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Eine Depression kann sehr belastend sein und das Leben stark beeinträchtigen. Schreiben kann Einsichten in Lebenszusammenhänge vermitteln und zur Bewältigung von Krisen beitragen. Dieses Buch möchte Sie mittels des therapeutischen Schreibens unterstützen, Wege zu finden, sich selbst zu helfen. Erfahren Sie schreibend mehr über ihre Wünsche und Bedürfnisse und erleben Sie, welche Ressourcen Ihnen zur Verfügung stehen und wie Sie ein sinnerfülltes Leben führen können. Die Schreibübungen unterstützen Sie dabei, zu erkennen, dass Sie ein Mensch mit besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften sind, mit Träumen und Sehnsüchten. Auf diese Weise werden Sie immer mehr zum Experten bzw. zur Expertin in eigener Sache und tragen aktiv zu Ihrer Gesundheit und Ihrem Wohlbefinden bei.
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Seitenzahl: 119
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Die Autorin
Prof. Dr. Silke Heimes studierte Medizin und Germanistik in Deutschland und Brasilien. Sie hat lange als Ärztin in Psychiatrien in Deutschland und der Schweiz gearbeitet. Heimes ist Poesietherapeutin, leitet das Institut für kreatives und therapeutisches Schreiben (IKUTS) und ist Professorin für Journalistik an der Hochschule Darmstadt. Sie ist Expertin für therapeutisches Schreiben und lebt in Darmstadt sowie am Meer und in den Bergen, wo sie Romane und Sachbücher schreibt.
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Dieses Buch ist kein Ersatz für professionelle ärztliche oder therapeutische Hilfe bei gesundheitlichen und psychischen Problemen. Es dient lediglich zur Unterstützung der Therapie. Obwohl sich die Arbeit mit den Übungen in der Praxis als hilfreich und effektiv erwiesen hat, erfolgt deren Anwendung in eigener Verantwortung. Der Verlag und die Autorin schließen jegliche Haftung für Gesundheits- und Personenschäden aus.
Autorenfoto: Christoph Rau.
Icon: Susanne Geminn.
1. Auflage 2023
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-042362-6
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-042363-3
epub: ISBN 978-3-17-042364-0
Geleitwort
Vorwort
1 Therapeutisches Schreiben
1.1 Für wen eignet sich das therapeutische Schreiben?
1.2 Psychische Wirkungen des Schreibens
1.3 Studien zur Wirkweise
1.4 Der Aspekt der Selbstwirksamkeit
1.5 Das Element der Achtsamkeit
1.6 Risiken und Nebenwirkungen
1.7 Grübeleien und Gedankenspiralen
2 Was ist eine Depression?
2.1 Verbreitung von depressiven Störungen
2.2 Formen und Phasen einer Depression
2.3 Entstehung von Depressionen
2.4 Depression und Persönlichkeit
2.5 Depression und Beziehungen
2.6 Depression und Leistung
2.7 Depression und Schuldgefühle
2.8 Körperliche Aspekte einer Depression
2.9 Depression und Suizidalität
2.10 Abgrenzung zum Burnout-Syndrom
3 Therapieansätze
3.1 Pharmakotherapie bei Depressionen
3.2 Psychotherapie bei Depressionen
3.3 Das Depressionstagebuch
3.4 Selbsthilfegruppen bei Depressionen
4 Schreibpraxis pur
4.1 Kleine Inventur
4.2 Assoziative Schreibübungen
4.3 Imaginative Schreibübungen
4.4 Werte und Einstellungen
4.5 Eigenschaften und Verhaltensweisen
4.6 Bedürfnisse und Wünsche
4.7 Ressourcen und Potentiale
4.8 Perfektionismus und Scheitern
4.9 Zukunftsideen und Lebensziele
4.10 Philosophie der kleinen Schritte
5 Nachwort
6 Anlaufstellen und Internetadressen
6.1 Anlaufstellen
6.2 Internetadressen
Literatur
»Aus Leid wird Lied« war der Ansatz meines Musikalbums zum Thema Depression. Die einfache Drehung zweier Buchstaben schafft neuen Sinn. Sprache kann les- und fühlbar machen, was im Verborgenen liegt. Daher berührt mich dieses Buch auf vielen Ebenen: als Betroffene einer rezidivierenden Depression, die immer wieder nach therapeutischen Möglichkeiten im beständigen Kampf gegen die Schwermut sucht, als Musikerin, die mit professioneller Hilfe und Songtexten aus einer depressiven Episode herausgefunden hat, und als Botschafterin der Deutschen Depressionsliga, die sich wünscht, dass auch neben den bewährten Therapiemethoden kreative Ansätze den Genesungsprozess begleiten.
Ich selbst durfte und darf immer wieder erfahren, wie mich das Schreiben zu neuen, verborgenen oder verschütteten Erkenntnissen führt, aus denen sich für mich persönliche Therapieansätze oder helfende Ziele auf dem Weg aus der Depression ergeben. Mehr noch ist und war das Schreiben für mich immer ein Beleg dafür, dass ich noch da bin. Etwas von mir und über mich auf Papier zu lesen, ist ein Aufbruch oder Versöhnungsansatz mit den Dämonen der Vergangenheit.
Yoko Ono hat für mich einmal sehr treffend formuliert »Art is a way of survival.« – Kunst ist ein Überlebensweg. Für mich ist auch das Schreiben ein solcher Überlebensweg, auch ohne jeden künstlerischen Anspruch. Mit den richtigen Fragestellungen kann aus dem Überlebensweg ein Lebensweg werden, der neue Perspektiven aufzeigt. Dieses Buch lädt beständig dazu ein. Das ist sicher nicht immer leicht, aber zu jeder Zeit ein Schritt in die richtige Richtung hin zu mehr Selbsterkenntnis und damit ein wertvoller Begleiter für Betroffene und Helfende, die nach anregenden Fragen in diesem Prozess suchen.
«Wer schreibt, der bleibt«, heißt es in einem alten Sprichwort. In einer Erkrankung, die es leider schafft, die eigene Existenz in Frage zu stellen, können das Schreiben und die Erkenntnisse aus dem Geschriebenen Anker und Aufbruch im Leben sein. Ich wünsche Ihnen und diesem Buch, dass das gelingt.
Marie-Luise Gunst
Musikerin, Betroffene und Botschafterin der Deutschen Depressionsliga
Herzlich Willkommen zum therapeutischen Schreiben. Wenn Sie sich dieses Buch1 gekauft haben, weil Sie unter Depressionen leiden, wissen Sie darüber vermutlich bereits einiges. Sie werden sich ausführlich informiert und mancherlei dazu gelesen haben. Und sicher werden Sie bereits allerhand versucht haben, um einen guten Umgang mit Ihrer Krankheit zu finden, wobei Sie wahrscheinlich Fort- und Rückschritte gemacht haben und hoffnungsvoll bzw. hoffnungslos gewesen sein werden. Aber das Wichtigste: Sie haben nicht aufgegeben. Sie haben weitergemacht und nach Lösungen gesucht. Das heißt, Sie haben den Mut und Willen, sich für sich selbst einzusetzen und Neues auszuprobieren.
In jedem Fall scheinen Sie motiviert, aktiv zu Ihrer Gesundheit beizutragen. Und dafür haben Sie meinen vollen Respekt. Denn auch wenn ich keine ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Depressionen bin, glaube ich doch zu ahnen, wie schwer es ist, das Leben und seine Hürden immer wieder aufs Neue anzugehen und weiterzumachen, obwohl man sich erschöpft und müde fühlt. Wie schwer es ist, Sinn und Freude im Leben zu finden, wenn sich zeitweise alles nur noch leer und hohl anfühlt. Und wie viel positive Energie es braucht, darauf zu vertrauen, dass es besser wird, wenn es schon so lange schlecht ist.
An dieser Stelle habe ich gleich zwei gute Nachrichten für Sie:
1. Sie verfügen bereits über alle Fähigkeiten und Ressourcen, die Sie brauchen, um trotz Ihrer Krankheit ein sinnvolles und erfülltes Leben zu führen.
2. Das Schreiben kann Ihnen helfen, diese Fähigkeiten und Ressourcen zu aktivieren und Ihr volles Potential zu entfalten.
Jetzt fragen Sie sich sicher, woher ich das wissen will und finden es vielleicht sogar anmaßend, so etwas zu behaupten. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es so ist, weil ich es in zahlreichen Fällen erlebt habe. Ich weiß, dass es Ihre Fähigkeiten und Stärken sind, die es Ihnen ermöglicht haben, weiterzumachen und durchzuhalten. Auch glaube ich, dass Sie dieses Buch nicht in den Händen halten würden, gäbe es Ihre Ressourcen nicht. Denn Sie haben es nicht nur geschafft, Ihr Leben trotz Krankheit zu führen, sondern sind zugleich aktiv auf der Suche danach, was Sie tun können, um es lebenswerter zu gestalten. Und das ist sehr stark und dafür möchte ich Ihnen meine Hochachtung ausdrücken. Dass das Schreiben Sie auf Ihrem Weg unterstützen kann, habe ich wiederum in verschiedenen Seminaren und Therapiestunden erlebt. Außerdem werden diese persönlichen Erfahrungen durch zahlreiche Studien gestützt, von denen ich Ihnen einige in diesem Buch vorstellen werde.
Zugleich möchte ich nicht verheimlichen, dass der Weg Ihnen mitunter vielleicht lang und steinig vorkommen wird. Wie bei einer Wanderung in den Bergen werden Sie zwischendurch unter Umständen den Wunsch verspüren, stehenzubleiben oder umzukehren. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass der Weg sich lohnen wird, wie sich auch eine Bergwanderung lohnen kann, so mühevoll sie zuweilen sein mag. Denn Sie werden auf dem Weg viel über sich erfahren und neue Ideen und Perspektiven gewinnen. Sie werden Blumen und Schmetterlinge sehen und Augenblicke der Freude empfinden. Außerdem werden Sie sich Ihres Lebens und Umfeldes zunehmend bewusster. Sie werden wieder besser spüren, was Sie selbst brauchen und wünschen und was Ihnen Energie gibt respektive raubt.
Natürlich ersetzt dieses Buch keine ärztliche Behandlung oder Psychotherapie. Aber das ist auch nicht sein Anliegen. Dieses Buch möchte Ihnen lediglich eine zusätzliche Möglichkeit bieten, jenseits der wohlbekannten Therapien aktiv etwas für sich und Ihre Gesundheit zu tun. Es will Ihnen einen Raum eröffnen, in dem Sie sich in aller Ruhe erkunden können. Und es will Ihnen die Augen dafür öffnen, dass Sie mehr sind als Ihre Krankheit, nämlich ein Mensch mit Bedürfnissen und Träumen, Wünschen und Sehnsüchten, ein Individuum mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, eine Persönlichkeit mit besonderen Fähigkeiten und Facetten.
Damit Sie das möglichst schnell spüren können, ist das Buch so aufgebaut, dass Sie von Anfang an Schreibübungen erwarten, auch schon in den Anfangskapiteln, selbst wenn diese zunächst etwas theoretischer ausgerichtet sind als der Praxisteil. Doch bereits bei den Fragen, was eine Depression ist, wie man sie behandelt und wie man damit einen guten Umgang findet, geht es um Sie und Ihre Vorstellungen sowie Sichtweisen. Es geht um Ihre Gedanken und Ideen sowie darum, was Sie sich von Ihrem Leben erwarten und erhoffen, darum, wie Sie und andere mit Ihrer Krankheit und den Umständen umgehen und welchen Umgang Sie sich wünschen.
Die Übungen führen selbstverständlich nicht immer gleich zu Lösungen. Denn wenn es so einfach wäre, hätten Sie diese Lösungen schließlich längst selbst gefunden. Doch auch wenn die Übungen keine schnellen Antworten bereithalten, tragen sie doch zu einem höheren Grad an Bewusstheit und Achtsamkeit bei, der wiederum dazu führt, dass Sie sich immer besser kennenlernen, um auf diese Weise eine gute Einschätzung zu erhalten und wieder handlungsfähiger zu werden.
Bevor wir loslegen, möchte ich Sie um einen Gefallen bitten: Achten Sie gut auf sich und Ihre Bedürfnisse. Machen Sie vor allem die Übungen, die Ihnen Freude bereiten oder die Sie spontan ansprechen sowie jene, die Sie für sinnvoll halten, auch wenn sie zunächst unter Umständen schmerzliche Gefühle hervorrufen. Gehen Sie in Ihrem eigenen Tempo vor und behandeln Sie sich beim Schreiben wie einen guten Freund oder eine gute Freundin. Schenken Sie sich das Vertrauen und die Geduld, die es braucht, neue Wege zu erkunden und zu gehen.
Haben Sie nicht den Anspruch, alle Übungen machen zu müssen, sondern wählen Sie aus. Es geht nicht darum, das Buch durch- und abzuarbeiten, sondern darum, dass Sie Impulse und Denkanstöße bekommen, die Sie für sich nutzen können.
Ich jedenfalls finde es bewundernswert, was Sie bereits alles geschafft haben und dass Sie sich jetzt auf den Weg des Schreibens begeben. Schließlich habe ich das Buch aus einem einzigen Grund geschrieben: Weil ich an Sie glaube und darauf vertraue, dass Sie schreibend Ihren ganz eigenen Weg finden werden. Dafür wünsche ich Ihnen Mut, Energie und Geduld.
Ihre Silke Heimes
1 Die Schreibweise folgt in weiten Teilen dem generischen Maskulinum, ohne dass dies einem bestimmten Geschlecht den Vorzug geben soll. Es sind immer alle Geschlechter mitgemeint.
Da es in diesem Buch um Sie und Ihr Schreiben geht, wollen wir genau damit starten. Sicher haben Sie Ihre ganz eigenen Ideen und Vorstellungen, was das therapeutische Schreiben ist und um was es dabei geht. Unter Umständen haben Sie bereits etwas darüber gelesen oder gehört oder es sogar schon selbst ausprobiert bzw. ein entsprechendes Seminar besucht. Vielleicht haben Sie auch schon einmal versucht, jemandem zu erklären, um was es beim therapeutischen Schreiben geht. Genau das, Ihre Ideen und Gedanken dazu, dürfen Sie jetzt, in der allerersten Übung des Buches, zu Papier bringen.
Was stellen Sie sich unter therapeutischem Schreiben vor? Um was geht es? Was unterscheidet es vom kreativen Schreiben? Was soll dabei herauskommen? Soll überhaupt etwas herauskommen? Schreiben Sie einfach los, es gibt kein richtig oder falsch. Ihre Ideen und Gedanken sind genauso wichtig wie bereits existierende Definitionen. Der Autor André Breton hat einmal geschrieben, dass in jedem Augenblick zahlreiche Gedanken und Gefühle in uns sind und nur darauf warten, aufs Papier gebracht zu werden. Werden Sie also zum Protokollanten Ihrer Gedanken und Gefühle.
Nachdem Sie Ihre Ideen festgehalten haben, möchte ich meine mit Ihnen teilen. Bei meinem ersten Versuch, in Worte zu fassen, um was es beim therapeutischen Schreiben geht, kam folgendes heraus: »Unter therapeutischem Schreiben kann jedes Verfahren verstanden werden, das durch Schreiben den subjektiven Zustand eines Individuums zu bessern versucht.«
Zur Erläuterung hatte ich hinzugefügt: »Der Ausdruck der Poesietherapie, von dem der Begriff des therapeutischen Schreibens abgeleitet wurde, ist dem amerikanischen Begriff ›poetry therapy‹ entlehnt. Die Poesietherapie ist keiner klassischen Psychotherapieschule verpflichtet, sondern zählt zu den expressiven und kreativen Therapien, die über Förderung der schöpferischen Potentiale, der Wahrnehmungs- und Erlebnisfähigkeit und der Einsicht in lebensgeschichtliche Konflikte zur Heilung und Entwicklung beitragen. Sie nimmt unter den kreativen Therapien eine besondere Stellung ein, weil sie mittels Sprache auf eines der ältesten therapeutischen Medien zurückgreift« (Heimes, 2008).
Mein zweiter Definitionsversuch lautete: » Unter Poesietherapie kann jedes therapeutische und (selbst-)analytische Verfahren verstanden werden, das durch Schreiben und Lesen den subjektiven Zustand eines Individuums zu bessern sucht und (auto-)biographisches, expressives, intuitives, kreatives, therapeutisches, imaginatives, analoges, assoziativesund automatisches Schreiben ebenso umfasst wie die aktive Textrezeption und -verarbeitung« (Heimes, 2012).
Auch Organisationen unternehmen Definitionsversuche wie etwa die »National Association for Poetry Therapy«: »Poetry therapy is the use of language, symbol, and story in therapeutic, educational, growth, and community-building capacities. It relies upon the use of poems, stories, song lyrics, imagery, and metaphor to facilitate personal growth, healing, and greater self-awareness. Bibliotherapy, narrative, journal writing, metaphor, storytelling, and ritual are all within the realm of poetry therapy« (National Association for Poetry Therapy, 2022).
Übersetzt könnte das lauten: »Poesietherapie umfasst die Verwendung von Sprache, Symbol und Story in therapeutischen, pädagogischen, wachstumsfördernden und gemeinschaftsbildenden Bereichen. Dabei stützt sie sich auf Gedichte, Geschichten, Liedtexte, Bilder und Metaphern, um persönliches Wachstum, Heilung und Selbsterkenntnis zu fördern. Bibliotherapie, Erzählung, Tagebuchschreiben, Metaphern, Geschichtenerzählen und Rituale gehören alle zum Gebiet der Poesietherapie.«