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Diese werkgetreue Umsetzung umfasst den Inhalt des fünften Abenteuers aus den Piccolo-Comicheften 35-47 von Hansrudi Wäscher. - Der junge Thronanwärter Om-El wird um seine rechtmäßige Häuptlingswürde betrogen. Um ihn vor dem sicheren Tod zu bewahren, muss Tibor das Tal der Ungeheuer durchqueren. Eine scheinbar unlösbare Aufgabe, denn bisher hat jeder Krieger den Versuch mit dem Leben bezahlt. Um Gerechtigkeit für Om-El zu erwirken, begibt der Sohn des Dschungels sich dennoch ungeachtet aller Gefahren auf die Suche nach einem geheimnisvollen Stamm – und nach einem sagenumwobenen Artefakt aus ferner Vergangenheit. Doch niemand weiß, ob es wirklich existiert oder lediglich eine Legende ist.
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Seitenzahl: 152
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Originalausgabe November 2013
Charakter und Zeichnung: Tibor © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators
Text © Achim Mehnert
Copyright © 2016 der eBook-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Petershagen
Lektorat: Edelgard Mank
Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz
E-Book-Konvertierung: Thomas Knip | Die Autoren-Manufaktur
ISBN ePub 978-3-86305-199-0
www.verlag-peter-hopf.de
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Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,
Eduardstraße 48, 20257 Hamburg
www.hansrudi-waescher.de
Alle Rechte vorbehalten
Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.
Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.
WIE ALLES BEGANN
EINS
ZWEI
DREI
VIER
FÜNF
SECHS
Der junge Millionenerbe Gary Swanson erfüllte sich den Wunsch seiner Jugend. Von New York aus begab er sich auf Safari in den noch weitgehend unerforschten schwarzen Kontinent Afrika. Was wie ein Traum begann, entwickelte sich zu einem Albtraum.
Nach einem Ausflug zum Kilimandscharo geriet sein Flugzeug in eine ausgedehnte Schlechtwetterzone und stürzte ab. Swanson überlebte das Unglück nur leicht verletzt, konnte sich aber weder an seine Identität noch an seine Herkunft erinnern. Er hatte das Gedächtnis verloren.
Mit dem Willen zu überleben schlug er sich durch die Wildnis. Im Dschungel stieß Swanson auf einen von einem umgestürzten Baum eingeklemmten Gorilla und befreite ihn. Dafür bedachte ihn der große Affe Kerak mit dem Namen »Tibor«, was so viel bedeutet wie »der Hilfsbereite«.
Kerak brachte Tibor das Überleben im Dschungel bei und lehrte ihn die Sprache der Tiere. Schnell wurden sie zu unzertrennlichen Freunden.
Bei einem Kampf im Urwald erlangte Swanson sein Gedächtnis schließlich zurück. Er spielte mit dem Gedanken, in die Zivilisation zurückzukehren, entschied sich aber dagegen.
Nachdem das letzte Abenteuer glücklich ausgegangen war, hatte Tibor endlich Zeit, an seiner Hütte zu bauen. Der Gorilla Kerak war ständig an seiner Seite und unterstützte den Sohn des Dschungels, wo er nur konnte. Die Freunde arbeiteten emsig, und Tibors aus Bambus gebautes Haus nahm in einer Baumkrone rasch Gestalt an. Es stand auf einer stabilen Plattform aus Bambus und war beinahe fertig.
»Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass Bulgor uns nicht mehr auflauert«, sagte Kerak.
»Es war ein hartes Stück Arbeit, ihn davon zu überzeugen, dass ich nicht sein Feind bin«, antwortete Tibor in der Sprache der Tiere, die er längst perfekt beherrschte. »Aber es hat sich gelohnt.«
Die gefährlichen Auseinandersetzungen mit dem Elefanten lagen einige Tage zurück. Bulgor hatte seinen Fehler eingesehen und würde künftig immer für sie da sein. Dieses Wissen vermittelte Tibor ein gutes Gefühl. Er trug einen Stapel Bambusstäbe, als ihn etwas Hartes am Hinterkopf traf. Er fuhr herum, doch niemand war zu sehen. Dafür entdeckte er eine vor seinen Füßen liegende Frucht. Offenbar war sie es gewesen, die ihn getroffen hatte.
»Aua!«, stieß Kerak aus.
Ein Hagel aus Obst prasselte auf die Freunde herab. Tibor hielt vergeblich Ausschau. Er konnte nicht erkennen, woher sie kamen.
»Wer bewirft uns denn da mit Früchten?«, fragte er verwundert.
»Bestimmt kleine Affen.« Kerak schirmte seinen Schädel mit seinen gewaltigen Pranken ab. »Ihnen traue ich so etwas zu, denn sie haben immer nur Unsinn im Kopf.«
Den würde Tibor ihnen gleich austreiben. »Na, wartet!«, murmelte er lächelnd. »Lenke du ihre Aufmerksamkeit auf dich!«
Während Tibor einige Bananen auf die Plattform legte, arbeitete Kerak weiter, als sei nichts geschehen. Er ignorierte die Früchte, die jetzt nur noch vereinzelt geflogen kamen. Tibor huschte in die Hütte und legte sich hinter der Bambuswand auf die Lauer. Von dort hatte er die ganze Plattform im Auge. Es dauerte nicht lange, bis zwei kleine Äffchen hinter Keraks Rücken herbeigesprungen kamen. Sie lachten und feixten, da sie sich unbemerkt wähnten.
»Stibitzte Bananen schmecken immer am besten.«
»Nehmen wir sie und verschwinden wieder!«
»Oder auch nicht.« Als sie zugriffen, sprang Tibor aus seinem Versteck. Bevor die Äffchen entwischen konnten, hatte er sie bereits an den Schwänzen gepackt und hob sie in die Höhe.
Sie keiften, weil sie nicht entkommen konnten. Tibor ließ sie eine Weile zappeln. Sie strampelten verzweifelt und stießen keckernde Laute aus. Als sie begriffen, dass ihnen das nichts nützte, beruhigten sie sich und verlegten sich aufs Jammern.
»Bitte, lass uns los!«
»Wir werden euch auch nicht wieder stören.«
»Nur unter der Bedingung, dass ihr uns helft«, sagte der Sohn des Dschungels.
»Ja, wir versprechen es. Wir werden alles tun, was du verlangst.«
»Hm«, machte Kerak, der sich dazugesellt hatte. »Glaub ihnen nicht! Den kleinen Burschen kann man nicht trauen. Sobald sie frei sind, springen sie davon und lachen uns aus.«
Tibor setzte die Äffchen auf dem Boden ab. Er grinste amüsiert in sich hinein. »Dann ist es auch nicht schlimm. Ich kann den komischen Kleinen ja doch nichts antun. Sollen sie Reißaus nehmen, wenn sie wollen.«
Die Äffchen dachten nicht daran. »Wir laufen nicht fort. Wir haben versprochen, euch zu helfen. Das halten wir ein. Also, was sollen wir tun?«
Kerak kratzte sich am Schädel. »Ist das denn möglich? Sie meinen es wirklich ernst.«
Tibor war nicht weniger überrascht als der Gorilla. »Hier, nehmt diesen Krug und holt Wasser aus dem Fluss! Dafür bekommt ihr die Bananen.«
»Wird gemacht.«
Die kleinen Affen ergriffen das Gefäß und hangelten sich durch die Baumkrone. Gleich darauf verlor Tibor sie aus den Augen. Wenn sie nicht zurückkamen, war der Krug kein großer Verlust. Aber die Äffchen hielten Wort. Wenig später schleppten sie den mit Wasser gefüllten Krug herbei. Tibor gab ihnen die Bananen, über die sie mit Heißhunger herfielen.
»Wenn du uns immer so schöne Bananen gibst, helfen wir dir öfter.«
»Übrigens, ich heiße Pip, und das ist mein Bruder Pop.«
Tibor musste lachen. »Sehr erfreut. Ich heiße Tibor, und das ist mein Freund Kerak.«
Pip und Pop zeigten keine Scheu vor dem großen Affen. Wie selbstverständlich kletterten sie auf seine breiten Schultern. Kerak brummte ein wenig, ließ sie aber gewähren. Nach der Arbeit gingen die Freunde zum Fluss hinunter, um sich zu erfrischen. Die heiße Sonne hatte Tibor erschöpft. Er freute sich auf ein Bad in den kühlen Fluten. Die Äffchen klammerten sich immer noch an Kerak fest.
»Hüpft mit hinein!«, forderte Tibor die neuen Freunde auf. »Das kühle Wasser ist eine Wohltat. Ihr glaubt nicht, wie gut es tut.«
Pip quiekte entsetzt. »Nasses Wasser! Igitt, nein!«
»Wir haben Angst, dass sich unsere Flöhe erkälten«, zeterte Pop.
Die beiden waren witzige Bürschchen. Lachend sprang Tibor ins Wasser. Es erfrischte ihn augenblicklich. Mit kräftigen Zügen schwamm er bis zur Flussmitte. Dort drehte er sich auf den Rücken und ließ sich von der Strömung treiben. Es gab nichts Schöneres, als sich ein solches Bad zu gönnen, das Körper und Geist gleichermaßen reinigte. Er sah, dass Kerak ihm das Ufer entlang folgte. Auch der Gorilla traute sich nicht ins Wasser. Tibor blinzelte in die hoch am Himmel stehende Sonne. Für einen Moment schloss er die Augen und genoss die Fluten, die ihn mit sich trugen. Als er sie wieder öffnete, fühlte er sich wie ein neuer Mensch. Er schwamm zurück und stieg ans Ufer. Bevor die Affen ihn einholten, gewahrte er eine Bewegung im Unterholz. Plötzlich bohrte sich ein Speer neben ihm in einen Baumstamm.
Tibor fuhr herum. Hinter einem Busch hockte ein Eingeborener und starrte ihn aus großen Augen an. Ehe Tibor zum Gegenangriff übergehen konnte, war Kerak heran. Er packte den Schwarzen und zog ihn ins Freie. Grollend schüttelte er ihn wie eine Puppe, die nichts wog.
»Hilfe!«, schallte es weithin.
»Halt, Kerak!«, hielt Tibor den Gorilla zurück. »Du bringst ihn ja um!«
»Er hat dich aus dem Hinterhalt angegriffen. Er muss sterben.«
Daran war Tibor nicht gelegen. Der Angriff war heimtückisch erfolgt, dennoch lag es ihm fern, sich auf diese Weise zu rächen. Niemand hatte den Tod verdient, auch wenn Kerak das anders sah.
»Nein, bitte nicht! Lass nicht zu, dass der große Affe mich tötet, Fremdling mit der hellen Haut!«, flehte der Schwarze.
»Es reicht, Kerak. Setz ihn auf dem Boden ab!«
»Wie du willst.« Der Gorilla gehorchte. Er stellte den Angreifer auf die Füße, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
»Nun erzähl!«, verlangte Tibor. »Warum hast du mich angegriffen?«
»Ich bin auf der Flucht. Als ich es im Gebüsch rascheln hörte, dachte ich, es wären meine Verfolger, die mich eingeholt haben.«
»Ich gehöre nicht zu ihnen. Weshalb hast du deinen Speer trotzdem nach mir geworfen?«
»Er war mir bereits aus der Hand geflogen, als ich erkannte, dass du keiner von ihnen bist. Ich wollte nicht auf dich werfen. Es tut mir leid. Bitte, verzeih mir!«
Tibor wusste nicht recht, was er von der Erklärung halten sollte. »Wie lautet dein Name?«
»Om-El.« Der Schwarze warf Kerak misstrauische Blicke zu.
Tibor nannte seinen und die Namen seiner Freunde. »Du sprichst die Sprache der großen Affen, Om-El. Woher kommst du, und wer verfolgt dich? Hier in diesem Gebiet gibt es keine Eingeborenenstämme.«
»Ich komme aus dem Land jenseits der toten Sümpfe.«
»Wie? Du behauptest, von dort hierher geflohen zu sein?«
»So ist es.«
»Er lügt.« Kerak packte den Gefangenen an der Kehle. »Es gibt keinen Weg durch die Sümpfe.«
»Doch, es gibt einen Weg.« Om-El sackte in sich zusammen wie ein Häufchen Elend. Er zitterte am ganzen Körper.
»Lass ihn endlich in Ruhe, Kerak! Du siehst doch, dass er keine Gefahr darstellt. Und du, Om-El, erzähl weiter!«
»Dazu bleibt keine Zeit. Lass mich gehen! Es wird nicht lange dauern, bis meine Feinde den Weg ebenfalls gefunden haben. Sie werden nicht aufgeben, bis sie mich wieder in ihre Gewalt bekommen haben. Wenn das geschieht, bin ich verloren.«
»Verrate mir, weshalb sie dich verfolgen.«
Om-El riss die Augen auf und deutete aufs Wasser hinaus. »Zu spät. Da – sie kommen. Ich bin des Todes.«
Tibors Blick folgte dem ausgestreckten Arm. »Bei allen Dschungelgeistern, das gibt es nicht.«
Mehrere Krieger kamen aus dem Fluss gewatet. Sie waren nicht herangeschwommen. Dann hätte der Sohn des Dschungels sie schon zuvor gesehen. Der Anblick war unheimlich. Sie kamen geradewegs aus dem Wasser, als würden sie an seinem Grund leben. Tibor begriff nicht, wie das möglich war. Etwas anderes sah er jedoch auf Anhieb. Sie trugen Speere und machten keinen freundlichen Eindruck.
»Was sollen wir tun?«, fragte Kerak.
»Wenn sie kommen, um Unfrieden zu stiften, verbiete ich ihnen, meinen Dschungel zu betreten.«
»Nein, geh nicht zu ihnen!«, hielt Om-El ihn zurück. »Sie besitzen nicht nur ihre Speere, sondern haben Blasrohre bei sich, mit denen sie vergiftete Pfeile abschießen können.«
Tibor hielt inne. Dieses Risiko durfte er nicht eingehen. Er zog den Speer aus dem Baum und behielt ihn. »Sie haben uns noch nicht gesehen. Schnell, Kerak, nimm Om-El unter den Arm! Dann nichts wie weg von hier! Wir verbergen uns vorerst in den Baumkronen.«
Der Gorilla tat wie ihm geheißen. Pip und Pop folgten ihm. Sie verhielten sich still, weil sie begriffen, dass dies nicht der richtige Moment für Schabernack war. Auch Tibor griff nach einer Liane und schwang sich in eine Baumkrone. Er ließ sich zwischen den dicken Ästen nieder und beobachtete die Krieger, die eben an Land kamen. Es war ihm schleierhaft, wie sie sich im Fluss hatten nähern können, ohne dass er sie gesehen hatte. Er beging nicht den Fehler, sie als Feinde zu betrachten. Vielleicht war Om-El derjenige, dem er nicht helfen durfte.
»Ich weiß nicht, ob du meine Hilfe verdienst. Was ist geschehen, dass deine Stammesbrüder dich verfolgen?«
»Ich habe nichts Böses getan«, versicherte Om-El.
»Aber sie müssen einen Grund haben, warum sie hinter dir her sind. Verrate mir endlich, was hier vorgeht!«
»Ich bin der Sohn eines Häuptlings vom Stamme der Ma-Angas. Du musst wissen, dass es in meinem Stamm zwei Häuptlingsgeschlechter gibt. Wenn beide Familien einen Sohn haben, entscheidet ein Zweikampf darüber, wer die Häuptlingswürde erhält.«
»Es gibt neben dir also einen weiteren Anwärter«, folgerte Tibor.
»So ist es. Sein Name lautet Om-Tul. Gestern mussten wir beide gegeneinander antreten. Ich verlor den Zweikampf, weil meine Streitaxt vor dem Kampf beschädigt worden ist. Damit wollte ich mich nicht abfinden, denn ich glaube nicht an einen Zufall. Ich besitze eine gute Axt. Sie wurde nie zuvor beschädigt, schon gar nicht wie durch die Hand der Geister.«
Tibor begann zu verstehen. »Du glaubst, dass Om-Tul dahintersteckt.«
»Er war es, da bin ich sicher. Doch niemand glaubte mir, als ich ihn beschuldigte. Ich konnte meinen Vorwurf nicht beweisen, daher wurde ich in die Grube der heiligen Spinne geworfen.«
Die Bezeichnung klang beunruhigend. Tibor hatte keine Ahnung, was er sich darunter vorstellen sollte. Offenbar handelte es sich um ein Ritual der Ma-Angas.
»Die Spinne war zum Glück satt und griff mich nicht sofort an«, fuhr Om-El fort. »Daher blieb mir ein wenig Zeit, um den Bereich hinter der Grube zu untersuchen. In den Höhlen dort fand ich einen Gang. Ich zögerte nicht lange, seinem Verlauf zu folgen, denn er war meine einzige Chance, der heiligen Spinne zu entkommen, bevor sie wieder Hunger bekam. Ich rannte um mein Leben, um mich vor ihr in Sicherheit zu bringen. Der Gang führt durch weitere Höhlen unter dem Sumpf hindurch. Bisher kannte unser Volk ihn nicht. Jedenfalls gibt es keine Berichte darüber. Eine kurze Strecke ist er mit Wasser gefüllt. Da ich nichts zu verlieren hatte, tauchte ich und war wenig später am Flussufer. Du kannst dir meine Überraschung vorstellen, als ich mich hier wiederfand. Aber die Krieger des Stammes sind mir gefolgt.«
»Ich verstehe.«
Deshalb also hatte Om-El Tibor für einen seiner Verfolger gehalten. Nun begriff Tibor auch, wieso die Krieger wie Geister aus dem Fluss gestiegen waren. An seinem Grund musste es einen Durchgang geben, der durch die Höhlen in das Land hinter den Sümpfen führte. Es war nicht verwunderlich, dass weder Kerak noch sonst jemand davon wusste, wenn ein Teil davon unter Wasser lag. Ohne seine panische Flucht vor der heiligen Spinne hätte Om-El den Gang nicht entdeckt. Als Om-El wieder die Stimme erheben wollte, bedeutete Tibor ihm zu schweigen.
»Still!«, zischte er. »Ich höre Stimmen.«
»Habt ihr Om-Els Spur gefunden?«
»Ja, aber sie vermischt sich hier mit anderen Spuren.«
Tibor balancierte ein Stück auf einem starken Ast, wobei er darauf achtete, weiterhin vom Blattwerk des Baumes verborgen zu bleiben. Unten entdeckte er die Krieger. Es waren etwa fünfzehn Bewaffnete. Gegen diese Übermacht hatte er auch mit Keraks Hilfe keine Chance, schon gar nicht, da sie giftige Pfeile besaßen, wie Om-El ihn gewarnt hatte. Die Krieger standen ratlos herum. Sie ahnten nicht, dass ihre vermeintliche Beute in den Baumkronen über ihnen steckte.
»Das ist seltsam«, sagte einer von ihnen und suchte den Boden ab. »Anscheinend ist Om-El mit jemandem zusammengetroffen. Aber es ist nicht zu erkennen, wohin sie sich gewandt haben. Sie sind einfach verschwunden. Die Spuren lügen nicht.«
»Wir finden ihn schon noch«, antwortete ein anderer.
»Es gibt hier viel Wild und keine großen Drachen. Dieser Dschungel gefällt mir sehr gut.«
»Mir auch. Er scheint keine Gefahren zu beherbergen wie bei uns.«
»Wir sollten Om-Tul vorschlagen, der heiligen Spinne eine andere Grube zu geben. Danach können wir den Gang erweitern und einfacher hierhergelangen.«
»Eine gute Idee. Dann könnten wir diesen Dschungel zu unserem Jagdrevier machen. Er ist voll von Tieren, die eine leichte Beute abgeben.«
Tibor erschrak. Er wusste nicht, was es mit der heiligen Spinne und den großen Drachen auf sich hatte, von denen die Ma-Angas redeten. Doch er würde nicht zulassen, dass die Männer des Stammes herkamen und die Jagd auf seine Freunde eröffneten. Er fühlte sich für die Tiere im Dschungel verantwortlich.
»Kommt, wir erkunden die Umgebung!«, drang eine Stimme zu ihm herauf. »Om-El muss irgendwo in der Nähe sein. Er hatte nur einen kleinen Vorsprung vor uns. Er kann noch nicht weit gekommen sein. Vergesst nicht, Om-Tul erwartet von uns, dass wir ihn wieder einfangen.«
Die Krieger machten sich auf den Weg, und ihre Stimmen verklangen im Dschungel. Bald sah Tibor sie nicht mehr. Er wandte sich an Om-El.
»Sie sind fort, zumindest fürs Erste. Wir können ungestört weiterreden. Du hast gehört, was sie ihrem Häuptling vorschlagen wollen.«
»Ja.«
»Ich lebe in diesem Dschungel in Frieden mit den Tieren. Sie sind meine Freunde. Ich dulde nicht, dass dein Stamm ihn zu seinem Jagdgebiet macht. Ich werde das mit allen Mitteln verhindern.«
Der Häuptlingsanwärter setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Ich verstehe dich. Ich würde ebenfalls für meine Freunde kämpfen, egal ob es Menschen oder Tiere sind.«
Tibor lauschte auf den Klang der Worte. Er hatte nicht das Gefühl, dass Om-El ihm das sagte, was er hören wollte. Er meinte es ehrlich. »Ich will dir helfen, dein Recht zu erkämpfen.«
»Wirklich?«
»Ja, aber unter einer Bedingung. Du versprichst mir, deine Männer niemals zur Jagd in meinen Dschungel zu führen, wenn du Häuptling werden solltest.«
»Das verspreche ich dir gerne und aufrichtig.« Om-El senkte den Blick. »Doch ich fürchte, das wird uns niemals gelingen. Du hast es ja gesehen. Viele Krieger folgen Om-Tuls Befehlen. Gegen diese Übermacht können wir nicht bestehen. Und Om-Tul hat mich schon einmal betrogen. Er wird nicht zulassen, dass ich eine gerechte Chance bekomme, um die Häuptlingswürde zu kämpfen.«
»Ich bin bereit, es trotzdem zu versuchen.«
»Du darfst nicht allein gehen«, sagte Kerak. »Wir begleiten dich.«
Pip und Pop, die immer noch auf den Schultern des Gorillas saßen, keiften zustimmend. Tibor dachte kurz nach. Keraks Hilfe war unbezahlbar, doch er wollte ihn und die beiden Äffchen nicht in Gefahr bringen. Außerdem hatte er eine wichtigere Aufgabe für sie.
»Nein, Freunde, baut an meiner Hütte weiter! Ich kehre bald zurück. Und warnt alle Tiere vor den Zweibeinern mit den Blasrohren. Sie sind gefährlich. Die Tiere sollen ihnen nicht zu nahe kommen. Sobald die Zweibeiner in ihre Nähe kommen, sollen sie sich im Wald vor ihnen verstecken. Das gilt auch für euch. Gegen die Blasrohre nützen deine Kräfte nichts, Kerak.«
»Ich habe verstanden. Du kannst dich auf mich verlassen, Tibor.«