Tiffany Exklusiv Band 71 - Kate Hoffmann - E-Book
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Tiffany Exklusiv Band 71 E-Book

Kate Hoffmann

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Beschreibung

PALMEN, MEER UND HEIßE NÄCHTE von SUMMERS, CARA Coles erster Kuss geht Pepper nicht aus dem Kopf! Als sie zusammen mit ihrem smarten Kollegen auf der traumhaften Karibikinsel Escapade einen Fall lösen muss, beschließt die schöne Privatdetektivin: Höchste Zeit für einen zweiten Kuss - und mehr … NACHHILFE IN SACHEN SEX von RAYE, KIMBERLY In einem Kurs auf einer tropischen Insel vor Florida will Deanie alles über die Freuden weiblicher Lust erfahren. Doch dann trifft sie auf dem Weg dorthin überraschend ihren Jugendschwarm Hugh wieder, der ihr spontan ein ganz privates Sex-Seminar anbietet … IN HEIßEN SOMMERNÄCHTEN von HOFFMANN, KATE Während der schönsten Sommertage in ihrem geliebten Lousiana bekommt Libby aufregende Briefe: "Ich möchte dich lieben, dir deine geheimen Wünsche von den Augen ablesen. Ich möchte dich berühren, streicheln, spüren und schmecken, dein Duft soll mich erfüllen …" Wie soll sie da dem attraktiven Trey widerstehen?!

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Seitenzahl: 622

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Cara Summers, Kimberly Raye, Kate Hoffmann

TIFFANY EXKLUSIV BAND 71

IMPRESSUM

TIFFANY EXKLUSIV erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage in der Reihe TIFFANY EXKLUSIVBand 71 - 2019 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2006 by Carolyn Hanlon Originaltitel: „When She Was Bad …“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: BLAZE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Tanja Meissner Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe TIFFANY SEXY, Band 55

© 2006 by Kimberly Groff Originaltitel: „Tall, Tanned & Texan“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: BLAZE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Christian Trautmann Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe TIFFANY SEXY, Band 31

© 2004 by Peggy A. Hoffmann Originaltitel: „Hot & Bothered“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: TEMPTATION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sabine Stitz-Schilasky Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe TIFFANY SEXY, Band 12

Abbildungen: Svitlana Sokolova / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733758806

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL

Palmen, Meer und heiße Nächte

PROLOG

Mittwoch, 11. Februar, 21.30 Uhr

Es war die ideale Nacht für einen Einbruch.

Pepper Rossi versuchte, den verrückten Gedanken abzuschütteln, und spähte hinaus in die Dunkelheit. Die Penthouse-Suite, in der sie sich gerade aufhielt, lag im Schatten. Eine Wolkendecke hatte sich vor den Vollmond geschoben, der vor einer Stunde während der Party noch hell geschienen hatte. Pepper konnte sich gut vorstellen, dass gewisse Kreise dies für den perfekten Zeitpunkt für einen heimlichen Abstecher ins obere Stockwerk des Hotels halten würden.

Ihre Tante Irene war ein Profi in Sachen Einbruch und gleichzeitig der Grund für Peppers Sorgen. Als Star der Fernsehsendung „Sind Sie sicher?“, brach Irene Rossi regelmäßig in Häuser von Prominenten ein, um auf mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen aufmerksam zu machen. Irene hatte obendrein ein Motiv, den unschätzbaren Monet zu entwenden, den Pepper derzeit bewachte. Und die Atwells, die die Suite zurzeit bewohnten, waren mit ihren Gästen gerade bei einem Symphoniekonzert, dem eine kleine Feier hier im Hotel vorangegangen war.

Irene würde doch nicht so weit gehen und den Monet tatsächlich stehlen? Leider wusste Pepper, dass ihre Tante sehr wohl dazu fähig war. „Mach dich nicht verrückt“, ermahnte Pepper sich selbst leise, trat von der Balkontür zurück und ging zur nächsten. Sie hatte ein flaues Gefühl im Magen, als wolle der sie vor einer bevorstehenden Katastrophe warnen. Pepper hatte bereits früher Vorahnungen gehabt, jedoch hatten sich diese nicht immer bewahrheitet.

Gut, ihre Tante war heute hier im Hotel auf Atwells kleiner Feier erschienen. Das bedeutete allerdings nicht automatisch, dass Irene das Gemälde stehlen wollte. Die Atwells hatten die Crème de la Crème von San Francisco zu einer Party eingeladen, um den Monet zu präsentieren. Am kommenden Sonntag sollte das Kunstwerk auf einer Charity-Auktion zugunsten eines Kinderkrankenhauses versteigert werden. Unter den Geladenen war auch Peppers Vater gewesen, der für das Amt des Bürgermeisters kandidierte. Ihr Vater war in Begleitung seiner Schwester Irene gekommen. So hatte sich auch die Anwesenheit ihrer Tante auf dem Fest erklärt.

An der Balkontür angekommen, kontrollierte Pepper deren Schloss und spähte nach draußen. Nichts zu sehen. Dennoch machte sie sich wegen ihrer Tante Sorgen. Sie standen sich sehr nahe. Irene war die einzige Rossi, die in den vergangenen Jahren den Kontakt zu Pepper aufrechterhalten hatte. Dadurch wusste Pepper viel über Irenes dreißigjährige, unglückselige Romanze mit dem ehemaligen Ganoven Butch Castellano.

Butch hatte viele Jahre im Gefängnis gesessen. Nach seiner Entlassung war er ein rechtschaffener Mann geworden, der mittlerweile ein Ferienresort in der Karibik leitete. Pepper wusste, dass Butch ein Faible für Kunstwerke französischer Impressionisten hatte und dass er sein Versprechen, Irene nach seiner Haftentlassung in die Karibik mitzunehmen, nicht gehalten hatte. Begründet hatte er dies damit, Irenes nicht würdig zu sein.

Pepper wusste auch, dass Irene sich seine Ausrede sehr zu Herzen genommen hatte. Irene war bereit, ihn davon zu überzeugen, dass sie überhaupt nicht besser war als er.

Würde Irene sich deswegen wirklich zum Diebstahl eines echten Monets hinreißen lassen? Peppers Magen rebellierte bei dem Gedanken. Nervös eilte sie ins Schlafzimmer, um sich zu vergewissern, dass der Monet an seinem Platz war. Das Gemälde stand unverändert auf der Staffelei.

Erleichtert durchquerte Pepper den Raum und kontrollierte die Balkontüren im Schlafzimmer. Verschlossen. Diesen Job würde sie nicht vermasseln. Dies war Peppers große Chance, ihren Brüdern endlich zu beweisen, dass sie eine gute Privatdetektivin war. Immerhin hatte sie ihre Ausbildung mit Auszeichnung abgeschlossen.

Leider erwies sich die Detektivarbeit im wirklichen Leben als völlig anders, als sie erwartet hatte. Testsituationen hatte Pepper in ihrer Ausbildung stets souverän gemeistert. Ihre Karriere bei Rossi Investigations, der jungen Sicherheitsfirma ihrer Brüder, hatte dagegen mehr schlecht als recht begonnen. Die Schuld dafür gab sie Cole Buchanan. Missmutig schritt Pepper aus dem Schlafzimmer. Cole ruinierte alles. Warum musste er auch zur selben Zeit nach San Francisco ziehen und für die Sicherheitsfirma Rossi Investigation arbeiten wie sie? Es war einfach nicht fair. Jedes Mal, wenn sie daran dachte, verspürte Pepper den Wunsch, nach etwas zu treten.

Seit sie sich die sündhaft teuren hochhackigen roten Sandalen gegönnt hatte, die sie gerade trug, widerstand sie diesem Drang. Stattdessen stellte sie sich Cole als Stoffpuppe vor und malte sich genussvoll aus, wie sie eine Nadel in deren Arm stach. Als Rache dafür, dass Cole ihr unter die Haut ging wie kein anderer Mann vor ihm. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, wann immer er in ihrer Nähe war. Und dies von Anfang an, seit sie ihm bei einem der wöchentlichen Familienessen bei ihrem Vater begegnet war.

Eben erst in San Francisco angekommen, war Pepper sorgsam darauf bedacht gewesen, einen guten Eindruck bei ihrer „neuen“ Familie zu machen. Zu Peter Rossis sonntäglichen Abendessen brachte immer jeder etwas mit. Pepper hatte gerade die neue Glasschüssel mit ihrem Pastasalat in den Händen gehalten, als Cole Buchanan in die Küche gekommen war.

Da war es auch schon passiert. Als sich ihre Blicke trafen, durchfuhr es sie, als wäre sie von einem Blitz getroffen worden.

Das Nächste, woran sich Pepper wieder erinnern konnte, war der Anblick der auf dem Boden verstreuten Pasta inmitten einem Scherbenmeer. Als sie sich hingekniet hatte, um das Chaos zu beseitigen, hatte sie sich prompt an einer Glasscherbe verletzt. Ehe Pepper reagieren konnte, hatte Cole sie hochgehoben, auf die Küchentheke gesetzt und begonnen, ihre Hand zu verarzten.

Hatte bereits sein Anblick ihr einen solchen Schlag versetzt, kam seine Berührung ihrer Zerstörung gleich. Coles Nähe weckte in Pepper den sehnlichsten Wunsch, ihn zu küssen – einen Mann, dem sie bis dahin noch nie begegnet war.

Selbst jetzt erinnerte sich Pepper an den Augenblick, als Cole ihr so nahe gewesen war, dass sie seine Augenfarbe, ein faszinierendes Grau-Grün, genau hatte erkennen können. In Gedanken spürte sie wieder seinen warmen Atem über ihre Lippen streichen. Hätte Pepper damals ihr Gesicht nur ein wenig weiter nach vorne geschoben, hätten sich ihre Lippen berührt. Unkontrollierbares Begehren war in ihr aufgewallt; die Sehnsucht nach seiner Berührung hatte sie beinahe überwältigt. Und ließ sie seither nicht mehr los. Zornig bohrte sich in Peppers Gedanken eine weitere Nadel in den anderen Arm der Stoffpuppe.

Wann immer Pepper in Cole Buchanans Nähe war, verspürte sie den Wunsch, ihn zu küssen. Sie war besessen von ihm und kam nicht von ihm los.

Dass Peppers Brüder ihr Cole als Verstärkung zuteilten, wann immer Pepper im Außeneinsatz war, erwies sich als wenig hilfreich. Der einzige Grund, weshalb Cole heute Nacht nicht anwesend war, bestand darin, dass Evan Atwell, der Sohn der Auftraggeber, Peppers Brüdern versichert hatte, dass Pepper sehr wohl imstande sei, diesen Überwachungsjob allein zu erledigen.

Dies war eine weitere Sache, die sie Cole vorwarf: Er hatte ihre romantischen Gefühle für Evan zerstört. Pepper war mit Evan drei Monate lang regelmäßig ausgegangen. Doch sie hatte aufgehört, sich mit ihm zu treffen, weil sie es nicht für anständig hielt, mit ihm anzubandeln, wo sie doch Gefühle für Cole hegte. Auch wenn Pepper entschlossen war, diesen nicht nachzugeben.

In Gedanken suchte Pepper nach einer geeigneten Stelle für eine dritte Nadel, entschied sich für Coles Bein und stellte sich vor, wie sie sie hineinstach.

Cole Buchanan war der letzte Mann auf Erden, zu dem Pepper sich hingezogen fühlen wollte. Sie waren so verschieden wie Tag und Nacht. Zudem war er der beste Freund ihres Bruders Luke. Die beiden hatten gemeinsam das College besucht. Ihre Brüder hatten Pepper und Cole kurz nacheinander eingestellt. Pepper war nach San Francisco gezogen, fest entschlossen, ihrer Familie zu zeigen, was in ihr steckte, und musste nun mit einem Superagenten konkurrieren.

Cole war ein ehemaliger CIA-Agent, sie ein wohlbehütetes Mädchen aus Philadelphia. Er konnte gut mit Waffen umgehen, Peppers Hände dagegen zitterten, wann immer sie eine Waffe in den Händen hielt. Sie schnitt am Schießstand gut ab, glaubte jedoch nicht, die Nerven zu besitzen, jemals eine Waffe auf eine Person richten zu können. Cole war im Nahkampf ausgebildet, Pepper zu einem Karatekurs eingeschrieben. Die Liste ihrer Unzulänglichkeiten im Vergleich zu ihm ließ sich unendlich fortsetzen.

Es war einfach nicht fair. Nicht nur, dass er ihre Romanze mit Evan zerstört hatte, er stand ihr auch im Wege, jemals Partner in der Firma ihrer Brüder zu werden. Warum sollten ihr diese die Partnerschaft anbieten, wenn sie stattdessen Cole haben konnten?

Und obwohl Pepper gerade dabei war, gedanklich eine weitere Nadel in die Stoffpuppe zu bohren, wusste sie, dass der Wunsch, Cole zu küssen, sofort wieder in ihr aufsteigen würde, sobald er in ihrer Nähe war.

Das Mobiltelefon klingelte und riss Pepper aus ihren Gedanken. Hastig zog sie das Handy aus ihrem Blazer. Sie schaute aufs Display und stellte enttäuscht fest, dass ihr ältester Bruder Luke der Anrufer war.

„Alles in Ordnung?“, fragte Luke.

„Alles bestens.“ Abgesehen davon, dass Pepper in Gedanken versunken gewesen war, anstatt sich auf den Monet zu konzentrieren. Mit dem Handy am Ohr, eilte sie schuldbewusst ins Schlafzimmer zurück und stellte erleichtert fest, dass sich das Gemälde an seinem Platz befand.

„Bist du sicher, dass du den Job allein schaffst?“, fragte Luke.

Pepper zog eine Augenbraue hoch. „Evan traut es mir zu.“

„Ich weiß.“ Luke seufzte laut. Pepper kannte dieses Seufzen nur zu gut. Ihre Großmutter hatte geseufzt, wann immer Pepper den Ansprüchen der Pendletons nicht gerecht geworden war. Das war häufig der Fall gewesen.

Als sich ihre Eltern hatten scheiden lassen, war Pepper kaum ein Jahr alt gewesen. Sie war bei ihrer Großmutter in Philadelphia aufgewachsen. Bis vor acht Monaten hatte Pepper nichts von ihren Brüdern gewusst. Sie hätte nie von ihnen erfahren, hätte Tante Irene sie nicht in ihren Briefen an Pepper erwähnt. Als Pepper ihre Großmutter auf ihre Brüder angesprochen hatte, erfuhr Pepper, dass sie und ihre Brüder bei der Scheidung der Eltern getrennt worden waren. Ihr Vater hatte auf das Sorgerecht für sie verzichtet, dafür aber das für die beiden Söhne – Peppers Brüder – zugesprochen bekommen.

Gemäß ihrer Großmutter hatte die Familie ihres Vaters Pepper nicht haben wollen, weil sie angeblich zu sehr nach den Pendeltons – der Familie ihrer Mutter – schlug. „Freu dich darüber. Die wären nicht nett zu dir gewesen“, hatte ihre Großmutter gesagt. Tante Irene hatte Pepper hingegen beteuert, dass ihr Vater nie Kontakt zu seiner Tochter aufgenommen hatte, weil er das Peppers Mutter auf dem Sterbebett versprochen hatte. Bis zu Peppers fünfundzwanzigstem Geburtstag sollte er seine Tochter nicht sehen.

Pepper hatte keine Ahnung, was sie von all dem halten sollte. Wahrscheinlich lag die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

„Es ist gerade Pause, und ich wollte nur fragen, wie es so läuft“, sagte Luke. Pepper wusste jedoch, dass das nur ein Vorwand war. In Wahrheit machte er sich ein wenig Sorgen. Schließlich war Atwells Auftrag für Rossi Investigation sehr wichtig. Wenn die Firma ihn vermasselte, würden die Medien unweigerlich darüber berichten. Nicht gerade förderlich für ein aufstrebendes Unternehmen.

„Die Penthouse-Suite hat zahlreiche Balkontüren. Keine idealen Voraussetzungen für die Überwachung eines unbezahlbaren Gemäldes“, fügte Luke hinzu.

„Ich weiß. Ich bin durchaus in der Lage, diesen Job zu erledigen“, erwiderte Pepper scharf.

„Ist ja schon gut“, beschwichtigte Luke. „Warte mal kurz …“ Für einen Moment hörte Pepper nur gedämpftes Murmeln, dann meldete sich Luke wieder. „Dad möchte wissen, ob Irene bei dir ist.“

Pepper spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. „Ist sie denn nicht bei euch?“

„Sie ist wahrscheinlich irgendwo in der Nähe“, antwortete Luke. „Dad hat sie allerdings lange nicht mehr gesehen. Sie meinte vorhin, Strawinski würde Kopfschmerzen bei ihr auslösen, und hat deshalb den Konzertsaal verlassen. Dad dachte nun, sie sei im Hause der Atwells, um dir Gesellschaft zu leisten.“ Er schwieg kurz. „Hast du meine Nummer als Kurzwahlnummer gespeichert?“

„Du bist die Nummer eins“, versicherte ihm Pepper, eilte jedoch gleichzeitig zu den Balkontüren im Schlafzimmer. Ihre Sorge bezüglich Tante Irene war also berechtigt gewesen! Pepper schaute nach draußen, konnte wegen der Dunkelheit jedoch nichts erkennen. Noch immer war der Vollmond hinter einer undurchdringlichen Wolkendecke verborgen.

„Ruf Cole an, falls du Verstärkung benötigst“, sagte Luke.

Pepper runzelte die Stirn. „Warum?“

„Er ist wahrscheinlich ganz bei dir in der Nähe.“ Luke lachte kurz. „Strawinski bescherte auch ihm Kopfschmerzen, sodass er schnell gegangen ist, um einen klaren Kopf zu bekommen.“

Eine dunkle Vorahnung beschlich Pepper. Sie machte auf dem Absatz kehrt und eilte aus dem Schlafzimmer, den kurzen Gang hinunter zu den Eingangstüren der Suite. Die Symphoniehalle war nur fünf Häuserblöcke vom Hotel entfernt. Cole war doch nicht etwa zurückgekehrt, um sie – Pepper – zu kontrollieren? Ein Blick durch den Spion bestätigte ihren Verdacht. Cole Buchanan stand tatsächlich draußen im Flur und lehnte an der Wand.

Eine Flut von Emotionen stürzte auf Pepper ein: Groll, Eifersucht, Unruhe. Coles Anblick brachte ihren Puls zum Rasen und ihren Körper zum Schmelzen.

Pepper hatte wiederholt versucht, ihre Reaktion auf Cole zu analysieren. Dass er gut aussah, konnte sie nicht abstreiten, sofern man auf einen zerzausten James-Bond-Verschnitt stand. Offensichtlich zählte sie dazu. Es war jedoch nicht nur sein Aussehen, das sie unweigerlich anzog. Pepper hatte entschieden, dass es vielmehr mit seiner Größe zu tun haben musste. Cole schien mehr und mehr Platz einzunehmen, je öfter sie ihn sah. Sogar jetzt war sie sich seiner breiten Schultern und seines großen, subtil muskulösen Körpers fast körperlich bewusst. Nur schwer konnte sie ihren Blick von seinen verschränkten Armen und großen Händen abwenden. Ein sehnsüchtiges Zittern durchlief sie. Jedes Mal, wenn sie seine Hände erblickte oder sich diese vorstellte, fragte sie sich, wie sie sich wohl auf ihrer Haut anfühlen würden. Ihr wurden die Knie bei dem Gedanken weich.

Fast widerwillig löste sich Pepper vom Guckloch und lehnte sich Halt suchend an die Wand. Würden seine Hände ebenso gemächlich über ihren Körper streichen, wie Cole sich auch sonst bewegte? Als ob er alle Zeit der Welt hätte und diese voll auskosten wollte. Peppers Fantasien wurden mit jedem Mal detaillierter und ließen sie erwartungsvoll erschauern.

Cole Buchanan befahl sich, mit dem Träumen aufzuhören, und begann, im Flur ruhelos auf und ab zu schreiten. Was Pepper Rossi betraf, so war er von einer erotischen Fantasie besessen, seit Luke Rossi ihm vor sechs Monaten ein Foto von ihr gezeigt hatte. Seine Faszination hatte Cole damit zu begründen versucht, dass er sich zur gesamten Rossi-Familie hingezogen fühlte. Als Pflegekind hatte Cole bei zahllosen Pflegefamilien gelebt, doch nie zuvor war er einer Familie wie den Rossis begegnet. Als Luke ihn vor zwölf Jahren zum Thanksgiving eingeladen hatte, hatten ihn die Rossis empfangen, als ob er zur Familie gehören würde.

Doch jeder Gedanke, sein Interesse an Pepper hätte vor allem mit ihrer Familie zu tun, war wie ausgelöscht, als er Pepper das erste Mal begegnete. In Erinnerung daran verzogen sich seine Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln. Als er Pepper zum Familienessen bei Peter Rossi eintreffen sah, war er ihr ohne Zögern in die Küche gefolgt. Pepper hatte ihn angeschaut, und ihr Blick hatte ihn durchfahren, als ob ihm jemand in den Magen geboxt hätte. Einen Augenblick lang hatte Cole keinen klaren Gedanken fassen können.

Noch nie hatte ihn eine Frau jemals auf solche Weise fasziniert. Und als Pepper die Pastaschüssel entglitten war, begann er zu ahnen, dass die Anziehungskraft auf Gegenseitigkeit beruhte. Der Verdacht erhärtete sich, als er die Glasscherbe aus ihrer zarten Handfläche entfernte. Pepper hatte bei seiner Berührung gezittert, der Puls an ihrem Hals verräterisch schnell gepocht. Noch nie hatte seine harmlose Berührung eine dermaßen starke Reaktion bei einer Frau hervorgerufen. Fast hätte er sich vergessen und Pepper an Ort und Stelle geküsst.

Sie waren sich noch nicht einmal vorgestellt worden, und sie war obendrein mit einem Freund gekommen. Evan Atwell hätte jeden Moment in die Küche hereinplatzen können. Doch selbst das reichte nicht aus, um ihn von Pepper fernzuhalten. Auch nicht, dass sie die Schwester seines besten Freundes war und sein Annäherungsversuch die Beziehung zur einzigen Familie, die er je gehabt hatte, hätte zerstören können.

Was ihn damals letztlich zögern ließ, war der Gedanke, dass er, wenn er Pepper erst einmal zu küssen begonnen hätte, nicht mehr aufhören könnte. In der Küche von Peter Rossi. Keine andere Frau hatte ihn dermaßen in Versuchung geführt. Nur Pepper.

Cole blickte zu den Eingangstüren der Suite. Er hatte noch nicht geklopft, weil er den richtigen Augenblick abpassen wollte. Wenn er eines im Leben gelernt hatte, dann, dass ein Mann nicht blindlings in unbekanntes Terrain aufbrach, ohne dieses zuvor ausgekundschaftet zu haben. Schon lange beobachtete er Pepper unauffällig, um mehr über sie zu erfahren. Und dies nicht erst, seit ihre Brüder ihn gebeten hatten, sie im Auge zu behalten.

Äußerlich wirkte Pepper fast streng ordentlich und war dennoch unbeschreiblich feminin, vom kurzen dunklen Haar bis hin zum seriösen Anzug. Das Einzige, was von diesem Eindruck abzuweichen schien, waren ihre Schuhe mit Knöchel brechend hohen Absätzen. Heute Abend trug sie sexy rote Riemchensandaletten.

Cole hatte Pepper noch nie in legerer Kleidung gesehen, nicht einmal zu den sonntäglichen Familienessen bei ihrem Vater. Auch hatte er sie noch nie entspannt erlebt oder lachen gehört. Selbst im Kreis ihrer Familie schien Pepper stets um Haltung bemüht. Als ob sie Angst hätte, etwas falsch zu machen.

Cole wusste von ihrer langen Trennung von ihren Brüdern und ihrem Vater sowie von ihrer engen Bindung zu ihrer Tante Irene.

Um mehr über ihre Vergangenheit zu erfahren, war er sogar nach Philadelphia geflogen. Auf den ersten Blick hatte es den Anschein gehabt, dass sie vierundzwanzig Jahre lang im Luxus der wohlhabenden Pendleton-Familie geschwelgt hätte.

Doch der Schein trog. Peppers Großmutter Eleanor Pendleton war ein kalter Fisch und regierte den Familienclan mit der Strenge und Disziplin eines Generals. Pepper hatte Highschool und College mit Bestnote abgeschlossen, dennoch war Eleanor Pendelton nur selten zufrieden mit ihrer Enkelin.

Noch interessanter fand Cole, dass Pepper aus mangelndem Selbstvertrauen in schwierigen Situationen vorgab, eine andere Person zu sein. Pepper selbst hatte ihm dies verraten, nachdem sie einen zahmen Sittich von einem Dach gerettet und sich anschließend gefürchtet hatte, vom Dach wieder hinunterzuklettern. Nachdem Pepper endlich den Mut gefunden hatte, sich in Coles Arme fallen zu lassen, hatte sie ihm gestanden, dass sie sich vorgestellt hatte, sie wäre eine Trapezkünstlerin.

Das war der Tag, an dem es Cole dämmerte. Pepper war mit dem Umzug nach San Francisco nur fertig geworden, indem sie verschiedene Rollen spielte: die gute Tochter, die perfekte Schwester, eine erstklassige Detektivin. Diese Erkenntnis hatte seine Neugier geweckt und ihn bestärkt, die wirkliche Pepper Rossi kennenzulernen.

Cole schob die Hände in die Taschen und betrachtete zum wiederholten Mal die Eingangstüren der Suite. Er hegte keinen Zweifel, dass Pepper ihn mittlerweile entdeckt hatte. Wäre er mit der Überwachung des Monets betraut gewesen, hätte er regelmäßig einen Blick durch das Guckloch geworfen. Wahrscheinlich dachte Pepper, Luke oder Matt hätte ihn als Verstärkung geschickt. Aber das hatten sie nicht getan. Cole war nicht hergeeilt, um Peppers Retter zu sein. Er war gekommen, weil er Pepper Rossi begehrte und beschlossen hatte, seinem Verlangen endlich nachzugeben.

Sechs lange Monate hatte Cole gewartet, und es war die reinste Qual gewesen. Pepper zu sehen und im selben Raum mit ihr zu sein war einer Tortur gleichgekommen. Sein Begehren war ins Unermessliche gestiegen.

Ein Kuss, hatte er sich während des ersten Teils der Symphonie vorgenommen. Ein Kuss, und er würde wissen, ob Pepper in Wirklichkeit genauso aufregend war wie in seiner Fantasie. Natürlich konnte es nicht schaden, sich bei dieser Gelegenheit zu vergewissern, dass der Monet auch sicher war. Aber Cole war Manns genug, sich die Wahrheit einzugestehen: Sein Verlangen nach Pepper Rossi hatte ihn hergetrieben. Er begehrte sie und wollte sie.

Pepper atmete tief durch, stieß sich von der Wand ab und ging langsam ins Wohnzimmer zurück. Jetzt war nicht der geeignete Moment, um in Fantasien über Cole zu schwelgen. Sie musste sich konzentrieren. Sie hatte den Auftrag, auf den Monet aufzupassen, und eine exzentrische Tante, die jeden Augenblick hereinplatzen konnte, um das Gemälde zu stehlen.

Sie reckte sich entschlossen. Falls ihre Tante tatsächlich versuchen sollte, das Gemälde zu stehlen, würde Pepper damit ebenso fertig werden, so wie sie mit all den anderen Herausforderungen in ihrem Leben fertig geworden war. Sie würde einfach vorgeben, jemand zu sein, der kompetenter war als Pepper Rossi.

In den sechs Monaten, seit Pepper in der Firma ihrer Brüder mitarbeitete, hatte sie alle weiblichen Detektivfiguren analysiert, die sie finden konnte: von Nancy Drew über Kinsey Millhone bis hin zu V. I. Warshawski.

Ihre Lieblingsheldin war Nora Charles aus „Der dünne Mann“. Heute Nacht wollte sie Veronica Mars sein, eine junge Heldin, die mit jeder Situation fertig wurde und selbst dann nicht aus der Ruhe zu bringen war, wenn Familienangelegenheiten dazwischenkamen.

Die Person, die Pepper nicht sein wollte, war sie selbst. Ihre Erfolgsbilanz als Pepper Rossi ließ zu wünschen übrig. An erster Stelle auf der Liste ihrer Unzulänglichkeiten stand ihr Versagen als Tochter; wie sonst hätte ihr Vater sie nach seiner Scheidung ihrer Mutter und ihrer Großmutter überlassen können?

Erhobenen Hauptes schritt Pepper ins Schlafzimmer. Als sie durch die Tür trat, bewahrheiteten sich mit einem Schlag all ihre Befürchtungen. Sanftes Kratzen von Metall auf Metall kündigte die herannahende Katastrophe an. Kurz darauf öffnete sich die Balkontür, und Irene Rossi trat in den Raum.

Kein Alarm ertönte.

Pepper stellte sich ihrer Tante in den Weg und überlegte fieberhaft, welche Heldin sie jetzt sein wollte. Nora Charles würde sich in einer solchen Situation einen Martini einschenken.

„Tante Irene.“ Pepper versuchte ein Lächeln. „Wie nett, dich zu sehen. Möchtest du einen Drink?“

Irene warf ihr einen kühlen Blick zu. „Du bist doch ein intelligentes Mädchen, Pepper. Also weißt du, dass ich nicht wegen eines Drinks gekommen bin. Ich bin wegen des Monets hier.“

Okay, Nora Charles schien fehl am Platz. Pepper hob abwehrend die Hände und versuchte sich in der Rolle der stets vernünftigen Veronica Mars. „Das ist keine gute Idee.“

„Es ist die beste, die ich je hatte. Ich habe dreißig Jahre gewartet, bis Butch Castellano aus dem Gefängnis entlassen wurde.“ Irene ballte ihre Hände zu Fäusten und stampfte mit dem Fuß auf. „Und nun hat er beschlossen, sein Leben auf irgendeinem Inselparadies ohne mich zu verbringen! Ha! Dazu wird es nicht kommen!“

Pepper suchte nach den richtigen Worten, aber alles, was sie vorbringen konnte, war: „Kein Mann ist es wert, seinetwegen ein Verbrechen zu begehen.“

Irene lachte und tätschelte leicht Peppers Arm. „Du bist dem Richtigen nur noch nicht begegnet. Als ich Butch das erste Mal sah, wusste ich sofort, dass er der einzige Mann für mich sein würde. Doch wegen meiner eigenen Zweifel und gut gemeinter Ratschläge anderer Leute ließ ich mir eine gemeinsame Zukunft ausreden. Diese Fehlentscheidung werde ich nun korrigieren. Außerdem stehle ich das Gemälde nicht, ich borge es mir nur für einige Tage aus, um meinen Standpunkt klarzumachen. Ich werde Butch den Monet zum Valentinstag überreichen. Das wird ihn überzeugen. Tief in seinem Innersten ist er ein romantischer Mann. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum er zu diesem unsinnigen Schluss gekommen ist, er wäre nicht gut genug für mich. Aber keine Sorge, er würde den Monet nie behalten.“

„Wie kannst du dir da so sicher sein?“

„Butch will nicht mehr straffällig werden. Er ist mittlerweile ein rechtschaffener Geschäftsmann, der ein Vermögen im Aktienhandel gemacht hat.“

Pepper war gerührt, als sie den Stolz in der Stimme ihrer Tante vernahm. Wann immer Irene von Butch sprach, strahlte sie, und ihre Stimme wurde weich. Eine innere Stimme warnte Pepper, dass ihrer Tante eine schwere Enttäuschung bevorstand. Was, wenn Butch nur vorgab, Irene sei nicht gut genug für ihn, er sie in Wahrheit aber gar nicht mehr liebte?

„Sorge dich nicht um den Monet.“, sagte Irene, „In vierundachtzig Stunden erhältst du ihn wohlbehalten zurück und kannst ihn seinen Eigentümern übergeben. Du wirst als Heldin gefeiert, deine Brüder werden dir ewig dankbar sein, und ich werde glücklich bis an mein Lebensende im Paradies leben.“

Pepper überlegte verzweifelt. Das von Irene beschriebene Szenario könnte die Story für einen guten Film abgeben, doch das wirkliche Leben verlief selten wie im Film. „Was, wenn Butch anders reagiert?“

Irenes Augen wurden schmal. „Er wird sich so verhalten, glaube mir.“

„Du könntest im Gefängnis landen.“

„Keine Sorge. Ich habe einen Notfallplan.“

Pepper wünschte, sie hätte auch einen solchen. Ihre Waffe ziehen würde nichts bringen. Ihre Tante würde nur lachen, hatte sich doch Pepper wiederholt bei ihr beklagt, im Grunde ihres Herzens ein Feigling zu sein, wenn es darauf ankam, eine Waffe auf eine Person zu richten. Verzweifelt versuchte Pepper einen Bluff. „Ich bin nicht allein. Cole ist hier.“

„Nein, ist er nicht. Ich habe durch die Balkontüren in die Räume geschaut. Nebenbei bemerkt gibt es viele Balkontüren. Deine Brüder hätten den Atwells nie erlauben dürfen, das Gemälde hier ausgesuchten Gästen zu präsentieren. Die Atwells fordern den Raub des Gemäldes geradezu heraus.“

„Mir ist es ernst, Tante Irene. Cole steht vor der Suite. Er könnte jeden Augenblick hereinplatzen.“

„Dann muss ich mich eben beeilen, nicht wahr?“ Irene lief an Pepper vorbei und hob das Gemälde von der Staffelei.

Bevor sich Pepper eine neue Taktik überlegen konnte, läutete es an der Tür. Pepper schrak zusammen. „Das ist Cole.“

„Geh und lenk ihn ab.“

„Und wie soll ich das – bitte schön – machen? Er ist hier, um mich zu kontrollieren. Niemand traut mir die Überwachung eines wertvollen Gemäldes zu. Cole wird geradewegs hier hereinstürmen.“

Irene warf ihr einen verärgerten Blick zu. „Wende einfach einen uralten Trick an: Küss ihn einfach. Das wird ihn ablenken. Ich benötige nur fünf Minuten.“

„Fünf Minuten. Tante Irene …“

„Du willst ihn küssen, nicht wahr?“

Pepper öffnete den Mund, um zu antworten – nicht sicher, ob sie widersprechen oder zustimmen wollte. Irene wartete Peppers Antwort nicht ab, sondern war bereits an der Balkontür.

Die Türglocke ertönte erneut.

„Geh!“ Irene hatte sich zu Pepper umgedreht. „Zeit ist der entscheidende Faktor. Ich bin nicht die Einzige, die den Monet stehlen will. Auf dem Dach bin ich einem Mann begegnet, der offensichtlich auch an dem Bild interessiert ist. Wenn ich das Gemälde an mich nehme, bekommen die Atwells es wenigstens wieder zurück.“

„Ein anderer Mann? Wer?“, hakte Pepper sofort nach.

„Ich habe ihn nicht nach seinem Namen gefragt, sondern ihn mit einem Beruhigungsmittel betäubt.“

„Betäubt?“

„Ich habe immer etwas dabei, wenn ich für meine Fernsehshow unterwegs bin – für den Fall, dass ich einem unfreundlichen Hund über den Weg laufe.“

Die Türglocke ertönte ein drittes Mal. Pepper wusste, dass ihr keine Zeit mehr blieb und sie eine Entscheidung treffen musste. Da sie auf ihre Tante nicht gut eine Waffe richten konnte, sah Pepper keine Möglichkeit, sie aufzuhalten.

„Beeil dich!“, drängte Irene. „Ich benötige etwas Zeit, um auf das Dach zu klettern.“

Pepper wandte sich um und eilte aus dem Schlafzimmer. Sie schloss die Tür hinter sich und lief zur Eingangstür. Ein schneller Blick durch den Spion bestätigte ihr, dass es tatsächlich Cole war, der vor der Tür stand. Sobald sie ihn hereinließ, würde er umgehend nach dem Monet sehen wollen. Irenes Rat ließ sie nicht mehr los. Küss ihn einfach. Küss ihn. Küss ihn einfach.

Sie entriegelte das Schloss und öffnete die Tür.

Cole ließ seinen Blick durch die Suite schweifen. „Ist alles in Ordnung?“

„Alles bestens.“ Zu ihrem Entsetzen klang sie nicht überzeugend. Selbst in ihren Ohren hörte sich ihre Stimme unnatürlich hoch an.

Cole runzelte die Stirn. „Was ist los?“

Als er an ihr vorbei in Richtung Schlafzimmer drängte, versuchte Pepper, Irenes Rat zu ignorieren, und sagte das Erste, das ihr in den Sinn kam: „Es liegt an dir.“

Cole ging unbeirrt weiter.

Später würde Pepper überlegen, was sie dazu gebracht hatte, es zu tun. Es war nicht nur der verzweifelte Wunsch gewesen, ihrer Tante zu helfen. Es war mehr.

Sie eilte ihm nach, griff nach seinem Arm und zog daran, bis Cole sich nach ihr umdrehte. „Du willst wissen, was mit mir los ist? Ich habe es satt, was du mich fühlen lässt.“

Cole betrachtete sie aufmerksam. „Was lasse ich dich denn fühlen?“

Peppers Herz hämmerte. Ihre Gedanken rasten. Gleich würde sie zu hyperventilieren beginnen. „Es hat in Peters Küche angefangen. Jedes Mal, wenn du in meiner Nähe bist, kann ich an nichts anderes mehr denken als daran, dich zu küssen. Ich will, dass das aufhört. Vielleicht sollten wir es einfach tun, um diesen Zustand zu beenden.“

Pepper sah in seinen Augen Überraschung aufblitzen. Sie war selbst erstaunt über sich. Sie hatte keine Ahnung, woher sie die Worte genommen hatte. Und wusste nicht, wie sie sie wieder zurücknehmen konnte.

Hätte Pepper Rossi ihm ins Gesicht geschlagen, wäre Cole Buchanan nicht überraschter gewesen. Er hatte gewusst, dass sie intelligent war. War sie etwa auch Hellseherin? Hatte sie durch den Spion seine Gedanken lesen können?

Sein Verstand warnte ihn, dass sie etwas im Schilde führte. Doch er ignorierte die Warnung und machte einen Schritt auf Pepper zu, bis sie einander fast berührten.

Pepper begann leicht zu zittern. Ihre Augen verrieten ihm, dass es nicht aus Furcht war. Ihr Blick offenbarte Leidenschaft und Nervosität, dieselben Gefühle, die auch ihn zu überwältigen drohten. Cole zögerte. Das war es doch, weshalb er gekommen war, oder? Sein Instinkt warnte ihn, dass alles zu glatt gelaufen war. Konnte er Pepper vertrauen?

„Willst du mich nicht küssen?“ Pepper wartete Coles Antwort nicht ab. Stattdessen trat sie nah an ihn heran, legte ihm die Hände auf die Schultern, stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte sich ihm entgegen. Cole nahm zuerst Peppers betörenden Duft wahr, der ihn an heiße, tropische Nächte denken ließ. Ihre großen bernsteinfarbenen Augen fielen ihm als Nächstes auf. Als er seinen Blick auf ihre Lippen senkte, hörte er auf zu denken. Ihre Lippen waren halb geöffnet, einladend feucht und erwartungsvoll.

Ein letzter Funken Vernunft warnte ihn. Die Pepper, die er in den letzten Monaten kennengelernt hatte, war stets wachsam und vorsichtig in seiner Nähe gewesen. Diese Frau war … Plötzlich dämmerte es ihm. Sie spielte eine Rolle!

„Du gibst vor, jemand anderes zu sein“, stellte Cole fest.

„Was?“ Peppers Augen weiteten sich erstaunt.

Bingo. „Du spielst eine Rolle. Ich möchte wissen, wen ich küssen werde.“

Pepper senkte den Blick. „Ich wollte Angelina Jolie sein. Ich nahm an, sie würde deinem Typ am ehesten entsprechen.“

Coles Mundwinkel zuckten belustigt. Er streckte die Hand aus und strich mit dem Daumen zart über ihre volle Unterlippe.

„Weit gefehlt. Ich habe noch nie von Angelina Jolie geträumt. Was, wenn ich dir gestehen würde, dass ich gekommen bin, um dich zu küssen? Dass ich dich küssen will, seit du die Pastaschüssel fallen gelassen hast?“

Pepper stockte der Atem. Ihr Blick verriet Überraschung und aufkeimendes Verlangen. Zufrieden über ihre Reaktion umfasste Cole ihr Gesicht. Nur unterschwellig registrierte er, dass ihre Haut weicher und ihr Haar seidiger war, als er sich vorgestellt hatte. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf ihren Mund gerichtet.

Langsam beugte er sich hinunter und strich mit seinen Lippen über ihre. Es war mehr eine sanfte Berührung als ein Kuss, doch reichte diese aus, um sein Verlangen zu schüren.

Nur widerstrebend löste sich Cole von Pepper. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als wollte sie ihn nochmals kosten. Ihm wurde heiß. Auch ihm reichte die Berührung nicht. Er wollte mehr. Unfähig, Pepper zu widerstehen, strich Cole erneut mit der Zunge über ihre Unterlippe und zog sie in den Mund, um genussvoll daran zu saugen. Peppers Augen verdunkelten sich vor Leidenschaft, an ihrer Schläfe konnte er ihren rasenden Puls fühlen.

Er begehrte sie mit einer Intensität, die ihn erschreckte. Nur ein Kuss, sagte er sich. Schließlich hatten sie einen Job zu erledigen. Aber ein Kuss reichte aus, um seinen Vorsatz ins Wanken zu bringen. Peppers Geschmack ließ Cole alles um sich vergessen. Er hatte sich vorzustellen versucht, wie sie schmecken würde, doch ihr wahrer Geschmack überwältigte ihn. Sie war süßer als die Sünde. Er konnte nicht genug von Pepper bekommen. Je tiefer er in ihren Mund drang, desto samtener umfing sie ihn.

Peppers Reaktion war ebenso unerwartet wie betörend. Ihre Nägel gruben sich tief in seine Schultern, und ihr Mund war ebenso begierig und unersättlich wie seiner. Cole hatte ihre unterdrückte Leidenschaft unter ihrem förmlichen Äußeren erahnt, doch dies war mehr, als er erwartet hatte. Als er ihren Po mit seinen Händen umfasste, umfing sie ihn mit ihrem ganzen Körper: Sie legte ihm die Arme um den Hals und schlang die Beine um ihn.

Was ihn am meisten überraschte, war seine Reaktion auf sie. Wie sich ihr zierlicher, fester Körper an seinen drängte, wie sie rau seinen Namen rief, das alles entfachte eine ungeahnte Leidenschaft in ihm. Sein Blut war noch nie dermaßen in Wallung geraten. Und die Selbstbeherrschung hatte er auch noch nie verloren. Bis jetzt. Er fühlte bereits, wie ihm sein eiserner Wille abhandenkam. Als sich Pepper leidenschaftlich an ihn presste, war es um ihn geschehen.

Er wollte sie, und er würde sie haben. Jetzt. Während sie sich in Richtung Schlafzimmer bewegten, verfestigte sich die Gewissheit in ihm. Stürmisch drückte er Pepper gegen die Tür und glitt mit den Händen über ihre weiblichen Rundungen. Zielstrebig öffnete er ihre Hose, dann seine.

Als er sie vollständig von ihrer Hose befreit hatte, glomm ein letzter Funken Vernunft auf und erinnerte ihn vage an den Monet und ihren Job.

„Das Gemälde“, murmelte er und hob sie hoch. „Komm, wir machen im Schlafzimmer weiter, wo auch der Monet ist.“

Er hielt sie fest an sich gepresst, als er die Tür öffnete. Und blieb regungslos auf der Schwelle stehen. Selbst in der Dunkelheit konnte er erkennen, dass die Staffelei leer war und die Balkontür weit offen stand.

Sein Verlangen erlosch abrupt. Als er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, wusste Cole eines mit Sicherheit: Er hielt den Komplizen des Kunsträubers in den Armen.

1. KAPITEL

Freitag, 13. Februar, 12 Uhr

Pepper sah sich suchend auf Escapades kleinem Flughafen um, doch vergebens. Keine Spur von Irene oder dem Monet. Die Aussichten, als erfolgreiche Detektivin heimzukehren, waren nicht rosig.

Dieses Mal konnte sie nicht Cole Buchanan die Schuld für ihre Situation geben. Was geschehen war, hatte sie allein zu verantworten. Sie war ihrem Instinkt gefolgt und hatte nicht an die Konsequenzen gedacht.

Nicht nur, dass sie Cole geküsst hatte, sie hatte obendrein ihrer Tante geholfen, einen echten Monet zu stehlen. Und nun hatte sie die Spur verloren.

Langsam bahnte sich Pepper einen Weg durch die Menschenmenge. Und ignorierte die quälenden Kopfschmerzen, die sie seit der unseligen Nacht plagten.

Die Beschattung von Personen gehörte zu ihren Spezialgebieten. Dennoch hatte sie Irene am Flughafen von Miami aus den Augen verloren. Pepper war nicht in Verzweiflung ausgebrochen, da sie angenommen hatte, ihre Tante würde den Anschlussflug nach Escapade nehmen. Den letzten freien Sitzplatz im Flugzeug nach Escapade hatte jedoch ein großer Mann mit Spitzbart und Baskenmütze kurz vor Abflug eingenommen.

Pepper musste herausfinden, warum Irene nicht in dem Flieger gewesen war. Zunächst hatte sie angenommen, ihre Tante hätte sie auf dem Flughafen von Miami vielleicht entdeckt und ihre Pläne kurzfristig geändert. Doch das ergab keinen Sinn. Peppers Verkleidung war perfekt. Sie trug eine blonde Perücke und Jeans. Irene hatte sie noch nie in Jeans gesehen. Schließlich war Pepper jahrelang eingebläut worden, dass wohlerzogene Damen keine Jeans trugen. Ihre Großmutter hatte sie zu einer Lady formen wollen, wie ihre Mutter eine gewesen war. Es hatte nicht funktioniert.

Pepper wünschte sich, sie könnte sich an ihre Mutter erinnern. Ihre Großmutter hatte ihr erzählt, wie untadelig ihre Mutter sich stets verhalten hatte. Pepper hatte nicht den Mut aufgebracht, ihre Geschwister oder ihren Vater nach ihr zu fragen. Sie hatte vorgehabt, es zu tun, sobald sie sich bei den Rossis wohlfühlte.

Als sie ihr Spiegelbild im Fenster erblickte, erkannte Pepper sich bis auf die hochhackigen roten Sandaletten kaum wieder. Runde goldene Ohrringe, eine Sonnenbrille, wie Jackie Onassis sie getragen hatte, und eine schwarze Beuteltasche vervollständigten ihr Outfit. Es war unmöglich, dass Irene sie erkannt hatte. Und wenn doch, hätte sie ihre Pläne dennoch nicht geändert. Aus Irenes zahlreichen Briefen kannte Pepper die Zielstrebigkeit ihrer Tante. Nur dank ihrer Entschlossenheit hatte es Irene schließlich zu einer eigenen Fernsehsendung gebracht. Wenn Irene entschlossen war, Butch Castellano zum Valentinstag den gestohlenen Monet zu überreichen, konnte nichts und niemand sie davon abhalten.

Zum Glück hatte Evan Atwells Mutter bislang von einer Anzeige abgesehen. Sie wollte die Charity-Auktion nicht gefährden und hoffte, das Gemälde bis dahin wiederzuhaben. Zu viel Zeit und Planung waren bereits in das Vorhaben geflossen. Althea Atwell hatte Rossi Investigations eine Frist bis Sonntag, dem Tag der Auktion, gesetzt, um den Monet wiederzubeschaffen. Andernfalls drohte sie mit einer Klage. Wenn der Diebstahl bekannt würde, wäre das für den Ruf der Firma fatal.

Luke und Matt hatten Pepper keinen Vorwurf gemacht, aber ihre Enttäuschung war unübersehbar gewesen. Ihre Brüder hatten sie überredet, ein paar Tage freizunehmen. Im Klartext bedeutete dies, dass sie Peppers Hilfe nicht wollten. Pepper konnte es ihnen nicht verübeln.

Sie hatte niemandem von Irenes Beteiligung am Diebstahl erzählt, weder der Polizei noch ihren Brüdern. Hätten Luke und Matt davon gewusst, hätten sie ihre Tante von ihrem Vorhaben abgehalten. So sehr Pepper ihre Brüder auch liebte, sie war nicht fähig, Irene zu schaden. Doch im Gegensatz zu ihrer Tante war Pepper nicht gänzlich von Butch Castellanos Rechtschaffenheit überzeugt. Wenn nötig, wollte sie persönlich dafür sorgen, dass das Gemälde bis Sonntagabend wieder in San Francisco war. Deshalb hatte sie entschieden, ihrer Tante in die Karibik zu folgen.

Pepper sah auf die Uhr und nahm erstmals bewusst das Datum wahr. Mit einem dumpfen Gefühl realisierte sie, dass es Freitag, der Dreizehnte war. Kein Wunder, dass sie ihre Tante aus den Augen verloren hatte! Ihre Pechsträhnen kamen für gewöhnlich im Dreierpack; aus Erfahrung musste sie somit mit zwei weiteren Katastrophen rechnen.

Sie schaute sich um und bemerkte, dass die meisten Passagiere zu zweit reisten. Nicht überraschend, galt Escapade doch als Paradies für Verliebte. Morgen war zudem Valentinstag.

Pepper hatte derzeit keine Beziehung. Eigentlich seit geraumer Zeit nicht mehr, schaute man von ihrem Ausrutscher vor zwei Nächten ab, als sie sich beinahe in eine Affäre mit Cole gestürzt hatte.

Bis auf eine kurze Romanze auf dem College hatte sie nicht viel Erfahrung in Liebesdingen. In Philadelphia war sie mit Junggesellen ausgegangen, die von Peppers Großmutter sorgfältig ausgewählt worden waren. Nie hatte es gefunkt. Und obwohl sie sich mit Evan Atwell fast sechs Monate lang regelmäßig getroffen hatte, war ihre Beziehung nie über die platonische Ebene hinausgegangen.

Nach drei Monaten hatte sie die Beziehung beenden wollen. Evan hatte jedoch darauf bestanden, sich weiterhin mit Pepper zu verabreden. Sie hatte angenommen, dass er nicht den Mut aufbrachte, seine Mutter über ihre Trennung zu informieren. Aus Selbstschutz hatte sie sich weiterhin mit ihm getroffen: Denn solange sie offiziell mit Evan zusammen war, musste sie sich nicht mit ihren Gefühlen für Cole auseinandersetzen.

Es bedurfte keiner detektivischen Meisterleistung, ein Muster in ihren Beziehungen zu erkennen. Es war die Geschichte ihres Lebens. Sie war unfähig, Bindungen einzugehen. Infolge dessen hungerte sie nach Zärtlichkeit.

Und dies, gestand sie sich ein, war der Grund für ihre körperliche Reaktion auf Cole. Sie begehrte ihn. Daher auch der leidenschaftliche Ausbruch vor zwei Tagen.

Pepper runzelte die Stirn. Sie dachte schon wieder an den Kuss! Und konnte nicht aufhören, sich auszumalen, wie es wohl weitergegangen wäre, hätte Cole nicht das Verschwinden des Monets bemerkt. Doch sie musste sich auf die Gegenwart konzentrieren. Der Monet war weg, und sie hatte ihre Tante aus den Augen verloren.

Eine Fortsetzung der Romanze schien ohnehin nicht in Aussicht. Sie hatte Cole seit jener Nacht nicht gesehen. Er war nicht im Büro gewesen und hatte sie auch nicht angerufen.

Der Kuss schien ihm nichts bedeutet zu haben.

Verdammt! Sie dachte schon wieder daran. Schon der Gedanke versetzte sie in helle Aufregung. Zum Glück hatte sie San Francisco verlassen. Pepper wusste nicht, wie sie reagiert hätte, wäre sie Cole über den Weg gelaufen. Zu sehr fürchtete sie, erneut die Kontrolle zu verlieren.

Denk nicht mehr daran. Du hast einen wichtigen Job zu erledigen, ermahnte sie sich. Entschlossen reckte sie sich. Sie benötigte Informationen. Irene war nicht im Flugzeug gewesen. Vielleicht hatte sie den Flug verpasst und nahm den nächsten Flieger nach Escapade. Ihre Tante war einfallsreich. Ein verpasster Flug würde sie nicht von ihren Plänen abbringen.

Durch eine Passage gelangte Pepper in das Hauptterminal. Überall blühten exotische Blumen; ein reizvoller Duft lag in der Luft. Durch eine Glaswand konnte sie das Meer sehen. Pepper war überwältigt.

Sie war noch nie auf Escapade gewesen. Im Landeanflug hatte sie einen ersten Eindruck von der Insel gewinnen können. Eine blaue Lagune schlängelte sich tief in die Insel, die zum größten Teil von Palmen bewachsen war.

Es war jedoch das Meer, das ihren Blick gefesselt hatte. Noch nie hatte sie ein solches Türkisblau gesehen. Selbst jetzt konnte sie sich nur mühsam vom Ausblick abwenden, um sich im Terminal umzusehen.

Hinter einem freien Schalter mit der Aufschrift „Willkommen auf Escapade, der Insel der Leidenschaft“ entdeckte sie einen jungen Mann. Sie eilte zu ihm. Als er sie bemerkte, begrüßte er sie freundlich.

„Willkommen auf Escapade, Miss! Mein Name ist Garibaldi, kurz Gari.“ Er lächelte sie an. „Wie gefällt Ihnen unsere Insel?“

„Sie ist traumhaft schön.“ Pepper lächelte zurück. Seine Stimme hatte einen melodischen Klang, und er sprach mit leichtem Akzent, den sie nicht gleich zuordnen konnte. „Sind Sie von der Insel?“

„Nein, ich bin aus Miami. Mein Freund Reynaldo führt eine Boutique im Hotel, sodass ich ihm nachgefolgt bin. Mittlerweile hat mich Escapade in ihren Bann gezogen. Warum sollte ich das Paradies verlassen?“ Er zwinkerte ihr zu.

Pepper schaute aufs Meer hinaus. „Es ist unglaublich schön, fast wie im Film.“

„Viel besser! Ich versichere Ihnen, hier ist alles echt. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“

„Meine Tante hat den Flug aus Miami versäumt.“

„Keine Sorge.“ Gari lächelte zuversichtlich. „Der nächste Flieger landet morgen um die gleiche Zeit.“

„Erst morgen wieder?“

„Es gibt nur einen täglichen Flug vom Festland.“

„Das ist … ich … sie muss aber heute noch ankommen!“

„Sie werden sehen, morgen ist genauso gut wie heute. Auf Escapade gehen die Uhren anders. Viel gemächlicher, nicht so hektisch wie auf dem Festland.“

„Morgen ist definitiv ein Problem.“ Das ist also die zweite Katastrophe an diesem Freitag, dem dreizehnten, dachte Pepper. „Andernfalls muss ich nach Miami zurück, um meine Tante zu finden.“

„Der heutige Rückflug ist restlos ausgebucht. Es gibt bereits eine Warteliste.“

„Aber meine Tante … sie kann nicht bis morgen warten.“

„Seien Sie unbesorgt, Miss. Was auf dem Festland wichtig erscheint, verliert auf Escapade an Bedeutung. Gehen Sie am Strand spazieren, und Sie werden verstehen, was ich meine.“

Pepper sah auf das Meer hinaus. Sie sehnte sich danach, aus ihren Sandaletten zu schlüpfen und am Strand barfuß zu laufen. Doch sie durfte der Versuchung nicht nachgeben. Sie musste den Monet wiederfinden. „Das klingt wundervoll, aber …“

„Es klingt wirklich vielversprechend.“

Pepper zuckte zusammen. Cole! Seine Stimme würde sie überall erkennen. Sie war der Panik nahe. Weglaufen würde nichts nützen. Escapade war eine kleine Insel. Sie würde nicht weit kommen.

„Eine weise Entscheidung“, sagte er leise, als ob er ihre Gedanken erahnt hätte, und umfasste ihren Arm.

Die Berührung ließ sie erschauern. Pepper unterdrückte die aufsteigende Erregung und überlegte angestrengt. Offensichtlich hatte er sie trotz ihrer Verkleidung erkannt. Was sagte man zu einem Mann, mit dem man beinahe geschlafen hätte? Dem sie sich hingegeben hätte, wäre nicht der Monet verschwunden. Und den sie immer noch begehrte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Was für ein Zufall …“

„Sie kennen sich?“, fragte Gari.

„Ja“, antworteten Cole und Pepper gleichzeitig.

„Das ist ja wundervoll! Eine hübsche Lady sollte nicht alleine auf Escapade sein, ganz besonders nicht an diesem Wochenende.“ Er reichte Cole zwei Tickets. „Diese gelten für zwei Freigetränke am Poolcafé. Schauen Sie heute Abend vorbei, da habe ich dort Dienst.“ Er zwinkerte Cole zu. „Am Valentinstag sollte man keine Lady alleine lassen.“

„Das wird sie nicht sein“, sagte Cole.

Peppers Gedanken rasten. Was tat Cole hier? Eines wusste sie mit Sicherheit – die Antwort darauf würde ihr nicht gefallen. Sie nahm all ihren Mut zusammen und hob den Kopf, um ihn anzusehen.

Seine Miene war ausdruckslos. Seine Augen konnte man hinter einer dunklen Sonnenbrille nicht erkennen. „Gehen wir?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, führte er sie zum Ausgang.

Soeben war die dritte Katastrophe eingetroffen. Das bedeutete doch hoffentlich, dass ihre Pechsträhne an diesem Freitag, dem dreizehnten, zu Ende war, oder?

Cole bewunderte widerwillig Peppers Mut. Für einen Moment war er sicher gewesen, dass sie weglaufen würde. Aber das hatte sie nicht getan. Auch hatte sie keine Szene vor Gari gemacht. Sie hatte nicht protestiert, als er sie aus dem Flughafengebäude geführt und ihr in das gemietete Cabrio geholfen hatte. Pepper Rossi hatte Klasse. Das war eines der Dinge, die ihm an ihr gefielen. Selbst mit ihrer blonden Perücke und in ihren engen Jeans hatte er sie unter den ankommenden Passagieren sofort erkannt. Ihre zierliche Figur und ihre hochhackigen Sandaletten hatten sie verraten. Außerdem war sie einer der wenigen Passagiere gewesen, die alleine reisten.

Doch er hätte sie auch dann erkannt, wenn er nicht nach ihr Ausschau gehalten hätte. Sein Körper reagierte auf ihre Nähe und würde sie überall entdecken.

Sogar jetzt und trotz der Tatsache, dass sie offensichtlich in einen Diebstahl verwickelt war, begehrte er sie.

Cole vermutete, dass Evan Atwell Peppers Komplize war. Nach reiflicher Überlegung war er zum Schluss gekommen, dass dies die einzige logische Erklärung sein konnte. Er kannte vielleicht nicht alle Details, doch alles andere ergab keinen Sinn. Schließlich zählte Gier zu den Hauptmotiven für ein Verbrechen. Die Versicherung für das gestohlene Gemälde zu kassieren und gleichzeitig den Monet auf dem Schwarzmarkt an einen Privatsammler zu verkaufen, das machte den Diebstahl besonders lohnenswert.

Eine ganze Reihe an Indizien belasteten Evan und Pepper. So war es Evan gewesen, der darauf bestanden hatte, dass Pepper die alleinige Überwachung des Monets übernahm. Dann war da noch Peppers aufreizendes Verhalten, als er in die Suite gekommen war. Was auch immer seine Absichten gewesen waren, es war eindeutig Pepper gewesen, die die Initiative ergriffen hatte. Dass Pepper und Evan Atwell unmittelbar nach Verschwinden des Monets einen Flug auf eine Insel gebucht hatten, die einem privaten Kunstsammler französischer Impressionisten gehörte, erhärtete Coles Verdacht.

Cole warf Pepper einen kurzen Blick zu. Sie mochte unschuldig aussehen, doch er hegte keinen Zweifel, dass sie am Diebstahl beteiligt war. Pepper Rossi war bekannt dafür, sich in Schwierigkeiten zu bringen, doch dieses Mal hatte sie sich selbst übertroffen. Und sie hatte es für einen anderen Mann getan.

Der Gedanke machte ihn rasend. Er begehrte sie. Er hatte ihre Leidenschaft einmal gekostet und wollte mehr. Und er würde mehr bekommen. Was auch immer Pepper zu dem Kuss bewegt haben mochte, ihre Reaktion war echt gewesen. Sie begehrte ihn ebenfalls.

Cole trat auf die Bremse des Wagens, um einen alten Mann mit einer Kuh über die Straße zu lassen. Währenddessen blickte er zu Pepper und betrachtete sie mit widerwilliger Anerkennung. Ihre Verkleidung war hervorragend. Er hatte sie nie anders als konservativ gekleidet gesehen. Selbst ihr Schmuck war stets dezent und passend zu ihrer geschäftsmäßigen Kleidung.

Für jede andere Frau hätte er sich eine Strategie überlegt. Darin hatte er viel Übung. Sich ständig neue Strategien zuzulegen war als Pflegekind nötig gewesen, um sich bestmöglich in seine zahlreichen Pflegefamilien zu integrieren. Cole hatte jedoch keine Ahnung, wie er sich Pepper Rossi gegenüber verhalten sollte. So war es von Anfang an gewesen. Das letzte Mal, als er so für eine Frau empfunden hatte, war er vierzehn und sie sechzehn gewesen. Damals hatte er schnell herausgefunden, mit welcher Taktik er bei dem Mädchen landen konnte.

Bei Pepper hingegen hatten sechs Monate keinen Fortschritt gebracht. Er konnte nicht vorhersagen, was Pepper als Nächstes tun würde. So wie er den Kuss nicht vorhergesehen hatte.

Als die Straße wieder frei war, fuhr Cole los. Für den bevorstehenden Kampf musste er gewappnet sein. Er durfte sich nicht von seinen Gefühlen für Pepper leiten lassen. Der Monet musste gefunden und nach San Francisco zurückgebracht werden. Er war es den Rossis schuldig, hatten sie doch so viel für ihn getan …

„Warum bist du hier?“, unterbrach Pepper seine Gedanken.

Er warf ihr einen kurzen Blick zu. Ihr blondes Haar wehte im Wind. Sie schaute stur geradeaus, ihr Kinn hoch erhoben und die Hände im Schoß fest miteinander verschlungen. Er hatte sie häufig in dieser Pose bei ihrer Familie sitzen sehen. Sie war wie gewöhnlich angespannt. Nicht gut. Denn das war eines der Dinge, die ihn zu ihr hinzogen. Nichts reizte ihn mehr, als sie gelöst zu erleben. Ganz besonders, nachdem er einen Vorgeschmack davon bekommen hatte, wie sie war, wenn sie sich entspannte …

„Ich bin hier, um deinen hübschen kleinen Hintern zu retten.“

2. KAPITEL

Freitag, 13. Februar, 13.30 Uhr

„Zwei Inselcocktails, bitte“, orderte Cole.

„Eine gute Wahl.“ Gari lächelte und zwinkerte ihnen zu. „Ein Cocktail, und Sie werden einander all ihre Geheimnisse verraten.“

Wie beruhigend, dachte Pepper. Coles Nähe allein reichte aus, um sie durcheinanderzubringen. Nun bekam sie obendrein ein Wahrheitsserum serviert!

Seit ihrer Ankunft im Hotel hatte Cole sie kaum aus den Augen gelassen. Jetzt saß er ihr am Poolcafé gegenüber. Warum musste er nur so gut aussehen? Er trug ein T-Shirt und Shorts in Kakifarben, die seinen braun gebrannten Körper vorteilhaft zur Geltung brachten. Pepper bekam einen trockenen Mund, als sie ihn heimlich betrachtete.

Irgendwie stellte er ein unüberwindbares Hindernis dar. Doch Pepper dachte nicht an Flucht. Sie sehnte sich danach, ihn zu berühren. Vor zwei Nächten hatten sie sich leidenschaftlich geküsst, doch für Berührungen war keine Zeit gewesen. Pepper verschränkte die Hände fest im Schoß, um der Versuchung zu widerstehen.

„Pepper?“

„Hm?“

„Ich habe dich gefragt, ob du hungrig bist.“

Sie war ausgehungert. Doch nicht nach Essen. Konzentriere dich, ermahnte sie sich.

„Essen klingt verlockend.“ Seit ihrem Abflug aus San Francisco hatte sie nichts gegessen. Gestärkt wäre sie in der Lage, sich ihren nächsten Schritt zu überlegen.

Cole wandte sich an Gari. „Könnten Sie uns einen kleinen Picknickkorb zusammenstellen, einschließlich eines Nachschubs des Inselcocktails?“

„Sehr gerne.“

Essen würde ihr nicht helfen, solange sie Cole gegenüber saß. Mühsam wandte Pepper den Blick ab. Sie musste überlegen, wie viel sie Cole erzählen durfte. Cole hatte bisher keine Fragen gestellt, doch sie wusste, dass er bald mit dem Verhör beginnen würde. Er hatte auf der Sonnenterrasse einen abgeschiedenen Tisch mit Meerblick gewählt. Sie waren ungestört. Die anderen Gäste saßen im Schatten oder an der Bar. Pepper ließ ihren Blick über die Gäste schweifen und erkannte einige aus dem Flugzeug wieder.

Dann schaute sie zu Cole und bemerkte, dass er sie ruhig musterte. Nervös überlegte sie. Wie viel konnte sie Cole anvertrauen? Sie hatte immer noch keine Entscheidung getroffen.

„Ein Geständnis bringt Seelenfrieden“, sagte er leise.

Pepper sah ihn herausfordernd an. „Ich habe nichts zu gestehen.“ Insgeheim wünschte sie nichts sehnlicher, als sich ihm anzuvertrauen. Doch dies würde bedeuten, Irenes Vertrauen zu missbrauchen. Das konnte sie nicht.

„Wo ist der Monet?“, fragte Cole.

„Ich habe keine Ahnung.“

Angesichts der Wahrheit dieser Aussage musste sie schlucken, um nicht in Panik auszubrechen. Sie wusste tatsächlich nicht, wo Irene und das Gemälde waren.

Und sie hegte keinen Zweifel, dass Cole sie gerade abschätzend musterte. Auszeit, entschied sie. Entschlossen wandte sie den Blick ab und schaute zur Bar. Das Poolcafé war zweigeschossig angelegt, um die Gäste am Strand und auf der Poolterrasse im ersten Stock gleichermaßen zu bedienen. Gari stand hinter der Bar, die sich auf ihrer Terrassenebene befand. Als er ihren Blick bemerkte, winkte er ihr zu. Er trug ein blaues Hawaiihemd und weiße Shorts, offenbar die Resortuniform, da das Personal an der Rezeption ebenso gekleidet gewesen war.

Bei ihrer Ankunft hatte Pepper improvisieren müssen. Sie hatte keine Reservierung für sich selbst vorgenommen, da sie vorgehabt hatte, Irene nicht aus den Augen zu lassen. Die Angestellte an der Rezeption hatte nicht mit der Wimper gezuckt, als Pepper den für Irene reservierten Bungalow mit einer anders lautenden Kreditkarte bezahlt hatte. Cole hatte glücklicherweise nichts bemerkt, da er kurz im Souvenirladen verschwunden war.

„Auf Empfehlung des Hauses.“ Gari stellte zwei pinkfarbene, mit Ananasstückchen gefüllte Cocktails auf den Tisch. Pepper beäugte ihren Drink misstrauisch, da sie sich an Garis diesbezügliche Äußerung erinnerte.

„Trink. Du wirst ihn mögen.“ Cole schaute sie auffordernd an.

„Das ist ja meine Befürchtung.“

„Nimm diese zuerst.“ Er reichte ihr zwei Tabletten.

Sie sah ihn fragend an. „Aspirin. Du hast dir wiederholt über die Schläfen gerieben, als du an der Rezeption standest. Ich habe es im Souvenirladen besorgt.“

Natürlich. Nicht nur, dass der Mann Augen wie ein Adler und ein Wahrheitsserum zur Hand hatte, offenbar konnte er auch noch Gedanken lesen! Und Pepper hatte gehofft, ihre Pechsträhne wäre vorüber. Sie schluckte die Tabletten und kostete den Fruchtcocktail, obwohl sie wusste, dass Alkohol und Medikamente sich nicht gut vertrugen. Der Cocktail schmeckte süß, fruchtig und unglaublich exotisch. Einfach unwiderstehlich!

„Gefährlich“, murmelte sie.

„Warum erzählst du nicht, was los ist?“, fragte Cole.

Pepper schaute ihn an und wusste gleich, dass sie dies besser hätte bleiben lassen sollen. Sein dunkles Haar war von der Autofahrt zerzaust, seine Augen hinter der Sonnenbrille versteckt. Sein Anblick machte sie genauso süchtig wie der Cocktail.

Falls je die Notwendigkeit bestanden hatte, in eine Rolle zu schlüpfen, so war dies der Moment. Doch zum ersten Mal in ihrem Leben glaubte Pepper nicht, dass es ihr helfen würde. Selbst dann würde sie sich seiner überwältigen Anziehung nicht entziehen können.

Cole nahm einen Schluck und stellte das Glas wieder zurück. Er sagte kein Wort.

Sie wusste nur zu gut, was er vorhatte. Mit Schweigen wollte er sie verunsichern und zum Reden bringen.

Cole Buchanan beherrschte die Taktik perfekt. Mit jeder Minute, die verstrich, wuchs in ihr der Wunsch, ihm alles zu sagen.

Aber das konnte sie nicht. Sie konnte das Vertrauen ihrer Tante nicht missbrauchen. Irene hatte sonst niemandem von ihrer Liebe zu Butch erzählt. Nicht einmal ihr Bruder oder ihre Neffen wussten Bescheid.

Gleichzeitig war dies Peppers große Chance, endlich ihr Können unter Beweis zu stellen. Die sie verspielte, wenn sie sich Cole anvertraute und um seine Hilfe bat. Und außerdem könnte es ja auch sein, dass er gar nicht verstand, warum Irene sich zu diesem drastischen Schritt gezwungen gesehen hatte. Nein, sie konnte es nicht tun.

Pepper seufzte und nahm erneut einen Schluck. Dann stellte sie das Glas entschlossen ab. „Nichts ist los.“

Cole beugte sich zu ihr. „Lügnerin! Lass uns mit dem beginnen, was ich bereits weiß.“

Pepper wollte wieder nach ihrem Cocktail greifen, doch Cole kam ihr zuvor und rückte ihn außer Reichweite. „Ich wollte deine Anspannung lösen, möchte aber nicht, dass du zu ausgelassen wirst.“

Pepper sah den Drink an. „So gefährlich?“

„Gemäß Butch Castellano, dem Eigentümer des Resorts, hat es der Cocktail ganz schön in sich.“

„Du bist Butch begegnet?“ Das war nicht gut. „Wie … wie lange bist du schon hier?“

„Ich bin gestern Nachmittag angekommen.“

Sie runzelte die Stirn. „Gari erzählte mir, dass es nur einen täglichen Flug nach Escapade gibt, und der landet mittags.“

„Das stimmt. Die Insel ist nicht leicht zu erreichen. Ich habe ein kleines Flugzeug gechartert, nachdem du einen Flug für heute gebucht hattest.“

„Ach.“ Vielleicht hatte Irene dasselbe getan. Wenn sie Cole für einen Moment entwischen könnte, wäre sie in der Lage, ein paar Anrufe zu tätigen …

„Ich wollte ein paar Nachforschungen betreiben, bevor du ankommst“, erklärte Cole.

Pepper musterte ihn. Was hatte er herausgefunden? Soweit sie wusste, ahnte Butch nicht, dass Irene mit dem Monet zu ihm unterwegs war. Und Cole hatte Irene bisher mit keinem Wort erwähnt.

„Ich kenne vielleicht nicht alle Details, aber genug, um dich nicht davonkommen zu lassen.“

Pepper wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als sie über Coles Schulter hinweg zwei Männer die Treppe vom Strand auf die Terrasse hochkommen sah. Einer der beiden war Evan Atwell. Sein weißblonder Schopf war unverwechselbar. Sie benötigte nur wenig länger, den dunkelhaarigen Mann mit Spitzbart an seiner Seite wiederzuerkennen. Er war der letzte Passagier gewesen, der in Miami ins Flugzeug nach Escapade zugestiegen war.

Aufgeregt fasste Pepper nach Coles Arm und drückte ihn warnend. „Dreh dich nicht um, aber soeben ist Evan Atwell auf die Terrasse gekommen. Was um Himmels willen macht er denn hier?“

Cole war erstaunt. Ihre Überraschung schien echt zu sein. Er schob Pepper die Sonnenbrille auf die Nase hinunter, um ihr in die Augen zu schauen. „Das solltest du am besten wissen. Schließlich bist du gekommen, um ihn hier zu treffen.“

„Warum sollte ich das tun?“

„Weil er dein Liebhaber ist.“

„Das ist er nicht und war er nie. Außerdem haben wir uns vor Monaten getrennt.“

„Du bringst ihn doch noch immer zu den Familienessen mit.“

Verlegene Röte kroch ihr in die Wangen. „Evan wollte es so. Ich glaube, er hatte nicht den Mut, seiner Mutter von unserer Trennung zu erzählen.“

Sie hatte sich also von Evan getrennt. Und sie hatten nie ein Verhältnis gehabt. Erleichterung und Freude wallten in ihm auf, doch Cole unterdrückte die Gefühlsregung. Jetzt war nicht der geeignete Moment, sich von Gefühlen leiten zu lassen. Was war mit Evan Atwell los? Der Mann war drei Monate lang mit Pepper ausgegangen, ohne ihr Liebhaber zu werden. Cole hätte sich nicht eine einzige Nacht zurückhalten können. Verdammt, er hatte bereits nach einem Kuss lichterloh gebrannt.

Cole lehnte sich zurück und betrachtete Pepper. Sein Instinkt sagte ihm, dass sie die Wahrheit sprach. Sie war errötet, als hätte sie ihm mehr verraten, als ihr lieb war. Seine Mutmaßungen zum Diebstahl hatten darauf beruht, dass Pepper und Evan ein Liebespaar waren. Er war sich ganz sicher gewesen. Ihr Geständnis warf ein völlig neues Licht auf die Angelegenheit. Noch nie hatte er sich dermaßen getäuscht. Nur Pepper war es gelungen, ihn zu verwirren. Und das von Anfang an.

Pepper schob die Sonnenbrille wieder hoch und beugte sich zu ihm hinüber. „Lass uns verschwinden. Ich will nicht, dass er mich sieht.“

„Warum nicht?“

Sie warf einen kurzen Blick zu den beiden Männern, die gerade an einem Tisch auf der anderen Seite des Pools Platz nahmen. „Ich bin nicht sicher. Es ist nur seltsam, ihn hier zu sehen. Der Monet seiner Mutter wurde gestohlen. Man möchte annehmen, dass er in San Francisco bleibt, um seiner Mutter beizustehen oder meine Brüder unter Druck zu setzen, damit sie das Gemälde schnellstens wiederfinden.“

„Von allen Zufällen …“

„Genau.“ Sie grinste.

Cole schaute sie gebannt an. Noch nie zuvor hatte sie ihn so strahlend angelächelt. Ihm wurde warm ums Herz. Am liebsten hätte er sie in die Arme gezogen.

„Komm schon“, drängte sie und erhob sich.

Cole ergriff ihre Hand und ging mit Pepper zur Bar. Während sie auf den Picknickkorb warteten, stand Pepper mit dem Rücken zu Evan und löcherte Cole mit Fragen.

„Was macht er gerade?“