Torgo - Prinz von Atlantis 08: Verrat in Hellas - Charles de Clermont - E-Book

Torgo - Prinz von Atlantis 08: Verrat in Hellas E-Book

Charles de Clermont

0,0

Beschreibung

Die Steuereintreiber in Hellas verbreiten Chaos und Gewalt. Torgo gerät unter Mordverdacht und wird angeklagt. Unterdessen spinnt Nif-Iritt weiter ihr Intrigennetz.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 150

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



TORGOPrinz von Atlantis

In dieser Reihe bisher erschienen

3701 Charles de Clermont Die Galeere der Verdammten

3702 Charles de Clermont Insel der blutigen Götter

3703 Charles de Clermont Die Tochter des Pharao

3704 Charles de Clermont Die letzten Tage von Atlantis

3705 Charles de Clermont Der Untergang von Atlantis

3706 Charles de Clermont Das Gastmahl des Todes

3707 Charles de Clermont Das Orakel von Delphi

3708 Charles de Clermont Verrat in Hellas

Charles de Clermont

TORGOPrinz von Atlantis

Verrat in Hellas

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: 123RFUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mario HeyerSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-623-1Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1

In dem kleinen Dorfe Kresos jagte die Schreckenskunde von Haus zu Haus: Die Steuereintreiber des Königs kommen! Hauptmann Theiresias ritt an der Spitze seiner Krieger bis vor den Eingang des Ortes und gab den Befehl, auszuschwärmen. Ein Teil der Krieger besetzte die Aus- und Eingänge des Ortes und umstellte denselben, so dass niemand entwischen konnte, die übrigen pochten mit rohen Fäusten an die fest verschlossenen Türen:

„Aufmachen! Im Namen des Königs!“ Wo nicht freiwillig aufgetan wurde, erbrachen sie die Tore gewaltsam und trieben die widersetzlichen Bewohner auf dem Dorfplatz zusammen, wo sich schon Laios, der Dorfälteste, eingefunden hatte, um mit aufgeregten, flehentlichen Gebärden von Theiresias Gnade zu erbitten.

Kapitel 2

„Herr, es war ein schlechtes Jahr, unsere Ställe sind leer, denn wir haben kein Vieh, und unsere Keller und Vorratskammern bieten einen armseligen Anblick! Lasst es uns, Herr, der König kann doch nicht wollen, dass wir des Hungers sterben!“

Theiresias gab ihm einen Stoß.

„Pack dich!“, fuhr er ihn an. „Eurem widerspenstigen Ort werde ich Gehorsam beibringen. Ihr habt den Auftrag, den Zehenten abzuliefern nicht erfüllt, und so wird euch gewaltsam genommen, was dem König gebührt, und noch ein Übriges dazu, damit ihr euch merkt, was ihr dem König, den die Götter schützen mögen, schuldet!“

„Oh, Gnade, Gnade“, flehte Laios, und diejenigen Leute von Kresos, welche man mittlerweile auf dem Dorfplatz zusammengetrieben hatte, fielen mit ein. Aber die wilden Soldaten kannten kein Erbarmen und kein Mitleid. Bald häuften sich vor den Häusern Vorräte und Gebrauchsgegenstände, und selbst das letzte Stück Vieh musste aus dem Stall. Da war ein Wehklagen und Jammern ringsum, ein Händeringen und Weinen bei den Frauen, aber auch ein Fäuste ballen bei den Männern. Manch einer hätte zum Dolch gegriffen, wenn Aussicht auf eine Flucht bestanden hätte. Aber diese Aussicht gab es nicht, die Krieger waren in der Überzahl und bewaffnet, und selbst wenn bei einem Kampfe die Soldaten des Königs den Dorfbewohnern unterlegen wären, so wusste man doch, dass in solchen Fällen bald hernach eine Strafexpedition heranzurücken pflegte, welche wahrscheinlich die Ortschaft dem Erdboden gleichgemacht haben würde. Ja, man kannte solche Beispiele und es blieb nichts anderes übrig, als den Nacken unter das Joch zu beugen. Seufzend gab man sich mehr oder weniger willig und schickte sich in das Los der Armut. Schlaue hatten ihre Schätze vergraben und lachten sich heimlich ins Fäustchen; aber meist bestanden Schätze aus ein paar Beuteln mit armseligen Münzen, und das wertvollste, das Vieh, wurde ja doch hinweggeführt. Als die Sonne des Mittags ihren Scheitelpunkt erreicht hatte, gebot Theiresias Einhalt und verlangte von dem Dorfältesten die Bewirtung ­seiner gesamten Truppe, natürlich aus dem Wenigen, was den Einwohnern des geschlagenen Ortes noch verblieben war. Und so bereiteten die Frauen schnell ein Mahl, und nicht das Schlechteste, denn man wusste, dass die Krieger in solchen Fällen auf fremde Kosten wählerisch genug waren. Dann standen die Leute von Kresos dabei mit hungrigen Mägen und sahen zu, wie die königliche Soldateska es sich schmatzend gut gehen ließ und dem Weine zusprach. Hernach ruhten die Krieger ein Stündchen in der Sonne und dann fand Theiresias, dass die Zeit zum Aufbruch gekommen sei. Weder er noch jemand aus dem Dorfe hatte den Reiter bemerkt, welcher oben auf dem Felsen, einem Standbild gleich, nach dem Dorfe hinabgeblickt hatte, unbeweglich, als sei er aus Stein. Er hatte lange genug alles, was sich da unten im Dorfe ereignete, genau beobachtet, bevor er endlich verschwand.

Theiresias aber ahnte nichts Schlimmes. Er ließ seine Männer aufbrechen, nachdem die Dorfbewohner die requirierten Tiere mit der Beute hatten beladen müssen, und wieder erhob sich ein herzzerreißendes Jammern und Wehklagen, als der Zug das Dorf verließ. Aber die Krieger störten sich nicht daran. Sie waren ähnliche Szenen gewöhnt. Und nicht nur das, der Wein von Kresos spukte noch in ihren Köpfen und namentlich ihren Beinen. Sie hielten sich nur schwer zu Pferde, und wer gehen musste, war vollends unsicher. Theiresias selbst hatte dem Weine gar lebhaft zugesprochen und sah manche Hütte von Kresos doppelt, so dass er sich schließlich sagte, dass die Beute, verglichen mit der Anzahl der Häuser, eigentlich klein sei. Fast wäre er wieder umgekehrt, wenn ihn nicht die Zeit dazu gemahnt hätte, für größere Eile zu sorgen.

„Wir wollen noch vor Abend die Schlucht passieren und hernach auf der Anhöhe unser Lager aufschlagen. Und bis dahin ist es noch ein schönes Stück Weg.“

Die Krieger suchten die Nachwirkungen des Weines zu überwinden. Sie machten Anstrengungen, voranzukommen, aber die aus dem Dorfe stammenden Tiere zeigten sich widersetzlicher als ihre Besitzer. Die Krieger hatten ihre liebe Not mit ihnen und so kam man nur langsam vorwärts, viel langsamer jedenfalls, als es Theiresias recht war.

„Es wird Abend werden, und wir werden gerade die Schlucht erreichen, brummte er ärgerlich. „Heda, Leute, macht, dass wir weiterkommen!“

Aber auch dieser Befehl fruchtete nicht mehr als die bisherigen.

Und so behielt Theiresias recht ... Als die Sonne sank, befand man sich am Fuße einer unheimlichen Felslandschaft, welche nicht gerade einladend wirkte. Theiresias entschloss sich, an Ort und Stelle zu lagern. Er gab also den Befehl zum Halten; die Krieger stiegen von ihren Pferden und man brachte Beutetiere und Beute nahe einer Felswand unter. In deren Schutz entzündete man auch ein mächtiges Feuer und Theiresias ließ Posten aufstellen.

Um Nahrung brauchte man sich nicht zu kümmern, man hatte ja aus Kresos genug Genießbares mitgebracht. Wasser gab es keines in der Nähe, dafür hatte man Wein. Man konnte also ohne weiteres die Nacht an dieser Stelle zubringen. Bald streckten die müden und berauschten Krieger ihre Arme und Beine von sich und begannen zu schnarchen. Nur die Posten durften das nicht tun; sie stützten sich auf ihre Lanzen und guckten in den Mond, der in unbegreiflicher Ferne sein Silberlicht vom samtdunklen Nachthimmel hernieder goss. Manch einer von ihnen dachte da wohl an seine Angehörigen, die ebenso wenig vor der Wut der Steuereintreiber sicher waren; es war ein Kreislauf, ein ewiges Jagen und Gejagt werden im Reiche König Telaus, und nun drohte auch noch der Krieg mit den Hethitern, welche den verbündeten Pharao in die Enge getrieben hatten. Da würde wohl auch griechisches Blut fließen ...

Was kümmerte das die hohen Herren, was den fremden Pharao, und was König Telaus, wenn nur sie selbst nichts von ihrer Nacht einbüßten ...

Und die junge, fremde Königin, welche den alternden König ganz mit ihren Reizen umgarnt hatte. Man sagte, sie sei schön ... Aber sie war keine Griechin, sondern Ägypterin, eine Tochter des Pharao – und fremden Glaubens. Man flüsterte sich zu, dass sie im Palast einen eigenen Tempel habe einrichten lassen, in welchem sie zu den Göttern ihrer Heimat bete, Götter, welche die Schädel von Vögel hatten ... Oh, man erzählte sich allerlei über Nif-Iritt ... Sie war Gesprächsstoff im ganzen Land, seit sie nach Griechenland gekommen war. Wie konnte auch eine Fremde dieses Volk verstehen und lieben? Sie war aus Ägypten gekommen und, wie man sich sagte, nicht aus freien Stücken. Die Herrscher hatten ein Bündnis schließen wollen, und die Heirat sollte dieses Bündnis festigen und besiegeln. Wie also konnte Nif-Iritt in Griechenland glücklich sein und sein Volk, seine Menschen begreifen? Mancherlei dachten und überlegten die Krieger in dieser Nacht, während der Wind durch die Felswände pfiff, ab und zu ein Nachtvogel aufflatterte, auf seinem Beutezug durch die Schluchten strich, und am Himmel die Sterne langsam, aber stetig ihre Bahn zogen. Bis einem von ihnen die Lider schwer wurden und er einnickte; auch Krieger bedürfen des Schlafes, besonders, wenn sie weite Märsche hinter und schwere Weine in sich

haben ... Und gerade dieser Mann hätte bemerken können, dass im Umkreis des Lagers nicht alles so war wie sonst. Die Tiere, welche in fremder Umgebung nicht so leicht Schlaf fanden, merkten es ... Hoben die Köpfe, sogen prüfend die Luft ein, gaben Laute der Unruhe von sich ... Doch die wachenden Krieger standen unbeweglich und starrten hinaus in die Nacht, auf ihre Lanzen gestützt, und derjenige, der seine Augen schon halb geschlossen hatte, kämpfte gegen Gott Morpheus Gewalt, die ihn zu übermannen drohte, einen aussichtslosen Kampf. Was tat denn auch ein kleines Nickerchen? Die anderen standen ja und wachten. Man konnte so schön mit geschlossenen Augen dahindösen! So würde die Zeit wie im Fluge vergehen. Man durfte sich nur nicht von der Ablösung erwischen lassen ... Doch da bewegte sich, unbemerkt von dem Posten, etwas hinter den nahen Felsblöcken ...

Schob sich behutsam, Stück für Stück unhörbar empor ...

Es war der Kopf eines kleinen Männchens, der sich zwischen den Felsen erhob. Sein Gesicht nahm einen angestrengten Anblick an und er lugte vorsichtig nach dem Lager hinab.

„Sie schlafen alle, das ist gewiss, bis auf die Wachposten, natürlich“, erklärte der Kleine. „So eine Pflichtvergessenheit! Jetzt sehe ich, dass sogar einer der Posten eingenickt ist. Das würde ich, wenn ich dort unten zu kommandieren hätte, gewiss nicht durchgehen lassen, so wahr meine Wiege in Persien stand!“

„Sei froh, dass du nicht in dem Lager kommandierst, Nebussor“, flüsterte ihm ein Zweiter zu, der neben ihm lag.

„Du hast recht, Jargo“, antwortete Nebussor. „Dort unten wird es gleich ganz anders aussehen. Lass nur erst unseren Herrn, den Prinzen Torgo, den Angriff befehlen! Heißa, das wird ein Tanz werden, auf den ich mich jetzt schon freue!“

Er rieb sich die Hände voll Vergnügen und kroch dann zurück, gefolgt von Jargo, der das Lager nicht aus den Augen ließ, bis sie sich ganz außer Sicht- und Hörweite entfernt hatten.

„Nun schnell zu Torgo“, sagte Jargo, sich vom Boden erhebend. „Der Zeitpunkt ist günstig und unsere Männer sind schon ungeduldig. Wir wollen nicht länger zögern!“

Nebussor, der Kleine, hatte Mühe, mit seinen kurzen, dünnen Beinchen Jargos großen Schritten nachzukommen. Ein wenig außer Atem langte er kurze Zeit darauf mit diesem auf der anderen Seite der Felsen an, welche sich nun zwischen ihnen und der Kriegertruppe steil erhoben. Hier gab es die Schlucht, von der Theiresias gesprochen hatte. Es war vollständig dunkel hier, doch ein aufmerksamer Lauscher hätte im Hintergrund Geräusche gehört. Sie stammten von den Pferden von Rudorus Truppe, welche ab und zu ein ungeduldiges Schnauben hören ließen. Ihre Herren, die abgesessen waren, befanden sich aber in nicht geringerer Ungeduld. Die Pferde merkten zuerst die Rückkunft der beiden Kundschafter und die Krieger erhoben sich.

„Wollt ihr nicht dafür sorgen, dass sie still sind“, zischte Jargo. „Wo ist Torgo?“

„Hier bin ich“, antwortete gleich darauf eine leise, aber klare Stimme. Und auch Rudorus ist hier. Was gibt es? Wie habt ihr sie gefunden?“

„Wie du sagtest, Herr. Der Wein hat sie berauscht“, antwortete Jargo. „Nun schlafen sie fast alle, sogar eine der Wachen.“

„Das ist gewiss“, bestätigte Nebussor. „Und wir können sie ganz ohne Gefahr überwältigen, so wahr meine Wiege im fernen Persien stand. Wir fallen einfach über sie her, und – murksen sie ab“, kam Rudorus Stimme aus dem Hintergrund, und der Räuber schob sich nach vorn.

„Nein“, widersprach Torgo, „es wird niemand getötet. Wir nehmen ihnen ihre Beute weg, das ist alles. Noch heute Nacht schaffen wir alles heimlich zurück nach Kresos.“

„Die Gesichter der Dorfbewohner möchte ich sehen, wenn sie morgen früh ihre Schafe, Schweine und ­Ziegen wiederfinden“, meinte Nebussor voll Freude über den Streich, welcher den Kriegern König Telaus gespielt werden sollte.

„Aber etwas müssen wir für uns behalten“, brummte Rudorus. „Schließlich haben wir die ganze Arbeit, und Hunger haben wir obendrein. Hunger ist eine schlechte Bezahlung für unsere Mühe, Torgo.“

„Sei ruhig, wir werden zu essen haben“, versicherte der Prinz.

Er gab das Zeichen zum Aufbruch. Die Männer saßen auf.

Der Zug setzte sich in Bewegung. Vorsichtig ritt man um die Felswand, und gelangte durch die nächtliche Schlucht bis zu deren Ausgang.

„Hei!“, rief Torgo plötzlich, und nun jagten sie in vollem Ritt auf das Lager der Griechen los.

Die Wachen brüllten auf, aber das nützte nicht mehr viel. Denn schon waren die Männer Torgos über die Krieger hergefallen, und noch ehe diese so recht zur Besinnung kamen, waren sie in einen wilden Kampf ver­wickelt und bald darauf überwältigt.

Voll Wut mussten sie hilflos mit ansehen, wie ihre Beute aus Kresos abgeführt wurde. Alles Schimpfen und Sträuben nutzte ihnen nichts. Die Männer Torgos hatten jeden einzelnen von ihnen sorgfältig gefesselt und auch den Hauptmann nicht geschont.

Ehe eine Viertelstunde vergangen war, waren Torgos Leute mit dem beschlagnahmten Eigentum der Bewohner von Kresos im Dunkel der Nacht verschwunden und marschierten in Richtung auf das Dorf. Schweigsam bewegte sich der Zug durch die Nacht. Nur die im Schlaf gestörten Tiere gaben zunächst unwillige Laute von sich. Als sie aber merkten, dass es die Richtung einzuschlagen galt, welche nach ihren gewohnten Ställen führte, waren sie willig und schlugen selbst eine rasche Gangart ein, welche das Vorwärtskommen der Truppe förderte. So war es etwa ein Uhr morgens, als man nach Kresos gelangte. Das Dorf lag um diese Stunde vollständig still und verlassen da. Die flachen Häuser standen lichtlos im Dunkel. In ihnen schliefen die Bewohner einen schweren, unruhigen und sorgenvollen Schlaf. Manch ein Familienvater hatte überhaupt keinen Schlummer gefunden. Die Sorgen ruhten wie eine schwere, drückende Last auf ihm; nicht minder schwer wie die Hand des Königs, der auf so gewaltsame Weise seine Steuern eintreiben ließ. Aber keiner von ihnen allen ahnte, was um diese Stunde auf dem Marktplatz vor sich ging.

Torgo und seine Männer banden die Tiere an den Brunnen und stapelten davor all die Dinge auf, welche König Telaus raue Krieger etliche Stunden zuvor aus dem Dorfe entführt hatten.

„Das nenne ich einen Streich, das ist gewiss“, jubelte Nebussor, als er dann vor dem fertigen Stapel stand. „Fürwahr, es ist ein wahrer Jammer, dass wir morgen früh schon weit von hier fort sein müssen ... Gar zu gern würde ich Zeuge des Augenblicks, wenn die ersten Dorfbewohner auf dem Platz erscheinen und ihr Eigentum wiedererkennen, das auf ganz wunderbare Weise in dieser Nacht ganz von selbst wieder zurück nach Kresos spaziert ist!“ Torgo aber drängte zum Aufbruch.

„Wir müssen fort“, sagte er. „Die Krieger werden sich befreien. Wir müssen sehen, dass wir sie auf eine andere Spur lenken, denn sonst kehren sie womöglich nach Kresos zurück und alle unsere Mühe ist vergebens gewesen!“

Roduros fand nach dem Gelingen dieses Streiches zum ersten Mal in seinem Leben Freude an einer selbstlosen Tat. Stillschweigend ritt er neben Torgo, als sie das Dorf verließen. Sie nahmen den Weg nahe dem Lager der Krieger am Fuße der Felsen vorbei und bemühten sich von da an, eine breite Spur zu hinterlassen, bis sie selbst in das Gebiet der Felsregionen gelangten, wo der Boden keine Fährte mehr annahm.

„Nun werden sie sich die Köpfe darüber zerbrechen, wo wir geblieben sind“, brummte Torgo. „Aber nach Kresos werden sie wohl nicht mehr zurückkehren. Sie wissen, dass die Bauern dort keine Pferde zur Verfügung haben.“

Kapitel 3

Im Tempel des Apollon Phoeibos zu Delphi hatte ein feierlicher Gottesdienst stattgefunden: König Telaus und Königin Nif-Iritt hatten sich entschlossen, in die Hauptstadt zurückzukehren und das Orakel um den günstigsten Tag für die Abreise befragt.

Nun stand der Tag fest. Der Hofstaat bereitete sich vor zum Aufbruch. Unter den Hofdamen der Königin befand sich nun auch Klytemnestra, welche den Tag ihrer Rückkehr zu Solon kaum erwarten konnte. Sil und Gül-Gül, die beiden Dienerinnen Nif-Iritts, hatten mit dem jungen Griechenmädchen bald Freundschaft geschlossen.

„Wir werden für die Rückreise einen anderen Weg wählen“, sagte Gül-Gül zu Klytemnestra. „Das Land ist frei von der Seuche, es ist Zeit, dass der König in die Hauptstadt zurückkehrt. Der Wasserweg ist bequemer als der über das Land.“

„Und außerdem“, setzte Sil hinzu, „werden wir auf diese Weise nicht Roduros, dem Räuber, und Prinz Torgo, der sich ihm zugesellt hat, begegnen.“

„Woher weißt du, dass sich der Prinz der Atlanter dem Räuber zugesellte?“, fragte Klytemnestra erstaunt.

„Man spricht allgemein davon“, antwortete Sil ausweichend. „Hast du schon deine Sachen gepackt? Es muss alles hinaus zu den Tragtieren gebracht werden.“

„Aber ich habe nichts zu packen“, versicherte Klytemnestra den beiden erstaunten Mädchen.

„So bist du mit nichts als dem, was du auf dem Leibe hattest, vor der Pest geflohen?“, fragte Gül-Gül verwundert.

„Aber nein“, warf Sil ein. „Sie fiel doch unter die Räuber. Es ist ein Glück, dass sie mit heiler Haut davon­gekommen ist.“

„Ich hatte keine Furcht“, versicherte Klytemnestra. „Ich fühlte mich sicher unter Torgos Schutz.“

Das Gespräch fand in der schlossartigen Villa statt, welche der König während seines Aufenthaltes in Delphi bewohnte. Der Raum, in welchem sich die drei Frauen unterhielten, befand sich unmittelbar neben demjenigen, welchen die Königin selbst bewohnte, und da man in Delphi einer leichten Bauweise huldigte, konnte Nif-Iritt, welche gerade von einem Spaziergang durch den Garten zurückkam, unschwer verstehen, was da gesprochen wurde.

„Wir umschiffen Euböa und werden durch den Kanal von Kaphereos fahren“, sagte eben Gül-Gül erwartungsvoll. „Der König hat ein großes Schiff beordert, welches uns aufnehmen wird.“

„Du scheinst gar nicht darüber erfreut zu sein“, meinte Sil verwundert und sah Klytemnestra von der Seite forschend an.

Tatsächlich hatte Klytemnestra in einem geheimen Winkel ihres Herzens heimlich gehofft, dem Manne, der ihre Träume erfüllte, Prinz Torgo, wiederzubegegnen. Und sie hatte sich eine Närrin gescholten ...