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Ein Drittel aller deutschen Haushalte wird von Tieren mitbewohnt, die als Familienmitglieder oder Partner wahrgenommen werden. Diese geliebten und zugleich dominierten Lebewesen bestimmen den menschlichen Lebensraum und Alltag entscheidend mit. Unser enges und zugleich von Spannungen geprägtes Verhältnis ist eine zentrale Komponente und Konstante unserer Kultur. Doch der Umgang des Menschen mit seinen tierischen Gefährten wirft grundsätzliche Fragen innerhalb des weiten Feldes der Tier-Mensch-Beziehungen auf. Tierisch beste Freunde beschäftigt sich aus kulturphilosophischer, sozialhistorischer und ethischer Perspektive mit diesen Fragen, u. a. mit dem Widerspruch von Freundschaft und Herrschaft, mit den Gründen für die Entwicklung des Heimtiers zum Familienmitglied und dem Aspekt der moralischen Rechtfertigung für das Halten von Haustieren.
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Seitenzahl: 120
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Herausgegeben von Viktoria Krasonund Christoph Willmitzer für dasDeutsche Hygiene-Museum
Viktoria Krason und Christoph Willmitzer
Einleitung: Tierisch beste Freunde
Iris Därmann
Haustiere und Tierfreunde. Über Nähe und Ferne von Menschen und Tieren
Clemens Wischermann
Zwischen »Vieh« und »Freund«.Historische Annäherungen an das Selbst eines Tieres
Hilal Sezgin
»Tiere sind meine Freunde.« – Wirklich?Ethische Überlegungen zur Haustierhaltung
Anmerkungen
Haustiere sind vertraute Fremde, sprachlose Gesprächspartner, beherrschte Freunde und kultivierte Natur. Sie können uns vertraut sein wie Mitglieder einer Familie. Ihr Schicksal berührt uns emotional oftmals mehr als das anderer Menschen. Die Beiträge von Iris Därmann, Hilal Sezgin und Clemens Wischermann gehen von diesen Paradoxien aus, und sie gehen ihnen aus kulturwissenschaftlicher, ethischer und sozialhistorischer Perspektive nach.
Die Essays erscheinen anlässlich der Sonderausstellung »Tierisch beste Freunde. Über Haustiere und ihre Menschen« des Deutschen Hygiene-Museums. Sie machen deutlich, weshalb diese Schau nicht im Gegensatz zu anderen Ausstellungen dieses »Museums vom Menschen« steht. Gerade eine Ausstellung über Heim- und Schoßtiere, die durch die gefühlsbetonte Beziehung des Menschen zu ihnen definiert werden, muss auch eine über den Menschen sein. Der Fokus auf die Tiere, zu denen der Mensch die innigste Bindung hat, öffnet zugleich den Blick für die Natur des Menschen wie auch für die Ambivalenzen des Mensch-Tier-Verhältnisses im Allgemeinen und führt letztlich zu der entscheidenden Frage: Wie wollen wir leben?
Klaus Vogel und Gisela Staupe,Deutsches Hygiene-Museum
Dem allgemeinen Verständnis nach zeichnet sich Freundschaft durch Freiwilligkeit, wechselseitige Zuneigung und Achtung aus. Mit Tieren befreundet zu sein hieße also, ihnen nicht nur Individualität und einen freien Willen zuzusprechen, sondern diesem Willen auch freies Spiel zu lassen. Darüber hinaus dürfte Freundschaft beinhalten, sich den tierischen Verwandten unserer tierischen Freunde gegenüber solidarisch zu zeigen – Nutztiere also ebenfalls zu behandeln wie Freunde, oder sie zumindest nicht zu essen. Die Frage nach den Bedingungen, den Eigenschaften und der Integrität dieser besonderen sozialen Beziehung hat damit eine Tragweite, die weit über das private Wohnzimmer des Einzelnen hinausreicht.
Ebenso wie die Ausstellung des Deutschen Hygiene-Museums »Tierisch beste Freunde. Über Haustiere und ihre Menschen« reiben sich auch die Beiträge von Iris Därmann, Clemens Wischermann und Hilal Sezgin am Begriff der Freundschaft zwischen Haustier und Mensch.
Iris Därmann sondiert in ihrem Beitrag Politiken der Freundschaft, der Dienstbarkeit und der Loyalität zwischen Mensch und Tier, die dem gefühlsbetonten Verhältnis des Bürgertums zu Haustieren im 18. und 19. Jahrhundert vorausgingen und weiterhin in ihm verwoben sind. Wie Därmanns Essay verdeutlicht, ist im Umgang des Menschen mit seinem Haustier immer auch seine Beziehung zu sich selbst und seine Vorstellung von Menschlichkeit erkennbar.
Clemens Wischermann geht dem sozialhistorischen Wandel des Tiers von »Vieh« zu »Freund« auf den Grund. In der bürgerlichen Familie des 19. Jahrhunderts und der darin entstehenden Vorstellung von Kindheit erkennt er eine zentrale Bedingung für das emotionale Verhältnis des Menschen zum Tier. Er postuliert eine »Ähnlichkeitsthese«: Der Mensch lässt demnach seine Idee von kindlichem Glück in seinen Umgang mit Haustieren einfließen und kann sie so als etwas ihm Ähnliches behandeln. Dem Tier kann seither ein Subjektstatus zuerkannt werden, der gleichzeitig die Identität des Menschen stützt.
Gegenwärtige ethische Fragen, die die Freundschaft zwischen Mensch und Haustier aufwirft, entwirrt Hilal Sezgin mit genauem Blick für den Alltag von Tierfreundinnen und -freunden. Sie kategorisiert sie in vermeidbare und unvermeidbare Konflikte und Aporien. Zudem betont Sezgin, wie stark das Verhältnis von Mensch und Tier mit der Beschaffenheit der menschlichen Gesellschaft, ihren Hierarchien und Strukturen, verknüpft ist.
Die Beiträge vertiefen Inhalte der Ausstellung »Tierisch beste Freunde«. Das Buch wie die Schau wenden sich mit der Beziehung von Haustieren und Menschen einem Gegenstand zu, der in den Geisteswissenschaften und selbst in den zusehends an Präsenz gewinnenden Human-Animal-Studies bisher wenig Beachtung findet. Die auf den ersten Blick konfliktträchtigeren Themen wie Nutztiere im Schlachthof oder wilde Tiere in Zoos und Menagerien wurden bereits eingehender erforscht. Auch in den Sammlungen der großen Museen finden sich Haustiere eher in den Nischen: Für Naturkundemuseen stellen exotische Tiere die spektakuläreren Ausstellungsobjekte dar und in Sammlungen zur Alltagskultur bilden Haustiere oft eine Leerstelle. Ist das, was uns am nächsten ist, zu vertraut und alltäglich, um sich eingehender damit auseinanderzusetzen?
Die Dresdener Ausstellung geht mit seltenen Tierpräparaten, historischen Zeugnissen und zeitgenössischen Kunstwerken dem paradoxen Zusammenspiel von Herrschaft und Freundschaft in der Tier-Mensch-Beziehung nach und verdeutlicht, wie viel wir über Menschen lernen, wenn wir über Haustiere sprechen.
Eine verblüffende Komplizenschaft von Sentimentalisierung, Ästhetisierung und Ökonomisierung wird zu Beginn der Schau deutlich: Zeugnisse von früher Tierliebe und institutionalisierter Zucht stehen sich in der Ausstellung gegenüber und veranschaulichen die Popularisierung der Haustierhaltung im 19. Jahrhundert. Auch die Gegenwart des Haustier-Mensch-Verhältnisses changiert zwischen Zuneigung und Kontrolle: Mit Haustieren wollen wir sprechen und schätzen ihre Sprachlosigkeit. Wir fordern bedingungslose Liebe, aber auch Gehorsam. Doch zugleich erhoffen wir von einem eigenen tierlichen Willen, dass er unsere tägliche Routine aufbricht. Was aber wissen wir darüber, was Tiere wollen? Die Ausstellung findet ihren Abschluss in der Versuchsanordnung eines Perspektivwechsels, der dem Eigensinn der Haustiere auf die Spur kommen möchte. Wie geht es Haustieren eigentlich mit uns? Im Kontext aktueller tierphilosophischer Positionen werden ungewohnte Lebensmodelle entworfen.
Auch im Beitrag von Hilal Sezgin wird die Idee eines alternativen Zusammenlebens von Menschen und Tieren auf freiwilliger Basis entwickelt – eine Auflösung der Grenzen zwischen dem menschlichen Wohnraum und dem tierlichen Lebensraum in der wilden Natur. Diese Utopie ist eine Herausforderung. Sie setzt einen egalitären Umgang mit Tieren voraus, der eng an einen respektvollen Umgang von Menschen untereinander gekoppelt ist. Die »Freundschaft« zwischen Mensch und Tier kann man anzweifeln oder nicht. Das gefühlsbetonte Verhältnis zu dieser besonderen Tiergruppe dient immer dazu, unser Verhältnis zur Tierwelt und zur menschlichen Gesellschaft auf den Prüfstand zu stellen.
Viktoria Krason und Christoph Willmitzer
Iris Därmann
In der westlichen Welt behandeln Haustierhalter ihre Haustiere, Hunde und Katzen vor allem, wie ihre besten Freunde und engsten Familienangehörigen, auch wenn sie durchaus Schwierigkeiten damit haben, Tieren generell einen Personenstatus und quasi-menschliche Eigenschaften zuzuerkennen. Bei ihren eigenen Haustieren machen sie davon jedoch tagtäglich eine Ausnahme. Sie sind ihnen anhänglich zugetan, geben ihnen einen Eigennamen, sprechen und spielen mit ihnen, führen sie täglich mehrfach aus, bedenken sie mit Zärtlichkeiten und Geschenken und scheuen keine Mühen, um ihnen das Leben auf jede erdenkliche Weise angenehm zu gestalten: Mit besonderer Nahrung und Leckereien; im Winter werden die Kleinsten unter ihnen wegen ihrer zarten Konstitution gekleidet; sie werden zum Friseur gebracht, erhalten ärztliche Betreuung und werden bei Operationen anästhesiert, damit ihnen unnötige Schmerzen erspart bleiben. Bei Alleinstehenden treten sie an die Stelle eines Familienmitglieds und ersetzen so menschliche Gemeinschaft, mitunter konfliktfreier und zuverlässiger als es Menschen je tun würden, wie manche vom Leben und von ihren Mitmenschen enttäuschte Haustierbesitzer betonen. So nimmt es nicht wunder, dass man seine Haustiere rituell flankierte Lebensrhythmen wie Hochzeiten oder Bestattungen durchlaufen und Todesanzeigen für sie aufsetzen lässt und um ihren Verlust trauert wie um eine geliebte Person. Ihnen werden freilich auch eigene Gefühle und individuelle Eigenschaften zugemessen. Darüber hinaus betrachtet man sie als in hohem Maße bildwürdig. Tierporträtstudios finden sich inzwischen in allen Städten. Das Internet ist voll von Tierschnappschüssen, die die ganze Welt betrachten soll. Die Vornehmsten unter ihnen können auf eigene Stammbücher zurückschauen, werden in Ausstellungen und Wettbewerben prämiert. Unter keinen Umständen würde es den Haustierhaltern einfallen, ihre Lieblinge zu schlachten und zu essen, wie die aus der industriellen Massentierhaltung und -schlachtung stammenden Tiere. In diesem Kontext sind wir mit einem erstaunlichen affektiven Besetzungsabzug, einer radikal ungleichen Behandlung und der Reduktion der (ehemaligen Haus-, Nutz- und Acker-)Tiere auf tierisches Material zu Zwecken menschlicher Ernährung, ökonomischer und wissenschaftlicher Ausbeutung konfrontiert.1 Zootieren begegnen wir mit distanzierter Achtung oder Langeweile; Versuche an Menschenaffen – Schimpansen, Gorillas und Bonobos – sind verboten; alle Tierversuche an nicht menschlichen Primaten wie den Rhesusäffchen, die im Bereich der Infektionsund Hirnforschung etwa für die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gegen Ebola unternommen werden, sind ohnehin genehmigungspflichtig. Im Unterschied zu tierverbrauchender Forschung mit Ratten oder Zebrafischen rufen sie »in einer Welt wachsender Zuneigung« zu Tieren, angesichts von Bildern von »Äffchen mit Zementklötzen auf dem Kopf« regelmäßig Wellen der Empörung hervor.2
Doch selbst die sentimental gestimmten Mensch-Haustier-Beziehungen sind nicht frei von Ambivalenzen: Hunde werden mit ihren sogenannten Herrchen in Hundeschulen erzogen und im Falle von Verhaltensauffälligkeiten therapiert. Moderne Haustiere werden nicht wie erwachsene Personen angesehen mit eigenen Rechten, Entscheidungsmöglichkeiten, zurechenbarer Verantwortung, sondern im Status ewiger Kindheit fixiert und wie Unmündige und Abhängige behandelt, denen man Befehle wie »Hierher«, »Sitz«, »Aus« und »Pfui« erteilt, die man an der Leine führen muss und in der Öffentlichkeit ungehindert ausschimpfen kann. Man kann sie kastrieren bzw. sterilisieren lassen und ihnen ihre Jungen (ihre Kinder?) wegnehmen. Sie haben kein Selbstbestimmungsrecht, schon gar nicht in sexueller Hinsicht, sondern werden gekauft und verkauft und müssen zum Zeichen ihres fehlenden Selbstbesitzes und zu Identifizierungszwecken eine Hundemarke tragen. Mensch-Tier-Beziehungen sind beileibe keine Privatangelegenheit. Es intervenieren städtische Verwaltungen und Unternehmen: Bei Zuzug oder Neuanschaffung sind Haustiere meldepflichtig, jährlich ist eine Hundesteuer an das zuständige Finanzamt zu entrichten. Ihre Besitzer schließen Tierkrankenversicherungen und Tierhalterversicherungen für sie ab. Allein in Deutschland »haben mehr als 20 Millionen Menschen einen Hund oder eine Katze. Berechnet man noch die vielen Hamster-, [Vogel-] und Kaninchenhalter, die Aquarianer und die Reiter mit ein« – dann »muss die Tierliebe […] ziemlich groß«3 sein, womöglich aber auch ziemlich einseitig. Denn wir wissen nicht genau, was eigentlich die tierlichen Familienmitglieder von der ihnen zugedachten Behandlung halten, auch wenn diejenigen, denen es gelingt, aus menschlicher Gefangenschaft zu fliehen, uns womöglich einen Fingerzeig darauf geben.
Aristoteles hat in der Nikomachischen Ethik eine auf Tugend gegründete Freundschaft (philia) unter Ungleichen und die zwischen Hausherrn und Haustieren zumal für unmöglich erklärt. Zwar könne es Fürsorge geben durch den, der »Pferd, Rind oder Sklave« benutze, nicht aber Freundschaft und Gerechtigkeit. »Denn da gibt es nichts Gemeinsames.«4 Wie konnten wir überhaupt zu Tierfreundinnen und Tierfreunden werden und unsere Zuneigung in unterschiedlichen Affektintensitäten auf Haustiere, Stofftiere, Nutztiere und andere Tiere verteilen? Geht die sentimentale Mensch-Tier-Beziehung mit einer Emotionalisierung der Tiere selbst einher und in welcher Weise muss sie mit der Reduktion bestimmter Tiere auf bloße Nutztiere und Massenschlachtvieh verknüpft werden? Was macht diese Freundschaft aus, die zugleich mit Befehls- und Verfügungsgewalt einhergeht? Auf welche kulturellen Genealogien, Skandierungen und kulturhistorischen Mensch-Tier-Beziehungen weist das eigentümliche Mischungsverhältnis von Herrschaft und Freundschaft zurück, das für die Beziehung zu unseren Haustieren charakteristisch ist?
Der wohl berühmteste antike Hund ist Argos, der Jagdhund des Odysseus, der zwanzig Jahre im Palast von Ithaka auf seinen Herrn warten und ihn bei seiner Rückkehr als Einziger erkennen sollte. Von Ungeziefer zerfressen und auf einem Misthaufen liegend, ist er zu schwach, um sich zur Begrüßung zu erheben; seine Kräfte reichen nur noch, um als Zeichen seines Wiederkennens mit dem Schwanz zu wedeln und kurz darauf zu sterben.5
Wegen seiner ausgeprägten Fähigkeit zur Freund-Feind-Erkennung erfährt der Hund in Platons Politeia als Wächter des Oikos eine Auszeichnung:6 Für Platon ist der Hund kein neutrales politisches Tier, er fungiert vielmehr als nachahmenswertes Modell für die menschlichen Wächter der Polis, die ihrer Natur nach »gegen alle Befreundeten sanft sein und nur dem Feind hart«7 gegenüber aufzutreten haben. Auf der Schwelle des Hauses und an der Grenze der Polis entscheiden tierliche und menschliche Wachhunde über Zugehörigkeit und Unzugehörigkeit. Diese Politik der Freundschaft und der Feindschaft muss nicht eigens angebahnt und gestiftet werden. Sie ist vielmehr bereits entschieden durch denjenigen, der sich der Polis in freundschaftlicher Gesinnung oder feindlicher Absicht, das heißt, in Gestalt des Verwandten oder Fremden, nähert, um von den Wächterhunden entsprechend aufgenommen oder abgewehrt zu werden.
Die Befähigung zur unmittelbaren Freundeserkennung allein und zu dem, was die Freundschaft als Hexis8 ermöglicht, erscheint Aristoteles hingegen für eine Politik der Freundschaft und »die Freundschaft in actu nicht ausreichend«:9 »Ohne Vertrauen gibt es keine beständige Freundschaft; das Vertrauen aber kommt nicht ohne Zeit zustande. Denn man muß erproben können, wie auch Theognis sagt: ›Denn erst dann ist klar, wes Sinnes Mann oder Weib ist, Wenn du sie ernstlich erprobst, wie einen Ochsen im Joch‹.«10 Columella erläutert im Sechsten Buch seiner agronomischen Abhandlung De re rustica die effektive Abrichtung der Ochsen, damit man sie unter das Joch spannen könne: Nachdem man ihn eng an einen Pfahl gebunden hat, zieht man dem Ochsen »die Zunge heraus und reibt das ganze Maul und den Gaumen mit Salz ein, steckt pfundschwere Klumpen stark gesalzenen Fetts in den Rachen und gießt durch einen Trichter einen Schoppen Wein in den Schlund nach. Denn durch diese sänftigenden Maßnahmen werden sie in etwa drei Tagen handzahm und nehmen am vierten das Joch an, mit dem an Stelle der Deichsel ein Ast verbunden wird; zuweilen befestigt man daran auch irgendein Gewicht, um an der vergrößerten Anstrengung die Arbeitswilligkeit des Tieres zu erproben.«11 In diesem Sinne unterstreicht Aristoteles, »daß ein Freund nicht etwas [ist], das man ohne Erprobung und in Tagesfrist bekommt«, sondern das »Zeit braucht. Und so ist der Scheffel ›Salz‹ sprichwörtlich geworden«.12 Aristoteles, der, wie wir schon bemerkt haben, eine auf Tugend und Gerechtigkeit gegründete Freundschaft zwischen freiem Bürger und unfreiem Ackertier für ausgeschlossen hält, empfiehlt jedoch, den gleichgestellten Freund zu traktieren und seine Freundschaft durch gewaltsame Abrichtung auf ihre Plastizität und Wirksamkeit zu prüfen. Die Freundschaft unter das Joch zu spannen, in derselben Weise, in der die Ochsen durch ihre Besitzer zur Arbeit gezwungen werden, verkoppelt den Menschen und das von ihm unterworfene Ackertier unter dem Gesichtspunkt der Fähigkeit und Empfänglichkeit, durch »Leiden zu lernen, die Prüfung der Zeit zu durchlaufen«.13