Tod in München - Rachelust: Der erste Fall für Sonne und Litzka - Harry Luck - E-Book
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Tod in München - Rachelust: Der erste Fall für Sonne und Litzka E-Book

Harry Luck

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Beschreibung

Die Weltstadt mit Herz zeigt ihr mörderisches Gesicht: Der packende Kriminalroman »Tod in München – Rachelust« von Harry Luck jetzt als eBook bei dotbooks. Wenn sich hinter dem strahlenden Scheinwerferlicht Abgründe auftun … Als »Isarbulle« löst Alfons Waldbauer jede Woche einen spannenden Fall, die TV-Serie ist ein echter Publikumsliebling – doch dann erschüttert ein Mord hinter der Kamera den schönen Schein. Das Opfer: der Regisseur. Der Tatverdächtige: der Isarbulle selbst. Kommissar Jürgen Sonne weiß, dass er sich mit seinen Ermittlungen auf dem Bavaria-Filmgelände auf dünnes Eis begibt. Der skrupellose Reporter Frank Litzka macht ihm die Sache nicht leichter, aber braucht es vielleicht genau dieses kalte Kalkül für die Lösung des Falls? Widerwillig schließt Kommissar Sonne sich mit ihm zusammen – und stößt bald auf dunkle Geschäfte, die sich bis in die höchsten Kreise Münchens ziehen … »Harry Luck ist ein absoluter Spannungskünstler.« Bayerischer Rundfunk Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Tod in München – Rachelust« von Harry Luck – der Auftakt der großen München-Krimireihe. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 239

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Über dieses Buch:

Wenn sich hinter dem strahlenden Scheinwerferlicht Abgründe auftun … Als »Isarbulle« löst Alfons Waldbauer jede Woche einen spannenden Fall, die TV-Serie ist ein echter Publikumsliebling – doch dann erschüttert ein Mord hinter der Kamera den schönen Schein. Das Opfer: der Regisseur. Der Tatverdächtige: der Isarbulle selbst. Kommissar Jürgen Sonne weiß, dass er sich mit seinen Ermittlungen auf dem Bavaria-Filmgelände auf dünnes Eis begibt. Der skrupellose Reporter Frank Litzka macht ihm die Sache nicht leichter, aber braucht es vielleicht genau dieses kalte Kalkül für die Lösung des Falls? Widerwillig schließt Kommissar Sonne sich mit ihm zusammen – und stößt bald auf dunkle Geschäfte, die sich bis in die höchsten Kreise Münchens ziehen …

»Harry Luck ist ein absoluter Spannungskünstler.« Bayerischer Rundfunk

Über den Autor:

Harry Luck wurde 1972 in Remscheid geboren, ist ausgebildeter Redakteur und studierte in München Politikwissenschaften. Er berichtete viele Jahre für verschiedene Medien über Politik, Kultur und Wirtschaft in München und Bayern. Heute lebt er mit seiner Familie in Bamberg, wo er an weiteren Kriminalromanen arbeitet und als Pressesprecher für das Erzbistum tätig ist.

Die Website des Autors: www.harryluck.de/

Der Autor im Internet: www.facebook.com/luck.harry und www.instagram.com/luck_harry/

Harry Luck veröffentlichte bei dotbooks auch seine Kriminalromane:

»Kaltes Lachen – Ein Fall für Schmidtbauer und van Royen« »Kaltes Spiel – Ein Fall für Schmidtbauer und van Royen«

»Tod in München – Rachelust. Sonne und Litzka ermitteln«

»Tod in München – Schwarzgeld. Sonne und Litzka ermitteln«

»Tod in München – Angstspiel. Sonne und Litzka ermitteln«

»Tod in München – Machtbeben. Sonne und Litzka ermitteln«

»Tod in München – Rufmord. Sonne und Litzka ermitteln«

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe April 2020

Dieses Buch erschien bereits 2003 und 2012 unter dem Titel »Der Isarbulle« bei emons und Allitera.

Copyright © der Originalausgabe 2003 Hermann-Josef Emons Verlag

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literaturagentur Kai Gathemann GbR

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von

© shutterstock / Sirius3001 / Parkpoom Doungkaew sowie © pixabay / coombesy

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-980-0

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Tod in München 1« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Harry Luck

Tod in München – Rachelust

Sonne und Litzka ermitteln

dotbooks.

Nach einer Idee von Thomas Grimmer und Harry Luck

***

In MemoriamThalkirchner Schnitzel

»Schwappte nicht vielmehr das wirkliche Leben am Freitagabend in die Wohnstuben dieses Landes und an anderen Abenden in die Wohnstuben ungezählter anderer Länder? Wusste dieser Polizist nicht mehr über uns als wir selbst? Und wühlten uns sein stechender Blick und seine bohrenden Fragen nicht derart auf, dass wir zu den unglaublichsten Geständnissen bereit waren, auch wenn unsere Alibis perfekt und unsere Spuren am Tatort unleserlich waren?«

Friedrich Ani

Kapitel 1

Freitag, 7. März. 18.30 Uhr

Richard Graf von Kujawski wusste: Es war aus. Der Polizeibeamte, der ihm mit gezogener Waffe gegenüberstand, würde ihm in wenigen Augenblicken Handschellen anlegen und ihn abführen lassen. Er hatte seine Ehefrau mit ihrer besten Freundin betrogen – zwei Jahre lang. Und gleichzeitig hatte er ein Verhältnis mit dem Kindermädchen gehabt. Doch wegen dieser moralischen Fehltritte würde er nicht verhaftet werden. Graf von Kujawski stellte sein Whiskyglas auf den Mahagonitisch im Salon seiner Villa in Grünwald.

»Sie sind vorläufig festgenommen wegen des dringenden Tatverdachts, Ihre Geliebte Sonja Grunau sowie Ihr Kindermädchen Jennifer Hildebrandt ermordet zu haben«, sagte Oberinspektor Diether Grieshaber und richtete seine Waffe auf den überführten Täter.

Selbst in dieser aussichtslosen Situation bewahrte der Graf seine Würde. Er stand aufrecht und stramm und verzog keine Miene, während der Kripobeamte ihm vorhielt: »Sie sind ein Ehebrecher und Sie sind ein kaltblütiger Mörder. Sie haben den Doppelmord bis ins Detail geplant – so exakt, wie Sie in den vergangenen vierzig Jahren Ihre erfolgreichen Immobiliengeschäfte getätigt haben. Vielleicht sind Sie ein perfekter Makler, Graf von Kujawski, der durch den Kauf und Verkauf von Nobelvillen hier in Grünwald ein eindrucksvolles Vermögen angehäuft hat. Vielleicht sind Sie auch ein perfekter Liebhaber, der nicht nur aufgrund seines Vermögens attraktiv ist. Aber ein perfekter Mörder sind Sie nicht. Die Beweise sind erdrückend! Legen Sie ein Geständnis ab, das Spiel ist aus!«

»Sie mussten sterben.« Graf von Kujawski schien mit sich selbst zu sprechen und blickte gedankenverloren aus dem Fenster. »Diese Flittchen haben mein Leben ruiniert. Zerstört. Sie haben den Tod verdient.«

»Tod durch Mord?«, flüsterte der Oberinspektor, wobei er nach dem Wort »Tod« eine dramaturgische Atempause einlegte und seine Waffe noch einmal bedrohlich auf den Täter richtete.

»Cut! Kannst du die Knarre nicht ein bisschen cooler halten?«, ertönte plötzlich eine Stimme aus dem Studiolautsprecher. Und der Mann mit der Pistole in der Hand war nicht mehr der bekannte Oberinspektor, sondern der Krimidarsteller Alfons Waldbauer.

Er ließ die Waffe sinken und erwiderte: »Tomasek, wir drehen hier keinen ›Schimanski‹. Und wie ein Polizeibeamter bei einer Festnahme seine Pistole zu halten hat, weiß ich ja wohl besser als du. Immerhin gibt es dafür Vorschriften.«

Alfons Waldbauer war bekannt dafür, seine Hauptrolle in der populären Fernsehserie »Der Isarbulle« so realistisch wie möglich zu verkörpern. Bis ins letzte Detail. Dafür las er seit Jahren einschlägige Fachliteratur und pflegte innige Kontakte zu echten Kripo-Beamten. Und die hatten ihm gezeigt, wie eine Polizeiwaffe korrekt gehalten werden muss.

»Wir drehen hier aber keinen Dokumentarfilm über die Polizeiarbeit im 21. Jahrhundert«, rief der Regisseur sichtlich genervt zurück. »Dies wird ein Krimi, der am Freitagabend mindestens vier Millionen Zuschauer vor die Glotze locken muss. Wenn das nicht gelingt, kannst du dir die letzten 260 Folgen des ›Isarbullen‹ künftig um Mitternacht als Wiederholungen im Pay-TV anschauen, denn dann fliegen wir aus dem Abendprogramm. Die Leute wollen Action sehen!«

Tomasek übertrieb. Niemand beim Sender dachte daran, den »Isarbullen« abzusetzen. Aber der Quotendruck hatte auch vor den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nicht Halt gemacht. Und die Zeiten, in denen der »Isarbulle« ein richtiger Straßenfeger gewesen war und über zehn Millionen Zuschauer gehabt hatte, waren längst vorbei. Mit der Serie war auch ihr Hauptdarsteller in die Jahre gekommen. Alfons Waldbauer wäre als echter Kriminalbeamter bereits vor drei Jahren pensioniert worden. Doch beim Fernsehen bestimmen die Zuschauer, wann Schluss ist. Und noch liebten sie den »Isarbullen«, der seit zweiundzwanzig Jahren mit einer Aufklärungsquote von hundert Prozent einen Mörder nach dem anderen hinter Gitter brachte.

»Alle nochmal auf Anfang«, rief Tomasek, während die Maskenbildnerin dem Darsteller des Mörders Kujawski die glänzende Stirn abtupfte.

Waldbauer wurde zornig: »Entweder ich spiele einen realistischen Polizeibeamten, oder ihr könnt euren Schrott hier alleine machen! Kruzifix! Soll ich vielleicht noch ein bisschen in der Gegend rumballern? Wollt ihr das? Ja? Wir sind hier doch nicht bei ›Alarm für Cobra 11‹.«

Auch Tomasek wurde nun wütend und schrie mit seinem unverkennbaren tschechischen Akzent: »Der Superstar hat mal wieder Sonderwünsche. Soll der Superstar doch Drehbuchautor werden und sich seine Krimis selber schreiben! Möchte er vielleicht auch noch Regie führen? Bitte sehr, dann kann ich ja gehen!«

»Ich gehe selber«, rief Waldbauer, zog seinen Trenchcoat aus, warf ihn auf das Kulissensofa und entfernte sich durch die Terrassentür. Wäre die Szene aufgezeichnet worden, sähe es für den Fernsehzuschauer so aus, als würde der »Isarbulle« in den Garten gehen. Doch die Tür am Drehort führte nur hinter die Pappkulisse, mit der der Bühnenbildner in den Studiohallen auf dem Bavaria-Filmgelände die perfekte Illusion einer Villa im Nobelvorort Grünwald erzeugt hatte.

»Was ist jetzt?«, fragte der Kameramann, und Holger Brock, der Regieassistent, seufzte leise vor sich hin. Er hatte derartige Szenen in den drei Jahren, die er jetzt den Job machte, immer wieder erlebt. Manchmal hatte er den Eindruck, Waldbauer sei der Erfolg zu Kopf gestiegen. In siebenundneunzig Ländern wurde der »Isarbulle« ausgestrahlt. In England und Amerika hieß die Serie »The Munich Cop«. Die Franzosen und Belgier kannten ihn als »Commissaire bavarois«.

»Es ist eh Zeit für Feierabend«, sagte Tomasek immer noch gereizt und zündete sich eine Zigarette an. Sigmund Öhrlingshausen, der bekannte Burgschauspieler, der in dieser Folge den Mörder mimte, betrachtete sein Whiskyglas, das nur Apfelsaft enthielt, und wünschte sich einen Schluck richtigen Alkohol. Tomasek richtete einen fragenden Blick auf Brock: »Können wir die Szene morgen früh noch nachdrehen?«

Brock sah in seinen Drehplan: »Morgen ist Außendreh am Flaucher, später im Tierpark Hellabrunn. Die Statisten und die Polizeiwagen sind für neun Uhr bestellt. Wenn wir hier um sieben Uhr weitermachen, dann schaffen wir das.«

Daraufhin sprach Tomasek über den Studiolautsprecher, sodass es alle mitbekamen: »Morgen um sieben Uhr, hier in Studio vier. Wer verschläft, kann sich nebenan bei RTL2 bewerben.«

20.21 Uhr

Jürgen Sonne und Horst Steinmayr hatten es sich auf dem Sofa bequem gemacht. Die zwei Kriminalbeamten waren keine großen Fußballanhänger, aber wenn der 1. FC Köln und 1860 München – die Clubs ihrer beiden Heimatstädte – im Halbfinale des DFB-Pokals aufeinandertrafen, dann wurden aus den beiden Fußballmuffeln plötzlich richtig begeisterte Fans, die sich mit Kartoffelchips und Bier auf einen spannenden Abend in Sonnes Wohnzimmer freuten. Sonne war mit seinen fünfunddreißig Jahren der Jüngere von beiden, sein Kollege war fünf Jahre älter und eine Besoldungsgruppe höher, was immerhin über zweihundertfünfzig Euro im Monat ausmachte. Dennoch trugen beide den Titel des Kriminalhauptkommissars. Natürlich trank Steinmayr ein Paulaner Weißbier, während Sonne sich extra ein paar Flaschen Früh-Kölsch besorgt hatte. Es waren noch knapp zwanzig Minuten bis zum Anpfiff. Steinmayr, ein dunkelhaariger kräftiger Mann mit Schnauzbart, der urbayerische Gelassenheit ausstrahlte, zappte durch die Kanäle. Er stoppte, als er auf dem Bildschirm einen nagelneuen Siebener-BMW mit Blaulicht durch die Ludwigstraße fahren sah.

»Als ob es in München nur eine Straße gäbe«, brummte er. »Immer wenn die eine längere Autofahrt filmen, zeigen sie die Ludwigstraße.«

»Absolut. Und der Wagen«, sagte Sonne lachend und dachte an den Opel Astra, den sie als Dienstwagen hatten. »Einen Siebener-BMW fährt ja nicht mal unser Polizeipräsident.«

»Ich würde gerne mal in das kranke Hirn dieses Drehbuchautors hineinschauen«, murmelte Steinmayr. »Ich bin sicher, der hat noch nie eine Polizeiwache von innen gesehen ...«

»... und sich sein kriminalistisches Wissen bei Miss Marple und Sherlock Holmes abgeschaut«, ergänzte sein Kollege und griff in die Chipsschale. Hinter dem Steuer des Polizeiwagens auf dem Fernsehschirm erkannte er Oberinspektor Grieshaber. »Ich kann diesen Typen nicht mehr sehen«, sagte Sonne. »Der lief doch schon im Fernsehen, da ging ich noch in die Schule. Damals hatte er schon diesen albernen Trenchcoat.«

»Aber noch mehr Haare, genauso wie du«, fügte Steinmayr hinzu. Jürgen Sonne trug neuerdings eine Drei-Millimeter-Kurzhaarfrisur, wobei viele hier den Begriff »Frisur« schon nicht mehr als treffend empfanden und eher von einer »Glatze« sprachen. »Aber sei froh, dass du nicht mehr diesen grässlichen Thomas-Gottschalk-Lockenkopf trägst wie in deinem Führerschein.«

Nach der Trennung von seiner Freundin vor sechs Jahren hatte Sonne »die alten Zöpfe abgeschnitten«, wie er gerne erzählte. Nach siebenjähriger Beziehung war Tina den ständigen Rund-um-die-Uhr-Bereitschaftsdienst leid gewesen und hatte nach wiederholtem Fall von coitus interruptus criminalensis ihre Koffer gepackt. Danach hatte er sich vom Kölner Drogendezernat zur Münchner Mordkommission versetzen lassen, um Abstand von seinem bisherigen Leben zu gewinnen. Durch den Ortswechsel wollte er die schmerzhafte Trennung verarbeiten, und außerdem hoffte er, eine der sprichwörtlich schönen Münchnerinnen kennenzulernen. Das Kennenlernen war weniger das Problem. Nur wurde niemals etwas Langfristigeres daraus.

»Der muss doch mindestens siebzig sein. Ich hoffe, wenn wir mal in dem Alter sind, können wir die Füße hochlegen, im Park spazieren gehen und zwei Mal im Jahr auf Mallorca Urlaub machen«, meinte Steinmayr, der trotz seines leichten Übergewichts eine sportliche Figur, aber im Gegensatz zu seinem stets braun gebrannten Kollegen eine eher blasse Haut hatte.

»Ich muss Sie das fragen«, sagte der Fernsehkommissar jetzt auf dem Bildschirm. »Wo waren Sie letzten Mittwoch zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht?«

»Letzten Mittwoch? Zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht?«, vergewisserte sich der Verdächtige, ob er die komplizierte Frage richtig verstanden hatte. »Ich war zu Hause. Allein.«

»Zu Hause waren Sie. Soso.« Der Inspektor machte eine bedeutsame Pause. »Und es gibt keine Zeugen?«

»Ich sagte es bereits: Ich war allein.«

So schleppte sich der Dialog noch eine Weile dahin, bis Steinmayr auf den Sender schaltete, der – »präsentiert von Radeberger« – das Fußballspiel übertrug. Noch wenige Minuten bis zum Spielbeginn. Ex-Kicker Paul Breitner analysierte wortreich die Strategien, Schwächen und Stärken der aufeinandertreffenden Vereine und ließ sich zu der zu oft gehörten Weisheit hinreißen, wonach der Pokal seine eigenen Gesetze hat. Der Moderator stellte schlaue Zwischenfragen und damit sein Fachwissen unter Beweis.

»Fehlt nur noch, dass er erklärt: Der Ball ist rund, und vor dem Spiel ist nach dem Spiel«, lästerte Steinmayr, während er langsam sein Weißbier in ein entsprechendes Glas eingoss.

»Und nicht zu vergessen: Jedes Spiel hat neunzig Minuten.«

In diesem Moment läutete es an der Tür von Sonnes Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in Freimann, einem Ortsteil, der nach Sonnes Überzeugung zu Unrecht den Ruf eines primitiven Arbeiterviertels genoss. Ein lediger Polizeibeamter konnte sich hier im Münchner Norden eher eine Wohnung leisten als im teuren Süden, was zweifellos an der nahe liegenden Autobahn nach Nürnberg, der Kläranlage und dem »Euro-Industriepark« lag, in dem nicht nur riesige Einkaufstempel angesiedelt waren, sondern wo auch die Kollegen von der Sitte zu regelmäßigen Einsätzen im Rotlichtmilieu gerufen wurden. Die Münchner Mietpreise waren seiner Meinung nach ein Fall für das Dezernat zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Der Pizzabote brachte wie bestellt eine Pizza Funghi, eine Pizza Hawaii, einen Bauern- und einen Tomatensalat. Sonne bezahlte ein ordentliches Trinkgeld und wunderte sich nicht darüber, dass der Bote vom Pizzadienst »Napoli« ein Asiate war. München war halt eine multikulturelle Stadt, in der sich nach fünfeinhalb Jahren auch der Kölner Jürgen Sonne einigermaßen heimisch fühlen konnte. Dass er als »zuagroaster« Rheinland-Preuße ausgerechnet mit dem urbayerischen Horst Steinmayr in der Münchner Mordkommission ein Team bilden sollte, hatte beiden am Anfang zunächst ganz banale Kommunikationsschwierigkeiten bereitet. Doch im Laufe der Zeit hatte der gebürtige Münchner sich angewöhnt, mit seinem Kollegen meistens ein einigermaßen verständliches Hochdeutsch zu sprechen. Und Sonne hatte sich damit abgefunden, dass man eine Münchner Bäckerei mit »Grüß Gott« betreten muss und dass man auf gar keinen Fall »Brötchen« bestellen darf, wenn man Semmeln haben möchte, und Zwetschgen niemals mit Pflaumen verwechseln sollte.

»Ich hab mein Handy noch in der Jackentasche«, sagte Sonne. Er holte das Mobiltelefon aus der Jacke im Flur und legte es auf das oberste Brett seines Bücherregals am Fenster. Den fragenden Blick seines Kollegen erwiderte er mit den Worten: »Das ist der einzige Ort hier in der Wohnung, wo ich mit dem neuen Handy Empfang habe. Und wie du weißt, haben wir Bereitschaft.«

»Ich weiß. Und ich weiß auch, welcher Verbrecher diesen Dienstplan gemacht hat. Ich werde bei Maurer einen schriftlichen Antrag stellen, dass wir wenigstens beim Pokalfinale frei bekommen. Obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass wir bei zwanzig Morden jährlich in der Stadt ausgerechnet heute einen Einsatz haben ...«

»... genauso gering ist wie ein Pokalfinale, in dem die Sechzger mitspielen!« Sonne griff zu seinem Früh-Kölsch und rief: »Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!«

»Prost«, erwiderte Steinmayr und stieß mit seinem drei Mal größeren Weißbierglas gegen die Kölsch-Stange seines Kollegen.

Die Sechzger hatten Anstoß, verloren aber sofort den Ball an einen Kölner Stürmer, dessen Lockenpracht im Wind wehte.

»Ein Verwandter von dir?«, fragte Steinmayr.

»Ja, mein Zwillingsbruder«, antwortete Sonne lachend. »Aber wir wurden immer verwechselt, daher habe ich mich ...«

»... skalpieren lassen«, fiel ihm Steinmayr ins Wort.

21.46 Uhr

Dunkelheit hatte sich über die Produktionshallen des Bavaria-Filmgeländes in Geiselgasteig gelegt. Tomasek war allein an dem Drehort, wo der »Isarbulle« am nächsten Morgen noch einmal den Mörder festnehmen sollte. Der Regisseur ging die Szene durch. Die ganze Geschichte lief in seinen Gedanken noch einmal ab. Die Folge »Tod durch Mord« war bereits die zweiundfünfzigste, bei der er Regie führte.

»Was für ein absurder Titel: ›Tod durch Mord‹«, murmelte er vor sich hin, während er im Drehbuch blätterte. Die Bücher für die Erfolgsserie wurden immer schlechter. Damit stieg die Verantwortung des Regisseurs, das Bestmögliche aus der Geschichte herauszuholen. Allmählich war er es leid, mit seinem Namen für derart schlechte Krimis zu stehen. In der Tschechoslowakei war er damals, vor seiner Flucht in den Westen, ein renommierter Kinoregisseur gewesen. Die Zeit war nicht stehen geblieben. Beim »Isarbullen« scheinbar schon. Hier wurde Fernsehen der achtziger Jahre gemacht. Er hätte Ideen, die der Reihe mehr Pep geben würden. Ein bisschen Action. Nicht zu viel, wohl dosiert, sodass kein Zuschauer vor Schreck im Fernsehsessel zusammenzuckt. Doch Waldbauer schien sich gegen jede Neuerung mit einer Vehemenz zu wehren, als wollte man ihm ein Körperteil amputieren. Es war krankhaft, wie sich der Schauspieler Waldbauer mit dem Inspektor Grieshaber identifizierte. Tomasek hätte gerne zu dem Whiskyglas auf dem Mahagonitisch gegriffen, wenn es sich nicht um eine Requisite gehandelt hätte.

Er horchte auf. Ihm war, als hörte er ein Geräusch. Das Umdrehen eines Schlüssels? Kaum möglich. Er hatte um diese Uhrzeit abgesehen vom Nachtwächter noch nie eine Menschenseele in den Studios getroffen. Und er war an Drehtagen oft abends nochmal am Set. Die besten Ideen für gute Szenen und geniale Kameraeinstellungen kamen ihm immer vor Ort – wenn er allein war und ganz in seinen Gedanken versinken konnte.

Wieder hörte er etwas. Diesmal ganz deutlich: Schritte. In den menschenleeren Studiohallen wirkte selbst das leiseste Geräusch wie ein Paukenschlag im Kartäuserkloster. Ein Mensch schlich katzenartig über den Gang und näherte sich. Tomasek stand auf und wollte nachsehen. Er ging nur wenige Schritte, dann erschrak er.

»Wie kommst du hier rein?«, fragte er. »Und was machst du mit der Pistole?«

Auf die letzte Frage seines Lebens sollte er keine Antwort mehr bekommen.

22.15 Uhr

Im Autoradio hörten sie auf B5 Aktuell die letzten Minuten der Verlängerung des DFB-Pokalhalbfinales. Kurz vor dem Schlusspfiff nach der regulären Spielzeit, in der kein Tor gefallen war, hatte das Handyklingeln die beiden Kommissare vor dem Fernsehschirm aufgeschreckt. Auch die Verlängerung war torlos geblieben; nun verfolgten sie im Radio das Elfmeterschießen, während sie mit Blaulicht und Sirene durch die Stadt zum Tatort rasten. Die Strecke vom nördlichen Ortsteil Freimann zum Bavaria-Filmgelände südlich der Stadt führte sie einmal quer durch München. Sonne rechnete sich gute Chancen aus, bis zum Eintreffen in Geiselgasteig den Ausgang des Fußball-Krimis noch live mitbekommen zu können.

»Hey, Jürgen, pass doch auf, fahr nicht so schnell!«, rief Steinmayr, als Sonne am Nordfriedhof die Kreuzung Schenkendorfstraße/Ungererstraße überquerte. Würden sie weiter geradeaus fahren, kämen sie auf die Leopold- und später auf die Ludwigstraße, die Lieblingsstrecke der Fernsehkommissare. Doch sie bogen nach links in die Dietlindenstraße, um über den Isarring an der Isar entlang und am Englischen Garten vorbei Richtung Süden weiterzufahren.

Beide Vereine hatten bisher ihre Elfmeter verwandelt, als der Radioreporter nach dem nächsten Schuss der Kölner ein lautes »Gehalten« durch den Äther jagte.

»Schau gefälligst auf die Straße!«, rief Steinmayr, als Sonne vor Entsetzen über den verschossenen Elfmeter mit den Händen auf das Lenkrad trommelte und gleichzeitig ein Motorrad die Spur wechselte, offenbar ohne die Alarmsignale des Polizeifahrzeuges zu bemerken. Sonne zog das Lenkrad nach links und scherte nach dem Motorrad sofort wieder mit quietschenden Reifen rechts ein. Er blickte in den Rückspiegel und stellte fest, dass der Motorradfahrer nur kurz ins Schlingern gekommen war und seine Fahrt jetzt sicher fortsetzte. Sonne beschleunigte wieder das Tempo.

Während der nächsten Minuten verfolgten sie mit gegensätzlichen Gefühlen, wie die Spieler der Sechzger jeden weiteren Elfmeter verwandelten und damit ins Pokalfinale einzogen. Sonne schwieg für den Rest der Fahrt, und Steinmayr streute Salz in die Wunden seines Kollegen, indem er mit variiertem Text einen Gospelsong anstimmte: »Und wir holen den Pokal, halleluuuuuuuja ...«

Nach knapp zwanzig Minuten fuhren sie auf das Filmgelände. Für den Nachtpförtner, der die Schranke an der Haupteinfahrt bediente, war es nichts Außergewöhnliches, Polizeifahrzeuge durchzulassen. Doch nur selten saßen darin wirkliche Kriminalbeamte. Zwei Streifenwagen, ein Notarztwagen und mehrere Zivilfahrzeuge mit Blaulicht auf dem Dach standen bereits vor Halle vier auf dem Gelände, das mit seinen vielen Gebäuden, Straßen und Kreuzungen eine richtige kleine Stadt darstellte. Kriminaloberkommissar Hakan Caliskan – ein gebürtiger Türke mit deutschem Pass und bairischem Dialekt – erwartete Steinmayr und Sonne bereits.

»Was ist denn mit dir los?«, fragte er, als er das griesgrämige Gesicht von Jürgen Sonne sah.

»Du hast ja keine Ahnung«, antwortete Sonne. »Du weißt nicht, was es für einen Fußballfan bedeutet, die entscheidenden Minuten des Untergangs am Autoradio miterleben zu müssen. Bist du schon lange hier?«

»Als der Alarm vom Kriminaldauerdienst kam, war ich bei Petra in Fürstenried. Das liegt ja schon fast auf halber Strecke hierher.«

»Du bist in letzter Zeit öfter bei deiner neuen Flamme als zu Hause, kann das sein?«, fragte Sonne.

»Kann schon sein«, erwiderte Caliskan und lachte. »Ich habe halt auch meine schönste Nebensache der Welt.«

»Zur Sache, Männer«, sagte Steinmayr und fragte seinen jungen Kollegen: »Was ist passiert?«

Caliskan referierte die wichtigen Fakten, wie auf der Polizeischule gelernt: »Der Notruf ging um zweiundzwanzig Uhr drei in der Einsatzleitstelle ein. Der Nachtwächter vom Sicherheitsdienst, er steht dort drüben, hatte bei seinem Routinerundgang zwei Schüsse in Halle vier gehört. In der Studiokulisse fand er die Leiche von Drahomir Tomasek, neunundfünfzig Jahre alt, von Beruf Fernsehregisseur. Nach erstem Augenschein von zwei Schüssen in den Oberkörper tödlich getroffen. Mehr wird der Notarzt sagen können. Außer dem Nachtwächter gibt es keine Zeugen. Die Kollegen vom K 311 sind schon bei der Arbeit.«

Hinter den rot-weißen Plastikbändern mit der Aufschrift »Polizeiabsperrung« hatte ein Dutzend Männer vom Kommissariat 311 in weißen Schutzanzügen ihre Silberkoffer geöffnet und penibel damit begonnen, sämtliche Spuren – von Fingerabdrücken über Haare bis Textilfasern – zu sichern, einzutüten und zu beschriften. So manche auf den ersten Blick völlig belanglose Spur hatte sich später als das entscheidende Mosaiksteinchen bei der Aufklärung eines Verbrechens erwiesen.

»Dann schauen wir uns das mal an«, sagte Sonne und entdeckte im gleichen Moment einen jungen Mann, der einige Meter hin und her lief und dabei sein Mobiltelefon wie eine Wünschelrute vor sich hertrug.

»Wer sind Sie, und was machen Sie hier?«, fragte Steinmayr den Wünschelrutengänger.

»Ich suche eine Stelle, wo mein verdammtes Handy endlich Empfang hat.« Er zeigte seinen mintfarbenen Presseausweis im Scheckkartenformat und sagte: »Ich bin Frank Litzka. Polizeireporter von der ATZ.«

Jetzt erkannte Sonne das Gesicht des jungen Journalisten. Er hatte diese Presseausweise schon oft gesehen. In fast unleserlichen Minibuchstaben legitimierten sie den Inhaber, »sich zur Erleichterung seiner Berufsausübung innerhalb der behördlichen Absperrungen zur aktuellen Berichterstattung aufzuhalten, sofern dies nicht aus zwingenden Gründen verweigert werden muss«.

Er nahm den Ausweis in die Hand. »Eigentlich müsste hier drauf stehen: ›Der Inhaber ist berechtigt, den Polizeifunk abzuhören, um noch vor den Beamten am Ort des Verbrechens eintreffen zu können, damit er sofort eine reißerische Schlagzeile formulieren kann.‹ Dann wäre Ihr Verhalten legitim. Aber das steht hier nicht. Es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie noch vor der Polizei am Tatort sind, Herr Litzka. Dass Sie den Polizeifunk abhören, werden wir Ihnen irgendwann schon noch nachweisen.«

Litzka reagierte nicht auf die Worte des Kommissars. Endlich zeigte sein Handydisplay Empfang an. Er wählte die Nummer des Nachtredakteurs seiner Zeitung.

»Ihr müsst den Aufmacher rausschmeißen. Ich habe eine neue Schlagzeile: ›Mord beim Isarbullen. TV-Regisseur im Studio erschossen.‹ Ich schreibe euch zwanzig Zeilen für die Eins und nochmal vierzig Zeilen für den Lokalteil. Habe meinen Laptop dabei. Ich schaffe es bis zum Andruck um Mitternacht.«

Frank Litzka, der seine Artikel mit dem Redaktionskürzel »flitz« unterschrieb und daher überall mit seinem Spitznamen »Flitzer« bekannt war, war als freier Mitarbeiter einer der beiden Münchner Boulevardzeitungen mit modernster Technik ausgerüstet, damit er von seinem tragbaren Computer aus einen Text drahtlos in die Redaktion schicken konnte. Das Einzige, was er brauchte, war Handyempfang. Offenbar hatte die Konkurrenz von dem Fall nichts mitbekommen, so konnte er sich auf einen exklusiven Aufmacher am nächsten Tag freuen.

»Wahrscheinlich weiß er wieder mehr als wir«, sagte Sonne genervt. Die beiden Kommissare ließen den hochgewachsenen, hageren Reporter mit den kurzen dunklen Haaren und der kleinen randlosen Brille in der Dunkelheit zurück.

Sie betraten die Halle, die inzwischen vom gleißenden Licht der Studioscheinwerfer ausgeleuchtet war. So mussten die Beamten von der Spurensicherung nicht ihre eigenen Lampen aufbauen. Die Atmosphäre war unwirklich: In der Fernsehkulisse lag vor zahlreichen Kameras eine Leiche in einer Blutlache. Man erwartete, dass in jedem Moment eine Stimme aus dem Off »Cut« rufen und der Tote mit den beiden Einschusslöchern in der Brust sich das Filmblut abwischen und aufstehen würde. Steinmayr näherte sich der Leiche und sah das Manuskript auf dem Boden liegen, das Tomasek bei seinem Tod in der Hand gehalten hatte. Auf dem Deckblatt stand in großen Lettern: »TOD DURCH MORD«.

22.46 Uhr

Sie vernahmen zunächst den einzigen Zeugen. Er saß auf einem Stuhl in einem kleinen Raum, in dem sich tagsüber die Komparsen aufhielten, wenn sie stundenlang darauf warteten, für eine Tagesgage von neunzig Euro durchs Bild zu laufen oder Passanten zu mimen. Steinmayr setzte sich ihm gegenüber hin, während Sonne auf und ab ging und sich auf einem Block Notizen machte.

»Zwei Schüsse. Kurz nacheinander«, schilderte der Ohrenzeuge knapp seine Wahrnehmung.

»Sie wussten sofort, dass es sich um Schüsse handelte?«, fragte Sonne.

»Ich bitte Sie!«, entgegnete der Wachmann empört. »Für meinen Job muss ich den Umgang mit der Waffe beherrschen. Wir haben regelmäßig Schießtraining. Da weiß ich sehr wohl, wie ein Pistolenschuss klingt und wie eine durchgeknallte Sicherung.«

»Haben Sie vorher irgendjemanden auf dem Gelände gesehen?«, fragte Steinmayr.

»Ja. Tomasek.«

»Was machte er so spät noch auf dem Filmgelände?«, wollte Sonne wissen.

»Er war oft abends hier. Nach hektischen Drehtagen. Manchmal, wenn ich ihm auf meiner Runde begegnete, rauchten wir eine Zigarette zusammen und quatschten zwei Minuten. Er kannte sicherlich nicht meinen Namen. Aber er kannte mein Gesicht. Einmal erzählte er, dass er es genieße, die Studioluft ohne Hektik und Stimmengewirr zu atmen. Er sagte, wenn er die tote Kulisse betrachte, sehe er die Figuren wie aus dem Nichts auftauchen und ihre Rolle spielen.« Kurz hielt er inne und fügte dann hinzu: »Ich glaube, er hat gekokst.«

Steinmayr sah ihn fragend an.

»Ist doch gang und gäbe hier. Aber darüber will ich nicht sprechen.« Der Wachmann zuckte mit den Schultern und genoss es offenbar, den Szenekenner zu geben. Doch Steinmayr ging darüber hinweg.

»Was taten Sie, nachdem Sie die Schüsse gehört hatten?«

»Ich lief zur Halle. Und um Ihre nächste Frage vorwegzunehmen: Nein, mir ist niemand mit gezogener Pistole entgegengekommen. Ich fand den Toten so, wie er jetzt noch da liegt.«

Sie bestellten den Zeugen für den nächsten Vormittag ins Polizeipräsidium, wo er seine Aussage unterschreiben sollte. Mehr Zeugen gab es im Moment nicht zu vernehmen. Sie traten wieder vor die Produktionshalle, wo der Reporter Litzka gerade seinen Laptop zusammenklappte.

»Und immer schön bei der Wahrheit bleiben«, mahnte Sonne.

»Und Sie, immer schön den Mörder finden«, erwiderte Litzka, den Tonfall des Kommissars nachäffend. »Wir sehen uns wieder«, rief er, als er schon fast verschwunden war.

»Das mit dem Polizeifunk werden wir ihm eines Tages nachweisen«, brummelte Steinmayr.

Der Notarzt klappte seinen Koffer zu und sprach mit Staatsanwältin Heidrun Staudinger, die soeben am Tatort eingetroffen war. Steinmayr und Sonne traten zu ihnen.

»Da gibt's nicht viel zu untersuchen«, sagte der Arzt. »Er muss sofort tot gewesen sein. Sieht so aus, als ob die erste Kugel die Lunge und die zweite das Herz zerfetzt hat. ›Unnatürlicher Tod‹ kann man da guten Gewissens auf dem Totenschein eintragen.«

»›Tod durch Mord‹ könnte man auch sagen«, murmelte Sonne.

Unterdessen hatten die Experten von der Spurensicherung ihre ersten Arbeiten abgeschlossen. Kommissar Kellerbach vom K 311 fasste die Erkenntnisse zusammen: »Zwei Schüsse, beide aus etwa zwei Metern Entfernung abgefeuert. Da war es nicht schwer, das Ziel zu treffen. Beide Treffer in den Brustbereich waren tödlich. Interessant sind die Patronenhülsen: Kaliber neun Millimeter.«

»Neun Millimeter?«, fragte die Staatsanwältin.

»Um genau zu sein: Kaliber neun Millimeter mal neunzehn«, präzisierte er seine Angaben und gab damit den Durchmesser und die Länge der Kugel an.

Sonne und Steinmayr blickten sich kurz an. Dann sagte Sonne: »Das ist wirklich sehr interessant. Und Sie täuschen sich nicht?«