Tibor 11: Unmissverständliche Warnung - Achim Mehnert - E-Book

Tibor 11: Unmissverständliche Warnung E-Book

Achim Mehnert

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Beschreibung

Diese werkgetreue Umsetzung als Roman umfasst den Inhalt des elften und letzten Abenteuers der ersten Serie aus den Piccolo-Comicheften 167-187 von Hansrudi Wäscher. Im Dschungel spielen sich unheimliche Ereignisse ab. Monströse Tiere tauchen auf, verbreiten Angst und Schrecken und vertreiben die Eingeborenen aus ihrem Lebensraum. Ein Kaninchen, groß wie ein Elefant, wird zur reißenden Bestie. Woher stammen die unnatürlich großen Geschöpfe, die sämtliche Tiere des Waldes bedrohen, und was hat es mit dem angeblichen Schmetterlingssammler auf sich, der Tibors Weg kreuzt? Als der Herr des Dschungels der Fährte folgt, trifft er auf einen wahnsinnigen Wissenschaftler, der auch vor Menschenversuchen nicht zurückschreckt.

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Seitenzahl: 168

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Impressum

 

Originalausgabe Februar 2018

Charakter und Zeichnung: Tibor © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators

Text © Achim Mehnert

Copyright © 2018 der eBook-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Petershagen

 

Lektorat: Thomas Knip

Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz

Hintergrundillustration Umschlag: © Binkski – fotolia.com

E-Book-Konvertierung: Thomas Knip | Die eBook-Manufaktur

 

ISBN ePub 978-3-86305-259-1

 

www.verlag-peter-hopf.de

 

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Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,

Eduardstraße 48, 20257 Hamburg

www.hansrudi-waescher.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

 

Inhalt

WIE ALLES BEGANN

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

 

 

WIE ALLES BEGANN

 

Der junge Millionenerbe Gary Swanson erfüllte sich den Wunsch seiner Jugend. Von New York aus begab er sich auf Safari in den noch weitgehend unerforschten schwarzen Kontinent Afrika. Was wie ein Traum begann, entwickelte sich zu einem Albtraum.

Nach einem Ausflug zum Kilimandscharo geriet sein Flugzeug in eine ausgedehnte Schlechtwetterzone und stürzte ab. Swanson überlebte das Unglück nur leicht verletzt, konnte sich aber weder an seine Identität noch an seine Herkunft erinnern. Er hatte das Gedächtnis verloren.

Mit dem Willen zu überleben schlug er sich durch die Wildnis. Im Dschungel stieß Swanson auf einen von einem umgestürzten Baum eingeklemmten Gorilla und befreite ihn. Dafür bedachte ihn der große Affe Kerak mit dem Namen »Tibor«, was so viel bedeutet wie »der Hilfsbereite«. Kerak brachte Tibor das Überleben im Dschungel bei und lehrte ihn die Sprache der Tiere. Schnell wurden sie zu unzertrennlichen Freunden.

Bei einem Kampf im Urwald erlangte Swanson sein Gedächtnis schließlich zurück. Er spielte mit dem Gedanken, in die Zivilisation zurückzukehren, entschied sich aber dagegen. Im Einsatz für ihre Rechte wurden die Tiere seine Freunde und der Dschungel seine neue Heimat. Aus Gary Swanson war endgültig Tibor geworden.

 

ACHIM MEHNERT

Unmissverständliche Warnung

 

 

EINS

 

Beim Anblick seiner neuen Hütte fühlte sich Tibor wie zu Hause, und das war er auch. Bei seinem letzten Abenteuer hatte er seine Freunde, die Tiere, vermisst, was auch umgekehrt galt. Bei seiner Rückkehr hatten sie ihm einen zu Herzen gehenden Empfang bereitet. Nun, nach zwei Tagen gemeinsamer Arbeit mit den großen Affen, erstrahlte die in einer Baumkrone errichtete Urwaldhütte in frischem Glanz. Die Ereignisse um den Geheimbund der Schwarzen Mamba und den im letzten Moment abgewendeten blutigen Bürgerkrieg begannen in Tibors Erinnerung bereits zu verblassen.

»Die Hütte sieht großartig aus«, sagte der Sohn des Dschungels zu den auf der Veranda sitzenden Gorillas. »Ich danke euch, Freunde. Ohne euch wäre ich nicht so schnell fertig geworden.«

Pip warf sich in die Brust. »Wir haben ja auch kräftig angepackt.«

»Ohne uns hätte es wirklich viel länger gedauert«, fügte Pop stolz hinzu.

Der riesige Kerak brummte. »Natürlich, ihr beide müsst euch wieder hervortun, obwohl ihr am wenigsten getan habt.«

»Sei du besser still«, schnatterte Pip. »Wenn wir dich nicht ab und zu gezwickt hätten, wärst du bei der Arbeit glatt eingeschlafen.«

»Was? Na wartet!«

»Auf dich?« Pop streckte dem grauen Riesen die Zunge raus. »Fang uns doch, wenn du kannst.«

Die beiden Äffchen schwangen sich auf das Geländer der Veranda, das wie die ganze Hütte aus Bambus bestand. Von dort aus sprangen sie ins Geäst und versuchten im dichten Blätterdach unterzutauchen, doch Kerak war schneller. Bevor sie entwischen konnten, packte er sie bei den Schwänzen und hieb ihnen mit seiner mächtigen Pranke auf den Hintern. Obwohl er sie kaum mehr als tätschelte, schrien Pip und Pop wie am Spieß. Vergnügt beobachteten die anderen Gorillas das Schauspiel.

Tibor lachte. »Das reicht jetzt, Kerak. Sonst können sie drei Tage lang nicht sitzen.«

Kerak gab die Äffchen frei. »Das wird ihnen eine Lehre sein.«

Er irrte sich. Mit erhobenem Finger zeterte Pip. »Das wird gerochen, Dicker.«

»Gerächt heißt das, du Angeber«, belehrte Kerak den Kleinen.

»Meinetwegen. Aber gerochen wird es trotzdem.«

Unter dem Gelächter der Gorillas machten sich Pip und Pop davon. Bevor Keraks Brüder aufbrachen, bedankte sich Tibor noch einmal bei ihnen. Er sah den großen Affen hinterher, bis er sie zwischen den Urwaldriesen aus den Augen verlor.

»Ich gehe schwimmen«, beschloss er.

Kerak schüttelte sich. »Ich verstehe nicht, wieso man das freiwillig macht und auch noch Spaß daran haben kann. Aber wie du willst. Ich kümmere mich währenddessen ums Abendessen.«

Tibor winkte ihm zu und begab sich hinunter zum Fluss.

 

*

Kerak hatte sich kaum auf die Suche begeben, als er drei Bananen entdeckte, die zu seiner Verwunderung im Gras lagen. In der Nähe wuchs keine Staude, von der die Früchte gefallen sein konnten. Er machte sich keine weiteren Gedanken darüber, sondern bückte sich, um sie aufzuheben. Gerade als er danach griff, hüpften sie ins Dickicht. Kerak stand da wie erstarrt. Er begriff nicht, was geschah. Bananen konnten sich doch nicht von allein bewegen.

»Angeschmiert!«, rief eine Stimme.

Eine andere freute sich: »Das hat der Dicke nun davon.«

Kerak begriff, wer ihm diesen Streich gespielt hatte. Pip und Pop! Die Äffchen hatten eine dünne Liane an den Bananen befestigt.

Der Gorilla ließ sich nichts anmerken. Er setzte seinen Weg fort und schlenderte zwischen den Büschen hindurch, weil er wusste, wo prächtige Stauden wuchsen. Bevor er sein Ziel erreichte, lagen abermals Bananen im Gras, diesmal gleich ein ganzes Büschel. Kerak entging nicht, dass es auch diesmal an eine Liane gebunden war. Noch einmal würde er sich nicht von Pip und Pop foppen lassen. Er tat so, als würde er weitergehen, doch dann stürzte er sich mit einem großen Satz auf die Bananen.

»Ich habe sie!«, rief er den versteckten Äffchen zu. »Nun gehören sie mir. Ich nehme sie mit.«

Doch das war leichter gesagt als getan. Kerak zog mit aller Kraft, erfolglos. Die Liane gab nicht nach. Anscheinend hatten die kleinen Plagegeister sie irgendwo festgebunden. Das hatten sie tatsächlich, wie er gleich darauf feststellen musste, aber nicht an einem Baumstamm.

Sondern an einem Nashorn.

Wütend stapfte es auf Kerak zu. Gegen dieses Ungetüm kam er nicht an. Er gab die Bananen preis und sprang zum nächsten Ast hinauf. Bevor es ihm gelang, sich in die Baumkrone zu verziehen, spürte er einen schmerzhaften Stich. Kerak schrie auf. Das spitze Horn hatte ihn gerade noch erwischt.

Schadenfroh hangelten sich Pip und Pop durchs Geäst. »Jetzt kannst du auch drei Tage lang nicht sitzen. Wir sind gerochen.«

Kerak brummte in sich hinein. Es war unmöglich, gegen diese zwei kleinen Bestien anzukommen.

 

*

Mit kräftigen Schwimmzügen kraulte Tibor gegen die Strömung an. Nach zwei Tagen körperlicher Anstrengung war ein Bad im kühlen Fluss die reinste Wohltat.

Als er triefend aus den Fluten stieg, um sich von der brennenden Mittagssonne trocknen zu lassen, stach ihm eine Auffälligkeit ins Auge. Oberhalb des Ufers prangte ein Abdruck im weichen Boden, für den er keine Erklärung fand. Die Spur war viel zu groß, um von einem Tier stammen zu können, doch woher sonst sollte sie rühren? Vielleicht handelte es sich um Flusspferdspuren, die eine Laune des Schicksals so angeordnet hatte, dass sie wie ein einziger großer Abdruck wirkten. Nein, diese Erklärung passte nicht, denn ein Stück weiter entdeckte er eine weitere Spur, genauso groß wie die erste. Umrisse und Form waren ihm vertraut.

»Eine Kaninchenspur«, murmelte er. Unverkennbar, bis auf die Größe. Doch ihr zufolge müsste das Tier größer sein als ein Elefant. »Unmöglich. Anscheinend war ich zu lange im Wasser und habe einen Sonnenstich abbekommen.«

Vom Fluss klangen klagende Laute herauf. Als Tibor sich umdrehte, fiel sein Blick auf Kerak, der wenige Meter weiter flussaufwärts im Wasser hockte. Der Sohn des Dschungels traute seinen Augen nicht.

»Du gehst freiwillig ins Wasser?«, fragte er verständnislos.

»Kühlung«, japste der Gorilla. »Endlich Kühlung.«

»Was ist denn los?«

»Reden wir lieber nicht davon.«

»Aber wir reden davon.« Pip und Pop näherten sich in den Baumwipfeln. Die Äffchen schwenkten Bananen. »Da Kerak uns übers Knie gelegt hat, haben wir ihm einen Streich gespielt. Aber nun wollen wir wieder Frieden schließen. Sieh, was wir dir mitgebracht haben.«

»Schon gut.« Kerak erhob sich und stapfte ans Ufer, um das Geschenk seiner Freunde entgegenzunehmen. Er schälte eine Banane und steckte sich die Frucht in den Mund.

»Kommt mal her und seht euch etwas an«, forderte Tibor die Affen auf. »Was haltet ihr davon?«

Kerak starrte den riesigen Abdruck an, und Pip und Pop kratzten sich ratlos am Kopf. Eine solche Spur hatte keiner von ihnen je zuvor gesehen.

»Das Tier scheint an dieser Stelle getrunken zu haben«, überlegte Kerak. »Aber was für ein Tier das war, können wir dir auch nicht sagen.«

»Die Spuren sind frisch, kaum zwei oder drei Stunden alt«, schloss Tibor aus dem sich langsam wieder aufrichtenden Gras.

»So groß«, raunte Pip ehrfürchtig. »Vielleicht ist es besser, wenn wir uns von jetzt an oben in den Bäumen aufhalten.«

»Hört, hört!«, schnatterte Pop. »Der größte Angeber hat auch die größte Angst.«

»Was hast du gesagt? Na warte.«

Die Äffchen gingen aufeinander los. Im nächsten Augenblick rollten sie kämpfend und schreiend durchs Gras. Tibor seufzte.

»Hört auf zu streiten. Dazu ist die Lage zu ernst. Ich weiß zwar nicht, was diese Spuren zu bedeuten haben, aber bestimmt nichts Gutes. Irgendein unbekanntes Tier, und zwar ein ausgesprochen großes, streift durch unser Gebiet. Vielleicht ist es gefährlich. Kommt, wir nehmen die Fährte auf und finden heraus, womit wir es zu tun haben.«

Pip und Pop ließen voneinander ab, und die Gefährten machten sich auf den Weg. Während sie den Spuren folgten, fragte sich Tibor unwillkürlich, ob wohl wieder ein Untier aus dem urweltlichen Land hinter den toten Sümpfen in den Dschungel eingedrungen war. Er verwarf die Überlegung, da es sich bei den Abdrücken nicht um Saurierspuren handelte. Doch von was für einer Kreatur stammten sie sonst?

»Hier hören die Spuren auf«, sagte der vorauswieselnde Pop. »Einfach so.«

Tibor ließ die Affen ausschwärmen, um die nähere Umgebung abzusuchen. Das unbekannte Tier konnte sich schließlich nicht in Luft aufgelöst haben.

 

*

»Hierher!«, keifte Pip. »Ich habe die Spur wiedergefunden. Sie hat sich tief in den Boden eingedrückt.«

Die anderen eilten hinzu. Pip übertrieb nicht. Der Abdruck bildete eine flache Mulde, die den Äffchen bis zum Hals reichte. Was für ein Riesentier mochte das sein? Tibor stand vor einem Rätsel.

»Was auch immer es ist, es ist gesprungen, und die Sprungweite beträgt gut und gern vierzig Meter. Die Spur entfernt sich in diese Richtung. Sehen wir nach, wohin sie uns führt.«

Und zu was für einer Kreatur.

Als sie der Fährte folgten, fiel Tibor auf, dass etwas anders war als sonst. Es dauerte eine Weile, bis er darauf kam. Er lauschte, doch kein Tierlaut drang an sein Ohr. Ringsum herrschte eine geradezu gespenstische Stille. Es kam ihm so vor, als sei der gesamte Dschungel verstummt. Auch die Affen bemerkten es. Ängstlich sahen sich Pip und Pop um. Genau das war es, dachte Tibor. Angst lähmte die Tiere, Angst vor etwas, das nicht hierhergehörte.

Kerak machte eine Entdeckung. »Dort vorn hängt etwas im Dornendickicht.«

Es war ein Stück Fell, hell, fast weiß. Tibor pflückte es aus den Dornen. Das unbekannte Tier hatte den Busch gestreift und unfreiwillig das Andenken hinterlassen.

»Solche Haare habe ich noch nie gesehen«, sagte Kerak.

»Und schon gar nicht eine solche Menge«, fügte Pip hinzu, der wie Pop auf den Schultern des Gorillas saß und sich tragen ließ. Tibor drehte das dicke Büschel zwischen den Händen. Es handelte sich um ein Säugetier, vermutete er, ohne eine Erklärung für den seltsamen Fund zu haben.

Jäh zerriss stampfender Donner die Stille. Er näherte sich rasch, und der Boden bebte.

»Etwas bricht durchs Unterholz«, brummte Kerak. »Eine Büffelherde auf der Flucht.«

Etwas hatte die Büffel in Raserei versetzt. Eine Staubschleppe hinter sich herziehend, trampelten sie alles in ihrem Weg nieder.

»Auf den Baum!«, trieb Tibor die Affen an.

»Wem sagst du das?« Flink brachten sich Pip und Pop vor den tödlichen Hufen in Sicherheit.

Kerak hingegen konnte nicht mithalten. »Ich kann nicht so schnell«, klagte er. »Meine hintere Rückseite schmerzt noch immer von der Begegnung mit dem Nashorn.«

Ohne zu zögern packte Tibor den grauen Riesen und wuchtete ihn auf seine Schulter. Er rannte um sein Leben, denn die Büffel näherten sich mit der Macht eines tobenden Orkans. Erdreich spritzte unter ihren Hufen davon, Dreck und Gestein flog in alle Richtungen. Tibor stemmte den Gorilla in die Höhe.

»Da seht ihr, was ihr mit eurem dummen Streich angerichtet habt, Pip und Pop«, schimpfte er, während Kerak die Äste packte und sich in die Baumkrone zog.

»Wir helfen dir!«, riefen die Äffchen dem Gorilla entgegen.

 

 

Tibor hingegen schaffte es nicht mehr auf den Baum. Die Büffel waren heran, eine Walze aus schweren, braunen Körpern. Ihm blieb nur eine Chance, nicht unter ihre Hufe zu geraten. Kaltblütig warf er sich dem Leitbullen entgegen, packte ihn bei den Hörnern und schwang sich auf seinen Rücken. Das Tier bäumte sich auf, ohne langsamer zu werden, und seine Herde stapfte hinter ihm her. Tibor klammerte sich fest. Wie ein Rodeoreiter stemmte er sich gegen den wilden Ritt. Wenn er abgeworfen wurde, war sein Schicksal besiegelt. Doch es gelang ihm, sich auf dem Rücken des in Panik fliehenden Vierbeiners zu halten. Unter einem überhängenden Ast packte er blitzschnell zu und schnellte ins Blätterdach des Urwaldriesen.

Geschafft, doch viel hatte nicht gefehlt.

An Lianen schwang sich Tibor zurück zu den Affen.

Pip und Pop waren in hellem Aufruhr. »Es ist besser, wir verdrücken uns«, jammerte Pip. »Tibor wird furchtbar böse sein. Unseretwegen konnte Kerak nicht in den Baum springen.«

»Hiergeblieben!« Pop hielt den anderen fest. »Wir haben ziemlichen Unsinn angestellt, deshalb sehe ich ein, dass wir eine Strafe verdient haben. Es tut uns leid, Tibor.«

Der Sohn des Dschungels winkte ab. »Schon gut, ihr beiden. Lasst euch das eine Lehre sein.«

»Das werden wir.«

»Ganz bestimmt sogar.«

»Das glaube ich nicht«, warf Kerak ein.

»Ach nein?« Pip schob die Unterlippe vor. »Und warum nicht?«

»Weil ich euch kenne.«

Tibor richtete seine Aufmerksamkeit auf das Geschehen unter ihnen. Nicht nur die Büffel waren auf der Flucht. Eine Karawane sämtlicher anderer Tiere hetzte durch den Dschungel. In der Bresche, die die Büffel geschlagen hatten, folgten Gazellen und Zebras, Giraffen und sogar Elefanten. Sie alle flohen vor der Gefahr, die Tibor im nächsten Moment zu sehen bekam. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen, denn bei dem Verfolger handelte es sich um ein weißes Kaninchen.

 

*

Kerak schüttelte sich. »Kneif mich, damit ich aufwache. Das kann doch nur ein böser Traum sein. Das Kaninchen ist größer als ein Elefant.«

Es war sogar deutlich größer, und um einen Traum handelte es sich auch nicht. Der riesige weiße Hoppler trieb die anderen Tiere vor sich her. Ungläubig verfolgte Tibor das sich anbahnende Drama, als das Kaninchen ein vor Angst wieherndes Zebra einholte, es mit seinen Vorderpfoten packte und seine Zähne in den zuckenden Leib jagte. Die Bewegungen des Zebras erstarben, seine Schreie endeten.

»Das Kaninchen frisst das Zebra«, keuchte Kerak atemlos. »Jetzt weiß ich ganz sicher, dass ich träume. Kaninchen fressen doch nur Grünzeug.«

»Nicht nur das«, pflichtete Tibor dem Gorilla bei. »Sie werden auch niemals so groß wie dieses Exemplar. Wenn du also träumst, dann habe ich denselben Traum wie du.«

Pip kratzte sich am Kopf, und Pop hüpfte aufgeregt auf und ab. »Aber wir nicht. Wir sind hellwach. Das Untier ist wirklich.«

Entsetzt beobachteten die Freunde die Gefräßigkeit des Riesenkaninchens. Es brauchte nur wenige Minuten, um das Fleisch des toten Zebras von den Knochen zu nagen. Mit blutverschmiertem Maul machte es sich sodann an die Verfolgung der geflohenen Tiere. Anscheinend war sein Hunger noch lange nicht gestillt.

»Du musst etwas unternehmen, Tibor«, bat Pop mit bebender Stimme. »Solange dieses Ungeheuer lebt, ist kein Dschungelbewohner mehr seines Lebens sicher.«

»Ja, du hast recht.« Tibor hangelte sich an einer Liane ins Gras hinab. Abscheu erfasste ihn, als er vor den Überresten des geschlagenen Zebras stand. Im Gras lag nicht mehr als ein Haufen Knochen und ein paar Fellreste. »Gleichgültig, woher dieses Biest kommt, wieso es so groß oder zum Fleischfresser geworden ist, ich muss es so schnell wie möglich töten. Sonst schlägt es weitere Beute.«

»Stellen wir ihm eine Falle?«, fragte Kerak. Die beiden Äffchen hockten wieder auf seinen Schultern.

»Nein, das würde zu lange dauern.« Eilig entwickelte Tibor einen Plan. »Ihr bleibt dem Riesenkaninchen auf der Spur. Ich folge euch, so schnell es geht, doch vorher muss ich etwas erledigen. Stoß hin und wieder den Ruf der großen Affen aus, Kerak, damit ich den Weg zu euch finde.«

»In Ordnung.«

Es würde schwer werden, das riesige Untier ohne Schusswaffe aufzuhalten. Tibor sah nur eine Möglichkeit. Sie lauerte an einem Urwaldsee in wenigen Kilometern Entfernung.

 

 

 

ZWEI

 

Die giftigste Schlange in dieser Gegend war die grüne Mamba. Wer von ihr gebissen wurde und nicht schleunigst ein Gegengift verabreicht bekam, war des Todes. Von diesen gefährlichen Reptilien erhoffte sich Tibor Unterstützung. Um sein Vorhaben durchzuführen, brauchte er gleich mehrere Exemplare. Er wusste, dass die Mambas sich tagsüber meist unter den Wurzeln der Urwaldriesen ganz in der Nähe des Wassers verbargen.

Von dichtem Grün umgeben, funkelte der See wie ein Diamant im Sonnenlicht, ein prachtvoller Anblick, der das Auge blendete. Über dem Wasser schwirrten Insekten ihre aufgeregten Tänze, und in Ufernähe staksten langbeinige Vögel, die sich von dem Menschen nicht stören ließen.

Bevor Tibor sich auf die Suche nach den Mambas machte, bestrich er die Klinge seines Messers dick mit Harz. Dann schlich er umher und lauschte, bis er vertrautes Zischeln vernahm. Langsam näherte er sich, bis er zwischen den Wurzeln ein ganzes Schlangenknäuel entdeckte. Mit kehligen Lauten richteten die Tiere ihre Vorderkörper auf. Sie züngelten aufgeregt und entblößten ihre Giftzähne, bereit zum Zustoßen.

»Ganz ruhig«, redete der Sohn des Dschungels auf sie ein. »Ihr kennt mich. Ihr habt nichts von mir zu befürchten.«

»Ja, wir kennen dich. Du bist Tibor. Doch wieso störst du unsere Ruhe, noch dazu mit einem Messer in der Hand?«

»Die Klinge gilt nicht euch«, beeilte sich Tibor zu sagen. »Ich brauche eure Hilfe. Ein gefährliches Untier ist in den Dschungel eingedrungen. Ich weiß nicht, woher es kommt, doch ich muss es aufhalten, denn es stellt eine Gefahr für alle Tiere dar. Doch ich kann es nur mit eurer Hilfe zur Strecke bringen. Ich brauche euer Gift.«

Unruhe befiel die Mambas. Sie zischten und wiegten die Köpfe. Ihre Körper bildeten ein wimmelndes Durcheinander.

»Wir sind einverstanden, dir zu helfen. Trage uns zu dem Ungeheuer, damit wir es beißen können und es stirbt.«

»Danke, aber ihr braucht mich nicht zu begleiten. Es genügt, wenn ihr in die Harzschicht auf meinem Messer beißt. Das Harz bindet euer Gift. So kann ich es mitnehmen, ohne es zu verlieren.«

Die Schlangen kamen der Aufforderung nach. Paarweise spendeten sie ihre tödliche Gabe. Tibor achtete darauf, nicht damit in Berührung zu kommen. Schließlich genügte die Giftmenge, um einen Giganten wie das Riesenkaninchen umzuwerfen. Er steckte das Messer ein, bedankte sich bei den grünen Mambas, die ihm eine gute Jagd wünschten, und beeilte sich, um Kerak einzuholen.

 

*

Er machte sich auf den Rückweg, und schon bald wiesen ihm Keraks durch den Urwald schallende Rufe den Weg. Während sich Tibor von Baum zu Baum schwang und mit seinem Dschungelruf antwortete, dachte er über den Riesenwuchs des Kaninchens nach. Er fand keine Erklärung dafür. Wenn es sich nicht um eine absonderliche Laune der Natur handelte, wie konnte es sonst zu einer derartigen Kreatur kommen?

Der mit Pip und Pop in einer Baumkrone ausharrende Kerak empfing ihn aufgeregt. »Hierher, schnell! Beeil dich! Die Löwen haben das Untier gestellt, aber sie verlieren den Kampf.«

Sechs Löwen griffen das Riesenkaninchen an, gegen das sie klein und unscheinbar wirkten. Von allen Seiten attackierten sie den Giganten. Mit Zähnen und Krallen drangen sie auf ihn ein, schafften es jedoch nicht, ihm durch das dicke Fell Wunden zuzufügen.

»Zurück mit euch!«, rief Tibor den stolzen Katzen zu.