Das ist viel zu viel Milchschaum. Also bitte.«

Genervt verdrehte ich die Augen, schnappte das Kaffeegetränk und schubste mit einem Spachtel ein wenig von dem Milchschaum ins Spülbecken. Erneut stellte ich ihn vor ihrer dämlichen Nase ab. »Bitte schön.«

Mittlerweile hatten noch weitere Kunden das Café betreten. Einige hatten sich zwar Sitzplätze gesucht, aber andere hatten sich angestellt. Die Reihe an wartenden Kunden war nun beachtlich lang und ich geriet allmählich ins Schwitzen wegen Victorias Mätzchen. Schnell machte ich ihr die Abrechnung. »Sieben Dollar, bitte.«

»Nein, erst probiere ich, bevor ich zahle«, schnippte sie mich an und biss ein Stück von dem Cupcake ab. Doch kaum hatte sie das Kuchenstück im Mund, spie sie es theatralisch aus. »O mein Gott, was ist denn das für ein widerliches Zeug«, kreischte sie laut, damit es auch ja jeder Kunde im Raum hörte. Erschrocken schlug sie ihre manikürten Finger vor den Mund und verzog angeekelt das Gesicht.

Fassungslos starrte ich sie an. Doch Victoria war noch nicht fertig, ich sah es an dem boshaften Funkeln in ihren Augen. Sie griff sich den Mochaccino. Doch der fiel ihr – dummer-, dummerweise – genau über der Theke aus den Fingern. Wer’s glaubt!

Die gesamte braune Brühe ergoss sich quer über das Sichtfenster und die Ablage der Theke. Eine Riesensauerei.

»O mein Gott!« Victorias Stimme gellte schrill von den Wänden wieder. »Nein, wie ungeschickt von mir. Das tut mir ja sooo leid. Wirklich.«

Und natürlich tat ihr es nicht leid. Sie lächelte hinterhältig, während ihre Freundinnen lauthals vor Schadenfreude lachten. Die anderen Kunden hinter ihr stöhnten laut auf und mir perlte der Schweiß auf der Stirn. Wut ballte sich zu einem Sturm in meiner Brust zusammen.

»Oh, jetzt musst du mir wohl leider noch mal einen Mochaccino machen. Ich hoffe, er gelingt dir besser als der vorige«, piepste Victoria voller Spott.

Ich erstickte fast an meinem Zorn, während ich nach Servietten griff, um die Theke abzutrocknen. Mein ganzer Leib zitterte.

»Wäre echt schlimm für dich, wenn der mir wieder entgleiten würde«, verhöhnte sie mich.

»Es reicht, Victoria. Verzieh dich mit deinem Fanclub und lass Amy-Lynn in Ruhe.«

Überrascht schaute ich auf. Es war Camden, der sich neben meiner neuen Feindin und ihren Freundinnen drohend aufgebaut hatte. Düsterer konnte er nicht mehr gucken.

»Du hast mir gar nichts zu sagen, Cam«, keifte Victoria ihn an.

Camdens Nasenflügel begannen zu flattern und sein schöner Mund verzog sich verächtlich. »Declan hat sie geküsst und nicht umgekehrt. Und das nur, weil du meinen Bruder mit einem anderen Kerl betrogen hast, in seinem eigenen Haus. Und wenn du nicht willst, dass das zum Campus-Gespräch wird, solltest du dich so schnell wie möglich vom Acker machen.«

Zischend sog Victoria die Luft ein. Ihr Gesicht verwandelte sich in eine gehässige Fratze. »Du bist ein Arschloch, Camden.«

»Ach, und bevor du abziehst, entschuldige dich noch bei Amy-Lynn.«

»Nein.«

»Tu es. Oder ich schwöre dir, ich werde dafür sorgen, dass Declan dir nie verzeihen wird.«

Schlagartig wurde sie bleich. Ängstlich schaute sie zu mir, reckte jedoch stolz ihr Kinn. »Entschuldigung«, wisperte sie. Zackig machte sie eine Kehrtwendung und floh aus dem Café. Ihre Freundinnen, denen das Lachen vergangen war, folgten ihr tuschelnd.

Camden streckte mir seine Hand über die Theke hinweg entgegen. »Gib mir ein paar Tücher, dann mache ich hier vorne sauber, während du die Gäste bedienst.«

»Danke«, hauchte ich vollkommen verwirrt und führte seine Anweisungen wie ein Roboter aus.

Immer wieder musste ich mich während des Bedienens überzeugen, dass es tatsächlich Camden Hall war, der groß und breitschultrig, in Lederjacke und Jeans, die Theke und den Boden putzte. Er hatte mich gegen Victoria verteidigt. Gegen eins dieser Mädchen, denen ich nicht das Wasser reichen konnte. Und jetzt half er mir sogar noch bei der Arbeit. Das konnte doch alles nur ein Traum sein. Warum tat Camden das?

Nachdem er alles gesäubert hatte, suchte er, ohne weitere Worte zu verlieren, seinen gewohnten Sitzplatz auf. Bald hatte ich alle Gäste bedient und hätte nun auch Camdens Bestellung aufnehmen sollen. Doch ich entschied, dass ich ihm einen Dank schuldete. Wieder einmal. Schnell richtete ich ihm zwei seiner liebsten Cupcakes auf einem Teller an und bereitete ihm seinen üblichen Latte macchiato zu. Beides brachte ich zu ihm an seinen Tisch.

»Bitte schön. Zwei Erdnuss-Schoko-Cupcakes und dein bevorzugter Kaffee.«

Er hob den Blick von seinem Smartphone. »Aber ich habe doch noch gar nicht bei dir bestellt.«

»Das ist mein Dankeschön für deine Hilfe mit … Victoria.«

Seine grasgrünen Augen glühten vor Verwunderung.

Peinlich berührt von seinem schweigenden Starren und meinem Gefühl des Versagens, weil ich mich nicht selbst gegen Victoria zur Wehr hatte setzen können, senkte ich den Blick. Könnte aber auch sein, dass Camden nur zu schön war und ich mich nicht mehr traute, ihn noch länger anzuschauen.

»Tja, und wenn ich ausgerechnet heute gerne etwas anderes bestellt hätte?«

Geschockt hob ich den Kopf. »Ohw, wolltest du? Das … das tut mir leid. Ich kann es gerne wieder zurück…«

Ein Grinsen flashte über seinen Mund hinweg. »Nein, ganz ruhig«, unterbrach er mich. »Ich nehme dich nur auf den Arm.« Er zog den Teller und den Latte macchiato zu sich heran. »Danke, aber du musst mich nicht einladen. Ich habe genügend Geld und bin auf deins nicht angewiesen.«

Etwas verschnupft über seine rüde Antwort konterte ich schroffer als gewollt. »Du hättest mich auch nicht verteidigen oder mir mit dem Putzen helfen müssen. Also wirst du wohl oder übel mein Dankeschön annehmen müssen.«

Er musterte mich vom Kopf bis zu den Hüften und zum ersten Mal, seit ich im Campus-Café arbeite, wünschte ich mir, dass unsere schnörkellosen Kittelschürzen ein wenig kleidsamer wären. Ja, etwas Sex-Appeal wäre in diesem Moment ganz nett gewesen.

Er deutete mit einem Nicken auf die Bank ihm gegenüber. »Kannst du für fünf Minuten Pause machen?«

Unsicher sah ich mich um. Kate war endlich wieder da und hinter der Theke zugange. Draußen hatte schon die Dämmerung eingesetzt. Ich schaute auf die Uhr an der Wand und presste die Lippen aufeinander. »Hm, eher nicht. Meine Schicht ist sowieso in einer Viertelstunde vorbei.« Entschuldigend zog ich die Schulter hoch und wollte zur Theke zurückeilen.

Aber Camdens Stimme hielt mich auf. »Gut, dann warte ich so lange hier auf dich.«

Erschrocken wandte ich mich wieder zu ihm. »Was? Was hast du gesagt?« Das konnte er nicht gemeint haben. Ich hatte mich gewiss verhört. Wieso sollte Camden Hall wollen, dass ich mich zu ihm setzte?

Camdens Stirn kräuselte sich. »Ich warte hier auf dich. Oder ist das ein Problem?«

»N-n-nein.«

»Okay«, murmelte er leichthin und beschäftigte sich dann wieder mit seinem Smartphone, als hätte er soeben nicht meine Welt auf den Kopf gestellt.

Bedröppelt zuckelte ich zu Kate hinter die Theke.

»Sag mal, was ist denn mit dir los? Hast du ein Gespenst gesehen?«

»Irgendwie schon.«

»Na ja, das wird unsere Arbeit wohl nicht erledigen. Komm, hilf mir noch geschwind, die Bleche zu waschen und den Rest Geschirr in die Spüle zu räumen. Dann kannst du für heute Schluss machen.«

Die letzten Minuten meiner Schicht verbrachte ich damit, darüber nachzugrübeln, was Camden von mir wollte. Denn warum sonst würde er auf mich warten wollen? Da war doch irgendwas im Busch.

4. Kapitel

Meine Schicht war vorüber und ich näherte mich Camdens Tisch. Ich hatte meine Schürze abgelegt und um mich wenigstens ein bisschen hübsch zu fühlen, hatte ich meinen Pferdeschwanz gelöst. Meine Haare fielen nun – so hoffte ich – in sanften Locken über meine Schultern. Nervös nagte ich an meiner Unterlippe. Weshalb wollte er mit mir reden?

Stumm blieb ich an der Tischkante stehen. Er hatte seinen Latte macchiato leer getrunken, aber von den zwei Erdnuss-Schoko-Cupcakes lag noch einer unberührt auf dem Teller.

Camden hatte mich nicht bemerkt, noch immer beschäftigte er sich mit seinem Telefon.

»Hey.«

Endlich schaute er auf. »Oh, hey.« Er zeigte auf die Bank ihm gegenüber. »Setz dich.« In einer kurzen Bewegung schob er den Teller mit dem Cupcake auf mich zu. »Den habe ich für dich aufbehalten.«

Ich blinzelte. Wow, wieso war er so freundlich zu mir? Alarmglocken gingen in mir los. Das war verdächtig. Mein Magen zog sich unangenehm zusammen. »Das ist echt nett von dir. Aber … die waren beide für dich bestimmt.« Ich setzte mich und schob den Teller wieder zu ihm zurück.

Camden steckte sein Smartphone ein, stützte sich mit verschränkten Armen auf den Tisch und beugte mir seinen Kopf entgegen. »War mir schon klar. Ich wollte sie aber mit dir teilen. Du weißt schon, dass das ein unschlagbares Angebot ist, das du hier zurückweist? Ich meine, wir verhandeln hier immerhin über einen superleckeren Erdnuss-Schoko-Cupcake mit Krokant-Streuseln obendrauf. Und ich habe ihn weder angebissen noch abgeschleckt, was seinen Wert natürlich um das Vielfache steigert.«

O mein Gott, Camden machte Witze. Der düstere Kerl hatte tatsächlich Humor. Ich kämpfte gegen das Grinsen an, das mir nicht vom Gesicht gleiten wollte. »Na ja«, entgegnete ich. »Letzteres bezweifle ich.«

Entsetzt hob Camden seine Augenbrauen. »Du bezweifelst, dass ich ihn nicht abgeleckt habe?«

»Nein, dass er dadurch seinen Wert verlieren würde.« Camden zuckt überrascht mit dem Kopf zurück und ich fuhr in meiner Erklärung fort. »Es gibt sicherlich Mädchen an diesem College, die für einen von dir abgeleckten Cupcake ein Vermögen zahlen würden. Wenn man ihn auf eBay zur Versteigerung freigeben würde, könnte man bestimmt eine horrende Summe einfahren.« Gedankenverloren nickte ich vor mich hin. »Ja, du könntest damit dein Geschäft aufziehen. Du verkaufst deine abgeleckten Cupcakes in verschiedenen Geschmacksrichtungen, wie andere ihre benutzten Strings.«

Camden warf den Kopf in den Nacken und lachte lauthals. Es war ein tiefes, raues Lachen, das mir direkt als Kribbeln in den Unterleib fuhr. Jesus, Camden war ohne Frage superheiß, aber wenn er lachte, war er atemberaubend. Schnell senkte ich den Blick. Nicht verlieben, Amy, verliebe dich ja nicht in ihn. Er würde dir das Herz brechen, ohne es zu bemerken.

»Gott, Amy-Lynn, ich hatte keine Ahnung, wie witzig du sein kannst.« Aufmerksam betrachtete er mich.

Ich zuckte gelangweilt mit der Schulter und lehnte mich zurück. »Woher auch? Meine Freunde nennen mich übrigens Amy.«

Camden beugte sich wieder über den Tisch und spielte mit dem Löffel in seinem leeren Kaffeeglas. Er hatte schöne Hände. Groß. Lange, schlanke Finger. Gepflegt. In einer schönen Sonnenbräune. Er hielt sich wohl viel im Freien auf.

»Dann sollte ich dich Lynn nennen.« Seine Stimme war ein Flüstern. Erwartungsvoll sah er von seinem Spiel auf.

Ohw, okay. Das war mal eine eiskalte Abfuhr. Ich schluckte und runzelte die Stirn. »Du … du willst mir also sagen, dass ich dich besser nicht zu meinen Freunden zählen sollte? Womöglich eher zum Gegenteil?«

Entrüstet schüttelte er den Kopf. »Nein. Um Gottes willen, nein. Ich will nur jemand Besonderes für dich sein.« Nach einem kurzen Zögern zeigte er auf das süße Backwerk zwischen uns. »Aber nun wieder zurück zu den wirklich wichtigen Dingen. Willst du den Cupcake jetzt oder nicht?«

Überrascht über seinen Themenwechsel und diese versteckte, missverständliche Andeutung in seinen Sätzen, lächelte ich ihn verwirrt an. »Wie wäre es, wenn wir ihn uns teilen?«

Er nickte mit einem überlegenen Schmunzeln. »Gutes Angebot. Nehme ich an.«

Grinsend brach ich den Cupcake in zwei Hälften und schob eine davon samt Teller zu Camden. Ich beobachtete ihn schweigend, wie er nach einem kurzen Blickkontakt mit mir sich einen herzhaften Bissen von der Süßigkeit genehmigte.

Kauend bemerkte er nach einem Moment, dass ich ihn noch immer stumm anstarrte. Er bedeckte mit der Hand seinen Mund. »Was ist? Hast du es dir anders überlegt und willst den Cupcake doch lieber allein für dich?«

Auch wenn ich mich jetzt lächerlich machte, ich musste es wissen. »Warum willst du jemand Besonderes für mich sein?«

Camdens Kauen erlahmte und sein Gesichtsausdruck wurde ernst. »Nun … Ich finde, jeder sollte jemand Besonderen in seinem Leben haben.« Er holte Luft und richtete sich auf. »Hör zu, die Wahrheit ist: Ich kam heute her, weil ich wissen wollte, ob es dir gut geht nach der Sache gestern mit Declan. Er hat mir erzählt, wie es zu dem Fleck auf deinem Kleid kam und … wie ihr Victoria mit Parker erwischt habt und … Na ja, die Sache mit eurem Kuss …« Einen Moment wich er meinem Blick aus. »Ich habe mich gefragt, ob es dich sehr verletzt hat, dass Declan es nicht ernst mit dir gemeint hat. Der ganze Abend verlief für dich ja nicht gerade angenehm.«

Wow, so schnell schaffte er es, ein glückseliges Taumeln in meiner Brust in Asche zu verwandeln. Respekt. Camden Hall, meine Damen und Herren, der Zerstörer der guten Laune und der Erwecker vergangen geglaubter Peinlichkeiten. Mein Grinsen rutschte mir vom Gesicht und zerschellte zu Scherben unter dem Tisch. Bitterkeit stieg mir den Hals herauf.

Verärgert und beschämt rieb ich meine Lippen fest aneinander, bevor ich ihm antwortete. »Natürlich, war ich im ersten Moment enttäuscht und auch sauer auf Declan, dass er mich nur wegen Victoria geküsst hat. Die Sache mit dem blöden Fleck hatte ich da schon längst vergessen, da sich dein Bruder dafür bei mir bereits entschuldigt hatte. Im Grunde hatte ich den Fleck auf meinem Kleid sowieso selbst verursacht. Declan hatte mich aus Versehen mit dem Ball getroffen. Vor Schreck bin ich dann zusammengezuckt und habe mich selbst bekleckert.« Enttäuscht sackten meine Schultern hinab. Ich konnte es nicht fassen. Obwohl ich mir tapfer jede Träne verdrückt hatte, hielt Camden mich für ein heulendes Sensibelchen. Nur deswegen hatte er mit mir sprechen wollen? Boah, das war ein voller Schlag in die Weichteile. »Ehrlich, als du mich heimgefahren hast, war die Welt für mich schon wieder in Ordnung.« Angepisst schüttelte ich den Kopf. »Demzufolge: Ja, es ging mir gut und es geht mir auch jetzt gut. Danke.«

Camdens Augen funkelten misstrauisch. »Du bist also nicht in Declan verliebt oder so?«

Hatte er mich das jetzt ernsthaft gefragt?

»Was meinst du mit oder so?«, blaffte ich ihn grob an.

Wieso zum Teufel grinste er jetzt?

»Hast du seit dem Kuss irgendwelche Gefühle für Declan?«

Ich blinzelte. Ein-, zwei-, dreimal. »Du glaubst, wegen eines bescheuerten Kusses würde ich jetzt den Boden anbeten, den dein eitler, arroganter Bruder betreten hat? Sorry, dass ich dir jetzt dein Weltbild zerstöre. Aber … so unwiderstehlich seid ihr beide nun auch wieder nicht, dass das jemals geschehen würde.«

Okay, vielleicht war das ein bisschen gelogen. Aber nur ein ganz kleines, mini, mini bisschen.

Camden besaß die Frechheit, darüber zu lachen. Herzhaft. Und wunderschön. Och, verdammt.

»Okay, mein Fehler. Entschuldige, dass ich annahm, du würdest ihm ergeben zu Füßen liegen wie der Rest der Damenwelt.«

Na ja, … vielleicht jetzt nicht mehr, aber vor gestern Abend … Hach, verpiss dich, schlechtes Gewissen!

Ich seufzte, weil es sich nicht verpisste.

»Was willst du von mir hören, Camden? Ihr seid beide sehr attraktiv, da kann ein Mädchen schon mal schwach werden, über manche Dinge hinwegsehen und für einen Typen schwärmen. Aber wenn sich ein Kerl ständig wie ein Arschloch benimmt, ist er in der Regel auch eins. Und das findet kein Mädchen auf Dauer anziehend.«

Camden schob den Teller beiseite und nahm wieder seine vorherige Haltung ein. Er stützte sich mit den Armen auf dem Tisch ab und beugte sich zu mir hinüber. »Du findest mich also sehr attraktiv?«

»Bist du schwerhörig?«

»Du willst es nicht noch mal sagen. Verstehe.«

Wider besseres Wissen musste ich über sein Flirten lachen. »Du bist unmöglich.«

»Schön, dass du das auch bemerkt hast.«

Schon wieder entlockte er mir mit seiner Art ein Lachen. »Oh, Camden, ehrlich. Du bist völlig anders, als ich vermutet habe.«

Er grinste verschmitzt. »Ist das ein weiteres Kompliment?«

»Ich befürchte fast.«

»Aha, ich höre.«